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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. Oktober 2009 um 10:03 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(MB/AM)
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Hier die Übersicht zu den verschiedenen Themen; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Rentenversicherung nicht direkt von Krise betroffen”
  2. Banken. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft
  3. Wer pumpt der FDP eine Strategie
  4. Markus Sievers: Die Gewerkschafts-Kanzlerin
  5. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft
  6. Atomkraft: Die Mär von der Renaissance
  7. Razzia bei der BayernLB
  8. Linke attackiert Müntefering: “Der Totengräber der SPD”
  9. Angst vor Jobverlust macht depressiv
  10. Hartz-IV: Miete soll direkt an Vermieter gehen

  11. IMK Report Nr. 42 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose Zögerliche Belebung – steigende Staatsschulden
  12. Fall Sarrazin Zivilcourage bedeutet Risiko + Sarrazin-Debatte und 20 Jahre Mauerfall
  13. »Uns geht es um Aufklärung«
  14. Porträt: Günter Wallraff: Millionär der Missstände
  15. Ausgekochte Klientelpolitik
  16. Joseph Stiglitz: Unser Wertesystem gerät aus den Fugen
  17. Umfrage: Deutsche vertrauen Pflegeversicherung nicht
  18. Die Frau des Übervaters
  19. Gegnerbeobachtung per Fragebogen: Grüne spionieren Linke aus
  20. Behandlung Demenzkranker: Ruhig gestellt mit Neuroleptika
  21. Nachkommen von Migranten: schlechtere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt auch bei gleichem Bildungsniveau
  22. NATO zahlt Schutzgeld
  23. Hillary Clinton: Der Kampf ums tägliche Brot

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. “Rentenversicherung nicht direkt von Krise betroffen”
    Die Deutsche Rentenversicherung und das Bundessozialministerium haben Berechnungen des Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) zurückgewiesen, wonach die Wirtschaftskrise die Renten künftiger Ruheständler um acht Prozent schrumpfen lässt. Die bereits vor drei Wochen veröffentlichten, aber erst jetzt von einer Boulevard-Zeitung groß präsentierten Zahlen des MEA beruhten auf “extrem pessimistischen Annahmen”, die offenbar nur den Zweck hätten, “das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zu untergraben”, sagte ein Ministeriumssprecher am Dienstag. Die Deutsche Rentenversicherung selbst nahm zu den Thesen des von der privaten Versicherungswirtschaft gesponserten Instituts so Stellung: “Die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland ist anders als private Alterssicherungssysteme nicht unmittelbar von der Finanzkrise betroffen. Da die Rentenversicherung im Umlageverfahren finanziert wird, müssen die eingehenden Beiträge nicht am Kapitalmarkt angelegt werden und können demzufolge auch nicht von Wertverlusten betroffen sein. Lediglich die Nachhaltigkeitsrücklage wird am Kapitalmarkt angelegt, allerdings nur bei Kreditinstituten, die einem inländischen Einlagensicherungsfonds angehören. Die Modellrechnungen von Professor Börsch-Supan, die aufgrund der Krise von langfristig geringeren Renten ausgehen, sind nur dann nachvollziehbar, wenn man unterstellt, dass die Krise das Lohnniveau nicht nur kurzfristig, sondern auf längere Dauer absenkt. Hierfür gibt es aber keinen ökonomisch plausiblen Grund.
    Quelle: Ihre Vorsorge

    Anmerkung: Falsch. Der Versicherungsvertreter mit Professorentitel hat immer einen plausiblen Grund. Immerhin wehrt sich die Deutsche Rentenversicherung gegen allzu dreiste Lobbyarbeit im Mantel der Wissenschaft.

  2. Banken. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft
    
Paukenschlag zum Auftakt der Bilanzsaison der US-Banken: JP Morgan verdient klotzig. Große Banken zahlen Rekord-Boni. Auf der Verlierer-Straße sind dagegen die klassischen Geschäftsbanken.
    
