NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 29. Juli 2009 um 9:20 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)

Heute unter anderem zu diesen Themen:

  1. Geschäft mit der Krise
  2. Deutsche Bank Geschäft mit Beigeschmack
  3. Von einer Kreditklemme in Deutschland kann keine Rede sein
  4. Zum HRE – Untersuchungsausschuss
  5. Eurostat – vergleichende Wirtschaftsdaten
  6. Tarifabschluss für die Sozial- und Erziehungsdienste: Das war eine große Enttäuschung
  7. Ärztehonorare: Jammern auf hohem Niveau
  8. Arbeiten mit Erkrankung birgt Risiken
  9. Zeitarbeit in der Krise
  10. Mindestlohn in Deutschland: Mehr Geld, mehr Jobs
  11. Arbeitszeit: Scholz umwirbt Metaller
  12. Tricksereien bei der Kurzarbeit – Wie Unternehmen den Staat plündern
  13. Verkappte Kampfansagen der Arbeitgeberseite
  14. Schaeffler: 250-Millionen-Sparpaket soll Jobs sichern
  15. «Du blöde Kuh»? Schlecker-Chef vor Gericht
  16. Seeparee in Brandenburg – Land privatisiert Gewässer
  17. Zugriff auf die Freiheit
  18. Ex-Berater Gerhard Schröders empfiehlt Opposition oder Rot-Rot-Grün: SPD muss sich der Linken öffnen
  19. PR-Desaster für INSM – Luftschlösser für junge Journalisten
  20. Nochmals zur sog. Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt
  21. fzs ruft zur Unterstützung der Bundestagspetition zum Hochschulwesen auf
  22. Verbund Norddeutscher Universitäten startet das neue Projekt “Studierbarkeit”
  23. Profiteure der Krise – Entsteht eine neue Weltordnung
  24. Krieg mit Clausewitz
  25. Baltikum am Boden
  26. Anregung zum Einmischen
  27. Zu guter Letzt: Asymmetrie der Berichterstattung – Ein Vorschlag wie man dagegen angehen könnte

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Geschäft mit der Krise
    Es sind die Investmentsparten von Goldman Sachs, JP Morgan und der Deutschen Bank, die ihren Instituten nach den Horrorverlusten der vergangenen anderthalb Jahre jetzt wieder milliardenschwere Gewinne einspielen. Entsprechend hoch sind die Bonuszahlungen, die den hier Beschäftigten jetzt wieder winken. Dabei waren es doch genau diese Investmentbanker, die der Welt die mit Abstand größte Finanzkrise eingebrockt haben. Sie waren es, die größtenteils nicht werthaltige Kreditforderungen in Pakete zusammengefasst und mit Prädikatsstempeln der Rating-Agenturen versehen als vermeintlich erstklassige Anlagen auf die Finanzmärkte geworfen haben.

    Weil die Zentralbanken reichlich Geld in den Markt pumpen, können sich auch die Investmentbanken derzeit überaus preiswert refinanzieren. Beste Voraussetzungen dafür, gegen entsprechende Zinsen jene Anleihen zu finanzieren, die von den Staaten zur Krisenbekämpfung aufgenommen werden. Die Neigung der Investmentbanken, Geld für das Kreditgeschäft bereit zu stellen, ist ohnehin begrenzt. Denn die Margen, die sich in ihrem internationalen Wettgeschäft verdienen lassen, sind deutlich höher. Also boomt auch der Handel mit Anleihen, zum Beispiel denen der Schwellenländer, bei denen die Preise stärker schwanken als bei denen der Industriestaaten. Zusätzliche Chancen liegen im Aufkauf von Krediten anderer Banken, die oft auf Druck der Bankenaufsicht ihre Kreditportfolios zurückfahren müssen. Dann sind auch ertstklassig besicherte Darlehen renommierter Unternehmen zum Spottpreis zu haben, die dann mit hohen Gewinnaufschlägen weiterverkauft werden können. Selbst an den Pakethandel mit gesicherten Forderungen trauen sich die Investmentbanker wieder heran. Nach Informationen des „Spiegels“ soll das Investmenthaus Morgan Stanley ernsthaft erwägen, herabgestufte Collateralized Debt Obligations (CDO) neu zu verpacken und verbriefen zu lassen, um sie wieder in den Handel zu bringen. Der Markt sei schließlich da. Und auch die Deutsche Bank verzeichnet ein wachsendes Interesse ihrer Kunden an derivativen Produkten.

    So wie es aussieht, machen die Investmentbanken also genau so weiter, wie vor der Finanzkrise. Mit dem Unterschied, dass ihr Spielkapital durch den mittelbaren Zugriff auf das über die Zentralbanken zur Verfügung gestellte Geld der Steuerzahler erheblich größer geworden ist. Und mit der Gewissheit, dass sie selbst längst so groß geworden sind, dass sich ihr Scheitern niemand mehr leisten kann.
    Quelle: Tagesspiegel

    Dazu auch:

  2. Geschäft mit Beigeschmack
    Weil der Staat Abermilliarden für die Rettung der Banken ausgibt, muss er privates Kapital mithilfe von Staatsanleihen aufnehmen. Bei der Platzierung am Markt helfen ihm Banken. Nummer eins im europäischen Anleihegeschäft ist – die Deutsche Bank. Sie profitiert außerdem davon, dass viele Unternehmen Anleihen auflegen, um sich frisches Kapital zu beschaffen. Ein Grund: Sie bekommen schwerer einen Kredit bei ihren Banken, die wegen der Finanzkrise knauserig geworden sind. Und weil etliche Banken der Krise zum Opfer gefallen sind, haben die verbliebenen weniger Konkurrenz. Drittens hat die Deutsche Bank gut verdient, weil sie wieder mutiger spekuliert hat, mit Aktien, anderen Wertpapieren und Rohstoffen. Eigenhandel nennen Banker das. In den Genuss staatlicher Hilfe ist die Deutsche Bank ebenfalls gekommen, mittelbar. Denn das billige Geld, dass die Zentralbanken auf den Markt geworfen haben, konnte auch sie margenträchtig weiterverwenden.

    Alles unmoralisch? Die Bank tut, was eine Bank tun muss (und was Kunden und Mitarbeiter erwarten): Sie rüstet sich gegen Risiken. Und die scheinen beträchtlich zu sein. Die Vorsorge wurde versechsfacht, weil die Bank Kreditausfälle, Insolvenzen und die Folgen der Arbeitslosigkeit fürchtet. Deshalb stürzte die Aktie ab. Ein Beigeschmack bleibt dennoch. Und das liegt nicht an der Bank, sondern an den Rahmenbedingungen, die ihr – und vor allem der US-Konkurrenz – derart lukrative Geschäfte wieder erlauben. Solange die Institute mitunter unkontrollierte Geschäfte machen und Risiken eingehen können, ohne größere Anteile ihres Eigenkapitals als Sicherheit vorhalten zu müssen, bleibt das Finanzsystem so anfällig, wie es vor der Krise war. Hier muss nachreguliert werden – dringend.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das die Aktie der Deutschen Bank um 11 Prozent gefallen ist, da die Eigenkapitalrendite “nur” bei 16 Prozent lag, schlägt kaum zu Buche, da die Aktie im Verlauf des Jahres um 60 Prozent gestiegen ist. Die Aussage Ackermanns hört sich gut an: “Wir haben unsere Kosten gesenkt, die Risiken in unserer Bilanz verringert sowie unsere Kapital- und Liquiditätsposition gestärkt”, aber zumindest bei der Kostensenkung kommen Zweifel auf. Da das Geldhaus im Investment Banking wieder hohe Gewinne erzielte, stiegen auch die leistungsabhängigen Vergütungen der Banker. Wegen Abfindungen und höheren Boni stiegen die Personalkosten im Jahresvergleich um 17 Prozent auf 3,1 Mrd. Euro. Auch die Absenkung der Bilanz hält die FTD nicht einer aktiven Politik der Bank zugute:

