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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. Mai 2017 um 10:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Frankreich
  2. Schleswig-Holstein
  3. Redebeitrag Eugen Drewermann
  4. Griechenland: Neue Kürzungen verschärfen die Krise!
  5. Friedrich Schneiders Vortrag auf einer Bundesbank-Konferenz zum “War on Cash”
  6. Steuersenkungen dürften der US-Wirtschaft Schwung verleihen
  7. Treuchtlingen leidet unter “Staatsflucht”
  8. Wie verheerend die Arbeitsbedingungen in Jobcentern sind
  9. Wie steht es wirklich um das deutsche Jobwunder?
  10. Die fiskalischen Kosten der Minijobs
  11. Vom Unsinn einer „Deutschland-Rente“
  12. Unglaublich: Union und SPD sprechen die Bundesregierung von jeglichen Verfehlungen im Abgasskandal frei.
  13. Alles sauber?
  14. Von der Leyen und die Wehrmacht
  15. BigBrotherAwards für Bitkom, DİTİB und Ursula von der Leyen
  16. Wenn das Handy trotzdem petzt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Frankreich
    1. Soll man in den Sumpf zurückkehren, um dem Regen auszuweichen?
      Wäre es nicht so ernst, dann wäre es fast komisch mit anzusehen, wie deutsche Politiker den Franzosen Tipps für die Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag geben. Die Franzosen sind regelrecht „begierig“ darauf, zu erfahren, was deutsche Politiker, von denen die meisten in Frankreich völlig unbekannt sind, zu Macron oder Le Pen meinen.
      Sie können es nicht lassen und haben nichts begriffen. In vielen Ländern Europas wird die deutsche Bevormundung schon länger als unerträglich empfunden, und die wirtschaftlich Informierten wissen, dass das deutsche Lohndumping Menschen in Europa arbeitslos gemacht hat und dass die deutschen Sozialabbau-Diktate via Brüssel vor allem in Südeuropa viele in Armut und Elend gestürzt haben.
      Auch unsere „Qualitätsmedien“ raten – von einer Minderheit abgesehen – zur Wahl des Investmentbankers Macron. Dass viele französische Intellektuelle davor warnen, weil die Wahl Macrons zu einer weiteren Stärkung des Front National führt, interessiert nicht. Dass demnächst in Frankreich Parlamentswahlen sind und Jean-Luc Mélenchon mit seiner Bewegung „La France insoumise“ versuchen muss, unter den schwierigen Bedingungen des französischen Mehrheitswahlrechts möglichst viele Sitze in der Assemblée nationale zu erobern, um dem Neoliberalismus eines Präsidenten Macron Widerstand entgegenzusetzen, interessiert auch nicht.
      Mélenchon, der seine Anhänger beschworen hat, in keinem Fall Le Pen zu wählen, mit deutscher Herrenreiter-Mentalität nötigen zu wollen, auch zur Wahl Macrons aufzurufen, kommt der Aufforderung gleich, sich ins eigene Knie zu schießen. Ein solcher Rat hieße, Mélenchon solle seine Anhänger jetzt verärgern, indem er ihnen empfiehlt, den Mann zu wählen, gegen dessen Politik er schon heute mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juni mobilisieren muss.
      Régis Debray, Weggefährte Che Guevaras und Berater Mitterands sagte in der Zeitung „Le Monde“: „Zwischen einem Finanzkapital, dem alles erlaubt ist, und einem Sozialismus, der sein kleines Einmaleins vergessen hat, hat sich eine große Bresche geöffnet, und der Luftzug, der von da kommt, treibt seit 20 Jahren die Mühlen Le Pens an. Wer dies fühlt, hat wohl das Recht… sich zu fragen, ob man dem Teufelskreis entkommt, wenn man in den Sumpf zurückkehrt, um dem Regen auszuweichen.“ Die französische Linke muss sich jetzt versammeln, um den Luftzug, der seit 20 Jahren die Mühlen Le Pens antreibt nach der sich abzeichnenden Wahl Macrons nicht zu stark werden zu lassen.
      Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
    2. Wählt Macron!
      Progressive französische Wähler haben allen Grund, sauer auf Emmanuel Macron zu sein.
      Er will den Arbeitsmarkt mitten in einer deflationären Krise deregulieren. Das ist komplett verrückter Neoliberalismus.
      Er hat vorgeschlagen, die Eurozone in eine “Föderation light” umzuwandeln. Das spielt Wolfgang Schäuble in die Hände – und dessen großem Plan einer Sparunion, in der Frankreich die letzte Kontrolle über seinen nationalen Haushalt verlöre (“Ich will die Troika in Paris”, habe ich Schäuble einst sagen hören). Im Tausch bekäme Frankreich ein makroökonomisch unbedeutendes gemeinsames Eurozonenbudget.
      Mit seinen jüngeren Forderungen, die Reichensteuer zu minimieren und Unterstützungen für Gemeinden zu kürzen, steht Macron auf der falschen Seite der Geschichte.
      Trotzdem ist es nicht weniger als skandalös für jeden Progressiven, sich von Le Pen und Macron gleichermaßen zu distanzieren. Natürlich wünschten wir alle, zumindest die Linken von uns, das französische Wahlsystem sei kein binäres und es gäbe nicht nur die Wahl zwischen diesen beiden Optionen. Aber so ist es nun einmal nicht.
      Und vor diesem Hintergrund weigere ich mich, Teil einer Generation von progressiven Europäern zu sein, die einen Sieg von Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen hätte verhindern können, die das aber nicht getan hat. Deshalb schreibe ich diesen Artikel: um im zweiten Wahlgang unmissverständlich die Kandidatur von Emmanuel Macron zu unterstützen. Wir dürfen dem Front National nicht erlauben, wegen unserer fehlgeleiteten taktischen Gleichgültigkeit in den Élysée-Palast zu stolpern.
      Das wäre meine Position gegenüber jedem Nichtrassisten, der sich gegen Le Pen zur Wahl stellte. Aber meine Unterstützung für Macron beinhaltet noch etwas mehr. Als ich Anfang 2015 griechischer Finanzminister war, hat Emmanuel mir eine Seite von sich gezeigt, die wenige Progressive kennen.
      Während die Troika aus Griechenlands Gläubigern ­– gemeinsam mit der Berliner Regierung – jegliche Versuche unserer neu gewählten, linken griechischen Regierung im Keim erstickte, das Land von seinen Schuldenfesseln zu befreien, war Macron der einzige europäische Staatsminister, der uns helfen wollte. Und er ging dabei persönlich ein hohes politisches Risiko ein.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung Christian Reimann: Offenbar sieht Herr Varoufakis durchaus die gravierenden Nachteile durch Macrons Politik. Aber offensichtlich legt er größeren Wert auf seine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit ihm während seiner kurzen Finanzminister-Zeit Griechenlands als auf das Wohl der französischen Arbeitnehmerschaft und der „progressiven französischen Wähler“. Das ist bedauerlich.
      Bitte lesen Sie dazu erneut:

      1. Das Mäuseland – eine nachdenkliche Geschichte zum Wochenende
      2. Macron, Kakao, die „silly Left“ und die Eidechsen – Ergänzungen und Leserfeedback zu unserem Artikel über die Verblödung des linksliberalen Establishments
      3. Unser linksliberales Establishment verblödet zusehends Unser linksliberales Establishment verblödet zusehends

      Dazu: Macron came to Greece’s aid during our crisis. The French left should back him
      In 2002, Jacques Chirac, the French right’s leader, faced Jean-Marie Le Pen, the leader of the racist Front National, in the second round of France’s presidential election. The French left rallied behind the Gaullist, conservative Chirac to oppose the xenophobic heir of Vichy collaborationism. Fifteen years later, however, large sections of the French left are refusing to back Emmanuel Macron against Marine Le Pen, Jean-Marie’s daughter.
      Progressives have good reason to be angry with a liberal establishment that feels comfortable with Macron – a former banker with no experience in politics prior to his brief appointment as minister of economy, industry and digital affairs by President François Hollande. They see him, correctly, as the minister who stripped full-time French workers of hard-won labour rights and who today is the establishment’s last resort against Le Pen.
      Quelle: the guardian

      Anmerkung unseres Lesers G.M: Genau hier irrt Herr Varoufakis. Rassismus und Xenophobie sind zwar verabscheuenswürdig, gefährlich, dumpf und primitiv, aber genau deswegen vergleichsweise einfacher zu bekämpfen als die neoliberale Ideologie, die sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, als Notwendigkeit daherkommt und mit ihrer radikalen Gleichschaltung von Wirtschaft, Politik und allen gesellschaftlichen Lebens unter der Herrschaft der “Märkte” weitaus faschistischer ist als der “Rechtspopulismus”. Die Menschenverachtung des Neoliberalismus ist viel umfassender.

      Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Yannis Varoufakis vergisst hier einen sehr wichtigen Punkt – Macron war seinerzeit natürlich auch Interessenvertreter des französischen Bankensystems und neben der Deutschen Bank gehören die französischen Großbanken zu den unterkapitalisiertesten in der Eurozone und waren massiv in griechischen Staatsanleihen investiert. Klar, dass eine harte Umschuldung nicht im Sinne Frankreichs war und er der griechischen Regierung entgegenkam. Ob die Austeritätspolitik überhaupt eine Rolle für sein Auftreten bei den Verhandlungen gespielt hat, lassen wir mal dahingestellt sein … ich bin da skeptisch.

    3. Ein Amt, zwei Visionen
      Wer regiert Frankreich, mit welchem Ziel? Beim Finale um das Rennen zum Élysée gilt Emmanuel Macron als Favorit – vor Marine Le Pen. Enthaltungen oder eine schlechte Wahlbeteiligung könnten jedoch für eine Überraschung sorgen. (…)
      Spätestens seit dem ersten Wahlgang am 23. April ist jedoch klar, dass es für Frankreich – so der Titel des “Figaro” – um “einen entscheidenden Einsatz” geht. Auf dem Spiel stehen die Prinzipien der Demokratie: “Noch nie boten Finalisten zwei dermaßen radikal-unterschiedliche Visionen an für die Zukunft des Landes.”

      • Marine Le Pen verspricht den Rückzug in ein nostalgisch verklärtes Frankreich, abgeschottet von dem Unbill internationaler Konflikte und der ökonomischen Herausforderung der Globalisierung: Die “zivilisatorische Ausnahmestellung” der Nation als gallisches Dorf hinter den Palisaden nationaler Demarkationslinien.
      • Emmanuel Macron hat sich von Le Pens “Kampagne der Angst” abgesetzt. Er will die Umsetzung der seit Jahrzehnten überfälligen Strukturreformen; Frankeich soll durch eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes fit für den Konkurrenzkampf des Weltmarktes gemacht werden. Zudem gelobt er, mit den monarchischen Usancen der Republik aufzuräumen: “Hartz-Reformen à la française”, gepaart mit einer “geistig-moralischen Wende”. (…)

      Die Vision von einem energischen “Ruck” überzeugte vor allem jene Wähler, die selbst als dynamisch und mobil gelten: die Intellektuellen, die Bewohner der Großstädte, die Vertreter der jungen, digitalen Generation – urban, links und im sozialen Aufzug bereits auf dem Weg nach oben.
      Der Ex-Wirtschaftsminister hat sich vor dem zweiten Wahlgang daher um jene Schichten bemüht, die in ihm vor allem das Produkt der Eliteschulen und den Ex-Banker bei Rothschild sehen. Sinnbildlich daher sein Besuch bei streikenden Arbeitern in Amiens, wo er mit Buhrufen empfangen wurde – aber durch eine lange Diskussion Punkte für sich sammeln konnte.
      “Ich habe die Wut der Franzosen verstanden”, bekannte er seither bei den Wahlveranstaltungen. Sollte er gewählt werden, muss er den Worten auch Taten folgen lassen.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Noch auf den letzten Metern der Wahl muß sich der SPIEGEL als Speerspitze der neoliberalen Konterrevolution beweisen: “[Macron] will die Umsetzung der seit Jahrzehnten überfälligen Strukturreformen; Frankeich soll durch eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes fit für den Konkurrenzkampf des Weltmarktes gemacht werden. […] “Hartz-Reformen à la française”, gepaart mit einer “geistig-moralischen Wende”.” Mir wird übel. Das soll dann der Präsident sein für “die Intellektuellen, die Bewohner der Großstädte, die Vertreter der jungen, digitalen Generation – urban, links und im sozialen Aufzug bereits auf dem Weg nach oben”. Und dann wundert man sich scheinheilig, warum Le Pen bei denen ankommt, denen es “schlecht geht” – die sind Macron nämlich nicht nur egal, sondern er will ihre Not noch verschärfen. Die Gegenbewegung, so falsch sie von einer Rechtsextremen daherkommt, wird als “nostalgisch verklärte[…] Rückkehr zur “nationalen Souveränität”.” und “Staatssozialismus” denunziert, als hätten die angeblichen “Verlierer der Globalisierung”, die “sozial Ausgegrenzten” und “Abgehängten” kein sozial abgesichertes Leben in Würde verdient.