Quelle: FR
  3. Wer pumpt der FDP eine Strategie
    Für eine vermeintlich frische, neue Regierungskraft hat es schon etwas erschreckend Dreistes, wenn sich FDP-Leute wie Hermann Otto Solms jetzt hinstellen und weiszumachen versuchen, dass man ja nicht habe wissen können, wie schlimm es um die Staatsfinanzen steht. Nicht nur deshalb, weil ein FDP-Mann dem Haushaltsausschuss im Bundestag vorsitzt und es keine Zahl gibt, die nicht vor dem 27. September schon bekannt war. Es ist schon einigermaßen frech, jetzt zu behaupten, dass man wegen der vermeintlich schwierigeren Kassenlage seine Wahlversprechen nicht einlösen kann. So ein klein wenig drängt sich der Verdacht auf, welcher Theorie die Liberalen eigentlich folgen. Zumindest wenn FDP-Mann Solms plötzlich vor sich hin plappert, es dürfe ja keine Steuersenkungen auf Pump geben. Dabei war es doch gerade das, was die FDP bislang immer vorgeschlagen hat. Da hieß es, ein Teil der Steuersenkungen werde dadurch gegenfinanziert, dass diese Entlastungen die Schwarzarbeit zurückdrängen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln, was die Steuereinnahmen dann steigert. Das kann man als These so aufstellen, ein gewisser Selbstfinanzierungseffekt ist sicher anzunehmen. Nur kommen diese Effekte ja nicht zeitgleich mit der Steuersenkung, sondern logischer Weise dann erst allmählich. Was bedeutet, dass man bei einer solchen Aktion die Steuern per Definition erstmal auf Pump senkt. Wie kann man dann so einen Unsinn reden. Ein wenig Angst kann einem da werden, wenn sich das Gefühl aufdrängt, dass der frischen, neuen Regierungskraft jenseits großer Sprüche die makroökonomische Kompetenz komplett fehlt, die in einer so heiklen weltwirtschaftlichen Lage dringend nötig wäre.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Den Optimismus von Thomas Fricke in punkto Arbeitsmarkt, Haushaltsdefizit und Wirtschaftswachstum außen vor lassend ergeben sich weitere Fragen. Wie kommt Fricke einleitend darauf, dass es im FDP-Programm einige gute Vorschläge gab? Zumindest könnte er uns darüber aufklären. Desweiteren, wie kommt er darauf, dass die FDP bei ihren Steuersenkungsversprechen von irgendwelchen makroökonomischen Theorien geleitet wurde? Im besten Falle plappert die FDP die Selbstfinanzierungsthese von Ronald Reagan. nach. Das Wirtschaftswachstum unter Reagan konnte nie die Verluste beim Steueraufkommen auszugleichen, die unter Bush Senior mit Steuererhöhungen angegangen werden mußten. Natürlich gibt es Vorstellungen darüber, z.B. vom Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, Clemens Fuest, dass über einen drastischen Abbau des Sozialstaates (Reformen) dauerhafte Steuerentlastungen zu generieren wären. Aber selbst wenn eine makroökonomische Modellrechnung das hergäbe, würden die sozialen Kosten letztendlich in Form von Armut, sozialer Unsicherheit, steigender Kriminalität auch monetär den Staatshaushalt überproportional belasten. So wäre nach amerikanischem Vorbild mit einer halben Million Strafgefangenen zu rechnen.

  4. Markus Sievers: Die Gewerkschafts-Kanzlerin
    Sie hätte nur noch ein paar Minuten so weiterreden müssen. Dann wär ihr die Ehrenstecknadel für verdienstvolle Gewerkschafter sicher gewesen. Eine Garantie gegen soziale Einschnitte hatten sich die Gewerkschaften von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. Und Merkel liefert, als sie nach Hannover kommt. Beim Kongress der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie weist sie den künftigen Koalitionspartner FDP erneut so klar in die Schranken, dass die letzten Zweifel an ihrer Entschlossenheit ausgeräumt sein dürften. “Ich bin der Meinung, dass wir nichts ändern werden bei der Mitbestimmung.” Damit bekommt der frisch gewählte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis das Bekenntnis, das er bei seiner Begrüßung eingefordert hatte. “Diskussionen über den Kündigungsschutz sind nicht hilfreich”, fügt Merkel hinzu. Das hatten die Gewerkschaftsdelegierten wenige Minuten vorher von ihrem Vorsitzenden schon einmal gehört.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Da kann die Kanzlerin noch so oft mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft paktieren und Ackermann zum Geburtstag ins Kanzleramt einladen – ein paar gewünschte Sprüche beim Gewerkschaftskongress und schon wird sie hier in der Überschrift die Gewerkschafts-Kanzlerin.

