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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 27. August 2009 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(RS/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Konjunktur: Konsum stützt BIP
  2. Staatskassen: 17 Milliarden zuwenig
  3. China ist nun Exportweltmeister
  4. Knallgasprobe der deutschen Chemie
  5. Gutachten: Pleite-Bank Hypo Real Estate ist nichts mehr wert
  6. Die verpasste Revolution
  7. Planmäßiges Versagen
  8. DGB: Leiharbeit in Deutschland – Fünf Jahre nach der Deregulierung
  9. Schulen zu verkaufen: Wenn der Hausmeister zum Facility Manager wird
  10. Schwarze Löcher im U-Bahnnetz
  11. Sehnsucht nach dem Staatsversorger
  12. Kohl-Regierung schönte Akten: Auf Gorleben fixiert
  13. Atom-Renaissance abgesagt
  14. Ärztehonorare: Nach wie vor Spitzenverdiener
  15. Die Basis spricht
  16. Ariel: 10 Prozent mehr ist weniger
  17. FDP droht neuer Finanzskandal im Internet
  18. Information und Unsinn Verfassungsrichter Udo Di Fabio und seine Theorie der Medien
  19. Bild: Wer darf auf Steuerzahlerkosten im Kanzleramt dinieren?
  20. Aufklärung auf Amerikanisch
  21. Zwei von drei Spenderorganen stammen von Hingerichteten
  22. Nochmals: Zur Anmerkung Arbeiter als Kapitalisten
  23. Zu guter Letzt: … und dann Schwamm drüber.

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Konjunktur: Konsum stützt BIP
    Die deutsche Wirtschaft verspürt etwas Aufwind. Vor allem der private und staatliche Konsum wirken als Stütze. Zugleich meldet das Statistische Bundesamt den tiefsten Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Leistung, den es bisher gab. Dieses scheinbare Paradox hatte das Amt vor kurzem mit vorläufigen Zahlen angedeutet und jetzt mit neuen Daten bestätigt: Im Vorquartalsvergleich stieg das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni erstmals seit längerem wieder um 0,3 Prozent. Im Vergleich mit dem Vorjahr gab es dagegen ein Rekord-Minus von 7,1 Prozent.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: So paradox ist das Phänomen gar nicht: Ein Gutteil des Zuwachses beim privaten Konsum geht wohl auf die Abwrackprämie zurück. Die voraussichtlich nur kurzfristige Stabilisierung des Konsums durch das Kurzarbeitergeld leistet das ihrige. Woher sollte aber der private Konsum angesichts des Auslaufens dieser Subventionen angesichts weiter sinkender (realer) Nettolöhne in nächster Zukunft noch kommen.

  2. Staatskassen: 17 Milliarden zuwenig
    Die Wirtschaftskrise hat die Staatskassen tief ins Minus gedrückt und zwingt den Staat zu Rekordschulden. Wegen sinkender Steuereinnahmen und hoher Mehrausgaben betrug das Finanzierungsdefizit bei Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen im ersten Halbjahr 17,3 Milliarden Euro.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Besonders hinzuweisen ist auf Folgendes: Für Banken-Hilfen wurden 1,8 Milliarden Euro verbucht. Die Summe fiel niedriger aus, obwohl der Rettungsfonds SoFFin im ersten Halbjahr 13,7 Milliarden Euro zahlte. Der Grund dafür ist den Angaben zufolge, dass der Rest als werthaltige Kapitalzuführung gewertet wird, die nicht buchungswirksam ist. Der starke Anstieg der Subventionen (plus 11,2 Prozent) resultierte daraus, dass die Bundesagentur für Arbeit die von Unternehmen bei Kurzarbeitern zu tragenden Sozialbeiträge erstattete.

  3. China ist nun Exportweltmeister
    Gerne hat sich die schwarzrote Regierung damit gebrüstet, dass Deutschland Exportweltmeister sei. Damit ist es nun offenbar zu Ende. Nach einem Bericht der Welthandelsorganisation (WTO) hat China in der ersten Hälfte des Jahres Deutschland überholt.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung WL: Na und, möchte man dazu nur sagen. Statt dass die Welthandelsorganisation die Leistungsbilanzungleichgewichte kritisiert, wird weiter diesem dämlichen Wettbewerb um eine Exportweltmeisterschaft Vorschub geleistet. Viel wichtiger wäre eine Rangliste der Länder, die sich gegenüber den Exportländern durch ihre Importe verschulden (müssen). Die Exportfetischisten bei uns, wie z.B. unsere Kanzlerin, könnten ja mal bei der WTO beantragen, dass die Statistik geändert wird, und die Exportleistungen pro Kopf berechnet werden.