    4. Wie Macron Frankreich aus der Krise führen kann
      Bei der Wahl um Frankreichs höchstes Amt geht es nicht nur um die Frage, wer die Republik in den kommenden fünf Jahren anführen wird – es geht um nichts weniger als die Zukunft der EU. Denn Frankreich ist als Gründungsmitglied und zweitgrößte Wirtschaft des Euroraums eine der tragenden Säulen der Gemeinschaft. Bricht sie weg, fällt das gesamte Bauwerk in sich zusammen.
      Im Wahlkampf verspricht der Gründer der Bewegung „En Marche“ Investitionen von 50 Milliarden Euro unter anderem in Bildung und Ausbildung, wovon besonders junge Menschen und Arbeitslose profitieren sollen. Die Körperschaftsteuer will er von 33,3 Prozent auf 25 Prozent senken und für 80 Prozent der Franzosen die Wohnsteuer abschaffen. Gleichzeitig will er bis 2022 die Staatsausgaben um 60 Milliarden Euro senken und im öffentlichen Dienst 120.000 Stellen abbauen.
      Experten rechnen damit, dass die Pläne die französische Wirtschaft in den kommenden Jahren um rund 0,5 Prozent zusätzlich wachsen lassen könnten. Wachstum, das dringend nötig ist. Vor allem die Jugend leidet: Fast jeder vierte Franzose unter 25 ist arbeitslos. Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote bei 10 Prozent – mehr als doppelt so hoch wie hierzulande.
      Allerdings dürfte es Macron schwer haben, die Reformen tatsächlich durchzusetzen. Dafür müsste er vor allem den traditionell harten Widerstand der Gewerkschaften überwinden. Entspannte Jahre für Frankreich und die gesamte Europäische Union dürften es also nicht werden, auch wenn Macron gewinnt – erst recht nicht, wenn seine Gegnerin in der Stichwahl, Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National, gewinnt. Le Pen konnte im ersten Wahlgang mit ihrem Anti-EU-Kurs viele Wähler mobilisieren. Grund dafür ist, dass die EU für viele Franzosen der Sündenbock für die eigenen wirtschaftlichen Probleme ist.
      Quelle: Welt

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Natürlich werden die Autoren vom Institut der deutschen Wirtschaft (und hier als Gastautoren) bezahlt, um die übliche neoliberale Propaganda (verkrusteter Arbeitsmarkt, hoher Mindestlohn, zu hohe Arbeitskosten…) in die Welt zu blasen. Allerdings wird hier Frankreich auch als (zweit)wichtigster Exportmarkt für deutsche Unternehmen bezeichnet. Denkt man die Empfehlungen der Autoren konsequent *in ihrer eigenen Logik* durch: Was wird passieren, wenn die “Reformen” umgesetzt, Kündigungsschutz und Löhne reduziert worden sind usw.? Frankreich wird wettbewerbsfähiger, konkurriert also auf dem Weltmarkt härter mit Deutschland, und wird wegen der schrumpfenden Binnenwirtschaft weniger aus Deutschland importieren. Mit anderen Worten, die in dem Artikel beschworenen Maßnahmen werden die deutsche Exportwirtschaft schwer schädigen und das deutsche Wirtschaftswachstum dämpfen. Sehen die Autoren nicht, daß sie in ihrer eigenen Logik der deutsche Wirtschaft schaden?

  2. Schleswig-Holstein
    1. Kein Wunder: Albig verliert klar
      Die Wahlniederlage für Torsten Albig ist nicht sonderlich verwunderlich, hat er doch im Sommerloch 2015 schon Merkel über den grünen Klee gelobt und seiner Partei, der SPD, empfohlen, auf einen Kanzlerkandidaten gleich ganz zu verzichten. Wer so redet, muss sich nicht wundern, wenn er sogar von einem Last-Minute-Kandidaten, den keiner kennt, geschlagen wird.
      Quelle: TauBlog
    2. Der Merkel-Effekt
      Auch die zweite Runde im Superwahljahr geht an die CDU – dabei hatte die SPD den Sieg im Norden fest eingeplant. Jetzt rächt sich, dass ihr Spitzenkandidat bisher kaum Inhalte zu bieten hat. […]
      Daraus wird nichts. Die Sozialdemokraten haben die Wahl im Norden haushoch verloren. Und wenn es ganz schlecht läuft, dann steht es am nächsten Sonntag 3:0 für Angela Merkel. Für Schulz sähe es düster aus. Er hätte im September wohl nur noch dann eine Chance, wenn die Kanzlerin in den kommenden Monaten gravierende Fehler machen würde – was eher nicht zu erwarten ist. Keine Merkel-Dämmerung mehr in Sicht. […]
      Das Neue, das Frische ist verflogen, der sogenannte Schulz-Effekt verpufft. Jetzt rächt sich, dass es die SPD und ihr Mega-Martin in all der Euphorie versäumt haben, über Schlagworte hinaus etwas zu anzubieten. Soziale Gerechtigkeit findet zwar keiner schlecht, bleibt ohne Konzepte aber eine Phrase. Und ein Arbeitslosengeld Q allein taugt eben nicht als Wahlkampfschlager.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Die Medien erinnern mich bei dem „Schulz-Effekt“ an eine Katze, die erst mit der gefangenen Maus „spielt“, bevor sie sie zu Tode beißt. Der ganze Rummel um Schulz war doch eine reine Medienkampagne ohne jegliche Basis. Und genau so hoch, wie man Schulz zu Zeiten des Hypes geschrieben hat, fällt er halt jetzt und das Ende ist da noch nicht einmal absehbar. Man kann schon fast mit den SPD-Mitgliedern, die sich selbst vom „Schulz-Effekt“ berauscht haben, Mitleid haben. Der SPON-Tipp mit den Inhalten ist aber auch wieder so eine linke Nummer. Welche Inhalte erwartet man denn von der SPD? Und glaubt man denn im Ernst, dass die SPD bei den Wählern mehr Zustimmung bekommt, wenn sie – in der jetzigen Verfassung – einen inhaltlichen Wahlkampf führen würde?

