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Titel: Knatsch um Pisa – CDU fordert den Rauswurf des Pisa-Koordinators

Datum: 3. Dezember 2007 um 9:50 Uhr
Rubrik: Bildung, Hochschulen und Wissenschaft
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Darf Pisa-Koordinator Andreas Schleicher seine Daten überhaupt interpretieren? Die Daten der verschiedenen PISA-Erhebungen sind nicht vergleichbar, weil sie auf unterschiedlichen Fragebögen und Auswertungskriterien beruhten, sagt er angesichts der Euphorie über den deutschen 13. Platz im Pisa-Ranking. Vor zwei Jahren haben die CDU-Kultusminister mit genau diesem Argument Schleichers Vorwurf entkräften wollen, die soziale Auslese in deutschen Schulen sei schärfer geworden. Hinter der Empörung der Kultusminister steckt etwas anderes.
Ein Beitrag von Karl-Heinz Heinemann.

Die OECD als PISA-Veranstalter soll die Daten liefern, aber die Interpretationshoheit möchten die Kultusminister selbst behalten. Andreas Schleicher, der personifizierte PISA-Test, erklärt dagegen, er liefere nur Statistiken und Bildungsindikatoren, jede politische Einmischung sei ihm fremd. In dieser Auseinandersetzung geht es nicht nur darum, ob denn die Reförmchen der Kultusminister Wirkung zeigen oder ob, wie Schleicher nahe legt, ein radikalerer Umbau des deutschen Bildungswesens noch aussteht – es geht um die alte und die neue Art der politischen Steuerung.

Pisa steht für die scheinbare Entpolitisierung der Bildungspolitik: da geht es um objektive und unangreifbare Rankings und um Outputsteuerung. Welches Land, welche Schule, welcher Unterrichtsmethode hat die höchsten Outcomes? Das wird dann zum Maßstab. Doch wer legt fest, welche Ergebnisse zählen? Die OECD als die Veranstalterin von PISA , also eine Organisation zur Steigerung der Wirtschaftskraft? Die ist nur die letzte Instanz. Tatsächlich ist PISA ein von großen internationalen Assessment- und Testing-Firmen betriebenes Unternehmen.

Geleitet wird PISA von ACER, einem privatwirtschaftlich arbeitenden australischen Forschungs- und Test-Institut, das weltweit operiert, mit Schwerpunkt in Indien und in der arabischen Welt. Es entwickelt Reports und Testinstrumente für Regierungen und internationale Organisationen. Mit im Boot sitzt ETS, der US-amerikanische Educational Testing service, in den USA der Marktführer in der Test-Branche. ETS verwaltet den SAT, den scolastic Aptitude Test, der an allen namhaften US-Hochschulen als Eingangstest verwendet wird. Ein weiteres PISA-Unternehmen ist CITO, das holländische Testing-Institut, das auch in Deutschland eine Filiale hat und Tests vom Vorschulkind bis zum Erwachsenen verkauft.

PISA war der Einstieg. Mittlerweile hat die Steuerung über Tests die Schulen massiv verändert: von den Sprachtests für Vierjährige über die regelmäßigen Vergleichsarbeiten, zentrale Abschlussprüfungen, das Zentralabitur bis hin zu Hochschulengangstests bestimmen Rankings und Tests die deutschen Bildungslandschaft. Damit wird von den drittmittelabhängigen deutschen Forschern Geld verdient: Gerade hat das Bundesbildungsministerium zusätzliche 120 Millionen Euro für die Bildungsforscher bereitgestellt. Und in den Hochschulen wird auch schon kräftig abkassiert: von den Akkreditierungsagenturen, die für eine Begutachtung rund 12 000 (und häufig erheblich mehr) Euro einnehmen, und künftig müssen Studierwillige für einen vom ITB, einem privaten Institut entwickelten Hochschuleingangstest rund 90 Euro bezahlen, um überhaupt in die Auswahl um einen Studienplatz zu kommen.
Tests geben Auskunft, welcher Student gut ist, welcher Schüler, welche Schule, welches Schulsystem. Die Kultusminister treiben scheinbar diese Testindustrie voran. Doch ihre Aufregung über den PISA-Koordinator Andreas Schleicher zeigt: In Wirklichkeit sind sie die getriebenen, die sich diesem neuen, sagen wir es ruhig, neoliberalen Politikstil nicht entziehen können. Das Fatale ist aber: Sie wollen auch von der staatlichen Eingriffspolitik nicht lassen. Heraus kommen nominell selbstständige Schulen und Hochschulen, denen sie de facto einen noch größeren Wust von bürokratischen Steuerungen auferlegen, und eben scheinbar objektive PISA-Daten, die aber die Kultusminister mit Sperrfristen, mit Geheimhaltung und Interpretationsverboten autoritär verwalten wollen.


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