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Titel: Brandstifter als Feuerwehrleute

Datum: 5. März 2009 um 13:57 Uhr
Rubrik: Das kritische Tagebuch, Finanzkrise, Lobbyismus und politische Korruption
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Noch nie wurde eine Weltfinanzkrise mit derart engagierter Mithilfe von Aufsehern und Regulierern verschuldet. Kein Wunder, dass in vielen Ländern in Meinungsumfragen das Vertrauen in Aufseher und Notenbanker – gleich hinter den  Bankmanagern – auf einen Tiefpunkt gesunken ist.  Viele prominente Aufseher und Notenbanker haben nicht nur geholfen – ganz im Interesse der Finanzindustrie ohne Rücksicht auf die öffentlich hoch gehaltene “Finanzstabilität” – möglichst viele Regulierungsbarrieren niederzureißen. Sie haben nach dem Ausscheiden aus ihren Ämtern dann auch noch ihren Einfluss und ihre Insiderkenntnisse mit millionenschweren Beraterhonoraren vergoldet. Als Berater des Spitzenmanagement von Investmentbanken und weltweit operierenden Großbanken sind sie zu Komplizen einer Geschäftspolitik geworden, die zum Zusammenbruch der Bankensysteme und zur heutigen Weltwirtschaftskrise führten.  Milliarden von Menschen bekommen dies in einer Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse zu spüren. Wer, wenn nicht sie Aufseher und Notenbanker hätten doch erkennen müssen, dass in den von ihnen beratenen Banken in ihrem Streben nach kurzfristig ausgerichteten Umatz- und Gewinnsteigerungen und den damit verbundenen Bonuszahlungen die Risiken für ihre Institute und damit auch für das gesamte Finanzsystem immer größer wurden. Wolfgang Lieb

Und so, als ob nichts gewesen wäre, tritt diese „illustre Gesellschaft“ immer noch in der „Group of Thirty“ oder in der von EU-Präsident José Manuel Barroso installierten „High Level Group on Financial Supervision in the EU“ [PDF – 1,4 MB]unter Leitung von Jacques de Larosière auf. Wenn es darum geht, an Politiker und Regierungen, ja ganzen Staatengemeinschaften, Ratschläge zu erteilen, steht der Leiter dieser Gruppe, der  frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Ex-Gouverneur der Banque de France immer noch im Brennpunkt des Medieninteresses. Dass dieser weltweit gefragte Franzose in den letzten Jahren als einer der einflussreichsten Deregulierungs-Lobbyisten agierte und auch  als hochrangiger Berater der American Insurance Group (AIG) – die vom US-Staat übernommen wurde, um sie vor dem Bankrott zu gewahren – tätig war, scheint de Larosières Ruf keinen Abbruch zu tun. Auch in den meisten Ländern sind die verantwortlichen Eliten, die den Karren in den Morast gefahren haben, heute die gleichen, die jetzt wieder auf dem Kutschenbock sitzen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. So hat Kanzlerin Merkel den zuletzt als Goldman-Sachs- Berater agierenden Ottmar Issing zu ihrem „ersten Gipfelberater“ gemacht (Hinweise vom 26.02.09 Ziffer 7 ).

Als Ursache für die sich immer mehr zur schwersten Weltwirtschaftskrise der neueren Zeit ausweitende Katastrophe auf den Finanzmärkten spielte auch die historisch fundierte „special relationship“ von Amerikanern und Briten eine große Rolle. Dass der britische Premier Gordon Brown als Schatzminister der Bush-Administration bei der weltweiten Deregulierungskampagne auf den Finanzmärkten stets Flankenschutz gab, daran dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern. Schließlich gilt es, nicht nur die globale Konkurrenzfähigkeit der Wall Street, sondern auch die Vormachtstellung der Londoner City gegen zu starke Regulierungen zu verteidigen.

Unterstützt von ideologisch verblendeten Deregulierern – wie US-Notenbankgouverneur Alan Greenspan oder den acht Jahre regierenden Bushianern und ihren britischen Freunden wie Gordon Brown – konnten sich die in Wall Street und der Londoner City herrschenden „Masters of the Universe“ die Spielregeln auf den globalen Finanzmärkten zurechtbiegen. Um im weltweiten Verbriefungsgeschäft so schnell und so viel wie möglich verdienen zu können, mussten Wall Street und die Londoner City über die Politik, die Regulierer und die multilateralen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds( IWF), der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und dem 1999 errichteten Financial Stability Forum (FSF)) eines sicherstellen, nämlich dass der sich vor allem über sogenannte Offshore-Finanzzentren vollziehende Aufbau eines gigantischen Schattenbanking von Aufsehern und Regulierern nicht behindert wurde.

Wie sich Politik, Aufseher und Notenbanker vor allem in den USA und in Großbritannien, in den letzten Jahren aber auch in Deutschland von der Finanzindustrie an die Ketten der „regulatory capture“ legen ließen und wie eklatant Regierungen, Aufseher und Notenbanker auf dem europäischen Kontinent versagten, das analysiert Klaus C Engelen, freier Mitarbeiter des Handelsblatt in „Barely Contained Outrage – What Europeans really think about Americas regulatory blunders“ in der letzten Aufgabe der International Economy.
Quelle: International Economy, Barely Contained Outrage, What the Europeans really think about America’s regulatory blunders. By Klaus C. Engelen [PDF – 102 KB]


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