    Die Deutsche Bank hätte fast gelernt
    Handelsergebnis unter den Rivalen, da man Risiko und Bilanz heruntergefahren hat. Schön wär’s aber, die Bilanzverkürzung hat leider andere Gründe.
    Quelle: FTD

  3. Von einer Kreditklemme in Deutschland kann keine Rede sein
    Das leicht rückläufige Kreditvolumen im Eurogebiet (ohne Deutschland) ist weit davon entfernt, mit der Verminderung der Wirtschaftsleistung Schritt zu halten. Die Entwicklung der ausstehenden Kredite im Eurogebiet ist daher noch durchaus mit einer rezessionsbedingt zurückgehenden Kreditnachfrage vereinbar. Der starke wirtschaftliche Einbruch in Deutschland andererseits lässt die Entwicklung des ausstehenden Kreditvolumens hierzulande in einem noch wesentlich günstigeren Licht erscheinen. Denn die Zahlen sprechen eher für eine Ausweitung des Kreditangebots der Banken als für eine Einschränkung. Zumindest gilt dies für Kreditlaufzeiten von weniger als fünf Jahren. Längerfristige Kredite in Deutschland stagnieren allerdings.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.
  4. Zum HRE – Untersuchungsausschuss
    1. Grünen-Finanzpolitiker Schick: Den Staat stark machen
      Kann der Staat die Finanzwelt kontrollieren? Grünen-Politiker Gerhard Schick ist skeptisch. Er untersucht die Aufarbeitung des Skandals um die Krisenbank HRE. Und stellt der Regierung auf FR-online.de ein vernichtendes Zeugnis aus:

      „Die Erkenntnisse im Untersuchungsausschuss HRE über die Schwäche des Staates sind erschreckend. Wenn es gelingt, sie zu nutzen für eine Neudefinition der Finanzmarktpolitik, als Ausgangspunkt für den nötigen Kulturwandel im Verhältnis von Staat und Finanzbranche, dann hat sich jede Stunde dieses Ausschusses gelohnt.

      Wir sehen einen Staat, der nicht in der Lage ist, einer quasi insolventen Bank die Bedingungen der Rettung zu diktieren, sondern sich fast blind auf die Rettungsvorschläge der Privatbanken verlassen muss.

      Damit der Staat künftig seine ihm zugedachte Rolle gegenüber der Finanzwirtschaft wahrnehmen kann, die Rolle des Regelsetzers, des Aufsehers, müssen zunächst Kapazitäten aufgebaut werden, die dieses Ziel überhaupt ermöglichen. Wie sehr der Staat dies bislang vernachlässigt hat, zeigt sich an der Beaufsichtigung der KfW, die mit einer Bilanzsumme von 395 Milliarden Euro einer der größten Kapitalmarktakteure ist.

      Laut Gesetz sind für die Aufsicht über die KfW nicht wie bei normalen Banken Bafin und Bundesbank, sondern ist das Finanzministerium zuständig. Doch tatsächlich waren dort mit dieser Tätigkeit nur ein Referent und ein Sachbearbeiter betraut, die zudem noch andere Aufgaben haben – böse gesprochen: einer zum Lesen des Geschäftsberichts, einer zum Abheften.
      Weiterer Beleg ist die Tatsache, dass bei der Finanzaufsicht Bafin zahlreiche Stellen seit langem unbesetzt sind. Selbst in der Finanzkrise hielt es niemand für nötig, an diesem Zustand etwas zu ändern. Nur eine Handvoll mäßig bezahlter Mitarbeiter sind jeweils für die Beaufsichtigung selbst großer Banken zuständig. Dabei funktioniert Aufsicht natürlich nur, wenn die Aufseher auf Augenhöhe mit den Banken sind.“
      Quelle: FR

    2. Der Banken-Krimi
      Sie sind Abgeordnete, sie sitzen im HRE-Untersuchungsausschuss. Stellen Fragen, lesen Akten. Und enthüllen so Stück für Stück: Gegenüber der Finanzindustrie ist der deutsche Staat schwach, desorganisiert und erpressbar.
      Quelle: ZEIT
    3. Topbanker vor dem HRE-Tribunal
      Für Josef Ackermann ist die Sache eindeutig: „Zur Rettung der Hypo Real Estate (HRE) hat es keine Alternative gegeben.“ Die Rettung der HRE sei buchstäblich in „letzter Minute“ erfolgt. Kritik hagelte vor dem Untersuchungsausschuss, der Krise und Rettung der HRE durchleuchten soll, vor allem an der Politik.

      Ergebnis aus Sicht der Opposition: Es gab Schwachstellen bei der Finanzaufsicht, BaFin und Bundesbank haben ihre Kontrollmöglichkeiten nicht ausgeschöpft.
      Quelle: Handelsblatt

    4. Zum Hintergrund: Soviel Geld hat die HRE bereits erhalten:

      Kredite:
      Das Geld kommt von anderen Banken, Versicherungen und der Bundesbank. Sie bewahrten die HRE, die durch akute Liquiditätsnöte ihrer irischen Staatsfinanzierungstochter Depfa in Bedrängnis kam, Ende September und Anfang Oktober gleich zwei Mal vor dem Zusammenbruch.

      Zunächst ging es um 35 Milliarden Euro, eine Woche später mussten die Darlehen um 15 Milliarden Euro aufgestockt werden.

      Die Kreditlinie läuft bis Ende 2009 und ist teilweise mit einer Garantie des Bundes versehen. Letztere läuft Ende März aus, soll aber verlängert werden.

      Garantien:
      Weil die Verhandlungen über die Ausgestaltung der 50-Milliarden-Hilfe sich hinzogen und die Kredite letztlich erst Mitte November zur Verfügung standen, erhielt die Bank zur Überbrückung Ende Oktober eine Sonderliquiditätshilfe in Höhe von 15 Milliarden Euro. Diese Überbrückungsgarantie ist mittlerweile ausgelaufen.

      Um den Kapitalmarkt anzapfen zu können, haben die Münchner zudem aus dem Banken-Rettungsfonds der Bundesregierung (Soffin) weitere Bürgschaften erhalten, sogenannte Liquiditätsgarantien: 20 Milliarden Euro im November; im Dezember dann weitere zehn Milliarden. Mitte Januar wurde der Rahmen um zwölf Milliarden Euro aufgestockt, einen Monat später kamen weitere zehn Milliarden Euro hinzu.

      Insgesamt summiert sich das auf 52 Milliarden Euro. Mitte Februar kursierten Gerüchte, wonach der Staat seine Garantiesumme noch einmal um 20 Milliarden Euro erhöhen müsse, um die HRE am Leben zu halten.

      Eigenkapital:
      Der Bund übernahm Ende März in einem ersten Schritt durch eine Kapitalerhöhung 8,7 Prozent der Anteile. Der Staat zahlte für 20 Millionen Aktien 60 Millionen Euro und verhinderte so, dass die Bank schließen muss.

      Finanz- und Parlamentskreisen zufolge braucht die HRE mindestens jedoch zehn Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital. Das könnten Kapitalerhöhungen oder weitere stille Einlagen sein. Der Staat würde dann zwangsläufig Mehrheitseigentümer.

      Zudem wird über langfristig laufende Garantien für Schuldtitel verhandelt.

      Nach Ansicht des FDP-Abgeordneten Volker Wissing legte der Untersuchungsausschuss auch Mängel in der deutschen Finanzaufsicht offen: “Der Staat war hier ganz schwach aufgestellt”, sagte er.

