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Titel: Volks- und Raiffeisenbanken – die Mini-Finanzkrise schwelt weiter

Datum: 26. Dezember 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation
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Das nun auslaufende Jahr 2025 war in wirtschaftlicher Hinsicht durch Nullwachstum, Insolvenzen, hohe Energiepreise und nicht enden wollende Hiobsbotschaften aus Schlüsselbranchen wie Automobil und Chemie geprägt. Dabei ist fast völlig aus dem Blick geraten, dass in der hiesigen Bankenlandschaft, genauer gesagt in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, seit gut anderthalb Jahren eine Mini-Finanzkrise schwelt. Aktuell befinden sich sechs Institute unter dem Rettungsschirm des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), nachdem es jahrelang so gut wie gar keine Stützungsaktionen gab. Insgesamt 1,5 Milliarden Euro stehen im Feuer. Von Thomas Trares.

Der jüngste Problemfall ist das Bankhaus RSA aus dem oberbayerischen Rechtmehring, bei dem eine Finanzlücke von 60 Millionen Euro klafft. Das Institut hat sich mit Gewerbeimmobilien übernommen und steht vor der Übernahme durch „meine Volksbank” Raiffeisenbank mit Sitz in Rosenheim. Das Desaster hatte sich bereits im Mai abgezeichnet, als Vorstandschef Alfred Pongratz überraschend seinen Hut nahm, im Oktober musste das Institut dann gestützt werden. Bei der RSA handelt es sich um eine ausgesprochen kleine Bank mit einer Bilanzsumme von 1,2 Milliarden Euro und fünf Filialen. Ähnlich gelagert ist der Fall der Raiffeisenbank Bad Schussenried-Aulendorf, die im September einen Sanierungsbedarf von knapp 21 Millionen Euro angemeldet hatte. Auch hier waren riskante Immobiliengeschäfte der Auslöser. Das Institut, das auf eine Bilanzsumme von 340 Millionen Euro kommt, wurde inzwischen von der VR-Bank Donau-Oberschwaben übernommen.

Seit 2024 unterm Rettungsschirm

Die restlichen vier Stützungsfälle sind die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, die Volksbank Düsseldorf Neuss, die Volksbank Dortmund-Nordwest und die Raiffeisenbank im Hochtaunus. Diese befinden sich zum Teil schon seit Mitte 2024 unter dem Rettungsschirm und sind auch deutlich größer. Bei der Raiffeisenbank im Hochtaunus etwa hat sich das Finanzloch im Laufe dieses Jahres auf 500 Millionen Euro ausgeweitet, zunächst war hier nur von 400 Millionen Euro die Rede. Inzwischen ist das Institut mit der Volksbank Mittelhessen mit Sitz in Gießen verschmolzen worden. Ferner ist bei der Volksbank Düsseldorf Neuss der Finanzbedarf auf 200 Millionen Euro angewachsen, nachdem man lange Zeit von 100 Millionen Euro ausgegangen war. Größter Stützungsfall ist aber nach wie vor die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden mit 560 Millionen Euro.

Auffällig ist, dass sich alle sechs kriselnden Institute in irgendeiner Form mit Immobilien verhoben haben. Ein Grund dafür sind die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die einen Preisrutsch bei den Gewerbeimmobilien ausgelöst haben, von dem sich der Markt bis heute nicht erholt hat. Das Bankhaus RSA etwa gab als Ursache für seine Schieflage neben zu schnellem Wachstum und mangelnder Diversifizierung auch steigende Zinsen und schwindende Immobilienwerte an. Ähnlich sieht es bei der Raiffeisenbank Bad Schussenried-Aulendorf aus, der Sonderabschreibungen auf Immobilien im Bodenseeraum zum Verhängnis wurden. Bei den vier Altfällen sticht die Volksbank Dortmund-Nordwest heraus, die sich mit Immobilien-Spezialfonds regelrecht verzockt hat.

Bilanzloch nach Betrugsfall

Bei der Volksbank Düsseldorf Neuss indes hat der Betrugsfall rund um das französische Modeunternehmen Kiabi ein Loch von 100 Millionen Euro in die Bilanz gerissen. Die Volksbank hatte auf Betreiben der inzwischen inhaftierten früheren Kiabi-Finanzchefin Aurélie Bard im Sommer 2023 insgesamt 100 Millionen Euro in die Türkei überwiesen. Danach verliert sich die Spur des Geldes. Staatsanwaltschaften in mehreren Ländern ermittelten daraufhin wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue. Der Ruf der mehr als 140 Jahre alten Volksbank Düsseldorf Neuss hat dadurch gelitten. Der Vorstand wurde ausgetauscht, der für die Überweisung verantwortliche Mitarbeiter entlassen. Zudem wird die bisherige Hauptstelle auf der Düsseldorfer Prachtmeile Königsallee aufgegeben. Die Fusion mit der benachbarten Volksbank Krefeld steht unmittelbar bevor.