  4. Knallgasprobe der deutschen Chemie
    Die Branche war einmal der Stolz der deutschen Wirtschaft. Doch Ikonen wie Hoechst wurden zerlegt und verhökert, Wissen und Arbeitsplätze wanderten ab ins Ausland. Vom Ausverkauf profitiert haben lediglich Berater.
    Wo ausländische Konzerne einstiegen, wurden Zentralen dichtgemacht, Entwicklungsabteilungen ausgelagert, das Know-how abgezogen. Tausende Arbeitsplätze gingen verloren – in Labors, Verwaltungen und Produktion. So stark sind die verbliebenen Firmen geschrumpft, dass sie beim Übernahmepoker auf dem Weltmarkt keine Rolle mehr spielen. Profitiert haben lediglich Investmentbanker, Anwälte, PR- und Marketingstrategen. Alle, die prinzipiell an Veränderungen interessiert sind, weil sie damit ihr Geld verdienen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Ein interessantes Dossier über die Zerschlagung der deutschen Chemie.

  5. Gutachten: Pleite-Bank Hypo Real Estate ist nichts mehr wert
    Der Unternehmenswert der staatlich gestützten Pleite-Bank HRE liegt laut einem eigenen Gutachten der Bank bei Null. Bisher hat die HRE bereits über 100 Milliarden Euro erhalten. Doch damit noch nicht genug: Bis Jahresende braucht die Bank laut Medienberichten weitere sieben Milliarden Euro.
    Bei dem Gutachten handelt es sich um ein Pflichtdokument, dass im Vorfeld der Abfindung von Aktionären erstellt werden muss. Den HRE-Aktionären könnte eine Abfindung in Höhe von rund 1,30 Euro pro Aktie bevorstehen.
    Quelle: Die Welt

    Anmerkung MR: Und dann redet “von und zu” weiterhin von Enteignung …

    Ergänzende Anmerkung RS: Weshalb gibt es eine Abfindung für Aktionäre, wenn das Unternehmen nichts Wert ist? Abfindung wofür?

  6. Die verpasste Revolution
    Wenn die Krise eines vor Augen geführt hat, dann ist der Reformbedarf der globalen Finanzarchitektur. Doch weil die Wähler zurzeit auf bewährte Parteien setzen, droht die nötige Korrektur des Kapitalismus zu scheitern.
    Die Empörung über das Ackermann-Dinner bei Kanzlerin Merkel ist übrigens ein glänzendes Beispiel für die intellektuelle Leere oder besser Denkfaulheit, die den deutschen Wahlkampf in großen Teilen prägt. Welche Zeitverschwendung, sich über ein Abendessen im Kanzleramt zu echauffieren, das zu den üblichen Gepflogenheiten des Regierungsgeschäfts fast überall auf der Welt gehört. Wie merkwürdig, diese Energie nicht auf den eigentlichen und andauernden Riesenskandal zu lenken, dass Steuerzahler und staatliche Leistungsempfänger in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten für die Geschäfte überbezahlter Finanzakteure bluten müssen. Schließlich verursachten die Bankmanager immense gesamtgesellschaftliche Verluste und bereicherten sich selbst dabei ebenso immens. Der öffentliche Schuldenstand in der Euro-Zone dürfte als Folge der Finanzkrise von rund 60 Prozent auf rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder mehr hochschnellen – und da erregt man sich über eine Mahlzeit?
    Wenn die Wähler sich aber allzu friedlich geben, kann die Vernunft in dieser Krise nicht mehr auf etwas Empörung als Verbündeten zählen. Dann droht ein Szenario, in dem die Regierungen ihre früheren Ankündigungen bald vergessen. Sie werden hinnehmen, dass die Staatsverschuldung hochschnellt, und sie werden nur noch danach streben, die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Das Finanzdesaster von 2007 wäre in dem Fall nicht mehr der Anlass, das Tempo der Finanzspekulation zu begrenzen und dem Kapitalismus neue Sicherheitsgurte zu verordnen. Es wäre nur noch ein schlimmer Unfall, dessen Folgen man Gott sei Dank einigermaßen gut verkraftet hat – munter vorwärts bis zur nächsten Blase und zum nächsten Crash.
    Politische Stabilität in Zeiten der Wirtschaftskrise ist etwas Gutes – solange wir nicht dem Irrtum verfallen, sie mit politischer Kontinuität zu verwechseln. Wer künftig stabilere Verhältnisse will, muss neue Lösungen wollen und Kontinuität bekämpfen. Stabilitätspolitik ist heute nicht konservativ, sondern revolutionär.
    Quelle: FTD

