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Titel: „Unser Land lebt vom Export”

Datum: 11. November 2025 um 16:37 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Medienkritik
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Das meint der Sprecher der Geschäftsleitung von KSB, einer Pumpen- und Armaturenfabrik in Frankenthal, in einer Lobeshymne auf Bundeskanzler Merz anlässlich dessen 70. Geburtstags. Diese Einlassung findet sich auf der dritten Seite meiner Tageszeitung, der Rheinpfalz, auf der ersten Seite wird Merz mit Adenauer im Hintergrund abgebildet. Die dazu passende Überschrift lautet: „In Adenauers Fußstapfen“. Zu beiden Einlassungen bleibt Kritisches anzumerken. Von Albrecht Müller.

Zu „Unser Land lebt vom Export“:

Das ist eine der üblichen Einlassungen von Menschen, die gelernt haben, in Geldgrößen, in monetären Größen zu denken und daraus ihre Bewertungen und Werturteile abzuleiten. Es ist aber sinnvoll und für eine korrekte Beurteilung des Geschehens notwendig, in realen Größen zu denken und danach zu urteilen. Wir essen nämlich Äpfel, wir essen Fleisch und Brot und keine Dollarnoten. Und wir fahren Auto oder Fahrrad. Wir leben nicht vom Export von Autos und so weiter. Und wenn wir einen besonders großen Überschuss an Exporten von Gütern und Dienstleistungen im Vergleich zum Import von Gütern und Dienstleistungen „erwirtschaften“, dann machen wir ein besonders schlechtes Geschäft. Dann haben wir nämlich mehr Wohlstand nach draußen exportiert, als wir durch Importe und durch interne Produktion uns selbst zur Verfügung gestellt haben.

Wir leben von Export, das gilt vielleicht aus der einzelwirtschaftlichen Sicht des Pumpenherstellers aus Frankenthal.– Wenn auch nicht ganz. Auch dieses Unternehmen wird einen Teil, vielleicht einen größeren Teil seiner Produktion im Inland absetzen. Wenn KSB den größeren Teil seiner Produktion exportiert, dann kann man davon sprechen, dass der Export einen großen Teil des Umsatzes ausmacht und dann auch die Basis für einen Teil der Gewinne des Unternehmens darstellt. Wenn man oberflächlich formulieren will, dann könnte man sagen: KSB lebt vom Export.

Noch einmal zurück zur volkswirtschaftlichen Betrachtung: Immer, wenn der Export von Gütern und Dienstleistungen größer ist als der Import, werden Ressourcen netto nach draußen geschickt, man könnte auch sagen: verscherbelt.

Noch eine Anmerkung zum Verständnis des Managers von KSB: Zum einen, zur betrieblichen, einzelwirtschaftlichen Betrachtung: Wenn er gesagt hätte „KSB lebt vom Export“, dann wäre das vermutlich nicht ganz falsch gewesen. Zur volkswirtschaftlichen Betrachtung: Es ist üblich, den Export in seiner Bedeutung zu überhöhen und deshalb auch Exportüberschüsse für einen Wohlstandsgewinn zu halten. Das Gegenteil ist richtig. – Man kann sich das einfach merken: wir essen keine Dollarnoten, wir essen Äpfel, Kartoffeln, Bananen usw.

Zu: Merz „In Adenauers Fußstapfen“

Diese Zuordnung hat für einen Sauerländer, also für einen konservativen Abkömmling einer Region aus der alten Bundesrepublik, durchaus und mit Recht einen positiven, einen sehr positiven Beigeschmack. Aber diesen Beigeschmack hat es schon einmal für all jene Westdeutschen, die Adenauer nicht für einen Glücksfall hielten, nicht.

Für Menschen, die zu Adenauers Zeiten in der DDR gelebt haben, gilt das keinesfalls. Adenauer hat sich um die sogenannte Wiedervereinigung nicht gekümmert, er hat nichts dafür getan. Er hat die Westintegration, auch die Integration in westliche, militärische Strukturen der NATO ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschen in der DDR betrieben. Er hat sie auch ohne Rücksicht darauf betrieben, dass seine sogenannte Wiederbewaffnung und Westintegration die Möglichkeit zu einer frühen Vereinigung, wie es zum Beispiel Österreich geschafft hat, blockiert und verschlossen hat. Damals, Anfang der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts, gab es Angebote der Sowjetunion, die auf eine Wiedervereinigung hinausgelaufen wären. Darauf hat sich Adenauer nicht eingelassen – auch aus engstirnigen, konfessionell, d. h. katholisch geprägten parteipolitischen Gründen.

Wenn es eine frühe Wiedervereinigung, also etwa 1952 oder 1954, gegeben hätte, dann wäre schon innerhalb der CDU/CSU die Dominanz des katholischen Teils geschwächt worden, im Gesamtstaat wegen des höheren Anteils an Protestanten in der DDR sowieso. Und dann hätte die CDU/CSU die politische Macht, die sie damals hatte und die sich zum Beispiel bei der Bundestagswahl 1957 in einer absoluten Mehrheit der Mandate ausdrückte, nicht erreicht. 

Titelbild: Rheinpfalz


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