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Titel: Sturm bei der BBC – Stillstand beim deutschen Rundfunk
Datum: 11. November 2025 um 11:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik
Verantwortlich: Tobias Riegel
Wegen eines manipulierend geschnittenen Berichts über US-Präsident Donald Trump müssen jetzt hohe Funktionäre der britischen Rundfunkanstalt BBC ihren Stuhl räumen. Ist das eine Folge transatlantischer Übergriffigkeit oder zwingendes Nachspiel aus unseriösem Journalismus? Und was sagt der Vorgang über den deutschen Rundfunk aus? Wann folgen hier die personellen Konsequenzen aus den Kampagnen zu Corona, Aufrüstung, Wirtschaftsordnung, Energieversorgung und Kriegen? Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Chef der britischen Rundfunkanstalt BBC, Tim Davie, ist nach Vorwürfen zurückgetreten, der Sender habe Aussagen von US-Präsident Donald Trump verfälscht, wie die „Tagesschau“ berichtet. Auch Nachrichtenchefin Deborah Turness nimmt nach BBC-Angaben ihren Hut. Konkreter Auslöser war ein der Zeitung Daily Telegraph zugespielter interner BBC-Bericht, in dem es schwere Vorwürfe gegen die Berichterstattung des Senders gab – vor allem wegen der BBC-Dokumentation „Trump: A Second Chance?“, die einige Wochen vor der US-Wahl im vergangenen Jahr ausgestrahlt worden war.
In dem BBC-Beitrag wurde laut Spiegel ein Zusammenschnitt aus der Rede Donald Trumps vom 6. Januar 2021 gezeigt, in dem der Präsident sagte: „Wir werden gemeinsam zum Kapitol hinuntergehen, und ich werde bei euch sein, und wir kämpfen. Wir kämpfen wie die Hölle.“ Die Sätze stammten jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Passagen der Rede und ließen den Teil aus, in dem Trump seine Anhänger aufforderte, „friedlich und patriotisch“ ihre Stimme zu erheben. Der Film habe so den Eindruck erweckt, Trump habe die Erstürmung des Kapitols direkt befohlen.
Der Spiegel verniedlicht die mutmaßlich vorsätzliche Manipulation in der BBC-Doku übrigens als „fehlerhaften Schnitt“.
Trump droht dem Sender laut New York Times nun mit einer Klage über eine Milliarde US-Dollar. Dem Medium liegt eigenen Angaben zufolge ein Schreiben von Trumps Anwalt an die BBC vor. Dieses soll die vollständige Rücknahme der Dokumentation, eine Entschuldigung und Zahlungen, die Präsident Trump „angemessen für den verursachten Schaden entschädigen“, fordern, wie auch die BBC berichtet.
Endlich Konsequenzen für Medien-Manipulation?
Ein erster Impuls angesichts dieser Vorgänge kann sein, die Rücktritte zu begrüßen, nach dem Motto: Endlich gibt es nach belegten Medien-Manipulationen mal Konsequenzen, endlich müssen Verantwortliche tatsächlich ihren Hut nehmen. Daran anschließend drängt sich die Frage auf: Warum mussten hohe Repräsentanten von ARD und ZDF nicht längst in vergleichbarer Weise für die manipulative Berichterstattung zu Corona, Gaza, Vorgeschichte des Ukrainekriegs und zu vielen anderen Themen (allein aus den letzten Jahren) geradestehen?
Eine andere Seite der Medaille ist die Tatsache, dass die übermächtigen USA sich bei dem Vorgang in die Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen – schließlich droht Trump mit einer Milliarden-Klage gegen die BBC und mutmaßlich auch mit dem Entzug der Akkreditierung für den britischen Sender im Weißen Haus. Das US-Verhalten kann als transatlantische Übergriffigkeit gedeutet werden, auch wenn das manipulierte Video tatsächlich viel Anlass zur Empörung bietet.
Die britischen Verantwortlichen sind da in einer Zwickmühle: Sind die Rücktritte ein Akt der Unterwürfigkeit gegenüber Trump? Wäre die Verweigerung dann ein Akt der Souveränität gewesen?
Thematische Doppelstandards
Ein weiteres Thema des Vorgangs sind die thematischen Doppelstandards: Wenn es gegen Trump geht, dann gibt es tatsächlich Konsequenzen in manchen Medien, es rollen manchmal sogar Köpfe. Zu den Themen Gaza, Russland, Corona, Energieversorgung oder zu den „Segnungen“ der neoliberalen Wirtschaftsordnung kann dagegen manipuliert werden, dass sich die Balken biegen, ohne dass es in den allermeisten Medien auch nur eine angemessene Entschuldigung dafür geben würde – von personellen Konsequenzen ganz zu schweigen.
Das aktuelle Verhalten der US-Regierung kann zusätzlich demonstrieren, wie es sich anfühlt, wenn ein mächtiger Staat dem Rundfunk eines anderen Landes Propaganda vorwirft. Das handhaben Stimmen aus Deutschland in exzessiver Weise gegenüber zahlreichen Ländern, die als „autokratisch“ markiert worden sind. Dass diese Praxis nun mal ein westliches Mediensystem trifft, könnte auch zu Einsichten hierzulande führen.
Sturm bei der BBC – Stillstand beim deutschen Rundfunk
Außerdem – auch wenn die aktuellen US-Angriffe auf die BBC sich (überwiegend) selektiv auf manipulative Berichte zu Donald Trump beschränken und zahlreiche andere Manipulationen dadurch unerwähnt bleiben: Der Druck der US-Regierung auf die BBC hat nun in Großbritannien eine große Debatte über den dortigen öffentlichen Rundfunk und seine Ausgewogenheit ausgelöst – vielleicht kann aus dieser Debatte auch Gutes und mehr Meinungsvielfalt für die englische Medienlandschaft entstehen?
Auch in Deutschland gibt es eine leidenschaftliche Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber was bringt die, wenn sie (wie bisher) fast ohne Konsequenzen bleibt? Darum kann festgestellt werden: Je mehr der Rundfunk in anderen Ländern in Bewegung ist, umso deutlicher erscheint der Stillstand der Aufarbeitung beim deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesichts von dessen Manipulationen zu zahlreichen Themen.
Titelbild: Primakov / Shutterstock
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