  5. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft
    New York. Jamie Dimon ist ein Gewinner. Der Vorstandschef von JP Morgan hat sich am Mittwoch als erster der großen US-Bankenbosse aus der Deckung getraut. Seine Botschaft an die Investoren: Das Finanzinstitut verdiente im dritten Quartal wieder prächtig – 3,6 Milliarden Dollar allein von Juli bis September. Das ist das Siebenfache der Vorjahresperiode, als die Krise ihren Höhepunkt erlebte. JP Morgan könnte damit schon bald die erste Bank sein, die ihren Aktionären wieder eine Dividende zahlt. Die Staatsknete in Höhe von 25 Milliarden Dollar hat die größte US-Bank bereits im Juni zurück gezahlt.
    Quelle: FR

    Dazu:

    Robert von Heusinger: Die Profiteure zur Kasse bitten
    Taugen die bombastischen Gewinne der US-Bank JP Morgan als Aufreger? Eigentlich nicht. Eigentlich müssten sie ein Grund für tiefe Zufriedenheit sein. Schaut her, was Staat und Zentralbank geschafft haben. Banken können wieder satte Gewinne machen. Denn darum geht es doch seit Ausbruch der Krise. Ohne gesunde Banken keine Kredite, also kein Wachstum, keine neuen Jobs und so weiter. Deshalb haben die Notenbanken die Zinsen auf fast null Prozent gesenkt, Wertpapiere am Markt aufgekauft, Liquidität bis zum Abwinken ins System gepumpt. (…)

    Doch das müsste nicht sein, wenn unsere Regierenden nur mutig wären. Warum nicht eine Sondersteuer auf alle ausgeschütteten Gewinne und Boni der Banken erheben? Nur die Gewinne, die das Eigenkapital stärken und damit die Bank krisenresistenter machen, bleiben von der Sondersteuer verschont.
    Quelle: FR

  6. Atomkraft: Die Mär von der Renaissance
    Alles ist vorbereitet für das große Comeback der Atomkraft – doch sie wird erst einmal nicht stattfinden. Weltweit stehen Atomprojekte still, nur ein Bruchteil wird realisiert werden. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie des Schweizer Prognos-Instituts. So werde die Zahl der weltweit betriebenen Kernkraftwerke bis zum Jahr 2030 um fast 30 Prozent sinken. Angesichts von Finanzierungsproblemen oder politischer Instabilität werde zugleich nur ein Drittel der geplanten Neubauten realisiert – bestenfalls.
    Quelle: SZ
  7. Razzia bei der BayernLB
    Beim Einstieg der BayernLB bei der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) könnte nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Der ehemalige LB-Chef Werner Schmidt ist ins Visier der Justiz geraten und wird wegen Untreue verdächtigt. Die Zentrale der zweitgrößten deutschen Landesbank war am Mittwoch Schauplatz einer Großrazzia. Der Vorwurf der Untreue stehe im Zusammenhang mit dem Einstieg der BayernLB bei der HGAA im Jahr 2007, sagte Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger auf Anfrage. Die Razzia sei auf Standorte der HGAA in Österreich und Luxemburg ausgedehnt worden. Dem Vernehmen nach wurde auch die Privatwohnung Schmidts durchsucht.
    Quelle: FR

    Kommentar AM: Die Verschiebung von Vermögenswerten durch Überbewertung oder Unterbewertung von Unternehmen und Unternehmensteilen, die verkauft oder gekauft werden, steht viel zu wenig im Mittelpunkt unserer Beobachtung. Wenn Unternehmen wie die Deutsche Telekom, die Deutsche Post AG, die Deutsche Bahn AG oder auch Siemens viele Unternehmen kaufen, halten und verkaufen, dann gibt es viele Möglichkeiten das Managements, Sondergewinne zukommen zu lassen. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, dass die einschlägigen Kreise Vermögenstransfers so gerne mögen und auch öffentlich den Eindruck erwecken, damit würden Werte geschöpft.