      Die Medien befinden sich nun wenigstens wieder im „Normalmodus“ und huldigen der ewigen Kanzlerin …

      Die eigentliche Siegerin des Wahltags heißt Angela Merkel
      Ein weiterer Wirkungstreffer gegen Schulz und ein Proeuropäer im Elysée – Merkel erlebt einen höchst erfolgreichen Wahlsonntag. Und fast nebenbei könnte eine neue Bündnisoption für den Bund entstehen. […]
      Macron als Held, Albig als Schurke. Dabei haben beide ihr Berufsleben als Mitarbeiter von linken Regierungen und Banken verbracht, was sie dem gemeinen Christdemokraten eigentlich nicht sympathisch macht. Aber das war an diesem Abend egal – als eigentliche Wahlsiegerin wurde nämlich Angela Merkel gefeiert. […]
      Für Merkel ist ein Trend entstanden, der sich selbst verstärkt: Während Herausforderer Schulz ohne Machtoption keine Fantasie beim Wähler auslöst, wachsen Merkel neue Möglichkeiten zu. In Schleswig-Holstein hätte es fast sogar sowohl für Schwarz-Gelb als auch für eine schwarz-grüne Koalition gereicht. Nun muss Günther versuchen, mit beiden zu regieren: in einer Jamaikakoalition. Sollte es gelingen, die Realo-Grünen von Robert Habeck in Schleswig Holstein dafür zu gewinnen, gibt es auch im Bund wieder eine Alternative zur großen Koalition.
      Quelle: WELT

  3. Redebeitrag Eugen Drewermann
    Verschriftlichung Redebeitrag Eugen Drewermann auf der Abschlußkundgebung 18.2.2017 Marienplatz
    Meine sehr verehrten Damen und Herren,
    liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!
    Von ganzem Herzen danke ich Ihnen für die Bereitschaft, erneut gegenüber der alljährlichen sogenannten Sicherheitskonferenz von Wolfgang Ischinger ein gegenbesetzendes Zeichen hier auf dem Marienplatz zu äußern. Im letzten Jahr noch konnte der Ex-Diplomat erklären, es herrsche in Deutschland eine Interventions-Müdigkeit nach all den Ereignissen in Afghanistan, in Syrien, in Mali… Aber diese Interventions-Müdigkeit sei schlimmer als die möglichen Folgen der Intervention.
    Ich frage mich: Wie viele Schlafzimmer eigentlich hat der Bayrische Hof, sich derart absurden Wunsch-Träumen hinzugeben? Was Sie, Herr Ischinger, produzieren, ist nicht Sicherheit. Das hat damit gar nichts zu tun! Wohl aber mit Kapitalinteressen und Kriegsgewinnlertum. Wohl aber mit Mord und Machtausdehnung. Wohl aber mit dem Okkupantentum ganzer Regionen zum Zwecke des sicheren Zugriffs auf Ressourcen und auf Arbeitssklaven.
    Und wir erklären, dass wir diesen ständigen Bruch der Nichteinmischungsrechte in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten – erklärt 1648 bereits am Ende des Westfälischen Friedens in Münster und in Osnabrück – nicht länger gewillt sind hinzunehmen!
    Quelle: sicherheitskonferenz.de

    Anmerkung Albrecht Müller: Danke für die Verschriftlichung. Auf das Video mit der Rede hatten die NachDenkSeiten schon hingewiesen, siehe hier.

  4. Griechenland: Neue Kürzungen verschärfen die Krise!
    Schon wieder wird Griechenland zu sozialen Einschnitten gezwungen, schon wieder trifft es die Schwächsten. Das verstärkt die Armut im Land – und damit auch die Krise. Viel sinnvoller wäre es, den Kürzungskurs zu lockern und damit die Kaufkraft und die Wirtschaft zu stärken, schreibt der DGB-klartext. Das habe bereits in Spanien und Portugal gut funktioniert.
    Quelle: DGB

    Anmerkung Albrecht Müller: Richtig gebrüllt, Löwe. Bescheidene Frage: Was tut der DGB in Berlin, um eine der treibenden Kräfte hinter dem Elend in Griechenland, die Bundesregierung, zu einem vernünftigen Kurs umzustimmen?

  5. Friedrich Schneiders Vortrag auf einer Bundesbank-Konferenz zum “War on Cash”
    Auf einer internationalen Bargeldkonferenz der Bundesbank mit dem bemerkenswerten Titel „War on Cash“ (Krieg gegen das Bargeld) hat der Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider eine Studie vorgestellt, die zeigt: die Bekämpfung der Terrorfinanzierung taugt nicht zur Begründung für Maßnahmen gegen das Bargeld. Gegen Schattenwirtschaft; Korruption und Geldwäsche hilft es zwar etwas, aber die Auswirkungen auf die Freiheit und Selbstbestimmung der Bürger sind erheblich größer. (…)
    In der noch nicht veröffentlichten empirischen Studie „Restricting or Abolishing Cash: An Effective Instrument for Fighting the Shadow Economy, Crime and Terrorism?“ des Linzer Ökonomieprofessors Friedrich Schneider, einem der führenden Experten für Schattenwirtschaft, heißt es (von mir übersetzt) unter anderem:
    Für Terroranschläge ist nicht viel Geld nötig und Terroristen können auch sehr strenge Bargeldrestriktionen leicht umgehen.
    Schweden, wo kaum noch mit Bargeld bezahlt wird, hat immer noch eine beträchtliche Schattenwirtschaft.
    Eine völlige Abschaffung des Bargelds könnte die Schattenwirtschaft um 20% verkleinern.
    Der Einfluss auf die Korruption ist etwas größer, aber auch hier ist Bargeld kein entscheidender Faktor.
    Die Bedeutung von Bargeld für die organisierte Kriminalität nimmt ab.
    Restriktionen der Bargeldnutzung oder die völlige Bargeldabschaffung würden die bürgerlichen Freiheiten extrem beschränken.
    Die Abschaffung oder strikte Begrenzung von Bargeld bringt das Risiko mit sich, das Vertrauen in den Staat ernsthaft zu beschädigen und könnte deshalb als Instrument zur Ausweitung staatlicher Kontrolle kontraproduktiv sein.
    Quelle: Norbert Häring
  6. Steuersenkungen dürften der US-Wirtschaft Schwung verleihen
    In Deutschland sieht der DIHK mehr Entlastungsspielraum
    Dass US-Präsident Trump nicht nur die Einkommensteuern, sondern auch die mit durchschnittlich 35 Prozent in den USA hohen Unternehmenssteuern senken will, findet Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), “nachvollziehbar”.
    “Eine Rückführung der Belastung für die Unternehmen dürfte der US-Wirtschaft spürbar Schwung verleihen”, sagte Wansleben dem “Handelsblatt”. “In welchem Ausmaß eine bessere wirtschaftliche Entwicklung für eine Gegenfinanzierung sorgt und welche Auswirkungen sich für die ohnehin bereits hohe Verschuldung ergeben, wird man genauer analysieren müssen.”
    Deutschland sei in Bezug auf die öffentlichen Haushalte in einer besseren Lage, betonte der DIHK-Hauptgeschäftsführer: “Angesichts von hohen Überschüssen und Erwartungen für weiterhin sprudelnde Steuereinnahmen ist bei uns ein Spielraum für eine deutliche Senkung der Unternehmenssteuerbelastung vorhanden.”
    Quelle: DIHK