      Der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick sagte, es sei ein “Mythos”, dass die Lehman-Pleite vom September 2008 an allem Schuld sei. So sieht es auch der Finanzexperte der Linken, Axel Troost: “Es war auch ohne Lehman von einer Pleite auszugehen.”
      Quelle: Die Zeit

    5. Ex-Finanzstaatssekretär Mirow: HRE war kein zentrales Thema im BMF
      Bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2008 war die Hypo Real Estate Bank (HRE) kein zentrales Thema im Bundesfinanzministerium (BMF). Das sagte der ehemalige Staatssekretär im BMF, Thomas Mirow, am Dienstag als Zeuge vor dem HRE-Untersuchungsausschuss. Vielmehr hätten damals die “erheblichen Probleme” verschiedener Landesbanken im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Bei der HRE hingegen seien zwar Risiken durch den Handel mit strukturierten Produkten bekannt gewesen, nicht jedoch ein Liquiditätsproblem, sagte Mirow. Auch nach der Adhoc-Mitteilung vom 18. Januar, in der von einem erhöhten Abschreibungsbedarf bei der HRE die Rede war, habe es nach Aussage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) “keine Bestandsgefahr” gegeben. Auf Nachfrage der Abgeordneten bestätigte der ehemalige Staatssekretär am 23. Januar einen Brief des Bafin-Chefs Jürgen Sanio erhalten zu haben, in dem dieser ihn darüber unterrichtete, Ende 2007 Sachverhalte bei der HRE aufgedeckt zu haben, über der HRE-Vorstand bisher nicht informiert hatte. “Dabei war nicht von Liquiditätsproblemen die Rede”, sagte Mirow. Mit Sanio sei er so verbleiben, dass der Bafin-Chef “auf mich zu kommen wird, wenn es weitere Probleme bei der Bank gibt”. Das sei bis zu seinem Ausscheiden aus dem Ministerium jedoch nicht der Fall gewesen.

      Auf die Frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ob es im BMF “Drehbücher für einen Krisenplan” gegeben habe, entgegnete der Zeuge, so etwas habe er “zu keiner Sekunde in Erwägung gezogen”. Zum einen könne man die Lage ohnehin nicht korrekt simulieren und zum anderen müsse mit einer nachteiligen Reaktion der Märkte gerechnet werden, würde jemand “davon Wind bekommen”. Mirow wehrte sich gegen den Vorwurf, passiv gehandelt zu haben. Die Entwicklung der Märkte sei nun einmal nicht vorauszusehen.

      Die Einschätzung Mirows, die HRE-Krise sei vor dem 15. September 2008 “nicht absehbar” gewesen, teilte auch der zweite geladene Zeuge. Axel Wieandt, seit 13. Oktober 2008 Vorstandsvorsitzender der HRE, bezeichnete die unvorhersehbare Pleite von Lehman Brothers als “Auslöser” der Krise. Wieandt, der bis zu seiner Ernennung zum HRE-Vorstandsvorsitzenden bei der Deutschen Bank für die Konzernentwicklung zuständig war, äußerte sich vor dem Ausschuss trotz intensiver Nachfragen nicht zu einer eventuell schon vor der Lehman-Pleite vorhanden Schieflage der Bank. Bis zu seinem Wechsel zur HRE habe er sich nicht mit deren Liquiditätssituation befasst, sagte der Zeuge. Nach der im Oktober zwischen den zwei “Bankenrettungswochenden” nötig gewordenen Aufstockung des Rettungspakets von 35 auf 50 Milliarden Euro befragt, sagte er, dies gehe auf “Verwerfungen auf den Geldmärkten” zurück. Daher habe es einen höheren Liquiditätsbedarf gegeben. Keine Stellung nehmen wollte er zu der Aussage, der erhöhte Liquiditätsbedarf habe mit falschen Zahlen, die der ehemalige HRE- Vorstand Georg Funke genannt haben soll, zu tun. Ob die Herabstufung der HRE bei den Rating-Agenturen mit einer Bemerkung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der von der “Abwicklung” der HRE gesprochen hatte, in Verbindung zu bringen sei, wollte Wieandt nicht kommentieren. Bei seinen Gesprächen mit Rating-Agenturen habe die Aussage keine Rolle gespielt, sagte er. Auf Nachfrage stellte Wieandt klar, dass 80 Prozent der staatlichen Garantien für die HRE nach Irland gegangen seien, um die dort beheimatete HRE-Tochter Depfa zu retten. Das sei nicht zu verhindern gewesen, so der Vorstandsvorsitzende, da ohne die Depfa die gesamte HRE-Gruppe nicht hätte gerettet werden können.
      Quelle: Deutscher Bundestag

      Anmerkung WL: Und wieder wird die Lehman-Pleite als Ursache für das Zusammenbrechen des Kartenhauses gesehen. Dass auch die unbesicherten Verbindlichkeiten der HRE gegenüber deutschen Banken, Versicherern und Kommunen 51 Milliarden betrugen und die Bundesbank davon seit Ende August 2008 wusste bleibt unerwähnt.

  5. Eurostat: Business Cycle Clock
    Quelle: Eurostat

    Anmerkung WL: Sehr interessante vergleichende Daten.

  6. Das war eine große Enttäuschung
    Die Stuttgarter Kita-Beschäftigten hätten den Streik noch länger durchgehalten. Ein Gespräch mit Martin Agster, Personalratsvorsitzender im Stuttgarter Jugendamt und Mitglied der ver.di-Streikleitung: „Wir haben vor allem bei der Eingruppierung nicht das erreicht, was wir wollten.“
    Quelle: Junge Welt
  7. Ärztehonorare: Jammern auf hohem Niveau
    “Die absoluten Zahlen sind besser ausgefallen als erwartet.” Nach diesen Eingangsworten lässt Andreas Köhler viele Sätze folgen, in denen das Wort “aber” vorkommt: Es gebe vor Ort “noch viele Probleme”, klagt der Präsident der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), es gebe “auch Verlierer” der jüngsten Honorarreform. Kurz: es reicht noch nicht.

    In Berlin wurde am Montag eine erste Bilanz der neuen Vergütungsregeln für die knapp 150000 Kassenärzte und Psychotherapeuten in Deutschland gezogen. Im ersten Vierteljahr 2009 stiegen die Honorare im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einer Stichprobenanalyse zufolge um rund neun Prozent.
    Quelle: FR

    Dazu auch:

    Interview mit Verbraucherschützer Etgeton: “Ärzte haben Bogen überspannt”
    Verbraucherschützer Stefan Etgeton über Honorare für Ärzte und Tarifverhandlungen, den Vergleich von Äpfeln und Birnen sowie die Hoffnung, dass sich Ärzte mehr Zeit nehmen für Patienten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

  8. Arbeiten mit Erkrankung birgt Risiken
    Einen Rekordtiefstand seit Einführung der Krankenstand-Statistik im Jahr 1970 meldete das Bundesministerium für Gesundheit Anfang letzter Woche. Danach lag im ersten Halbjahr 2009 der Krankenstand in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchschnittlich bei 3,24 Prozent. Die Meldung löste eine rege Diskussion um den Gesundheitszustand der Beschäftigten in Deutschland aus, obwohl sich mit diesen Zahlen keine Ursachenforschung betreiben lässt. Dabei wurde auch das Phänomen des Präsentismus genannt. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fasst die Erkenntnisse zum Präsentismus zusammen und weist auf Risiken hin.

    Präsentismus bezeichnet ein Verhalten, bei dem Beschäftigte krank zur Arbeit gehen. Folglich können aus dem Rückgang der Fehlzeiten keine Schlüsse auf den tatsächlichen Gesundheitszustand der Beschäftigten gezogen werden. Vielmehr kann Präsentismus die Unternehmen und die Sozialversicherungen langfristig teuer zu stehen kommen.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.

