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Titel: James Galbraiths Vorschlag: Banken in Insolvenz gehen lassen und das Management austauschen – für uns sehr relevant (Teil VII Finanzkrise)

Datum: 11. Februar 2009 um 12:29 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise
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Wir sind auf der E-Mail-Liste des kritischen amerikanischen Ökonomieprofessors James Galbraith. Gestern erreichte mich eine Mail mit dem Hinweis auf eine Fernsehaufzeichnung von Democracy Now mit ihm. Auch wenn viele unserer Leser das Englische nicht verstehen, geben wir den Text der E-Mail und den Link auf die Fernsehaufzeichnung wieder. Es ist einfach interessant, zu sehen und zu hören, wie entschieden jemand wie Jamie Galbraith ist. Wir notieren in Stichworten die wichtigsten Inhalte auf Deutsch; dafür herzlichen Dank an Roger Strassburg. Albrecht Müller

Die entscheidenden Passagen im Kurzbericht von Roger Strassburg sind gefettet. Daraus könnten wir, wenn wir wollen, auch für uns etwas lernen:

  • Galbraith meint, anstatt Milliarden in notleidende Banken zu pumpen, um sie zu stützen, sollte der Staat sie für insolvent erklären. – AM: Das wäre bei uns im Falle der HRE und der Commerzbank und wohl auch der Dresdner Bank nötig. Es wäre auch im Falle der IKB wichtig gewesen
  • Das Management ersetzen, die Bank umorganisieren, Einlagen sichern, damit die Sparer ihre Ersparnisse nicht aus lauter Panik abheben. Dann solle die Bank unter neuer Führung wiedereröffnet werden, damit sie wieder als normale Bank solide arbeiten kann.
  • Diese Schritte müssen so bald wie möglich eingeleitet werden, denn Verzögerung bedeutet, dass es noch länger dauert, bis der Kreditmarkt wieder funktionsfähig ist.
  • Es sei wichtig, die Führung der insolventen Banken auszutauschen, denn auf die alte Führung könne man sich nicht verlassen, alles fair und ehrlich zu offenbaren, was tatsächlich in den Büchern steckt. – Ergänzung AM: Die alten Führungen haben auch ein Interesse daran, die Boni und Vergütungen wie verabredet auszuzahlen. Auch um mit diesem Skandal fertig zu werden, ist ein personeller Neuanfang notwendig.

Das Interview mit Professor Galbraith wurde auf dem Hintergrund eines Artikels in der New York Times geführt, in dem von den Vorschlägen und Absichten des neuen Finanzministers der USA, Geithner, berichtet wird. Galbraith sieht das kritisch. Im Anhang zu unserem Beitrag finden Sie sowohl den Link auf den (überarbeiteten) Artikel in der New York Times als auch weitere nützliche Anmerkungen von Roger Strassburg.

Und hier nun zunächst die Mail von Professor James Galbraith:

Amy Goodman gave me fifteen minutes or so this morning, TV and radio.
The key segments on the banks — the imperative need for audits and due diligence — are at 8 and 11 minutes into the interview.  I gave it everything I have.  At 11 minutes in we discussed today’s important article in the New York Times.
Quelle: Democracy Now

Jamie Galbraith’ Empfehlungen zum Umgang mit Banken beginnen ungefähr bei Minute 23.

Und hier die Einleitung zum Inhalt auf Englisch:

Economist James Galbraith: Bailed-Out Banks Should Be Declared Insolvent
With estimates of the cost of addressing the financial crisis exceeding $9.7 trillion, we speak with economist and University of Texas professor James Galbraith, author of The Predator State: How Conservatives Abandoned the Free Market and Why Liberals Should Too. Galbraith says rather than pouring billions into propping up troubled giant banks, the government should declare them insolvent.

Dazu Stichworte von Roger Strassburg auf Deutsch:

Ökonom James Galbraith: Gerettete Banken sollen für insolvent erklärt werden
Mit geschätzten Kosten von über 9,7 Billionen US-Dollar als Antwort auf die Finanzkrise. Sprechen wir mit dem Ökonomen und Professor von der Universität von Texas, James Galbraith, Autor von The Predator State: How Conservatives Abandoned the Free Market and Why Liberals Should Too. Galbraith meint, anstatt Milliarden in notleidende Banken zu pumpen, um sie zu stützen, sollte der Staat sie für insolvent erklären.

Galbraith sagt, „Es handelt sich um Wertpapiere, die auf Subprime-Hypotheken basieren, die in einer Atmosphäre aus laxer Regulierung, Komplizenschaft und Betrug – im Grunde während der Bush-Regierung -, die das System von Eigenheimfinanzierung übernommen hat und es mit Vermögen infiziert, indem niemand Vertrauen hat und die niemand bewerten kann.“

Als allererstes müssen diese Wertpapiere, die aus den Büchern der Banken verschwinden sollen, geprüft und bewertet werden. Bisher habe das Minimum an Prüfung gezeigt, dass bei einem großen Anteil dieser Papiere Täuschung und Betrug in den Dateien zu finden ist. Kein Außenseiter, der diese Papiere angemessen überprüft, würde sie ihren Kunden empfehlen. Das ist das Problem.