    Anmerkung Christian Reimann: Herr Wansleben betreibt hier ziemlich eindeutig keine Aussagen zum Wohle der gesamten US-Bevölkerung, sondern befürwortet weitere Steuersenkungen für US-Unternehmen. Das würde jedoch die Einnahmen des Staates weiter senken und dementsprechend auch seine Handlungsmöglichkeiten. Auf eine sich anschließende Runde von Steuersenkungen auch hierzulande scheint der Hauptgeschäftsführer dieses Lobbyverbandes zu hoffen bzw. zu spekulieren. Übrigens droht ein Steuersenkungswettbewerb – und damit verbunden der weitere Abbau von Sozialstaatlichkeit – auch bei einem Wahlsieg Macrons in Frankreich. Dabei hätte die überwiegende Mehrheit sowohl diesseits und jenseits des Atlantiks eher Nachteile durch einen „schlanken Staat“: Z.B. schlechte Infrastrukturen, schlechte Schulen und eine ebenso miserable Wissenschaft, die sich überwiegend an Empirie und Zahlen orientiert.

  7. Treuchtlingen leidet unter “Staatsflucht” – Schleichender Umbauprozess – Woher kommt denn die Wut der Bürger?
    Viele Menschen empfinden in heutigen Zeiten ein steigendes Unbehagen. Die Globalisierung, das Tempo der Informationsgesellschaft, in der es einen Überfluss an Infos, aber wenig verlässlichen Leitplanken gibt – und dann noch eine immer größere gesellschaftliche Kälte und finanzielle Einbußen bei den einen und steigende Gewinne bei den anderen…Viele Menschen können das nicht einordnen. Das öffnet populistischen “Rattenfängern” von rechts und links die Türen. Dabei gerät eines in den Hintergrund bzw. wird von der Politik auf allen Ebenen verschwiegen: Das Land befindet sich seit vielen Jahren in einem großen Umbau, mit dem sich der Staat immer weiter aus der Verantwortung zieht und den Bürger in die Eigenverantwortung drängt. Das wirkt ebenso auf lokaler Ebene in der Provinz und ist in vielen Bereichen auch in Treuchtlingen spürbar………
    Das Rezept dagegen: Die “Bürgergesellschaft”. Es geht also um den ehrenamtlichen Einsatz von Menschen. Der allerdings war
    und ist in funktionierenden Gemeinwesen schon immer gefragt. Heute dient er nur zu offensichtlich als Ersatz für fehlende Mittel. In den Dörfern pflastern die Bürger ihre Wege mittlerweile selber, renovieren Gemeinschafts- und Feuerwehrhäuser. Am Land wird vieles nur noch als “Selbsthilfe” empfunden. Der Staat oder die öffentliche Hand – oder wie man das auch nennen mag – lässt den Bürger allein. Diese schlaglichtartige Beleuchtung der gesellschaftlichen Veränderungen lässt den Bürger ratlos zurück. Die “schwarze Null” bei Land und Bund auf der einen Seite, eine stetige Knechtung und Entsolidarisierung der Bürger auf der anderen Seite lassen Wut wachsen. Ein fruchtbarer Nährboden für Radikalismus.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten

    Anmerkung unseres Lesers G. G.: Und wenn man daran denkt, dass man in einem der reichsten Länder der Erde ehrenamtlich betriebene “Tafeln” braucht, dann kann man wirklich zornig werden.