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und die revolutionärsten Artikel stehen heute nicht in der angepaßten SZ oder dem dumpfen und neoliberalen SPIEGEL, sondern in der Wirtschaftspresse.

  7. Planmäßiges Versagen
    Vor dem Hintergrund der aktuellen Bankenkrise wird gemeinhin die Tatsache unterschlagen, dass es sich bei dieser Krise keineswegs um die erste ihrer Art handelt. So kam es zum Beispiel in den 1980er Jahren in den USA zum Zusammenbruch von einigen hundert Sparkassen, die, nachdem ihre strikte Regulierung zur Schaffung von »Wettbewerbsfähigkeit« gelockert worden war, mit hochriskanten Geschäftsmodellen auf Profitjagd gingen. Anfang der 1990er Jahre geriet das japanische Bankensystem nach dem Platzen einer Immobilienpreisblase in die Krise. Ende der 1990er Jahre musste der Hedge-Fonds Long-Term Capital Management von US-Staat und Banken gerettet werden, da man befürchtete, der Zusammenbruch des Fonds könnte das internationale Finanzsystem in den Abgrund reißen. Das Platzen der Dotcom-Blase löste ab 2000 einen weiteren Schock aus. In Deutschland galt der Beinahezusammenbruch der Bankgesellschaft Berlin im Jahr 2001 bis zur aktuellen Misere als die bislang größte Bankenkrise. Und 2003 kamen die HypoVereinsbank, die Commerzbank und die Dresdner Bank in solche Schwierigkeiten, dass zwischen Bundesministerien und Bankhäusern die Schaffung einer »Bad Bank« diskutiert wurde, was letzten Endes doch nicht geschah.
    Das Finanzsystem hangelte sich in den letzten Jahrzehnten von einer Krise zur nächsten, und man sollte meinen, es wären mittlerweile entsprechende Schlußfolgerungen gezogen worden, um solche Entwicklungen künftig zu vermeiden. Auf die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wies 1998 Wolfgang Artopoeus, der damalige Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, in einem Vortrag hin. Den Entwicklungen in der Risikopolitik der Banken, die Gefahr liefen, sich krisenhaft zu entwickeln, müsse von Seiten der staatlichen Aufsicht mit international abgestimmten Maßnahmen und verschärften Eigenkapitalvorschriften begegnet werden.1 Doch seine Worte verhallten ungehört, die Staaten verließen sich weitgehend auf die von Lobbyisten eingeflüsterte vermeintliche »Selbstkontrolle des Marktes«. Gut zehn Jahre nach seiner Rede haben sich Artopoeus’ Befürchtungen bewahrheitet. Das Versagen der bestehenden Bankenaufsicht hat sich eindrucksvoll gezeigt.
    Quelle: junge Welt
  8. DGB: Leiharbeit in Deutschland – Fünf Jahre nach der Deregulierung
    Leiharbeit bleibt eine umstrittene und oftmals problematische Beschäftigungsform. Die Bedeutung der Leiharbeit für den Arbeitsmarkt wird erheblich überschätzt und die sozialen Kosten unterschätzt. Die Gewerkschaften kritisieren vor allem die zunehmende Verdrängung regulärer Beschäftigung und damit eine zunehmende Destabilisierung des Arbeitsmarktes.
    Man könnte erwarten, dass Arbeitnehmer/innen, die flexibel sind, teilweise weite Anfahrten in Kauf nehmen und sich erhöhten Gefahren aussetzen, wenigstens anständig bezahlt werden. Doch dies ist nicht der Fall. Die Beschäftigten fühlen sich vielfach wie Arbeitnehmer zweiter Klasse. Das liegt vor allem an dem hohen Lohnabstand zu vergleichbaren Beschäftigten in den Einsatzbetrieben.
    Quelle: DGB [PDF – 116 KB]
  9. Schulen zu verkaufen: Wenn der Hausmeister zum Facility Manager wird
    Neue Schulen sind für klamme Kommunen oft zu teuer. Privatfirmen ersetzen deshalb marode Alt- durch schicke Neubauten, mit oft trickreichen Vertragsdetails. “Facility Manager” ersetzen zum Beispiel den städtischen Hausmeister – nach dem sich dann mancher Lehrer und Schüler zurücksehnt.
    Inzwischen formiert sich Widerstand. An vorderster Front: Attac, die IG Metall und die Lehrergewerkschaft GEW. Sie wollen öffentliches Eigentum nicht in der Hand von Großinvestoren sehen. “PPP ist nur ein Finanzierungsmodell, und zwar ein ganz schlechtes”, sagt Carl Waßmuth von Attac.
    Quelle: SPIEGEL-ONLINE

