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Titel: Quo vadis, BSW?
Datum: 12. Dezember 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: BSW
Verantwortlich: Maike Gosch
Wie geht es weiter für das BSW nach dem 3. Bundesparteitag in Magdeburg am letzten Wochenende? Und was bedeuten die dort entschiedenen Personalveränderungen und -rochaden für die Zukunft der Partei? Ein Artikel von Maike Gosch.
Parteigründerin, Namensgeberin und Leitfigur der Partei, Sahra Wagenknecht, gibt den Parteivorsitz (den sie gemeinsam mit Amira Mohamed Ali innehatte) ab und wird in Zukunft eine neu zu gründende Grundwertekommission leiten. Neue Parteivorsitzende werden der Finanzexperte und ehemalige Linke-Politiker Fabio De Masi und – wie gehabt – die Hamburger Juristin Amira Mohamed Ali. Generalsekretär ist nicht mehr der Bochumer Christian Leye, sondern der ehemalige 1.-FC-Union-Fußballmanager Oliver Ruhnert. Unternehmer Ralph Suikat zieht sich als Schatzmeister zurück, neue Schatzmeisterin wird die Sächsin Silke Heßberg. Suikat ebenso wie Leye bleiben aber dem Parteivorstand als stellvertretende Parteivorsitzende erhalten. Lukas Schön bleibt Bundesgeschäftsführer.
Was bedeuten diese Personalveränderungen und -rochaden für die Zukunft der Partei?
Fabio De Masi ist kommunikationsstark, rational und analytisch, kann aber auch emotional und kämpferisch sein, wie er bei seiner Rede auf dem Parteitag bewies. Seit seiner Zeit im Wirecard-Untersuchungsausschuss genießt er Anerkennung auch über die Parteigrenzen hinweg. Er schafft es, in einem Maß Brücken in den „Mainstream“ zu bauen, wie es Sahra Wagenknecht nicht immer vermag. Aus Parteikreisen verlautet, dass er ein guter Kommunikator ist, und zwar nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch im Austausch mit seinem Team und Parteimitgliedern, sodass sich durch diese Neubesetzung auch die – bisher nicht immer gut funktionierende – Kommunikation innerhalb der Partei verbessern könnte – wobei fairerweise gesagt werden muss, dass sicher viele dieser Probleme der massiven Überlastung der Führungsriege in den letzten 1,5 Jahren geschuldet waren.
Damit kommen wir zu einer zweiten Veränderung: Die Arbeit wird jetzt auf deutlich mehr Schultern verteilt werden. Allein der Parteivorstand wird zukünftig aus 13 Personen bestehen. Dazu kommen noch 15 Beisitzer im Parteivorstand. Das ist ein kluger Schritt, da in der Anfangszeit des BSW sehr viele Fehler, die begangen wurden, auch durch Zeit- und Personalmangel und Überforderung der Führung (und ihres Teams) verursacht wurden. Wir werden in nächster Zeit sehen, ob diese vermeidbaren Fehler weniger werden, jetzt wo die Parteispitze personell verstärkt ist.
Der intern beliebte Christian Leye, dessen linke und gewerkschaftsnahe Herkunft bei jeder Rede deutlich wird, wird nun nur noch im Parteivorstand tätig sein. Nach seinem starken Einsatz als Generalsekretär beim Parteiaufbau und der Organisation von fünf Wahlen in kürzester Zeit ist es verständlich, dass er jetzt ein wenig kürzertreten möchte. Es gab zwar im Vorfeld des Parteitags innerparteilich Gerüchte, dass Leye wegen seiner klassisch linken Position in sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Fragen durch den Union-Berlin-Manager Oliver Ruhnert ersetzt werden sollte, um mehr Selbstständige und mittelständische Unternehmer anzusprechen, der wahre Grund liegt aber vermutlich eher in dem Wunsch, Leye nicht zu „verbrennen“ und langfristig für die Parteispitze zu erhalten.
Das Gleiche gilt vermutlich für den Wechsel Sahra Wagenknechts in die Grundwertekommission. Auch bei dieser Entscheidung spielte sicher eine Rolle, wie sehr Wagenknecht sich in den letzten 1,5 Jahren verausgabt hatte, um die Partei in Rekordzeit und im Angesicht vieler Hürden aufzubauen. Leiterin einer Grundwertekommission, in der das Parteiprogramm erarbeitet und grundsätzliche inhaltliche Fragen geklärt und entwickelt werden sollen, scheint die perfekte Position für Wagenknecht zu sein, um einerseits von den massiven Belastungen und organisatorischen Details des Parteivorstands zumindest teilweise befreit zu werden, andererseits ihre ganz speziellen Stärken im Bereich der politischen Theorie, Programmatik und auch der politischen Kommunikation für die junge Partei zu nutzen.
Inhaltlich bedeuten die Personalveränderungen absehbar keine Neuausrichtungen oder Veränderungen – dafür ist zu viel Kontinuität in Personen und Positionen ersichtlich. Es geht aber beim BSW ja auch erstmal überhaupt um eine stärkere Entwicklung ihres Profils und ihrer Positionen. Insgesamt wirken die Veränderungen wie eine „Verstärkung“ des Teams durch mehr Personal und ein Verschieben einiger Personen auf für sie passendere Positionen als vorher.