  9. Zeitarbeit in der Krise
    In der Wirtschaftskrise hat keine andere Branche so viele Arbeitsplätze abgebaut wie die Zeitarbeit. Zu diesem Ergebnis kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Analyse, in der die jüngsten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet wurden. „Dem Leiharbeitsboom folgen jetzt massive Entlassungen“, schreibt Wilhelm Adamy, Leiter des Bereichs Arbeitsmarktpolitik, in dem Papier mit dem Titel „Vom Jobmotor zum Jobkiller“. Die Leiharbeitskräfte würden jetzt noch schneller entlassen, als sie bei guter Konjunktur eingestellt wurden, heißt es weiter. Obwohl die Unternehmen in den letzten Jahren „enorm hohe“ Gewinne eingefahren hätten, kämen sie nun in der Krise größtenteils ihrer „beschäftigungspolitischen Verantwortung“ nicht nach, kritisiert Adamy. So hat der Bund für die Qualifizierung der Leiharbeitskräfte 200 Millionen Euro aus der Arbeitslosenversicherung zur Verfügung gestellt. Wenn Verleihbetriebe Mitarbeiter wieder einstellen und sie qualifizieren, übernehmen die Arbeitsagenturen bis zu 100 Prozent der Lohnkosten sowie die Kosten der Weiterbildungsmaßnahmen. Doch im ersten Halbjahr 2009 wurden laut DGB erst 0,3 Prozent dieser Mittel abgerufen, etwa 500 000 Euro. „Das speziell auf die Verleiher ausgerichtete Sonderprogramm zur Qualifizierung wird von der Branche links liegen gelassen und ist bisher bedeutungslos“, analysiert Adamy.
    Quelle: Tagesspiegel
  10. Mindestlohn in Deutschland: Mehr Geld, mehr Jobs
    7,50 Euro für ein stärkeres Wachstum: Einer Gewerkschafts-Studie zufolge würde ein Mindestlohn Millionen Geringverdienern helfen – und einen Konjunkturschub auslösen.
    Quelle 1: Süddeutsche
    Quelle 2: Die Studie im Auftrag von ver.di [PDF – 291 KB]
  11. Arbeitszeit: Scholz umwirbt Metaller
    Mit der Wirtschaftskrise lebt die alte Gewerkschaftsidee breit angelegter Arbeitszeitverkürzungen wieder auf. Die IG Metall kündigte an, im Schlüsselbezirk Baden-Württemberg ab September eine Strategiedebatte über neue Schritte zu kürzeren Lebens- und Wochenarbeitszeiten zu führen. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD), der die staatliche Förderung der Altersteilzeit verlängern will, sucht den Schulterschluss.

    Ein Vierteljahrhundert nach dem Start in die 35-Stunden-Woche setzt Deutschlands mächtigste Gewerkschaft mit der geplanten Strategiedebatte das Thema Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Agenda. Zwar hält sich die IG Metall vorerst offen, inwieweit sie es schon in die nächste Metall-Tarifrunde im Frühjahr 2010 hineintragen will. Zunächst gehe es darum, die Instrumente näher zu definieren. „Aber wenn künftige Produktivitätsfortschritte nicht zulasten von Beschäftigung und Arbeitsqualität gehen sollen, müssen wir uns frühzeitig strategisch darauf vorbereiten“, betonte Hofmann.
    Quelle: Handelsblatt

  12. Verkappte Kampfansagen
    Langsam kommen sie aus der Deckung, die Unternehmerverbände und ihre wissenschaftlichen Berater. Fast zeitgleich meldeten sich am gestrigen Dienstag die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln zu Wort. Während BDA-Präsident Dieter Hundt seine Vorstellungen von einer »Tarifpolitik im Zeichen der Krise« darlegte, stellte das IW seine »Agenda 20D« vor, mit der die Kölner Ökonomen »Wege zu mehr Wachstum und Verteilungseffizienz« aufzeigen wollen.

    »Rein betriebswirtschaftlich« wäre es »durchaus angemessen«, ja eine »geradezu zwangsläufige Folge« der Krise, »in zahlreichen Branchen« ab 2010 »Lohnsenkungen« zu fordern. Allerdings sei es noch offen, wie sich die BDA-Mitgliedsverbände in dieser Frage positionieren werden.
    Quelle: Junge Welt

  13. Schaeffler: 250-Millionen-Sparpaket soll Jobs sichern
    Der hoch verschuldete Automobilzulieferer Schaeffler will nach massiven Zugeständnissen der Arbeitnehmer vorerst auf Entlassungen verzichten. Die Verhandlungen mit den meisten örtlichen Betriebsräten stünden kurz vor dem Abschluss, die entsprechenden Vereinbarungen sollten bis zum Monatsende unterzeichnet sein, teilte ein Unternehmenssprecher am Dienstag mit und bestätigte einen Bericht der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. Ziel seien konzernweite Einsparungen in Höhe von 250 Millionen Euro.

    Bereits geeinigt habe sich die Schaeffler-Führung mit dem Betriebsrat am Standort Schweinfurt. Das “Maßnahmepaket zur Senkung der Personalkosten” sei am Dienstag bei einer Betriebsversammlung vorgestellt werden. Es sieht Einsparungen in Höhe von 50 Millionen Euro vor. Die Summe soll nach Schaeffler-Angaben unter anderem mit dem verstärkten Einsatz von Altersteilzeit, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und Kurzarbeit erbracht werden. Auch setzt das Management auf Aufhebungsverträge, bei denen Beschäftigte auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlassen.

    Im Gegenzug will die Schaeffler-Führung bis zum 30. Juni 2010 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Falls sich die Märkte bis dahin nicht erholt hätten, seien danach betriebsbedingte Kündigungen und die Ausgliederung von Beschäftigten in Transfergesellschaften möglich, heißt es in einer Schaeffler-Mitteilung vom Dienstag.

    Schaeffler hatte sich bei der Conti-Übernahme verhoben und leidet inzwischen auch unter Auftragseinbrüchen wegen der Absatzkrise der Autoindustrie. Auf dem Unternehmen lasten nach der Conti-Übernahme Schulden von rund zwölf Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet die Schaeffler-Geschäftsführung mit einem Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro – nach 8,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Das Schaeffler-Management geht davon aus, das die Märkte erst im Jahr 2012/13 wieder das Niveau von 2008 erreichen werden.
    Quelle: stern

    Anmerkung WL: Die Opfer der Übernahmeschlachten und der Krise werden erkennbar. Den betrieblichen Gewerkschaftsvertretern bleibt nichts mehr anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen ist noch nicht einmal auf ein Jahr befristet, dabei prognostiziert das Schaeffler-Management schon jetzt, dass es nicht mit einer Erholung der Märkte vor 2012/13 rechnet. Die Kündigungswelle ist also nur aufgeschoben, und daran ändern wohl leider auch die Opfer der Arbeitnehmer nichts.

  14. «Du blöde Kuh»? Schlecker-Chef vor Gericht
    Wegen der angeblichen Beleidigung einer Betriebsratsvorsitzenden muss sich seit Montag der Chef der Drogeriemarkt-Kette Schlecker, Anton Schlecker, vor dem Nürnberger Arbeitsgericht verantworten. Der für die Region Auerbach/Oberpfalz zuständige Betriebsrat wirft dem Firmenchef vor, bei einem Überraschungsbesuch in Lauf (Bayern) Mitte Mai einfach in das Betriebsratszimmer geplatzt zu sein und sofort losgepoltert zu haben. Schleckers Anwalt bestritt am Montag die Vorwürfe. Der Drogerieketten-Chef war nicht nach Nürnberg gekommen. Bei der Auseinandersetzung habe Anton Schlecker die Betriebsratschefin dreimal «blöde Kuh» genannt und noch in anderer Weise beleidigt, berichtete ein ver.di-Vertreter am Montag. Der Aufforderung der Vorsitzenden, das Betriebsratszimmer sofort zu verlassen, sei Schlecker nicht nachgekommen. Die Arbeitnehmervertreterin habe daraufhin vor dem zuständigen Arbeitsgericht eine Unterlassungsklage eingereicht. Schlecker solle künftig weder ungestraft seine Beleidigungen noch seinen unerwünschten Besuch wiederholen dürfen.
    Quelle: Arbeitsrecht.de
  15. Seeparee in Brandenburg – Land privatisiert Gewässer
    Hinter sanft geschwungenen, Buchen bestandenen Hügeln liegt der Wandlitzsee…der See mit dem klaren, blaugrünen Wasser ist privatisiert. Seit sechs Jahren gehört der See einem Investor. Und zwar einfach deshalb, weil die Kommune Wandlitz damals den Kaufpreis von 400.000 Euro nicht aufbringen konnte.