    Dazu passt:

  10. Schwarze Löcher im U-Bahnnetz
    Londons U-Bahn ist gnadenlos veraltet, die Sanierung schon lange beschlossene Sache. Doch bis das älteste Nahverkehrssystems der Welt tatsächlich modernisiert wird, könnten noch Jahre vergehen. Denn zwischen den öffentlichen Auftraggebern und privaten Investoren ist ein Streit über die Finanzierung entbrannt.
    Nach ihrem Wahlsieg 1997 propagierten Premierminister Tony Blair und sein damaliger Schatzkanzler Gordon Brown Public Private Partnerships als moderne Alternative zu den radikalen Privatisierungen der Thatcher-Ära, die zwar die Wirtschaft belebten, aber auch viele unerwünschte Folgen hatten.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung RS: Wie soll die bloße Übertragung auf ein privates Unternehmen die Wirtschaft beleben? Könnte es sein, dass das Handelsblatt hier einfach einen Glaubenssatz wiederholt? Was aus diesem Artikel zu erkennen ist, sind hauptsächlich die Nachteile der Privatisierungen von Staatsaufgaben.

  11. Sehnsucht nach dem Staatsversorger
    Die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, die Abfallentsorgung, der öffentliche Nahverkehr: Solche grundlegenden Dienstleitungen sollten am besten von staatlich kontrollierten Unternehmen erbracht werden. Das sieht mit 68 Prozent die große Mehrheit der Menschen in Deutschland so.
    Quelle 1: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Unterschwellig wird in dem Artikel versucht, die Umfrage lächerlich zu machen. Das beginnt mit dem Titel. Mit “Sehnsucht” wird das Umfrageergebnis als emotionale Angelegenheit abqualifiziert. Als ob es nicht genügend rationale Gründe gäbe, die Privatisierung von Staatsunternehmen skeptisch zu sehen. Effizienzgewinne in Form von Preissenkungen lassen sich am Telefonmarkt ausmachen, ansonsten obsiegte der Profit. Auch mit dem Wort “Staatsversorger” werden Begriffe vermischt, um öffentlich-rechtliche Versorgungsunternehmen zu diskreditieren bzw. auf so fragwürdige Bilder wie “Vater Staat” zu reduzieren. Versorger werden Versorgungsunternehmen genannt, die eine Grundversorgung. erbringen, wie Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser usw. Auf der anderen Seite ist der Versorger einem Familienmodell entnommen, in dem der Lebensunterhalt einer Familie durch die Erwerbstätigkeit meist des Mannes gesichert wird. Mit der Verquickung dieser Ebenen vermittelt der Artikel von Anfang an ein schiefes Bild von den Motiven der Befragten wie auch von der Studie selbst. Auch die Formulierung: “Die Ergebnisse – darum hat der VKU sie vorgestellt – unterstützen die Befürworter der Rekommunalisierung”, läßt die Befragung als ein rein interessengeleitets Unternehmen aussehen. Ja, es schwingt sogar mit, wenn die Ergebnisse nicht die Rekommunalisierung unterstützt hätten, wären sie gar nicht vorgestellt worden. Soviel Skepsis kam bei der Beurteilung einer Emnidumfrage im Juli zur umlagefinanzierten Rente seitens des Tagesspiegels nicht auf. – Wer sich an dem Auftraggeber der Befragung, dem Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) stört, sei auf die auch von Emnid durchgeführte Umfrage, August 2007, verwiesen, welche von der “Zeit” in Auftrag gegeben worden war. Zum Entsetzen der Zeit, waren sich 72 Prozent der SPD-Wähler, 71 Prozent der Unionswähler und 76 Prozent der Linke-Wähler darin einig, dass Bahn, Post und Gaswerk beim Staat besser aufgehoben seien als in privaten Händen. Selbst in der FDP war eine Mehrheit gegen Privatisierungen, nur die Grünen erwiesen sich als die wahre FDP.