  8. Wie verheerend die Arbeitsbedingungen in Jobcentern sind
    Befristungen, Überstunden, Gewalt: Die Arbeitsbedingungen in Jobcentern sind verheerend – mit Folgen für das Personal. Ein ehemaliger Mitarbeiter erzählt. (…)
    Wie belastend die Arbeit sein wird, deutete sich für Sahm früh an. 1992 fing er beim Bezirksamt in Neukölln an. Nach der Hartz-IV-Reform wurde er 2005 in das Jobcenter des Bezirks abgeordnet. Wie so viele seiner Kollegen wollte er also nicht dorthin. Er musste. „Und von Anfang an waren wir vollkommen unterbesetzt“, sagt Sahm. Geändert hat sich daran bis zuletzt nichts. Zur Zeit sind 112 Stellen in Berliner Jobcentern offen.
    Statt 170 Kunden zu betreuen, wie es das Gesetz vorsieht, waren es laut Sahm mindestens 450. Waren Kollegen krank oder im Urlaub, sogar mehr als tausend. Um dieses Pensum zu schaffen, kamen Kollegen krank zur Arbeit. Machten Überstunden. „Einige befristete Angestellte stempelten zwar pünktlich um 16 Uhr ab“, sagt Sahm, „aber gingen dann wieder zurück an ihren Schreibtisch, um weiterzumachen.“ Ihre ungewisse Zukunft machte ihnen Angst und so strengten sie sich mehr an, als ihnen guttat. Mussten sie nach Ablauf ihres Vertrags tatsächlich gehen, bedeutete das für die Kollegen wiederum, wieder ein halbes Jahr lang jemanden neu einzuarbeiten. (…)
    Bei jedem Skandal hatte Sahm gehofft, es ändere sich etwas. Zum Beispiel 2012, als der Bundesrechnungshof einen Bericht veröffentlichte, aus dem hervorging: Es wird nur vermittelt, wer leicht vermittelbar ist. Oder 2015, als der Journalist Günter Wallraff verdeckt in Jobcentern recherchierte und von Arbeitsfrust und geschönten Statistiken sprach. Doch geschehen ist nichts. Stattdessen sah Sahm, wie Kollegen abstumpften, anfingen zu trinken. Und wie gleichzeitig eine Industrie entstand, die von dem Hartz-IV-System wunderbar profitierte.
    Anwälte standen direkt vor der Eingangstür, sprachen Langzeitarbeitslose an und klagten in ihrem Namen gegen die Berechnung des Hartz-IV-Satzes oder Sanktionen. Meist zu Recht, weil sie sich dabei auf kleine Formfehler konzentrierten, die sie mit etwas Mühe fanden. „Aber vor allem“, sagt Sahm, „haben die Träger das große Geld gemacht.“
    Ein nicht geringer Teil der Langzeitarbeitslosen sei unfähig zu arbeiten. Sie hätten keinen Schulabschluss, seien krank, hätten Drogenprobleme – und würden deswegen von einer sinnlosen Maßnahme in die nächste geschoben werden. „Manche können sich ihre Wohnung mit den Teilnahmezertifikaten tapezieren“, sagt Sahm. Warum die Qualität und Zweckmäßigkeit der Maßnahmen nicht vernünftig überprüft werde, etwa vom Bundesrechnungshof, sei für ihn bis heute ein Rätsel.
    Quelle: Der Tagespiegel
  9. Wie steht es wirklich um das deutsche Jobwunder?
    Erwerbstätigkeit, Arbeit, auskömmliche Beschäftigung – alles einerlei
    Unsere Medien schwelgen bei ihrer Arbeitsmarktberichterstattung gerne in Superlativen. Hier einige Schlagzeilen aus den letzten Monaten: “Rekordbeschäftigung – Deutsches Jobmärchen geht weiter” (Welt.de), “Deutscher Arbeitsmarkt – So viele freie Stellen wie noch nie” (Tagesschau), “Konjunktur – so wenig Arbeitslose wie seit 1991 nicht mehr” (Sueddeutsche.de).
    Oberflächlich betrachtet, handelt es sich bei all diesen Schlagzeilen um Fakten. Bei näherem Hinsehen erkennt man leicht, dass beispielsweise die Aussage der Süddeutschen mit der Realität in etwa so viel gemein hat wie weiland die Jubelmeldungen über 120 Prozent Planerfüllung in der DDR-Presse, angesichts der zahllosen Manipulationen der Arbeitslosenstatistik, die seit 1991 sukzessive eingeführt wurden.
    Als das Statistische Bundesamt vermeldete, dass die durchschnittliche Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2016 bei 43,4 Millionen lag, ging wieder einmal ein Jubelsturm durch den Blätterwald. Bild.de titelte “Neuer Job-Rekord in Deutschland” und behauptete frech: “43,4 Millionen Menschen waren in Lohn und Brot, so viele wie seit der Wiedervereinigung nicht.” Das Handelsblatt schrieb: “Um Lohn und Brot brauchten sich die meisten Deutschen im vergangenen Jahr keine Sorgen zu machen” – und bezog dies auf die Erwerbstätigen.
    Es hat Tradition, dass deutsche Medien die Begriffe Erwerbstätigkeit, Beschäftigung und Arbeit munter vermischen und, wenn es der gewünschten Aussage dienlich erscheint, synonym verwenden. So muss man erst einmal darauf kommen, dass es unter den Erwerbstätigen auch immer mehr ältere Menschen gibt, die einen Nebenjob ausüben, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Mit steigender Altersarmut aufgrund der Rentenkürzungen dürfte die Erwerbstätigenquote sicher noch ungeahnte Höhen erklimmen.
    Quelle: Telepolis
  10. Die fiskalischen Kosten der Minijobs
    Die geringfügig entlohnte Beschäftigung, meist als „Minijob“ bezeichnet, ist ein Phänomen: Obwohl ständig in der Kritik ist die Bedeutung dieser Beschäftigungsform seit Inkrafttreten der letzten einschneidenden Reform 2003 kontinuierlich gestiegen und mittlerweile auf dem deutschen Arbeitsmarkt zweifellos etabliert. Deutlich über 7 Millionen Menschen und damit fast jeder fünfte abhängig Beschäftigte ist „MinijobberIn“. Der Anteil derjenigen, die zusätzlich zu einer regulären Beschäftigung einen Minijob in Nebentätigkeit ausüben, steigt.
    Prägendes Charakteristikum des Minijobs ist die gewährte Befreiung von der Sozialversicherungspflicht. Auch steuerlich werden Minijobs bevorteilt. Dies scheint aus Arbeitnehmersicht zunächst einmal attraktiv. Bei genaueren Analysen zeigt sich aber, dass es oftmals die ArbeitgeberInnen sind, die vom Sonderstatus profitieren. Viele MinijobberInnen hätten hingegen auch ohne steuerliche Sonderbehandlung keine Einkommensteuer zu zahlen. Allerdings stellen die MinijobberInnen eine inhomogene Gruppe dar – insbesondere bezüglich der Haushaltseinkommen. Profiteure der weitestgehenden Steuerbefreiung sind vor allem Haushalte mit höheren Einkommen. Die aktuelle Regelung subventioniert so kaum die intendierte Gruppe, wohingegen die steuerlichen Einnahmeausfälle, denen sich das vorliegende Papier widmet, die
    Allgemeinheit trägt. Generell werden die Kosten der Minijobs sozialisiert und in die Zukunft verlagert.
    Die erhoffte „Brückenfunktion“ in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird zudem unzureichend erfüllt. Häufig erweist sich der Minijob im Lebenslauf gar als Sackgasse. Die Klebeeffekte sind enorm, die Aufstiegschancen gering. Ein Verharren im Minijob birgt jedoch Risiken: So sind Minijobs alleine aufgrund ihrer Einkommensgrenze inhärent nicht existenzsichernd. Zudem ist der fehlende individuelle Zugang zu den Sozialversicherungen regulatives Merkmal. Wie der prekäre Pfad der Minijobs zugunsten eines für beide Geschlechter sozial- und existenzsichernden Erwerbssystems verlassen werden könnte, muss somit erneut diskutiert werden.
    Quelle: iaw
  11. Vom Unsinn einer „Deutschland-Rente“
    Ende April hat das Hessische Ministerium für Finanzen die Idee einer „Deutschland-Rente“ vorgestellt. Sie soll den Flop der Riesterrente ausbügeln und Altersarmut verhindern. Leider nur ist das Konzept an ökonomischer Absurdität nicht zu überbieten.