    Diejenigen, die früher den See kostenfrei nutzten, sind jetzt die Dummen. Anlieger müssen nun für jeden Steg zahlen, der ins Wasser ragt. Die Kommune wiederum wird für den öffentlichen Badestrand zur Kasse gebeten. Und an allen anderen Stellen ist das Baden offiziell ganz verboten.

    Das ist nur ein abschreckendes Beispiel, die Zukunft könnte noch trüber aussehen: Allein in Brandenburg sollen in den nächsten Jahren 15.000 Hektar Seenlandschaft aus dem Bestand der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG), Nachfolgerin der Treuhand, verscherbelt werden.

    Mehr als 6000 Hektar Gewässer hat die BVVG in der Vergangenheit bereits zu Geld gemacht zu welchem Preis, dazu könne man aber keine Angaben machen.

    Um das zu verhindern, ruft der BUND Bürger auf, eine Petition an den Deutschen Bundestag zu unterstützen.

    Mehr als 35.600 Menschen haben bislang unterschrieben, im Internet sowie auf Papier. Aus ökologischen Gründen, fordern die Unterzeichner, sollten die Brandenburger Seen als Allgemeingut der Öffentlichkeit erhalten werden.

    Doch ob die Privatisierung tatsächlich noch gestoppt werden kann, ist ungewiss. Ein entsprechender Antrag der Grünen im Bundestag jedenfalls stieß in den zuständigen Ausschüssen auf Ablehnung.
    Quelle: FR

  16. Zugriff auf die Freiheit
    Die US-Sicherheitsbehörden sollen also auf Daten zugreifen dürfen, die keinerlei Bezug zu den USA haben und auf die hiesige Sicherheitsdienste bisher keinen Zugriff haben. Da ist es schön, wenn die Bundesregierung betont, auf strenge Datenschutz-Bestimmungen und den Rechtsweg pochen zu wollen. Noch schöner wäre es aber, wenn Berlin, wenn Brüssel, wenn Stockholm den verwunderten EU-Bürgern erklären könnte, weshalb die Europäische Union den US-Behörden mit ihrem bekannten Hang zum Datensammeln diesen Zugriff überhaupt gewähren will. Nein, es wäre die verdammte Pflicht dieser europäischen Führung, ihren Bürgern zu erklären, aus welchen Beweggründen heraus sie das ohnehin löchrige Bankgeheimnis weiter perforiert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Sicherheitsdienste in der EU selbst scharf sind auf diese Kontodaten und dafür den Umweg über Washington gern in Kauf nehmen. Denn merke: Die Freiheit stirbt scheibchenweise auch in der EU.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: War da nicht was? Vertrag von Lissabon, stärkere Einbindung des EU-Parlaments? Ach so, noch nicht ratifiziert. Oder Bundesverfassungsgericht , stärkere Einbindung des Bundestags? Ach so, nicht zuständig. Keine Frage von Krieg und Frieden oder gar von Vertragserweiterungen. Frage Sie ihren Abgeordneten, ob er Einsicht in die Details der geplanten Vereinbarung mit den USA kennt. Natürlich nicht telefonisch. Die USA könnte sich ja fragen, ob Sie etwa gegen den Datenaustausch seien, das ist schon sehr verdächtig. Vielleicht noch kein Schwerverbrechen, denn sonst hätten die USA schon längst personenbezogene Informationen über Sie erhalten. Erinnern Sie sich noch? Kurz vor der Sommerpause hat Schwarz/Rot ein Gesetz zur Umsetzung des Abkommens mit den USA über die “Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität” beschlossen. – Na, dann schöne Ferien.

  17. Ex-Berater Gerhard Schröders empfiehlt Opposition oder Rot-Rot-Grün: SPD muss sich der Linken öffnen
    Der Sozialphilosoph Oskar Negt hat die SPD aufgefordert, sich gegenüber der Linken zu öffnen: “Wenn die SPD ihre Identität durch die Abgrenzung von der Linkspartei gewinnen will, riskiert sie im Grunde, dass sie immer weiter im Ansehen der Bevölkerung absinkt. … Warum sollten sie SPD wählen, wenn die sich nicht verabschiedet von ihren Hartz-IV-Gesetzen?”
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast)
  18. Nachbessern nötig: Ein Jahr neue Regeln für „externe Mitarbeiter“ in Ministerien
    Am 26. Juli ist die Verwaltungsvorschrift, mit der die Bundesregierung den Einsatz von so genannten externen Experten in Ministerien regelt, ein Jahr in Kraft. Die Bundesregierung verabschiedete sie nach dem Skandal um mehr als hundert Mitarbeiter von Unternehmen und Verbänden, die von diesen bezahlt in den Ministerien arbeiteten und teilweise an Gesetzen mitschrieben. Die neue Vorschrift schränkt den Einsatz externer Mitarbeiter ein: sie dürfen nicht mehr an Gesetzen mitarbeiten und nicht mehr in Abteilungen eingesetzt werden, die direkt die Interessen der entsendenden Unternehmen oder Verbände berühren. Damit ist Regelung ein Teilerfolg – aber mit erheblichen Lücken, die nachgebessert werden müssen
    Quelle: LobbyControl
  19. PR-Desaster für INSM – Luftschlösser für junge Journalisten
    Mit Promis wie Josef Ackermann oder Anne Will bewirbt die Lobby-Gruppe INSM ein TV-Projekt. Doch die Genannten haben einer Kooperation nie zugestimmt.

    Ausgerechnet die INSM-Strategen, sonst Virtuosen auf der Klaviatur lautloser aber effizienter PR, haben ein heftiges Eigentor geschossen.

    Denn keiner der im Werbeschreiben erwähnten Prominenten hat offenbar die Zustimmung gegeben, bei der Kampagne mitzumachen. Eine Sprecherin von Adidas sagt, sie sei von einer Werbeagentur wegen eines Interviews mit Konzernchef Herbert Hainer angesprochen werden, habe aber abgesagt. Auch die Deutsche Bank hat die Anfrage der “Deutschland-24/30”-Initiatoren nach Aussage eines Sprechers “aus Termingründen abgelehnt”.
    Besonders erstaunt ist das Büro von Günter Grass.
    Quelle: SZ

    Dazu auch:

    Journalisten im Auftrag der INSM
    Wenn Redaktionen Journalisten nicht vernünftig bezahlen, tun es andere.

    Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine von Arbeitgeberverbänden finanzierte Organisation, die Stimmung für neoliberale Ideen und Konzepte macht, hat drei Jounalisten angeheuert, um kritischen Journalismus zu simulieren. Unter dem Namen “Deutschland 24/30″ sollen sie einen Monat lang durchs Land fahren, wichtige Menschen wie Anne Will, die Bundeskanzlerin und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann treffen und Sachverhalte “durchaus auch kritisch” hinterfragen. Rekrutiert wurden offenbar gezielt Journalisten, die “der sozialen Marktwirtschaft gegenüber positiv eingestellt und einem unternehmernahen Auftraggeber gegenüber aufgeschlossen sind”. Die drei zu Propagandisten mutierten Kollegen haben durchaus namhafte Medien im Lebenslauf. Nach Informationen des Vereins “LobbyControl” sollen diverse Medien über die Protagonisten und die Aktion berichten; aus den einzelnen Reiseberichten solle schließlich eine Fernseh-Reportage produziert werden. Der Berufsverband freier Journalisten, “Freischreiber”, berichtet, dass das Honorar für jeden der drei Journalisten zwischen 6000 und 7000 Euro betragen soll.
    Quelle: Stefan Niggemeier

  20. Nochmals zur sog. Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt

    Unser Leser G.K. schreibt uns dazu:


    Die Art und Weise der “Skandal”-Berichterstattung durch den weit überwiegenden Teils unserer Medien ist maßgeblich davon geprägt, welchem politischen Spektrum die in einen “Skandal” verwickelte Person angehört: Dem Spektrum der “bürgerlichen Parteien” oder jenem des “rot-rot(-grünen) Lagers”. Skandale auf der politischen Rechten werden zumeist als “Fehler”, “Unachtsamkeiten” und dergleichen verharmlost. Bei ähnlich gelagerten Taten von Angehörigen der Parteien des vermeintlich linken Spektrums werden hingegen die politischen Kanonen in Stellung gebracht: Kampagnenartig werden gegen diese Politiker und deren Parteien massiv Polit-Kampfbegriffe unters Wahlvolk gestreut: “Lüge”, “Wortbruch”, “Verrat” und Ähnliches.