    Quelle 2: ZEIT Online [PDF – 125 KB]

  12. Kohl-Regierung schönte Akten: Auf Gorleben fixiert
    Die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat den Salzstock Gorleben in den 80er Jahren gegen große fachliche Bedenken als Endlagerstandort durchgedrückt. Das belegen interne Dokumente der zuständigen Fachbehörde, die der Frankfurter Rundschau vorliegen. Die Experten mussten ihre Bewertung offenbar auf Druck des Bundeskabinetts umschreiben.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: der Text vom 5. Mai 1983 [PDF – 1.77 MB]
    Quelle 3: zum Vergleichen mit dem Text von einem Tag später, dem 6. Mai 1983 [PDF – 2.21 MB]
  13. Atom-Renaissance abgesagt
    Nicht mal zum Ersatz der vom Netz gehenden Reaktoren reichen die globalen Ressourcen: Es fehlt Fachpersonal, Industriekapazität und die Kosten eskalieren laut einer noch unveröffentlichten Studie. Selbst wenn die Laufzeit von 52 US-Reaktoren auf – großzügig gerechnete – 60 Jahre verlängert würde, China seine 20 angekündigten Atommeiler wirklich baute und in Ost- und Westeuropa neue Reaktoren hinzukämen, sei es angesichts langer Planungsvorläufe “unmöglich”, die Atomstromkapazität auf heutigem Stand zu halten oder gar zu erhöhen,urteilt die Studie. Vor allem in den rund 50 potenziellen Newcomer-Staaten, die derzeit den Einstieg in die Atomkraft vorbereiten oder Interesse daran bekunden wie Marokko, Polen, Malaysia oder Brasilien, dürfte die strahlende Zukunft auf absehbare Zeit hochfliegender Traum bleiben. Keiner dieser “Anfängerstaaten” verfüge in den nächsten 15 Jahren über die erforderlichen technischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ein ziviles Atomprogramm. Nicht nur das Fachpersonal für Betrieb und Aufsicht der Meiler fehle vielen Neueinsteigern – oft gebe es nicht einmal die nötigen Stromnetze. Aber auch alte “AKW-Profis” wie Frankreich und die USA stoßen an ihre Grenzen. Weltweit nämlich gehen die Baby-Boomer der Atomtechnik in Rente. Allein beim größten AKW-Betreiber, der französischen EDF, verabschieden sich bis Mitte des kommenden Jahrzehnts 40 Prozent des Personals in Ruhestand. Und der Nachwuchs macht sich rar. Einem Bedarf von 1500 Fachingenieuren stehen gerade mal 300 Studienabsolventen gegenüber. In den USA, so klagt die dortige Energiewirtschaft, wolle zudem nur jeder vierte frisch Diplomierte mit Nuklear-Know-How in einem Atomkraftwerk anheuern.
    Quelle: FR
  14. Ärztehonorare: Nach wie vor Spitzenverdiener
    Ärzte in Deutschland verdienen laut Barmer Ersatzkasse das Sechs- bis Siebenfache der Kassenmitglieder. In den vergangenen vier Jahren seien die Honorare um ein Fünftel angestiegen.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Wissend, dass wir mit diesem Hinweis viele unserer Leser/innen aus der Ärzteschaft wieder einmal verärgern, und man darf wirklich nicht alle Ärzte über einen Leisten schlagen, aber die hier genannten Zahlen machen verständlich, warum viele Ärzte Wahlkampf im Wartezimmer für die FDP machen.