  8. Linke attackiert Müntefering: “Der Totengräber der SPD”
    Franz Müntefering hat Oskar Lafontaine für das SPD-Wahldebakel verantwortlich gemacht. Jetzt keilt die Linke zurück – und rechnet in scharfen Worten mit dem scheidenden SPD-Vorsitzenden ab.
    Quelle: SZ
  9. Angst vor Jobverlust macht depressiv
    Die Wirtschaftskrise schadet der Gesundheit: Wenn Konzerne um ihre Existenz kämpfen, leiden die Angestellten häufiger an psychischen Krankheiten.
    Quelle: SZ
  10. Hartz-IV: Miete soll direkt an Vermieter gehen
    Die Koalition plant die Miete für Hartz IV Bezieher durch die zuständigen Träger direkt an die Vermieter auszuzahlen. Die Folge: Eine weitere Bevormundung für ALG II Bezieher/innen.
    Quelle: Gegen Hartz
  11. IMK Report Nr. 42 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose Zögerliche Belebung – steigende Staatsschulden
    Im Sommer 2009 hat sich die Konjunktur in Deutschland nach dem dramatischen Einbruch im vergangenen Winter stabilisiert. Massive Interventionen der Regierungen und Notenbanken haben dazu maßgeblich beigetragen. Einem raschen Aufschwung stehen jedoch erhebliche Bremskräfte entgegen. In diesem Jahr wird sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) voraussichtlich um 5 % verringern. Für 2010 ist nicht mit einem selbsttragenden Aufschwung zu rechnen, so dass die Konjunktur auf wirtschaftspolitische Unterstützung angewiesen bleibt. Das BIP steigt voraussichtlich um 1,2 %. Die Zahl der Arbeitlosen wird im Jahresdurchschnitt bei nahezu 4,1 Millionen liegen, nach 3,5 Millionen in diesem Jahr. Die Inflationsrate beträgt in diesem Jahr 0,3 % und 2010 0,6 %.
    Quelle: Böckler [PDF – 5.7 MB]
  12. Fall Sarrazin Zivilcourage bedeutet Risiko
    Was hat der Fall Brunner mit dem Fall Sarrazin zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Brunner kam Kindern zur Hilfe und wurde dafür zu Tode geprügelt. Sarrazin sprach unbequeme Wahrheiten aus und wurde dafür heftig kritisiert. Doch beide Fälle haben mit Zivilcourage zu tun; beide mit einer Öffentlichkeit, die empört reagiert – einmal für, einmal gegen den Helden. Es lohnt sich, vor allem letzteren Aspekt zu betrachten. Er führt zu der alten Frage, warum Zivilcourage in Deutschland einen so schweren Stand hat.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung J.A.: Sarrazin hat also unter größter Gefahr für Leib und Leben die türkischen und arabischen Mitbürger gegen Anfeindungen verteidigt, oder so ähnlich… Unsäglich, unerträgliche Volksverdummung und Manipulation. Aber im FAZ-Paralleluniversum gelten ja auch die Gleichsetzungen von Realsozialismus und Nationalsozialismus oder von Hartz IV und Sozialstaat usw.

    Dazu auch:

    Sarrazin-Debatte und 20 Jahre Mauerfall
    Anlässlich der aktuellen „Sarrazin-Debatte“ und der bevorstehenden „20 Jahre Mauerfall“ möchten wir an die „Kurzmitteilung aus der amtlichen Statistik“ des Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) vom 3. April 2006 erinnern. (vgl. Seite 2 des Anhangs) Die im Vergleich mit den westdeutschen Ländern extrem negative Veränderungsrate der Zahl der ausländischen Auszubildenden in Berlin, insbesondere in den Jahren 1989 bis 1999 (-23,7 Prozent; Westdeutschland ohne Berlin +22,8 Prozent *), macht deutlich: Nirgendwo ist den ausländischen Bürgerinnen und Bürgern** nach dem Mauerfall am 9. November 1989 derart klar vor Augen geführt worden, wie in Berlin: Sie sind nur „zweite oder dritte Wahl“, (auch) wenn es um die Besetzung von Ausbildungsplätzen (und Arbeitsplätzen) geht. Konfrontiert mit einer großen Zahl neuer bundesdeutscher Konkurrentinnen und Konkurrenten auf dem Ausbildungsmarkt (und Arbeitsmarkt) wurden sie, insbesondere die jungen Türkinnen und Türken, viel stärker noch als zuvor, an den Rand gedrängt, rausgedrängt.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 132 KB]