    Ich möchte dies an 3 Beispielen dokumentieren:

    1. Ulla Schmidt (SPD):
      Genüsslich und voller Häme zelebriert der Spiegel den “Skandal” der Bundesgesundheitsministerin:
      “Urlaubs-Ulla: Die Ministerin mit Maß und Moral”
      Quelle: Spiegel

      Bezüglich der Spiegel-Berichterstattung hat Ulla Schmidt wahrscheinlich noch Glück im Unglück: Würde die dem rechten “Agenda”-Flügel der SPD zugehörende Politikerin dem linken SPD-Flügel oder gar der Linkspartei angehören, dann würde Ulla Schmidt aller Voraussicht nach medial geteert und gefedert. Es sei beispielhaft an die monatelange, von Hass geprägte Kampagne der Mainstream-Medien gegen Andrea Ypsilanti erinnert. Der Super-GAU für die Mainstream-Medien wäre ein erfolgreiches, von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiertes rot-grünes Regierungsbündnis unter Tolerierung der Linkspartei. Einem solchen Regierungsbündnis wollten die konservativ-neoliberalen Medien bereits im Vorfeld jeglichen Boden entziehen.

    2. Peter Harry Carstensen (CDU):
      Die von Carstensen zur Untermauerung des Koalitionsbruchs aufgetischte Unwahrheit, die 2,9 Millionen-Euro-Zahlung an den Chef der HSH-Nordbank sei mit der SPD-Fraktionsspitze abgestimmt gewesen, wird demgegenüber von den Medien wie eine kleine Lappalie behandelt. In der Frankfurter Rundschau taucht diese Unwahrheit versteckt innerhalb des Beitrags “Regierungskrise in Kiel: Carstensen entlässt SPD-Minister” als “Unterüberschrift” auf: “Carstensen gesteht erstmals eigene Fehler ein”.
      Quelle: FR

      Wäre der dem linken SPD-Flügel zugerechnete Ralf Stegner (“roter Rambo” und ähnliche Titulierungen durch die Mainstream-Medien) der Urheber dieser Unwahrheit, dann wäre gegen Stegner von der konservativ-neoliberalen Medienschar postwendend eine Kampagne entfacht worden: “Lüge”, “Verrat” und so weiter und so fort. Und: Während es bei den “unabhängigen” und “überparteilichen” Medien sehr schnell still um die Unwahrheit des CDU-Ministerpräsidenten wurde, kann man mit beinahe 100%-iger Sicherheit davon ausgehen, dass einem sozialdemokratischen Politiker (erst recht einem Politiker der Linkspartei) im Rahmen einer Medien-Dauerkampagne das Fell über beide Ohren gezogen worden wäre.

    3. Baron zu Guttenberg (CSU):
      Der blaublütige Baron dürfte für zahlreiche konservativ-neoliberale Medien die Hoffnung darauf verkörpern, dass im Zuge einer schwarz-gelben Machtübernahme nach der Bundestagswahl der neoliberale “Geist” eines Friedrich Merz sowie eines Paul Kirchhof noch stärker Einzug in die Regierungspolitik hält.

      Es ist doch erstaunlich: Bereits kurze Zeit nach dem Guttenberg-Wechsel ins Bundeswirtschaftsministerium sprang er auf der in Umfragen erhobenen Beliebtheitsskala in die Spitzengruppe der “beliebtesten” Politiker Deutschlands. Dies war nicht die Folge herausragender Politik (dafür war die Guttenberg-Amtszeit viel zu kurz), sondern das Resultat einer äußerst wohlwollenden Medienberichterstattung. Der Begriff “Hofberichterstattung” ist die treffende Charakterisierung dieses Vorgangs.
      Die NachDenkSeiten am 31. Mai 2009 zu dem von den Medien gedeckten politischen Doppelspiel des CSU-Wirtschaftsministers:
      “Der Kampf des Ritters zu Guttenberg gegen „Freibier“ für Opel und die seit Jahrzehnten offene Hand Bayerns für Subventionen vom Bund”.
      Quelle: NachDenkSeiten

      Die mediale Hofberichterstattung bereits in der Frühphase Guttenbergs im Amt des Bundeswirtschaftsministeriums fand im übrigen vor dem Hintergrund einer recht dubiosen Guttenberg-“Eigenvermarktung” statt (wobei sich selbst für die Verbreitung dieser zweifelhaften Guttenberg-Eigenwerbung zahlreiche Medien-Papageien fanden). Das NDR-Medienmagazin Zapp dokumentierte diesen Vorgang kurz nach der Amtsübernahme Guttenbergs:
      “Falschmeldungen zu Guttenberg”.
      Quelle: NDR Zapp

      Die neoliberale Grundhaltung des vom weit überwiegenden Teil unserer Medien als “Wahrer der Interessen der Steuerzahler” vermarkteten zu Guttenberg wurde bereits im Februar 2009 von Mario Müller in der Frankfurter Rundschau beschrieben:

      “Märkte sind “erwiesenermaßen effizient”. Oder: “Viele haben sich in der Umverteilungsgerechtigkeit wohlig eingerichtet.”

      Die erste Äußerung ist schlichtweg Unsinn. … Selbst ein Jurist wie Guttenberg sollte mitbekommen haben, dass vor allem Kapitalmärkte keineswegs so effizient sind, … sondern erwiesenermaßen immer wieder verrückt spielen, und es auch an anderen Märkten gelegentlich nicht mit rechten Dingen zugeht.

      Bei der Umverteilung liegt der Freiherr dagegen völlig richtig. Die Bezieher von Unternehmensgewinnen, Zinsen und Dividenden konnten in den vergangenen Jahren ihren Anteil am Volkseinkommen zu Lasten der Lohnempfänger deutlich steigern. Wohlig eingerichtet haben sich nicht nur Vorstände und Aufsichtsräte der Bayerischen Landesbank sowie ihre Kollegen aus anderen Kreditinstituten oder Branchen, die sich üppige Gehälter und Abfindungen genehmigten. Auch Parlamentsabgeordnete nagen nicht gerade am Hungertuch. Eher schon Empfänger von Hartz IV. Sie dürften unter Gerechtigkeit etwas anderes verstehen als Guttenberg. (…)

      Das offenkundige Scheitern der neoliberalen Ideologie warf selbst unter hartgesottenen Kapitalisten die Systemfrage auf. Zumindest wurden Marktversagen und ungleiche Einkommensverteilung als strukturelle Schwachstellen identifiziert, die es zu beheben gilt.

      Doch mit dem Lernprozess scheint es schon wieder vorbei zu sein. Die gleichen Marktfundamentalisten, die eben noch die Notwendigkeit staatlicher Hilfen für Banken und Konjunktur betont hatten, ereifern sich nun über die Kosten, die die Rettungsversuche in Form zusätzlicher Staatskredite nach sich ziehen. … Und Guttenbergs CSU findet nichts dabei, wenn sie die Bayerische Landesbank mit Milliarden-Kapitalspritzen aus dem öffentlichen Haushalt stützt und gleichzeitig Steuersenkungen fordert. Man kann sich leicht ausrechnen, welche Ausgaben dafür gestrichen werden.