  15. Die Basis spricht
    Wenn die IG Metall drei Wochen vor der Bundestagswahl zu einer Veranstaltung einlädt unter dem Motto “Macht Politik für die Mehrheit der Menschen”, dann kommen mehr als 50.000 Bürger, dann ist die Commerzbank-Arena voll. Davon sind die Metaller überzeugt. Wir werden sehen. Doch sollte das Polit-Event tatsächlich die Menschen in Massen anlocken, könnte es allerdings die größte Veranstaltung werden, die es jemals im Stadion gab.
    Quelle: FR
  16. Ariel: 10 Prozent mehr ist weniger
    Am 20. Juli 2009 haben wir auf einen Beitrag „Ariel und die Mathematik“ verwiesen, in dem auf wundersame Berechnungen zwischen Füllmengen, Dosierungsempfehlungen und Preisen für dieses Flüssigwaschmittel aufmerksam gemacht wurde. Der Anbieter von Ariel Procter & Gambel hat prompt dementiert und die NDS haben auch dieses Dementi wiedergegeben. Nun hat test.de von der Stiftung Warentest nochmals nachgerechnet und kommt zum Fazit: „Mogelpackung“: Kaum ein Verbraucher kann dieses Verwirrspiel erahnen. Wer hat schon Füllmengen und Anzahl der Waschgänge im Kopf, wenn er Waschmittel einkauft. Nur kritischen Käufern wird der Unterschied zwischen alter und neuer Packung auffallen – vorausgesetzt, diese stehen gleichzeitig im Regal. Für die Stiftung Warentest ist das daher ein typisches Beispiel für eine Mogelpackung.
    Quelle: test.de

    Anmerkung WL: Auf das Dementi von Procter & Gambel zu dieser Meldung sind wir gespannt.

  17. FDP droht neuer Finanzskandal im Internet
    Der FDP droht ein neuer Finanzskandal. Erstaunlich, oder? Man sollte meinen die Partei sei nach dem Möllemann-Debakel vor dubiosen Finanzierungen gefeit. Weit gefehlt. Aktuell geht es um eine Videowerbekampagne der Herren Fricke & Solms im Internet. Diese verstößt nach Ansicht des renommierten Parteirechtlers Martin Morlok gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Denn die FDP finanziert die Werbespots für Fricke & Solms nach eigenen Angaben aus der Kasse der Bundestagsfraktion. Morlok meint, das dürfe nicht sein, denn aus der Fraktion dürfe nur die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion bezahlt werden, keine Parteien und Personenwerbung. Im Extremfall drohen Rück- und Strafzahlungen in unbekannter Höhe.
    Quelle: Ruhrbarone

    Anmerkung WL: Erschwerend hinzu kommt, dass die Werbefilmchen einfach nur dämlich sind.

  18. Information und Unsinn Verfassungsrichter Udo Di Fabio und seine Theorie der Medien
    Di Fabio, seit zehn Jahren Richter am Bundesverfassungsgericht, darf als einer der schillernsten Denker gelten, die man je in der roten Robe und dem weißen Jabot gesehen hat. Immer wieder, etwa in seinem Buch “Die Kultur der Freiheit”, beschäftigt er sich mit dem Problem von Identität und identitätsstiftender Gemeinschaft. So auch bei seinen Solinger Einlassungen zur gesellschaftlichen Rolle der Medien, die vor allem da äußerst diskutabel sind, wo der Richter die Neuen Medien diskutiert.
    Auch wenn Di Fabio das Internet zum “offenen Meer” erklärt, heißt das ja noch lange nicht, dass darin alle ertrinken. Nur weil viele Angebote im Netz gleichzeitig existieren, ist nicht alles Rauschen. Tatsächlich muss das Individuum angesichts neuer Technologien als herausgefordert gelten. Doch anders als Di Fabio insinuiert, ist es nicht in seinem Status als Individuum gefordert, sondern in seiner Fähigkeit, Information zu gewichten. Es bedarf mehr denn je souveräner Entscheidungen, was Information ist – und was nicht. Fragen des Vertrauens, der Erfahrung und des Lernens sind damit berührt, die – es wundert, dass Di Fabio darauf nicht kommt – ihren Ursprung genau in jenem Demokratisierungsprozess nahmen, die der Festredner mit dem Aufkommen der Presse identifiziert. Nicht das Internet tötet Demokratie, Gemeinwesen und Individuum. Es bestärkt sie, indem es sie voraussetzt.
    Quelle: SZ