Unter dem Strich beziffern sich die Belastungen aus diesen sechs Fällen auf 1,5 Milliarden Euro. Sämtliche Risiken werden durch Garantien der Sicherungseinrichtung des BVR abgedeckt. In diesen Haftungsverbund zahlen alle BVR-Mitgliedsbanken ein, um in Not geratene Gruppenmitglieder zu stützen. Der genossenschaftliche Finanzverbund hat derzeit rund 670 Mitgliedsbanken, dazu zählen die Volksbanken, Raiffeisenbanken, PSD Banken, Sparda-Banken, aber auch das genossenschaftliche Zentralinstitut DZ Bank, die genossenschaftlichen Hypothekenbanken wie die DZ Hyp und sonstige Spezialinstitute wie die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die Fondsgesellschaft Union Investment.

Probleme noch beherrschbar

Außerhalb der Wirtschafts- und Lokalpresse haben die Krisenfälle bislang kaum Wellen geschlagen. Dies dürfte daran liegen, dass die Probleme bislang noch innerhalb des Genossenschaftsverbundes lösbar sind. In der konsolidierten Jahresbilanz der genossenschaftlichen Finanzgruppe haben die Stützungsaktionen bereits 2024 zu einem Anstieg der Risikovorsorge um fast das Dreifache auf 4,87 Milliarden Euro geführt. Das Vorsteuerergebnis sank dadurch um ein Viertel auf 10,8 Milliarden Euro. Bei der Risikovorsorge handelt es sich um eine Rückstellung, mit der sich Banken gegen tatsächliche und drohende Verluste im Kreditgeschäft wappnen. Der BVR selbst hat inzwischen Konsequenzen aus all den Pleitefällen gezogen und die Überwachung und Interventionsmöglichkeiten verschärft.

Doch damit ist die Krise noch lange nicht ausgestanden, wie zwei aktuelle Fälle aus Niedersachsen zeigen. So hat sich die Hannoversche Volksbank offenbar mit dem Hamburger Immobilieninvestor Immac verspekuliert. Die auf Pflegeimmobilien spezialisierte Gesellschaft musste Ende Oktober Insolvenz anmelden. Die Hannoversche Volksbank hatte erst vor rund zwei Jahren die Mehrheit an Immac erworben. Der Schaden, der auf das Hannoveraner Geldhaus zukommen könnte, soll bei rund 40 Millionen Euro liegen. Darüber hinaus steht die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg (Brawo) inzwischen unter der Beobachtung der BVR-Sicherungseinrichtung. Die Gründe sind das komplexe, immobilienlastige Geschäftsmodell und die regionale Abhängigkeit von dem kriselnden Automobilhersteller Volkswagen (VW).

Volksbank Konstanz wird zur Skandalbank

Etwa anders gelagert, dafür aber umso spektakulärer ist der Fall der Volksbank Konstanz. Das Geldhaus hatte eine Zeitlang mit dem Finanzinfluencer Tomislav Primorac, der unter dem Namen „Immo Tommy“ bekannt ist und in sozialen Netzwerken bis zu zwei Millionen Follower hatte, in einer dubiosen Geschäftsbeziehung gestanden. Die Volksbanker hatten dabei reihenweise überteuerte Immobilien finanziert, die sie selbst nie besichtigt hatten. Am Ende standen „80 auffällige Kreditengagements“ und ein Wertberichtigungsbedarf von knapp 23 Millionen Euro. Inzwischen ist das Institut in der benachbarten Volksbank Oberschwaben-Bodensee aufgegangen, der Rettungsschirm des BVR wurde aber nicht Anspruch genommen.

Der Fall ähnelt übrigens dem der VR-Bank Bad Salzungen-Schmalkalden, die oft auch als Effenberg-Bank bezeichnet wird. Die Regionalbank aus Thüringen hatte vorübergehend den ehemaligen Fußballprofi Stefan Effenberg engagiert, um das Geschäft mit Fußballkrediten zu promoten. Zudem unterhielt das Institut Bordell-Immobilien in Oberhausen, Weideflächen für Bisons in der Oberlausitz und einen fünfstöckigen Plattenbau auf Sylt. Am Ende musste die Bank mit 560 Millionen Euro gestützt werden. Damit ist sowohl bei der Effenberg-Bank als auch bei der Volksbank Konstanz der Ausflug einer Provinzbank in die große weite Welt des Glitzers und des Glamours zu einem Debakel geworden.

Titelbild: TobiasTropper/shutterstock.com


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