  13. »Uns geht es um Aufklärung«
    Die Gruppe Arbeiterfotografie deckt auf, wie Feindbilder geschaffen werden, um Kriege zu rechtfertigen. Dagegen laufen Antideutsche Sturm. Ein Gespräch mit Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann.
    Quelle: Junge Welt
  14. Porträt: Günter Wallraff: Millionär der Missstände
    Von Hans Leyendecker
    Günter Wallraff war “Ganz unten”, er war bei Bild, jetzt verwandelt er sich in einen Afrikaner: Die vielen Leben des Mannes, der im Wörterbuch zu finden ist.
    Quelle: SZ
  15. Ausgekochte Klientelpolitik
    Das Schonvermögen für Hartz IV-Empfänger zu erhöhen ist überfällig. Das macht aber aus Union und FDP noch lange keine Koalition der sozialen Wärme.
    Kein Wunder, dass die Versicherungswirtschaft alles macht, um diesen Markt stabil zu halten. Die Angst wegen Hartz IV seine Lebensversicherung auflösen zu müssen, fördert nicht gerade den Absatz solcher Policen. Die FDP, die wo es geht versucht die private Versicherungswirtschaft zu stärken, hilft da offenbar gerne. Sie hat sich im Gegensatz zur Union schon im Wahlprogramm sehr konkrete Gedanken über das Schonvermögen gemacht. Und so kann Schwarz-Gelb vordergründig mit einer Regelung punkten, von der kaum einer etwas hat, die kaum etwas kostet, die aber alle gut finden und vor allem der Wirtschaft hilft. Nur eines sollte man wissen: Das soziale Herz mag schlagen wo es will. Bei Union und FDP jedenfalls pocht es nicht.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Ein erstaunlicher Text für die Süddeutsche Zeitung !

    Passend dazu:

    »Das belebt die Geschäfte der Versicherungen«
    Von der Erhöhung des »Schonvermögens« Arbeitsloser profitieren die Hauptspender der FDP. Ein Gespräch mit Christoph Butterwegge. Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln und Verfasser des Buches«Armut in einem reichen Land«

    Es geht dabei nur um das Schonvermögen zur Altersvorsorge, beispielsweise Kapitallebensversicherungen – nicht etwa darum, seinen Besitz allgemein vor dem staatlichen Zugriff zu schützen. In Ostdeutschland besitzt die Hälfte aller Betroffenen ohnehin kein Vermögen. Verdreifacht man den Betrag, den man für das Alter ansparen darf, kommt das vor allem Menschen im Westen zugute, die sich eine private Altersvorsorge leisten konnten, als sie noch Arbeit hatten – aber gerade die ärmsten Schlucker haben nichts davon. Die eigentlichen Profiteure der Maßnahme sind Versicherungen und Banken – übrigens die Hauptspender der FDP. Gleichzeitig ist die neue Regelung kaum mehr als ein Trostpflaster für Hartz-IV-Betroffene, es soll Kürzungen an anderer Stelle lindern und Menschen beruhigen, die Union und FDP als Parteien der sozialen Kälte erleben. Denen will man suggerieren, der Sozialstaat werde nicht abgebaut, sondern nachgebessert. Hartz IV kann man aber nicht weiterentwickeln, man muß das Gesetz überwinden.
    Quelle: Junge Welt

  16. Joseph Stiglitz: Unser Wertesystem gerät aus den Fugen
    Welche Art von Leistung wird heutzutage eigentlich belohnt? Wie verzerrt unser Wertesystem ist, zeigt eine Gegenüberstellung des Erfinders der grünen Revolution mit der Wall Street.
    Quelle: Financial Times Deutschland

    Anmerkung eines Nachdenkseiten-Lesers: Als Angestellter im Banksektor (Vertrieb) kann ich Ihren Argumenten bezüglich der “Heiligsprechung” der privaten AV nur beipflichten. Wir werden täglich mit vermeintlichen “Studien” bombardiert, die die Überlegenheit der Kapitalmärkte gegenüber der “unsicheren” staatlichen Rente beweisen. Dumm nur, dass täglich Kunden kommen, die sich wegen der gesunkenen Überschüsse Ihrer Versicherungen ärgern, oder sich wundern, wo in den letzten 10 Jahren die durchschnittlichen 8% Rendite Ihrer Aktienfonds geblieben ist (…)

  17. Umfrage: Deutsche vertrauen Pflegeversicherung nicht
    Die Angst vor Altersarmut ist groß: Drei Viertel der Deutschen befürchten, dass sie im Pflegefall trotz Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht ausreichend versorgt sind. Das geht aus einer Umfrage des Allensbach-Instituts hervor. Doch nur gut jeder Zehnte sorgt privat vor.
    Quelle 1: Spiegel