    Hier die Rede:

    I. Teil: „Ohne freie Presse gibt es keine Demokratie“
    II. Teil: Leuchtturm im offenen Meer der Information

  19. Bild: Wer darf auf Steuerzahlerkosten im Kanzleramt dinieren?
    Quelle: Bild

    Anmerkung WL: Das Essen auf Steuerzahlerkosten hat gestern Albrecht Müller schon eingeordnet. Interessant ist ergänzend noch ein Blick in die Bild-Zeitung. Tagelang beherrschte die den Richtlinien entsprechende private Dienstwagennutzung durch Ulla Schmidt die Seite 1 von Bild: Wollen Sie uns verarschen Frau Schmidt? Die Fahrt kostet den Steuerzahler 9.386 Euro und vieles Geschrei mehr. Bei der Geburtstagsparty für Ackermann stieg Bild (im Gegensatz zu fast allen Medien) zunächst gar nicht ein und nun wiegelt das Propaganda-Blatt der Kanzlerin im Falle Ackermanns ab. Der als „Kanzler-Zäpfchen“ apostrophierte Hofhund des Springer-Blattes Hugo Müller-Vogg musste deshalb ran. Diesmal ging es ja auch ums eigene Renommee. Schließlich waren mit Friede Springer, dem Vorstandsvorsitzenden des Axel Springer Verlages Mathias Döpfner und dem Chefredakteur Kai Diekmann das Haus Springer unter den „Freunden“ Ackermanns ziemlich überrepräsentiert. Ackermann weiß eben ziemlich gut, auf welche Freunde er sich verlassen kann. Und diese bedanken sich natürlich (nicht nur für diese) freundliche Einladung und holen ihn jetzt aus der Bredouille. Wie steht doch täglich unter dem Bild-Logo: „UNABHÄNGIG – ÜBERPARTEILICH“. Von der Finanzwirtschaft abhängig und parteiisch wäre als Motto zutreffend.

    Dazu:

    Party, Dienstwagen und Gutachten: Außer Spesen nichts gewesen
    Der Haushaltsausschuss erfährt wenig Neues über Guttenbergs Berater und Ackermanns Party. Trotzdem ist das Medieninteresse um ein Vielfaches größer als beim Bankenrettungsschirm.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: So ein Dienstwagen, die Geburtstagsparty und selbst das bestellte Gutachten sind ja auch journalistisch leichter verwertbar. Der Sachverhalt ist wenig abstrakt, der Bezug zu bestimmten Personen ist leicht herzustellen, die Personen sind allgemein bekannt, die Fallhöhe ist beträchtlich und man kann sogar mögliche Verfehlungen auf Heller und Pfennig benennen. Pech, dass die Parteien aus ihrer Pattsituation heraus nicht bereit sind, Munition für eine veritable Sommerlochschlacht zu liefern. – Pech, dass wir Bürger mit Journalisten gesegnet sind, die es nicht einmal verstehen, mal etwas provokativ zu fragen, warum die Kanzlerin den Rat von Herrn Ackermann sucht, geschweige uns Normalos zu erklären, warum Herr Ackermann die Rettung der HRE initiierte. Warum wird die Gelegenheit nicht genutzt, um uns, immerhin wählen wir in einem Monat, z.B. die Gesundheitsreform der Ministerin zu erklären, oder uns einen Leistungskatalog unseres beliebtesten Politikers nahezubringen.

