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Titel: Rezension: „Mit Herz und Verstand“ – Protestantische Frauen im Widerstand gegen die NS-Rassenpolitik

Datum: 11. November 2013 um 12:12 Uhr
Rubrik: Rezensionen
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Wir kennen inzwischen die brutalen Macht – Konstellationen des deutschen Faschismus, gefördert von gewissenlosen Industrie-Herrschaften. Wir wissen – historisch belegt – von furchtbaren Fakten über mörderische Soldaten und willige Mittäter im Alltag, fanatische Männer und Frauen. Die entsetzlich bequeme Ignoranz abertausender Mitläufer beiderlei Geschlechts ist uns bekannt. Und wir sollten sie betrauern, im Nachhinein, alle jene Opfer der Willkür unserer Vorväter und Vormütter. Einiges ist inzwischen auch über die wenigen Widerstandskämpfer, z.B. des 20. Juli 1944 geschrieben und analysiert worden. Wenig wissen wir aber über eine vergleichsweise kleine Anzahl von Frauen, die in Deutschland ab 1933 bis 1945 innerhalb der evangelischen „Bekennenden Kirche“ äußerst mutig und tatkräftig sich zur riskanten Rettung jüdischer Mitbürger einsetzten. Von Marianne Bäumler.

Selbst Otto Dibelius und Martin Niemöller, zwei prominente Führungsmänner der Kirchenopposition, hatten noch 1937 verlautbart, „die Frauenbewegung der Weimarer Republikzeit habe die Frauen bedauerlicherweise dazu verleitet, sich für die Politik zu interessieren, sich in weltlichen Vereinen zu betätigen und über Gebühr am öffentlichen Leben teilzunehmen.“

So ernüchternd kennzeichnet Prof. Manfred Gailus als Herausgeber dieses detailgenauen Sammelbandes, den fatalen Hintergrund einer völlig unzureichenden christlichen Opposition im Nationalsozialismus. Was hätte wohl alles an zornigem Widerstand innerhalb der Institution Kirche zur Rettung von Millionen Menschen stattfinden können, wenn auch die weibliche Hälfte dazu ermutigt worden wäre. Wie Manfred Gailus schon in seiner wunderbaren Biographie „Mir aber zerriss es das Herz“ über die posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrte Lehrerin Elisabeth Schmitz recherchierte, war es jener sowohl kluge als auch empathische Eigensinn, mit dem diese Frau vielen Menschen konkret half.

In ihrer auf Matrizen gefertigten „Denkschrift gegen die Judenverfolgung“ konnte Elisabeth Schmitz 1935 in Berlin wenigstens eine Minderheit über die vernichtenden Resultate des Rassenwahns informieren. Dieser aktuelle Band dokumentiert nun eine Reihe weiterer weiblicher Persönlichkeiten, die durch ihre praktizierte christliche Solidarität Zeugnis ablegten, dass es eigentlich große Spielräume für Humanität gab, wenn sich nur mehr Mitmenschen mutig eingesetzt hätten.

Manfred Gailus, Clemens Vollnhals (Hg.),
Mit Herz und Verstand – Protestantische Frauen im Widerstand gegen die NS-Rassenpolitik,
Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Vandenhoeck & Ruprecht, 280 S.; 29,99 Euro.


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