    Man fragt sich, wie viele wissenschaftlich ausgebildete Mitarbeiter drei hessische Minister (zwei von der CDU, einer von den Grünen) haben. Und man fragt sich, wie viele dieser Mitarbeiter Volkswirte mit einem wenigstens in Ansätzen kritischen Verstand sind. Sollte dabei die Zahl Null herauskommen, könnte man immerhin erklären, dass sich drei hessische Minister mit einem Vorschlag in die Öffentlichkeit wagen, der an Absurdität kaum noch zu überbieten ist. Nicht erklärbar wäre dann immer noch, dass drei Landesminister nicht begreifen, dass man ohne jede Ahnung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen einen solchen Vorschlag nicht ernsthaft in die Welt setzen kann, ohne sich lächerlich zu machen.
    Allerdings, wie immer bei Rentenfragen, gibt es sofort alle möglichen Argumente, die in der Öffentlichkeit dafür und dagegen vorgebracht werden (hier oder hier nachzulesen, laut Manager-Magazin hat sich selbst Professor Gert Wagner vom DIW dafür ausgesprochen, hier), aber das eigentlich zentrale Problem anzusprechen, schafft wieder einmal niemand.
    Worum geht es? Die Minister Stefan Grüttner, Dr. Thomas Schäfer und Tarek Al-Wazir, der grüne Wirtschaftsminister (der uns schon früher als in volkswirtschaftlichen Fragen relativ unbedarft aufgefallen ist, hier), haben immerhin erkannt, dass die Riester-Rente, also der Versuch, die Menschen mit hohen staatlichen Subventionen (siehe einen alten Artikel von Heiner Flassbeck dazu hier) zum Vorsorgesparen anzuregen, der rentenpolitische Flop des Jahrhunderts war. Das wird aber, der üblichen Kritik folgend, vor allem daran festgemacht, dass die Gebühren so hoch waren, die von den Versicherungen verlangt wurden. Daraus folgern die hessischen Minister haarscharf, es solle in Deutschland wie in Norwegen und anderen Ländern ein Staatsfond gebildet werden, der später eine Deutschlandrente bezahlt und nur geringe Gebühren erhebt.
    Quelle: Makroskop
  12. Unglaublich: Union und SPD sprechen die Bundesregierung von jeglichen Verfehlungen im Abgasskandal frei.
    Sie attestieren in ihrem abschließenden Untersuchungsbericht der Autoindustrie eine weiße Weste und sehen keine zu hohe Stickoxidbelastung für Bürger. Selbstkritik – Fehlanzeige. Beschämend – meint der VCD.
    Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen im Bundestag zeichnen ein seltsames Bild von den Ergebnissen des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum Abgasskandal. So hätten sowohl das Bundesverkehrsministerium als auch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) alles richtig gemacht und konsequent gehandelt. Außerdem sei der Abgasskandal gar keiner, sondern nur ein Fall von VW. Weitere Hersteller hätten keine Probleme und das obwohl Messungen des KBA und des Umweltbundesamtes (UBA) zeigen, dass viele Dieselmodelle anderer Hersteller ebenfalls mehr Stickoxide ausstoßen als es der Grenzwert in Wahrheit zulässt, z.T. sogar mehr als VW-Fahrzeuge mit Schummelsoftware. Die Opposition ist zu recht aufgebracht.
    Für den VCD ist am erschütterndsten die Aussage: In Deutschland bestünden keine toxikologisch bedenklichen NO2-Werte in öffentlich zugänglichen Bereichen. Dies kommt einem Schlag ins Gesicht der Menschen gleich, die tagtäglich schlechte Luft einatmen müssen. Sind denn alle wissenschaftlichen und umweltmedizinischen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen erhöhter Stickstoffdioxid-Belastung und gesundheitlichen Auswirkungen nichts anderes als Fake-News? Diese Sichtweise auf den Abgasskandal hat fast schon Trump`sche Züge.
    Quelle: VCD
  13. Alles sauber?
    Die großkoalitionären Reihen sind fest geschlossen – beim VW-Skandal. Versäumnisse bei der Aufarbeitung? Keine. Eine weiße Weste schreiben sich CDU und SPD denn auch in den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Die Opposition? Empört.
    Die Große Koalition hat sich nichts vorzuwerfen. Versäumnisse bei der Aufarbeitung des VW-Skandals gebe es nicht. Der von der Opposition erhobene Vorwurf des Staatsversagens habe sich “als PR-Floskel ohne jegliche Grundlage herausgestellt”, heißt es in der Bewertung von Union und SPD für den Abschlussbericht des Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Nach Bekanntwerden der Manipulationen von VW in den USA habe die Regierung für Deutschland den Sachverhalt “unverzüglich aufgeklärt”.
    In ihrem Entwurf zum Abschlussbericht erklären die Vertreter von CDU, CSU und SPD, alle Zeugen der Bundesregierung hätten erst aus den Medien von den Vorgängen beim Autobauer VW erfahren. Im Anschluss an ein Gespräch mit dem VW-Vorstand habe das Bundesverkehrsministerium unmittelbar “einen umfassenden Aufklärungsprozess in Gang gesetzt” und eine Untersuchungskommission eingesetzt. Nach der Beweisaufnahme gebe es keinen Grund, “das Handeln der Bundesregierung zu beanstanden”. Für Union und SPD ist denn auch klar: Der Ausschuss war überflüssig. Er habe “keine relevanten neuen Erkenntnisse zu Tage gefördert”.
    Quelle: tagesschau
  14. Von der Leyen und die Wehrmacht
    Der braune Sumpf stinkt, aber er stört die Medien kaum
    Da kommt jemand in Ihr Wohnzimmer und sagt statt Guten Tag: Ich kenne Ihre perfide Art der Kriegsführung, Sie Drecksack! Aber er hat sie dennoch nicht aus seinem Sommersitz rausgeworfen, der disziplinierte Wladimir Putin, als Angela Merkel bei ihrem Besuch in Sotschi ebenso frech wie dumm vor laufenden Kameras und mit debilem Lächeln erklärte: Sie wisse natürlich, dass die hybride Kriegsführung in der russischen Militärdoktrin eine Rolle spiele. Ein Bundeskanzler, so schreibt es das Grundgesetz vor, bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Verantwortung ist das Wort, das der Merkel nicht bekannt ist. Außer es ginge um die eigene Karriere. Und wer die Umfragen kennt, der weiß, dass sie bedroht ist: So läuft sie denn vor einem Umfragetief weg, flüchtet sich in billigsten Populismus und rechnet mit russophohobem Beifall. Klappt: Der Sender „n-tv“, der zu 75,1 % ihrer Freundin Liz Mohn gehört, spendet ihr diesen verschwiemelten Satz: „Einen Seitenhieb kann sich Merkel nicht verkneifen“. Da schwitzt der Stammtisch und das ungesunde Volksempfinden klatscht sich auf die Schenkel: Bohh ist die mutig die Merkel!
    Er macht gern den hugenottischen Preußen, der Herr de Maizière: Korrekt, pflichtbewusst und ehrenhaft, so ist sein Selbstbild. Und einem Innenmister würden solche Eigenschaften gut stehen. Zumal in einer Zeit, in der der deutsche Gemischtvölkerladen auseinander strebt: Die deutschen Türken wählen Erdogan und die deutschen Sachsen wählen Frauke Petry. Jetzt wäre die Stunde eines Innenministers, der den Dehnungskräften eine Ahnung von deutscher Einheit vermitteln könnte. Statt dessen flieht der Mann ins Händeschütteln: „Wir (Deutschen) geben uns zur Begrüßung die Hand“ lässt er in seine Zehn Gebote zur Leitkultur schreiben. Wir Kerndeutschen werden uns doch nicht Abknutschen wie die Russen oder die Franzosen! Und wo die Muslime zur ehrerbietigen Begrüssung die Hand auf´s Herz legen, da quetschen wir mannhaft die Hand des Gegners bis er aufgibt. Und damit der Leitkulturelle nicht in den Verdacht des deutschen Rassismus gerät, zeigt er mal kurz ein Herz für Fremde und beschwört „ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels.“ Wäre de Maizière nicht so völlig humorlos könnte ihm die bizarre Komik aufgehen: Um dem Rassismus-Verdacht aus dem Weg zu gehen, beschwört er das Recht eines Apartheid-Staates auf Unterdrückung seiner Mehrheit.
    Quelle: Rationalgalerie