      Klar, der neue Wirtschaftsminister soll der Steuersenkungspartei FDP möglichst viele Wähler abspenstig machen. Also gibt Guttenberg den Guido. Und schwadroniert von “Startchancen- und Leistungsgerechtigkeit”. Der wäre allerdings eher gedient, wenn die stark abgesenkte Steuerprogression für höhere Einkommen wieder angehoben würde. Einem christlich-sozialen Politiker stünde es zudem nicht schlecht zu Gesicht, sich gelegentlich mit dem Konzept der Bedarfsgerechtigkeit zu befassen.”
      Quelle: FR

      FAZIT zur Doppelbödigkeit des Großteils unserer Medien:
      Die hiesige Medienlandschaft erfüllt immer weniger die Anforderungen, welche an einen funktionsfähigen Mediensektor innerhalb eines demokratischen Staates gestellt werden: Vielfalt, Unabhängigkeit und Fairness im Sinne einer möglichst umfassenden Gleichbehandlung der unterschiedlichen politischen Kräfte. Der nüchterne und zugleich beunruhigende Befund zum deutschen “Medienkomplex”: Dieser betreibt in wachsendem Maße einen dem Ziel des Machterhalts bzw. des Machterwerbs der konservativ-neoliberalen Kräfte dienenden Journalismus. In diesem Sinne gestaltet sich die Berichterstattung zu politischen “Skandalen” situationsabhängig als Verharmlosungs- oder als Kampagnenjournalismus.

    Dazu auch Roger Strassburg: Als jemand, der einen vertraglichen Anspruch auf einen Dienstwagen habe, den ich ausdrücklich privat benutzen darf (der deshalb als geldwerter Vorteil versteuert wird), finde ich diese Debatte ziemlich befremdlich.

    In meinem Fall ist der Dienstwagen und die private Nutzung (ohne privat gebrauchten Sprit, versteht sich) Teil meines Arbeitsentgelts ist. Diese Konstellation ist bei manchen Berufen in der Privatwirtschaft allgemein üblich, auch in anderen europäischen Ländern. Ich würde es eher seltsam finden, wenn die obersten Beamten eines Staates von der Größe Deutschlands nicht mindestens eine solche Regelung hätten – evtl. auch mit Chauffeuren.

    Wenn man sich über Abfindungen in zweistellige Millionenhöhe für Manager, die das Vermögen ihrer Unternehmen vernichtet haben, oder über staatlich finanzierte Millionen-Boni für Investmentbanker, die das Geld ihrer Kunden verspekuliert haben und ihre Banken an den Rand des Ruins getrieben haben, empört, wird ihm der Vorwurf “Neiddebatte” sofort entgegengeschleudert. Das finde ich einfach zynisch.

    Dennoch finde ich den ekelhaften Begriff “Neiddebatte” in diesem Fall für angebracht. Es ist ja bekannt, dass der Neid sich hervorragend instrumentalisieren lässt, um die Bevölkerung von dem abzulenken, was dringend öffentlich diskutiert werden müsste. Anstatt über das Gesundheitssystem zu reden, redet man jetzt über den gestohlenen Dienstwagen, den die Gesundheitsministerin – rechtmäßig – im Urlaub benutzte. Erst recht wird nicht mehr darüber diskutiert, wie Banker, die sich verzockt haben, auf Kosten der Steuerzahler und Sozial-Bedürftigen alimentiert werden. Eine uralte Methode der Herrschenden, wieder einmal erfolgreich eingesetzt. Armes, armes Deutschland!

  21. fzs ruft zur Unterstützung der Bundestagspetition zum Hochschulwesen auf
    In zehn Tagen endet die Mitzeichnungsfrist einer Bundestagspetition zum Hochschulwesen. Diese fordert den Deutschen Bundestag auf zu beschliessen, dass jeder Bachelorabsolvent einen Masterstudienplatz erhält, unabhängig von Note, Herkunft und sozialem Stand. Der studentische Dachverband unterstützt diese Forderung und fordert alle Studierenden auf, diese Petition zu unterstützen.

    Seit Beginn der Zeichnungsfrist am 14. Juni haben mehr als 36.000 Bürgerinnen und Bürger die Petition unterstützt. Damit das Anliegen letztendlich vor den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgetragen werden kann, sind bis zum 7. August noch knapp 14.000 weitere UnterstützerInnen notwendig.

    “Sowohl einzelne Regelungen in Landeshochschulgesetzen als auch viele Auswahlsatzungen an Hochschulen haben dafür gesorgt, dass eine weitere Barriere in das Bildungssystem eingezogen wurde. Dabei sind die Auswirkungen dieser Hürden seit Jahren bekannt. Bei jedem Übergang im Bildungssystem sinkt der Anteil von Frauen und Menschen aus sozial benachteiligten Elternhäusern. Bildungshürden sind allesamt diskriminierend.” erklärt Florian Keller, ebenfalls Mitglied des fzs-Vorstands.
    Quelle: Petition: Hochschulwesen – Masterstudienplatz für Bachelorabsolventen vom 14.06.2009

  22. Verbund Norddeutscher Universitäten startet das neue Projekt “Studierbarkeit”
    Die Einführung von Bachelor- und Masterstudien ist flächendeckend erfolgt. Wie bei jeder Umstellung haben sich auch im Bolognaprozess Reibungsverluste ergeben. Nachbesserungen und Feinjustierungen sind erforderlich. Darin ist sich die Mehrzahl der Universitäten einig. Der Verbund Norddeutscher Universitäten startet jetzt mit einem neuen Projekt zum Thema “Studierbarkeit”. Ziel des Projekts ist die nachhaltige Verbesserung und Qualitätssicherung der Studienprogramme in den Mitgliedsuniversitäten. Zudem sollen aus den Ergebnissen Konsequenzen für das jeweilige Qualitätsmanagement einer Universität gezogen werden. “Die Qualität unserer Studienangebote hat für uns einen hohen Stellenwert”, so Professor Wilfried Müller, Sprecher des Verbundes und Rektor der Universität Bremen, am Rande eines Treffens der Mitgliedsuniversitäten am 17. Juli 2009 in Bremen, “Ziel des Projekts ist es deshalb, diesen Stellenwert sichtbar zu machen und die Qualität unserer Studienangebote weiter zu steigern.”

    Im Verbund Norddeutscher Universitäten haben sich die Universitäten Bremen, Greifswald, Hamburg, Kiel, Lübeck, Oldenburg und Rostock zusammengeschlossen. Qualitätssicherung von Studium und Lehre ist von Beginn an – also seit 1994 – zentrales Anliegen der sieben Universitäten. Weit vor der Etablierung von Akkreditierungsverfahren wurden in den Mitgliedsuniversitäten bereits spezifische Fachevaluationen durchgeführt und deren Ergebnisse publiziert. Damit steht dem Verbund Norddeutscher Universitäten eine profunde und in der Bundesrepublik einzigartige Erfahrungsbasis für die Weiterentwicklung von Qualität steigernden Verfahren in Studium und Lehre zur Verfügung.
    Quelle 1: idw
    Quelle 2: Evaluationsberichte Verbund Norddeutscher Universitäten

  23. Profiteure der Krise
    Die Weltwirtschaftskrise ist ein Weckruf, es schält sich eine neue Weltordnung heraus: Nach der Rezession werden die USA schwächer, während China und weitere Länder stärker dastehen. Auch geopolitisch gewinnen sie an Einfluss.

    Ausgerechnet im Land des Exportweltmeisters, dessen Wirtschaft wie die von kaum einem anderen Land mit Volkswirtschaften auf allen Kontinenten verflochten ist und von Entwicklungen in anderen Staaten abhängt, gibt es keine großen geostrategischen Debatten.

    Kein Wunder, dass deshalb etwa das Desinteresse am Bundeswehreinsatz in Afghanistan die Regel ist und allenfalls dann durchbrochen wird, wenn es bedauerlicherweise Opfer zu beklagen gibt. Wenig erstaunlich auch, dass es schon Anstoß erregt, wenn in dem sicherheitspolitischen Weißbuch der Bundesregierung die Formulierung steht, zu den deutschen Interessen gehöre auch der Schutz der internationalen Handelsrouten. Wohlstand muss sein, doch man möchte sich bitte nicht damit auseinandersetzen müssen, wie sehr er von internationalen Entwicklungen abhängig ist.

    Die Weltwirtschaftskrise ist ein Weckruf. Anders als George Bush senior es sich nach dem ersten Irak-Krieg Anfang der neunziger Jahre träumen ließ, schält sich nun tatsächlich eine neue “Weltordnung” heraus. Die Schwellenländer – vom Westen bis vergangenes Jahr noch an den diplomatischen Katzentisch verbannt – reden plötzlich wirklich mit.

