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Titel: 40-Stunden-Woche steigert Arbeitslosigkeit

Datum: 11. November 2004 um 15:55 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Wettbewerbsfähigkeit
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Arbeitgeberverbände und Vertreter der CDU behaupten dieser Tage immer wieder, man müsse in Deutschland zurück zur 40-Stunden-Woche, um mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wie absurd diese Behauptung ist, müssen wir deshalb auf den NachDenkSeiten eben auch immer wieder, belegen und begründen.
Diesmal mit einem Interview des Arbeitsmarktexperten Steffen Lehndorff vom Institut Arbeit und Technik in der Tagesschau.

In einem Interview mit der Tagesschau am 9. November sagt Lehndorff, dass eine generelle Arbeitszeitverlängerung „auf jeden Fall weniger Beschäftigung“ bringe.
Weniger Leute würden das herstellen, was vorher von mehr Leuten hergestellt worden sei, insofern werde Beschäftigung abgebaut. Weil die Einkommen ja gerade nicht steigen sollen, müsse man fragen, wer denn ohne zusätzliches Einkommen die zusätzlichen Produkte kaufen können sollte?

Der einzig rationale Grund, der hinter der Forderung nach Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich stehe, sei die Senkung der Arbeitskosten mit dem Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft zu stärken. Diese Logik berücksichtige jedoch nicht, worauf die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft beruhe: Nämlich auf guter Qualität, auf guten Produkten, auf Produktinnovation und auf einer hohen Arbeitsproduktivität, die ja Hand in Hand mit dem hohen Lohnniveau in Deutschland ginge. Das Problem sei, dass die Vertreter der Wirtschaft und der konservativen Parteien offenbar nur noch eine Strategie der Senkung der Arbeitskosten verfolgten, statt dass die Stärken weiter ausgebaut würden, auf denen bisher der Erfolg der deutschen Exportwirtschaft beruhte.

Wettbewerbsfähig in der Konkurrenz mit kostengünstigeren Anbietern bliebe man viel eher durch eine Verbesserung der Arbeitsorganisation und vor allem durch eine Erhöhung der Produktqualität und durch die Entwicklung neuer Produkte. Wenn man sich auf den Weg der Arbeitszeitverlängerung fixiere, konkurriere man immer stärker auf dem Niveau der zweiten Liga. Der Vergleich in der EU zeige, dass Länder mit langen Arbeitszeiten – wie etwa England -eine niedrige Arbeitsproduktivität hätten.
Die Standorte in Osteuropa trügen mittlerweile wesentlich zur preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen bei. Die deutschen Standorte blieben aber Basis der Wertschöpfung, wenn sie an Produktentwicklung oder an ihre Kernkompetenzen dächten. Arbeitszeitverlängerungen seien für die Manager der einfachste Weg, um ihr eigenes Versagen bei Organisationsproblemen, bei Produktinnovationen oder bei der Erhöhung der Arbeitsproduktivität unter den Teppich zu kehren.

Das Rennen gegen die Billig-Anbieter auf dem Weltmarkt könne man nur verlieren, denn es werde eine wirtschaftliche und soziale Abwärtsspirale – ausgerechnet vom wirtschaftliche stärksten Land – eingeleitet. „Alle werden davon Schaden erleiden“, sagt Lehndorff, der Direktor des Forschungsschwerpunktes „Arbeitszeit und Arbeitsorganisation“ bei Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen ist.

Quelle: tagesschau.de &taquo;


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