    Anmerkung: Eine Allensbach-Umfrage im Auftrag eines privaten Klinikbetreibers (der Alten- und Pflegeheime betreibt und zwar als Aktiengesellschaft – ist das nicht pervers ?!?). Toll. Und dass die Allensbach-Chefin Aufsichtsrätin bei der Allianz-Versicherung und Werbemaskottchen beim Finanzdienstleister MLP ist, hat natürlich gar nichts damit zu tun.
    Quelle 2: Nachdenkseiten, Hinweise des Tages vom 31.08.2009

  18. Die Frau des Übervaters
    Nach jahrelangem Hintenanstehen drängt sie jetzt nach vorne: Liz Mohn regiert nun über Europas grössten Medienkonzern Bertelsmann.
    Kann sie das?, fragen sich deutsche Kommentatoren in diesen Tagen mit bangem Unterton. Liz Mohn (68) übernimmt nach dem Tod Reinhard Mohns die nahezu uneingeschränkte Hoheit über den Bertelsmann-Konzern mit Sitz in Gütersloh. Zur Bertelsmann-Gruppe mit einem Umsatz von 16 Milliarden Euro gehören unter anderem die Senderkette RTL, der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr und der Buchverlag Randome House. Kann sie das?, fragen sich die Beobachter, weil der Leistungsausweis von Liz Mohn – zumindest von aussen betrachtet – eigentlich nur darin besteht, dass sie mit Reinhard Mohn verheiratet war. Sie war blond, 17 Jahre alt und Lehrtochter in der Telefonzentrale, als der mächtige Chef sie an einem Fest 1958 zum Tanzen aufforderte. Die kleine Blonde wurde seine Geliebte. Es hätte eine Episode im Leben von Reinhard Mohn bleiben können. Er betrog seine Gattin Magdalena regelmässig mit schönen Bürofräuleins aus seinem Unternehmen. In diesem Fall war es anders. Mohn blieb an der 20 Jahre jüngeren Elisabeth Beckmann hängen. Es sollten allerdings noch viele Jahre verstreichen, bis aus der kleinen Blonden Liz Mohn die Gattin des Patriarchen wurde. Der Weg dorthin führte durch Abgründe menschlichen Verhaltens.
    Quelle: Tagesanzeiger
  19. Gegnerbeobachtung per Fragebogen: Grüne spionieren Linke aus
    Grüne erfassen Informationen über die Linkspartei in den Ländern – mit fragwürdigen Methoden. Man fragt unter anderem nach “Besonderheiten” und “personellen Zwistigkeiten”.
    “Die Grünen wenden hier Methoden an, die sie regelmäßig anderen schärfstens vorwerfen”, sagte Gregor Gysi der taz. “Es gibt halt verschiedene Wege, auf denen man politisch und menschlich verkommen kann.”
    Quelle: TAZ
  20. Behandlung Demenzkranker: Ruhig gestellt mit Neuroleptika
    Immer mehr Demenzkranke müssen Neuroleptika schlucken, obwohl sie gravierende Nebenwirkungen haben können: erhöhte Schlaganfallgefahr, Diabetes und Kreislaufprobleme.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung MR: Das ist ein “super Beispiel”, wie mit Menschen umgegangen wird – und da soll mensch noch zu irgendjemandem Vertrauen haben? Oder einem Arzt vertrauen? Das passiert alles unter ärztlicher Anweisung. Wenn man dann noch überlegt, dass derzeit die Bezahlung des “Gesundheitssystems” nach der Schwere der Erkrankung erfolgt und nicht mehr nach dem tatsächlichen Aufwand, dann kommt einem das kalte Grausen. Kann ich tatsächlich noch einem Arzt glauben, wenn er eine schwere oder schwerst Krankheit diagnostiziert. Oder sollte ich erst einmal in der 80seitigen Liste nachschauen, welche die Grundlage für die Entlohnung darstellt – je kränker, desto besser bzw. lukrativer (…) Unglaublich – nein nur Lebensrealität und derzeitige Gesetzeslage. Wie sagte MP Koch vor wenigen Jahren “Ich will, dass es der Pharmaindustrie gut geht!” Und der Mitarbeiter einer Pharmafirma eine wenig angeduselt bei einer Nachfeier einer Messe “Wo kämen wir denn volkswirtschaftlich hin, wenn alle gesund wären!” (Aus ein SWR-Doku) Keine Rede ist von Einsparungen im System indem Vorsorge getrieben wird. Es will niemand Geld sparen – die Menschen sollen krank sein – alle sollen verdienen auf der Anbieterseite – und wir sollen es eigenverantwortlich bezahlen. Die Gesundheitsindustrie würde zusammenbrechen, würde für mehr Volksgesundheit gesorgt werden. Das ist nicht gewollt.