    Chinas Aufholjagd gegenüber den USA wird sich deshalb drastisch beschleunigen. Und so bitter dies für den Westen ist: Dabei hilft derzeit gerade die autoritäre, nichtdemokratische Staatsstruktur. Denn sie schafft in der Krise den Freiraum, innen- und außenpolitisch schnell zu handeln und die Politik allein nach ökonomischen Notwendigkeiten auszurichten.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die Weltsicht des Bundesnachrichtendienstes BND. Es ist das Denken in Kategorien der Kanonenbootpolitik zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Es geht nicht um die vielgepriesene internationale Arbeitsteilung, um Freihandelspolitik oder um internationalen Wettbewerb als Mittel, den globalen Wohlstand zu vermehren – jetzt, wo es zu einer Krise der neoliberalen Kolonialisierung der Welt gekommen ist, geht es wieder um „Geostrategie“ (Aufstieg und Fall von Imperien), also um die Erreichung nationaler Ziele oder um die Sicherung von Ressourcen mit machtpolitischen oder militärischen Mitteln. Und wie schon zu Kiesingers Zeiten vor über 40 Jahren kommt die Hauptbedrohung aus China, China, China.

  24. Krieg mit Clausewitz
    “Der Gebrauch des Landsturmes und bewaffneter Volkshaufen kann und soll nicht gegen die feindliche Hauptmacht, auch nicht einmal gegen beträchtliche Korps gerichtet sein, er soll nicht den Kern zermalmen, sondern nur an der Oberfläche, an den Umgrenzungen nagen.” Clausewitz redet nicht von Kundus und scheint das nördliche Afghanistan doch genau zu kennen: Dieser bewaffnete Volkshaufen “soll sich in den Provinzen erheben, welche dem Kriegstheater seitwärts liegen und wohin der Angreifende nicht mit Macht kommt, um diese Provinzen seinem Einfluss ganz zu entziehen”. Die ostdeutschen Bundeswehrfreiwilligen, die sich nach Afghanistan verpflichten, wissen wohl meist so wenig wie die ihnen vorgesetzten Kriegsherren, dass Clausewitz bereits vor 170 Jahren ihren unsichtbaren Gegner beschrieben hat: “Nach unserer Vorstellung vom Volkskriege muss er wie ein nebel- und wolkenartiges Wesen sich nirgends zu einem widerstehenden Körper konkreszieren.” Der Feind ist unsichtbar, er ist überall, und er ist nicht so leicht zu bekämpfen, wie sich das die Napoleoniden in ihren strategisch bestimmt unhintergehbaren Kalkulationen gern vorstellen. Aber wie gesagt, Clausewitz wusste nichts von Afghanistan oder davon, wie leicht da einer stirbt, der nur Steine sieht und Berge und ein nebelartiges Wesen, an dem alle moderne Militärtechnologie zuschanden wird. Wer da wem seinen Willen aufzwingt, steht längst nicht fest.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist angesichts der Dürftigkeit aktueller Strategien immer wieder erschreckend daran erinnert zu werden, was in der Vergangenheit zu asymetrischen Kriegen, ob sie nun Volksaufstand, Partisanenkrieg, Guerillakrieg oder subversive Kriege (Aron) genannt werden, bereits gesagt und geschrieben wurde. Mittlerweile hat man den Eindruck, dass es mit der Ausbildung an den Militärakademien nicht zum besten steht. Anders kann man sich nicht erklären, warum der General Hans-Lothar Domröse, als er Chef des Stabes der ISAF (nicht Kommando) in Afghanistan wurde, letztes Jahr in der SZ zu der späten Erkenntnis kam: “Die Annahme, dass man die Aufständischen auf konventionelle Weise leicht schlagen könne, war falsch.” und auf die Nachfrage, dass das keine neue Erkenntnis sei, meinte: “Vielleicht waren wir, die internationale Gemeinschaft, zunächst ein bisschen naiv.” Auch der neueste Schlager, der „comprehensive approach“, also die Verknüpfung von militärischem und zivilem Einsatz, ist ein alter Hut, er wurde von Feldmarschall Gerald Templer, dem Tiger von Malaysia , in den 50ern auf den Punkt gebracht: “The answer lies not in pouring more troops into the jungle, but in the hearts and minds of the people.” – Wer nun meint, es ginge nur um das Militär, lese nach bei Clausewitz: “Daß die Politik an den Krieg Forderungen erhebt, die er nicht leisten kann, wäre gegen die Voraussetzung, daß sie das Instrument kenne, welches sie gebrauchen will, also gegen eine natürliche, ganz unerlässliche Voraussetzung.”

  25. Baltikum am Boden
    Nach dem Boom: Kaum noch Rente, Hungergehälter für Staatsdiener, hohe Schuldenlast: Lettland zerfetzt sein soziales Netz für Kredite gegen den Staatsbankrott.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Letztlich hat die taz eine Sportlehrerin aus Riga mit den Worten zitiert. “Ich sehe hier keine Zukunft für meine Kinder. Ich glaube nicht mehr an dieses Land. Es produziert nichts, was der Rest der Welt haben will”. Das trifft das Problem eher als die laufenden Hinweise auf die Finanzkrise bzw. Auslandsverschuldung. Viele Papiere, die vor Osterweiterung von Seiten der EU und auch der osteuropäischen Länder produziert wurden, sind Schrott. Die europäische Integration sollte das Vehikel für den Modernisierungs- bzw. Aufholprozess Osteuropas bilden. Die Regierungen setzten vor allem auf die außenwirtschaftliche Öffnung gegenüber dem Europäischen Binnenmarkt. Die Strategie, über ausländische Kapitaleinfuhr und über Exporte in das westliche Ausland einen Aufholprozess zu initiieren, war in den Strategiepapieren sämtlicher Regierungen der osteuropäischen Beitrittsländer deutlich ausformuliert. Wir haben billige Arbeitskräfte und ihr bringt das Kapital, das hört sich in der Theorie gut an, aber scheitert in der Praxis. Das ausländische Engagement in vielen osteuropäischen Volkswirtschaften fiel viel zu schwach aus, um diesen Ländern eine wettbewerbsfähige industrielle Kompetenz zu sichern. Umgekehrt war es doch eher so, dass die Kompetenz, die anfänglich bestand, bei Öffnung der Märkte wegkonkurriert wurde. Die entscheidende Frage ist in der Tat: Was produziert Osteuropa, was der Rest der Welt haben will? – Südkorea war von der Schuldenkrise der 80er extrem betroffen, konnte sich aber über den Export rasch von seinen Schulden befreien. Allerdings hatte sich Südkorea zuvor u.a. über unter Freihändlern verpönte Schutzmaßnahmen eine eigene industrielle Kompetenz zugelegt.

  26. Anregung zum Einmischen
    Unser Leser J.H.: gibt folgenden Tipp:
    Auf dem neugestalteten Internetauftritt der Tagesschau befindet sich die Gelegenheit, für mögliche Fragen an Oskar Lafontaine beim kommenden ARD-Sommerinterview abzustimmen und eigene Vorschläge hierfür abzugeben.

    Vielleicht wäre dies ja einen Hinweis auf Ihren Seiten wert, damit möglichst viele Ihrer Leser diese Option für sich nutzen können, um eventuell daran mitzuwirken, dass dieses Interview ein wenig fairer und ausgewogener gestaltet wird, als es bei der ZDF-Variante von Herrn Frey der Fall war. Auch wäre es natürlich sehr interessant zu sehen, welche der Fragen, für die am Ende am meisten abgestimmt wurde, auch tatsächlich von den Herren Deppendorf und Becker am Sonntag gestellt werden.

  27. Zu guter Letzt:

    Ein NDS-Leser hat uns einen Vorschlag zugeschickt, wie die LINKE sich gegen die Asymmetrie der Berichterstattung über ihre Politiker wehren könnte:

    Wahlbetrug

    Quelle: The permanent Campaign


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4098