Grabenkämpfe
Der Parteitag war natürlich nicht ohne Spannungen. Insbesondere wurde der Konflikt der Bundespartei mit Katja Wolf und dem Thüringer Landesverband noch einmal offensichtlich. Die Thüringer wurden deutlich kritisiert und ihr schwaches Verhalten in der Regierungskoalition als einer der Gründe für die sinkenden Zustimmungswerte für das BSW kurz vor der Bundestagswahl verantwortlich gemacht. Katja Wolf selbst hielt sich auf dem Parteitag auffallend zurück, verteidigte aber im Nachgang in einigen Interviews ihre abweichende Position.
Aber auch wenn dieser „Grabenkampf“ von den meisten Medien natürlich gern ausgebreitet wird – immer mit deutlichen Sympathien für die Thüringer und gegen die Parteiführung – scheint der Streit seit dem Parteitag innerparteilich weitgehend erledigt, da die Kritik an den Thüringern nicht nur von der Parteispitze geübt, sondern auch von der Parteibasis geteilt wird. Der einzige Thüringer Kandidat bei den Wahlen zum stellvertretenden Bundesvorsitz, Dirk Hoffmeister, fiel mit 12,9 Prozent der Stimmen bei den Delegierten durch, die Rede von Steffen Schütz, dem Thüringer Minister für Digitales und Co-Landesvorsitzenden, wurde von Buhrufen begleitet.
Wie wird es jetzt weitergehen?
Das BSW arbeitet weiter an einer Neuauszählung der Bundestagswahl, da es wahlentscheidende Fehler bei der Auszählung vermutet und dafür auch starke Indizien gefunden hat. Der Wahlprüfungsausschuss hat nach monatelanger Verzögerung nun seine Empfehlung ausgesprochen, die Forderung nach einer Neuauszählung zurückzuweisen. Am 18. Dezember 2025 wird es dazu eine halbstündige Aussprache und Abstimmung im Bundestag geben, die sehr wahrscheinlich mit einer negativen Entscheidung für das BSW enden wird. Das BSW wird dann das Bundesverfassungsgericht (erneut) anrufen und rechnet nach eigenen Angaben dann mit einer Entscheidung innerhalb von Wochen oder Monaten, sodass voraussichtlich (bei positiver Entscheidung des BVerfG) im Frühjahr 2026 mit einer Neuauszählung oder sogar einer Neuwahl zu rechnen ist. Dann würden die Karten ganz neu gemischt und es könnte zu einem Wiedereinzug des BSW in den Bundestag kommen.
Aber was können wir vom BSW erwarten, wenn das BVerfG sich gegen eine Neuauszählung oder Neuwahl ausspricht?
Im nächsten Jahr stehen allein fünf Landtagswahlen und einige Kommunalwahlen an. Wird das BSW, das nach den neuesten Umfragen von INSA bundesweit bei 4 Prozent liegt, den Einzug in einige Landtage schaffen? In den westlichen Bundesländern, in denen Wahlen anstehen, steht das BSW bei 3 Prozent (Baden-Württemberg) und 3,7 Prozent (Rheinland-Pfalz), in Berlin bei 4,6 Prozent, in den östlichen Bundesländern deutlich höher, mit 7 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) und 6 Prozent (Sachsen-Anhalt). Es wird sich zeigen, ob die Partei, die erst vor einem Jahr den letzten Landesverband gegründet hat und erst in den letzten Monaten vermehrt Mitglieder, die teilweise über ein Jahr auf Wartelisten ausharrten, aufnehmen konnte, nun auch in den Ländern stärker landesspezifische politische Programme aufstellen und über die Basisarbeit mehr Unterstützung in den Ländern und den Kommunen aufbauen kann.
Seitdem das BSW bei der Bundestagswahl 2025 (eventuell) knapp den Wiedereintritt in den Bundestag verpasst hat, schien es hauptsächlich mit internen Querelen, Personal- und Programmklärungen und insbesondere ihrem Rechtsstreit um die Neuauszählung beschäftigt zu sein. Das kann man kritisieren, der Parteitag hat aber immerhin gezeigt, dass es bei der intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst zu vernünftigen organisatorischen und personellen Entscheidungen für die Zukunft gekommen ist.
Jetzt wird es höchste Zeit für die Partei, ihren Fokus wieder nach außen zu richten. Die Menschen in Deutschland, die potenzielle Wähler der Partei sind, brauchen jetzt klare Ansagen dazu, was das BSW für sie und das Land erreichen will und kann.
Denn auch wenn sowohl die Medien in Deutschland als auch viele enttäuschte Unterstützer der Partei, die vielleicht zu große Hoffnungen in 2024 und 2025 auf sie gesetzt haben, Kritikpunkte über Kritikpunkte an der Partei finden können, so sollte nicht aus dem Blickfeld geraten, dass das Spitzenpersonal des BSW über ein Ausmaß an politischer Sachkompetenz, sozialem Bewusstsein und moralischer Integrität bei Themen wie Rente, Gaza oder Ukraine verfügt, die wir bei der aktuellen Bundestag-Besetzung schmerzlich vermissen.
Titelbild: Screenshot Livestream 3. Bundesparteitag des BSW
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