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Titel: Die Studie der Otto Brenner Stiftung zur Querfront ist vom Netz genommen. Haben Sie irgendwo in den eifrig verbreitenden Medien diesen Rückzug als Nachricht gefunden?

Datum: 1. Oktober 2015 um 16:20 Uhr
Rubrik: Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich:

Wir hatten über diese angebliche Studie berichtet, unter anderem hier. Jetzt heißt es auf der Webseite der Stiftung, das „Arbeitspapier“ sei zurzeit wegen juristischer Schritte nicht verfügbar. Die Otto Brenner Stiftung und ihr Autor Storz haben damit eine bewährte Methode angewandt: etwas Unfertiges, etwas Falsches, etwas geradezu Groteskes in die Welt zu setzen, PR dafür zu machen, und dann das Machwerk zurückzuziehen. Vom Rückzug wird aber von eben jenen eifrigen Medien nicht mehr berichtet. Die Parolen sind in der Welt – einschließlich der damit verbundenen miesen Angriffe auf verschiedene Personen. Weil in dem Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung die „traditionellen Medien“ als im Großen und Ganzen in Ordnung dargestellt werden, verbinde ich den Hinweis auf den Rückzug der sogenannten Studie mit ein paar aktuellen Glanzleistungen unserer Medien. Albrecht Müller

Zunächst noch der Hinweis auf jene Medien, die über die „Studie“ berichtet und deren Angriffe meist auch aufgenommen haben, die aber den Rückzug nicht entsprechend kommentiert haben. Kein Bedauern. Keine Wiedergutmachung für die angegriffenen Personen.

Zu den Medien, die teilweise schon vor Veröffentlichung der Studie, nämlich am 16. August, ausführlich und mit entsprechender Stoßrichtung gegen die von der Studie angegriffenen und im Kübel der angeblichen Querfront verrührten Personen erschienen, gehören unter anderen die Frankfurter Rundschau, die Berliner Zeitung, der Berliner Tagesspiegel, der Deutschlandfunk, die TAZ, Telepolis, Kontext Wochenzeitung, Finanzen.net, Meedia …

Zwei Beispiele für neue Glanzleistungen unserer traditionellen Medien im Bereich der Manipulation und Abwiegelung:

  1. Das ZDF hält die Diffamierung des neuen Labour-Vorsitzenden als „linker Spinner“ für einen Beleg journalistischer Gründlichkeit

    Die NachDenkSeiten hatten am 13. September davon berichtet, dass das ZDF in der heute-Sendung vom 12. September den neu gewählten Vorsitzenden Corbyn mit dem Etikett „linker Spinner“ versehen hatte.

    Daraufhin schrieb der Journalist Fabian Scheidler folgendes an die Zuschauerredaktion des ZDF:

    Datum: 14:09:2015

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    in der “Heute”-Sendung vom 12.9., 19 Uhr, fiel über den neuen Vorsitzenden der britischen Labour Party, Jeremy Corbyn, folgender Satz: “Der überzeugte Radfahrer und Vegetarier gilt nicht nur Konservativen als linker Spinner.” Als Journalist bin ich entsetzt über diese Diffamierung eines Politikers, der in der Tradition europäischer Sozialdemokratie tief verwurzelt ist, und fordere die “Heute”-Redaktion auf, sich für diese untragbare Äußerung öffentlich zu entschuldigen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fabian Scheidler

    Die Antwort des ZDF kam am 22. September; wir geben sie wieder, weil sie typisch ist für das Denken der etablierten Journalisten – ‚ja keine Fehler zugeben. Wir haben eh recht.‘:

    Sehr geehrter Herr Scheidler,

    vielen Dank für Ihre E-Mail an das ZDF.

    Wenn jemand Anderen als linker Spinner gilt, heißt das nicht, dass man selbst als Nachrichtenvermittler auch so denkt. Es heißt vielmehr, dass man berichtet, wie andere Menschen denken. Und das wiederum ist wichtig zu wissen, wenn es sich um den neuen Parteivorsitzenden der britischen Labour Party handelt. Das genau ist journalistische Gründlichkeit.

    Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit und hoffen, dass Sie unserem Programmangebot gewogen bleiben.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre ZDF-Zuschauerredaktion

    Und hier die Antwort von Fabian Scheidler vom 30. September 2015:

    Sehr geehrte Heute-Redaktion,

    Ihre Antwort zeugt davon, dass dem ZDF offenbar die einfachsten journalistischen Grundsätze abhandengekommen sind. Ungenannten Dritten diffamierende Äußerungen in den Mund zu legen, ohne die Quellen zu nennen, hat nichts mit “journalistischer Gründlichkeit” zu tun, sondern bedient sich der schmutzigen Methoden von schlechtem Boulevard-Journalismus und Propaganda. Ich fordere Sie daher nochmals auf, sich für diese Form der Diffamierung öffentlich bei Herrn Corbyn und beim Publikum zu entschuldigen.

    Im Übrigen werde ich unseren Mailwechsel veröffentlichen, um zu dokumentieren, mit welcher Arroganz das ZDF als öffentlich-rechtlicher Sender über wohlbegründete Kritik hinweggeht und Rechenschaft für journalistische Fehler ablehnt.

    Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen

    Fabian Scheidler

  2. Eine kleine Meldung der Süddeutschen Zeitung zur Illustration des Kampfes um die Deutungshoheit im Konflikt um und in Syrien

    In den Hinweisen von heute war schon sichtbar geworden, dass jetzt der Kampf um die Bewertung der Vorgänge in und um Syrien verstärkt geführt werden wird. Russland wird auf die Anklagebank gesetzt. Zu diesem Zweck wird personalisiert und bei der Sprache ein Zahn zugelegt. Der hier abgebildete kleine Artikel aus The Times stammt von der zweiten Seite der Süddeutschen Zeitung vom 29. September, Rubrik „Blick in die Presse“, also ein ziemlich prominenter Platz:

    Hier versteckt sich die Süddeutsche Zeitung hinter dem prominenten britischen Blatt.

Das sind nur zwei kleine Fälle, die zeigen, wie in deutschen etablierten Medien manipuliert wird. Man kann nur hoffen, dass der Versuch der Reinwaschung durch die Otto Brenner Stiftung begraben bleibt.

Und man müsste hoffen, dass jene Medien, die so begeistert über die Studie berichtet haben, endlich auch über den Rückzug berichten.


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