    Anmerkung C.G.: Uli Gellermann, brilliant und treffsicher, vor und nach seiner Genesung.

    Anmerkung Christian Reimann: Kann es sein, dass die Haltung der Bundesverteidigungsministerin ein Spiegelbild der Gesellschaft ist – insbesondere von Bundeswehr, Medien oder Politik? Die Bundeskanzlerin betont stets sinngemäß: Uns ginge es nie besser. Da erscheint Kritik doch eher lästig denn als konstruktiv, oder?

  15. BigBrotherAwards für Bitkom, DİTİB und Ursula von der Leyen
    Mit einer großen Gala werden in Bielefeld die Datenschutz-Negativpreise verliehen. Mit der DİTİB will sich ein Preisträger offenbar sogar gerichtlich gegen den Award wehren. (…)
    Die Negativpreise sind in Politik und Unternehmen gefürchtet, weil sie Berichterstattung über die jeweiligen Datenschutzvergehen auslösen können.
    So kam es im Vorfeld der Preisverleihung schon zu einem Eklat, weil die mit dem Negativpreis geehrte türkisch-islamische Union DİTİB offenbar gerichtlich gegen den Veranstalter Digitalcourage vorgehen will. Die DİTİB wird dafür geehrt, dass sie für den türkischen Geheimdienst spioniert haben soll.
    Weiterer Preisträger ist dieses Jahr verdient der Industrieverband Bitkom, der für sein beständiges Lobbyieren gegen den Datenschutz mit dem Negativpreis in der Kategorie „Wirtschaft“ ausgezeichnet wird. Bitkom fördere Big Data und „Datenreichtum“ und setze sich gegen Datensparsamkeit sowie eine Zweckbindung von Daten ein, heißt es in der Begründung der Jury. Als hätten die Herausstellung der datenschutzfeindlichen Positionen und des Lobbyeinflusses auf die Bundesregierung nicht gereicht, wird der Verband in der Laudatio etwas unglücklich als „Tarnorganisation großer US-Konzerne“ bezeichnet, obwohl dieser seine Mitglieder offenlegt.
    Einen Preis bekommen dieses Jahr auch die Bundeswehr und die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Der Preis wird diesmal nicht für ein Datenschutzvergehen, sondern für die Militarisierung des Internets verliehen. Die Gefahr eines Cyberkrieges liege unter anderem in vorschnellen militärischen Selbstverteidigungsschlägen, die eine gefährliche und folgenschwere Eskalation auslösen könnten. Ursula von der Leyen erhält den Preis schon zum zweiten Mal. Sie wurde im Jahr 2009 für ihren Einsatz zur Einführung von Websperren („Zensursula“) geehrt.
    Die BigBrotherAwards werden in Deutschland seit dem Jahr 2000 verliehen. Sie gehen auf die von Simon Davies (Privacy International und London School of Economics) im Jahr 1998 initiierten Preise in England zurück.
    Quelle: Netzpolitik.org
  16. Wenn das Handy trotzdem petzt
    Smartphones sammeln jede Menge Daten. Viele Nutzer verhindern zumindest deren Weitergabe durch bestimmte Einstellungen. Allerdings umgehen einige Programme solche Sperren – mithilfe einer Ultraschalltechnik.
    Smartphones sind ständige Begleiter vieler Menschen – und sammeln dabei jede Menge Daten über ihre Besitzer: Sie wissen beispielsweise, wo man sich gerade aufhält und wo man vorher gewesen ist, welche Webseiten man aufruft und welche Audios und Videos jemand nutzt. Datenschützer empfehlen, diese Sammelwut durch entsprechende Einstellungen zu begrenzen oder zumindest die Weitergabe solcher Daten an Dritte zu begrenzen, auch wenn dadurch bestimmte Dienste nicht mehr genutzt werden können.
    IT-Sicherheitsexperten der TU Braunschweig haben herausgefunden, dass solche Datenschutzvorkehrungen unter bestimmten Umständen nichts nützen. Demnach kann der Standort von Handybesitzern von dritter Seite unbemerkt überwacht werden – selbst dann, wenn die Anwender Lokalisierungsdienste abschalten oder der Weitergabe der Daten aktiv widersprochen haben.
    Quelle: tagesschau.de


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