    Ergänzende Anmerkung MB: Der Pflegefachmann Claus Fussek kritisiert schon seit Jahren, dass Betreiber von Altenpflegeheimen besser verdienen je höher die Pflegestufe ist – also je kranker die Patientin bzw. der Patient. Da steckt dann auch auf dieser Seite ein finanzielles Interesse an möglichst kranken Patientinnen und Patienten. Es ist eigentlich nichts anderes als gesetzlich legitimierte Körperverletzung.

  21. Nachkommen von Migranten: Schlechtere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt auch bei gleichem Bildungsniveau
    Nachkommen von Einwanderern haben in Deutschland und Österreich deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als junge Menschen mit zumindest einem im Inland geborenen Elternteil. (…)
    Quelle: OECD
  22. NATO zahlt Schutzgeld
    Der italienische Geheimdienst soll afghanischen Aufständischen mehrere zehntausend Dollar Schutzgeld gezahlt haben, um sie von Angriffen auf italienische Truppen abzuhalten. Das behauptete die britische Times am Donnerstag unter Berufung auf namentlich nicht genannte NATO-Insider. Nach Angaben des Blattes sei dies auch der Hintergrund einer der schwersten Niederlagen der internationalen Interventionstruppen. Am 18. August 2008 war eine französische Einheit in der Nähe ihres Stützpunktes Surobi in der Provinz Kabul in einen Hinterhalt geraten, wobei zehn Soldaten von den Angreifern getötet wurden. Die Franzosen hatten Surobi wenige Wochen zuvor von den Italienern übernommen, die sie – laut Times – nicht über ihre Abmachungen mit den Aufständischen informiert hätten. Die Franzosen hätten im Vertrauen darauf, daß die Italiener zuvor kaum angegriffen worden waren, angenommen, daß die Gegend sicher sei und sich unvorsichtig verhalten. Tatsächlich war laut damaligen Berichten die überfallene französische Einheit viel zu schwach ausgerüstet gewesen.
    Quelle: Junge Welt
  23. Hillary Clinton: Der Kampf ums tägliche Brot
    Der Sieg über den Hunger auf der Welt ist der Schlüssel zur Nahrungsmittelsicherheit – zu gewährleisten, dass Landwirte reichlich Pflanzen aussäen und ernten können, sich effektiv um ihre Nutztiere kümmern und Fische fangen können, um dann sicherzustellen, dass die von ihnen produzierten Lebensmittel auch die Menschen erreichen, die sie brauchen. Beim Thema der Nahrungsmittelsicherheit treffen einige Themenkomplexe aufeinander: vom Klimawandel verursachte Dürren und Überschwemmungen, Fluktuationen in der Weltwirtschaft, die sich auf die Lebensmittelpreise auswirken, und hohe Ölpreise, die zu einem Anstieg bei den Transportkosten führen. Daher geht es bei der Nahrungsmittelsicherheit nicht nur um Nahrungsmittel, sondern in erster Linie um Sicherheit. Chronische Unterernährung stellt eine Bedrohung für Einzelpersonen, Regierungen, Gesellschaften und internationale Grenzen dar. Menschen, die hungern oder unterernährt sind, sind nicht in der Lage, ihre Familien zu versorgen. Sie werden mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung allein gelassen, das zu Spannungen, Konflikten und sogar Gewalt führen kann. Seit 2007 ist es in mehr als 60 Ländern zu Ausschreitungen um Lebensmittel gekommen. Das Versagen der Landwirtschaft in vielen Teilen der Welt hat auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die Landwirtschaft ist für mehr als drei Viertel der armen Menschen auf der Welt die einzige oder wichtigste Einnahmequelle. Wenn so viele Menschen hart arbeiten, aber dennoch nicht vorankommen, wird die ganze Welt zurückgehalten.
    Quelle: Tagesspiegel


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