  20. Aufklärung auf Amerikanisch
    Eric Holder hat jetzt eine Voruntersuchung eingeleitet, weil sich das, was der CIA-Generalinspekteur schon 2004 in einem internen Bericht über die Verhöre in den schwarzen Knästen des Geheimdienstes auf 109 Seiten aufgeschrieben hat, selbst in der teils geschwärzten Fassung noch immer erschreckend liest.
    Es ist die erste strafrechtliche Untersuchung der Exzesse der Bush-Regierung überhaupt seit dem Machtwechsel im Weißen Haus. Die Vorzeichen stehen nicht gut: Der neue Präsident hat betont, er wolle nach vorn blicken, nicht zurück.
    Quelle: FR
  21. Zwei von drei Spenderorganen stammen von Hingerichteten
    Die meisten der in China transplantierten Organe stammen einer staatlichen Zeitung zufolge von hingerichteten Gefangenen. Rund 65 Prozent der Spenderorgane kämen aus dem Todestrakt, schrieb die Zeitung “China Daily” am Mittwoch. Das Blatt zitierte den stellvertretenden Gesundheitsminister Huang Jiefu, der in seltener Offenheit die Zahlen präsentierte. Seinen Worten nach müssten die Häftlinge zwar ihr schriftliches Einverständnis für die Organspende geben. Sie seien jedoch keine angemessene Quelle für Organtransplantationen, so Jiefu. Den zum Verurteilten werden nach der Exekution Nieren, Leber, Hornhäute und andere Organe entnommen. Chinesische Transplantations-Spezialisten gehen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sogar davon aus, dass nicht nur 65 Prozent der transplantierten Organe von Hingerichteten stammen, sondern sogar 90 Prozent. In China werden mehr Häftlinge als in jedem anderen Land der Erde hingerichtet. Die Menschenrechtsorganisation schätzte die Zahl der Hingerichteten auf mindestens 1.718 im vergangenen Jahr. Offizielle Zahlen liegen nicht vor.
    Quelle: SPIEGEL-ONLINE
  22. Nochmals: Zur Anmerkung Arbeiter als Kapitalisten
    NDS-Unterstützer Volker Bahl hatte in einem Kommentar geschrieben:

    Der Wege des geringsten Widerstandes – ihre institutionelle Durchsetzungs-Kraft in den Betrieben führt die Gewerkschaften in die Versuchung, die gesamte volkswirtschaftlich Dimension einfach aufzugeben. Deutliches Zeichen dafür ist auch der Vorschlag des jetzigen IG Metall-Vorsitzenden Berthold Huber, dass man den DGB ja abschaffen könne – und so “unnötige” Kosten sparen könne; …

    Ein Mitglied der IG Metall hat dagegen Einspruch erhoben:

    Kritik an der IG Metall? Ja.
    Kritik am Ersten Vorsitzenden der IG Metall? Ja.
    Das ist euer gutes Recht.
    Aber bitte an die Fakten halten und auf “Erfindungen” verzichten. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Nachdenkseiten.
    So aktuell in dem Kommentar eines “BB”, wo es heißt: Berthold Huber wolle den DGB abschaffen.
    Das ist schlicht falsch.
    Fakt ist, der DGB hat im vergangenen November mit Zustimmung aller Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften eine Strukturreform angestoßen, wonach er seine Tätigkeit und Organisationsstruktur den (sinkenden) Einnahmen anpasst. Info dazu:

    Für den Eindruck, Huber erwäge eine Abschaffung des DGB, gab es in der Presse durchaus einige Anhaltspunkte, so z.B. diesen:

    Die IG Metall stellt die Zukunft des DGB in Frage.
    Dies geht aus vertraulichen Aussagen von IG-Metall-Chef Berthold Huber vor dem Beirat seiner Organisation hervor. Die IG Metall, so Huber, müsse überlegen, ob sie das Geld, mit dem sie den DGB unterstütze, nicht besser für ein anderes Modell ausgebe. … Die Annahme, man könne „durch Sparmaßnahmen die Strukturen den verringerten Einnahmen anpassen“, sei „nicht einmal eine strukturkonservative Scheinlösung“. Letztlich führe dieser Weg zur Handlungsunfähigkeit.
    Huber forderte daher eine Debatte über die Zukunft des DGB. „Hat der DGB in seiner heutigen Konstitution überhaupt ein Geschäftsmodell? Oder ist das, was wir heute haben, eher der Tradition geschuldet?“”
    Quelle: Kölner Stadtanzeiger

    In der nicht unbedingt gewerkschaftsfeindlichen FR war ein Artikel mit ähnlichen Aussagen erschienen:

    Der Gewerkschaftsbund spart
    Quelle: FR

    Da es keine Protokolle und keine entsprechenden Erklärungen von Huber gibt, muss die Behauptung, Huber wolle den DGB abschaffen, als nicht hinreichend belegt gelten. Es ist durchaus möglich, dass es Hubers eigentliche Absicht war, den Druck in Richtung institutioneller Reformen zu erhöhen.

  23. Zu guter Letzt:
    … und dann Schwamm drüber.

    Quelle: Franfurter Rundschau


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