Daher könne man schließen, dass diese Banken nicht mehr gerettet werden können, denn sie seien insolvent. Der richtige Weg sei, sie der Einlagesicherung (FDIC) zu überlassen, die ein formales Verfahren für insolvente Banken schon hat.

Diese Schritte, die von allen Regierungen, einschließlich der Bush-Regierung, in Fällen von insolventen Banken eingeleitet wurden, müsse auch jetzt so schnell wie möglich eingeleitet werden. Das heißt: das Management ersetzen, die Bank umorganisieren, Einlagen sichern, damit die Sparer ihre Ersparnisse nicht aus lauter Panik abheben. Dann solle die Bank unter neuer Führung wiedereröffnet werden, damit sie wieder als normale Bank solide arbeiten kann. Diese Schritte müssen so bald wie möglich eingeleitet werden, denn Verzögerung bedeutet, dass es noch länger dauert, bis der Kreditmarkt wieder funktionsfähig ist. Und ein funktionierender Kreditmarkt ist absolut notwendig für den Erfolg der größeren Aufgabe des Konjunkturpakets, nämlich, die Volkswirtschaft wiederzubeleben.

Es sei wichtig, die Führung der insolventen Banken auszutauschen, denn auf die alte Führung könne man sich nicht verlassen, alles fair und ehrlich zu offenbaren, was tatsächlich in den Büchern steckt. Es müsse eine neue Führung geben, die von der FDIC eingesetzt wird, die als allererste Aufgabe durch die Bücher geht und die guten von den schlechten Papieren trennt. Dann könne man entscheiden, was gemacht werden muss, ob eine Fusion, eine Umstrukturierung der Finanzen oder sonstwas der richtige Weg ist.

Aber mit dem alten Management ist nichts zu machen, denn dieses würde so weiter machen wie bisher. Solange es keine transparente Offenlegung der Bücher gibt, seien die Chancen schlecht, dass das Management sein Verhalten ändert. Es gibt auch allerlei Misstrauen bzgl. der Banken selbst und der Regulierung. Das Problem wolle das Finanzministerium nicht wahrhaben. Bis das passiert, werde das Finanzministerium seinen Beitrag zur Erholung der Wirtschaft nicht leisten, und das Konjunkturproblem werde nicht richtig greifen, und das Problem der ansteigenden Arbeitslosigkeit nicht lösen.

Das Wort „Verstaatlichung“ werde politisch missbraucht. Auch während der Reagan-Regierung hatte der FDIC während der Krise in Lateinamerika 1982 einen Plan zur Verstaatlichung in der Schublade. Dieser musste nie ausgeführt werden, aber der Plan war da.

Jetzt gebe es eine große Kategorie von Papieren, die aller Wahrscheinlichkeit nach wertlos sind. Sie seien nicht durchschaubar, und diejenigen die es sind, seien offenbar nichts wert.

Anhang / Zusätzliche Informationen zur Debatte in den USA von Roger Strassburg:

Hier der Link zum NYT-Artikel, der im Gespräch mit Galbraith zitiert wurde:
Quelle: NYT

Allerdings wurde dieser Artikel nach der Rede von Geithner aktualisiert, ist also nicht mehr der gleiche Artikel, den die Interviewerin Goodman und Galbraith zum Zeitpunkt des Interviews kannten.

Hier noch einige Bemerkungen zum Geithner-Plan:
Quelle: opinionator.blogs.nytimes.com

Krugman war vor der Ankündigung sehr kritisch:
Quelle: krugman.blogs.nytimes.com

Nachdem der Geithner-Plan veröffentlicht wurde, weiß Krugman nicht so richtig, wie er ihn einschätzen soll:
Quelle: krugman.blogs.nytimes.com

Dass er den Plan “Rorschach Plan” genannt hat, bedeutet, dass man das sehen kann, was man will. Der Plan ist also noch sehr unklar.

Ergänzung AM:

Hier ist auch noch der neueste Bericht von Spiegel Online, verfasst von Marc Pitzke (und nicht von Garbo Steingart). Kritisch anzumerken ist hier schon die erst allgemein übliche Erwartung, dass Rettungspakete dazu führen müssen, die Aktienkurse zu stabilisieren und nach oben zu treiben. Welch ein Wahnsinn. Die Position von James Galbraith widerspricht dieser Erwartung diametral:

US-RETTUNGSPAKET: Drei Billionen Dollar – doch die Börse will mehr
Mit massiven Geldspritzen will die US-Regierung das Land aus der Wirtschaftskrise retten. Doch weder der Banken-Rettungsplan von Finanzminister Geithner noch das Mega-Konjunkturpaket im Kongress können die Wall Street beruhigen – im Gegenteil.
Quelle: SpiegelOnline


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