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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Juli 2018 um 8:23 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Helsinki Gipfel
  2. Trump glaubt den Geheimdiensten nun doch
  3. Die Arroganz der Ohnmacht
  4. Feuerdrachen gegen die Eiserne Kuppel
  5. Die Erosion der Mittelschicht ist näher denn je
  6. Thyssen Krupp droht die Zerschlagung
  7. Freihandelsabkommen EU-Japan: Gemeinsam gegen Trump
  8. Sozialer Arbeitsmarkt: Tariflohn und Sozialversicherungspflicht unabdingbar
  9. Achtung, Lebensgefahr
  10. Im Kampf um die Arbeitszeit
  11. Amazon-Beschäftigte streiken für höhere Löhne
  12. Greenwashing ist ein Ablasshandel für die Reichen
  13. Zahlen strafen brandgefährliche Hetze aus Unionskreisen Lügen
  14. Leben statt nur überleben
  15. Zusammenarbeit oder neuer Kolonialismus?
  16. Der Krawallmodus wird ihr nicht helfen
  17. Redaktionen verklagen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Helsinki Gipfel
    1. Ärger über Helsinki-Gipfel: Trump interessiert nur Trump
      Dass dem US-Präsidenten die Demokratie egal ist und Kritik für ihn einer Majestätsbeleidigung gleichkommt, ist bekannt. Der unterwürfige Auftritt mit Putin macht deutlich, wie schwach Trump ist – und wie leicht er zu manipulieren ist.
      (…) Denn bei jener “Vergangenheit”, die Trump hinter sich lassen will, geht es um den Kernbestand einer jeden Demokratie: um das Vertrauen in Wahlen…
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung J.K.: Es ist wirklich nicht zum Aushalten. Das Gros der deutschen “Qualitätsjournalisten” lebt ganz offenbar in einer bizarren Scheinwelt und hat jeden Kontakt zur Realität verloren. “Dass dem US-Präsidenten die Demokratie egal ist ….”. Aber ja doch, und Merkel ist die heilige Mutter der “marktkonformen Demokratie”. Seit wann schert sich Merkel um Demokratie und Mitbestimmung, wenn es um die Durchsetzung des deutschen Austeritätsdiktats über Europa geht? Man muss hier immer und immer wieder auf den Umgang mit Griechenland hinweisen, wo inzwischen mehr als ein Viertel der Bevölkerung in bitterster Armut lebt und das demokratische Votum des griechischen Volkes mehrfach übergangen wurde. Ganz abgesehen von Merkels Alleingang bei der Grenzöffnung im Herbst 2015. Wobei weder das deutsche Parlament noch die europäischen Partnerländer konsultiert wurden, Merkel aber danach mit der Forderung auftrat, dass jetzt bitte schön sich die anderen EU-Länder an der Aufnahme der Flüchtlinge zu beteiligen hätten.

    2. Experte zerlegt Trump nach Putin-Treffen: “Dunkelste Stunde in der Geschichte”
      (…) Der ehemalige Schach-Weltmeister und russische Polit-Aktivist Garry Kasparov bewertet das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als “dunkelste Stunde in der Geschichte der amerikanischen Präsidentschaft”.
      Quelle: Huffington Post

      Anmerkung Jens Berger: Ein weiterer Tiefpunkt der an Tiefpunkten wahrlich reichen Medienberichterstattung zum Gipfel von Helsinki. Der “Experte” Garry Kasparow ist kein neutraler “Polit-Aktivist”, wie es die Huffington Post formuliert, sondern trat noch vor wenigen Jahren in einem Wahlbündnis mit den Nationalbolschwisten des Neofaschisten Eduard Limonow bei Wahlen an. Wie geschichtsvergessen Kasparow ist, zeigt schon sein schiefes Zitat – Churchill nannte einst die Niederlage Frankreichs gegen Hitler-Deutschland “die dunkelste Stunde in der Geschichte (Frankreichs)”. Ein Vergleich, der nicht nur denkbar unpassend, sondern auch unanständig ist und zudem die Angriffskriege Deutschland verharmlost … aber wenn es um Meinungsmache geht, scheint den Kollegen auch der letzte Anstand abhandengekommen zu sein.

    3. Putin in der Kritik, weil er Menschenrechtsverletzungen der USA nicht angesprochen hat
      Moskau (dpo) – Nach seinem Treffen mit dem US-Präsidenten steht der russische Präsident Wladimir Putin im eigenen Land schwer unter Beschuss. Russische Medien und Politiker werfen ihm vor, dass er sich ohne Vorbedingungen mit Donald Trump getroffen habe. Insbesondere habe Putin es versäumt, bei dem Treffen US-amerikanische Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht anzusprechen.
      “Putin ging es nur darum, sich selbst zu inszenieren”, kritisiert etwa der Duma-Abgeordnete Nikolai Smirnow. “Bei dem Treffen mit Trump kam ihm kein Wort der Kritik über die Lippen.”
      Dabei, so Smirnow, hätte es zahlreiche Punkte gegeben, die Putin hätte ansprechen können: “Die Menschenrechtsverletzungen im Gefangenenlager Guantanamo, den Drohnenkrieg mit jährlich über 500 Toten, den die USA in Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Somalia, Jemen und Libyen ohne UN-Mandat führen, völkerrechtswidrige Angriffe auf Syrien, die Einmischung in Politik und Wahlen zahlreicher Länder durch aus den USA finanzierte “transatlantische Thinktanks”, den Irakkrieg, den Afghanistankrieg, die jährlich über 10.000 Schusswaffentoten in den USA, die weltweite Spionage durch die NSA – um nur die wichtigsten zu nennen.”
      Stattdessen habe Putin nur in die Kamera gelächelt und Trump sogar einen Fußball überreicht. Entsprechend lauteten die Schlagzeilen zahlreicher Kommentare in russischen Zeitungen “Roter Teppich für Trump”, “Zum Gruseln”, “Putins Horrorshow”, “Schöner kann’s für Trump kaum kommen” und “Putins Rache am Osten”.
      Quelle: Der Postillon

      Anmerkung unseres Lesers M.S.: Der Postillon wendet genau das richtige Mittel an, die Kampagnen-Propaganda der Mainstream-Medien aufzuzeigen: Einfach mal die Rollen vertauschen. Immer wieder ein Augenöffner, nicht nur hier.

    4. Kann das Treffen zwischen Trump und Putin die amerikanisch-russischen Beziehungen retten?
      US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin sind am Montag in Helsinki zu einem Gespräch zusammengetroffen. Nach dem mehrstündigen Gespräch hinter verschlossenen Türen bezeichneten die beiden Präsidenten vor der Presse ihr erstes offizielles Treffen als „konstruktiv”. Doch es stellt sich die Frage, ob solch ein Treffen die amerikanisch-russischen Beziehungen, die bereits auf Eis liegen, wirklich retten kann?
      Wie die beiden Präsidenten vor der Presse mitteilten, standen im Mittelpunkt des Treffens Themen wie die Russland-Affäre von Trump, die Atom-Frage auf der Koreanischen Halbinsel, der Antiterror-Kampf, die nukleare Abrüstung, die Lage im Iran und in Syrien und vieles mehr. Doch das heikle, fast unlösbare Problem in den amerikanisch-russischen Beziehungen, die Krim-Frage, bleibt unangetastet.
      In der Tat können die Widersprüche zwischen Washington und Moskau ungefähr in zwei Arten geteilt werden: die Interessenkonflikte, die durch Konsultationen und Kompromisse gelöst werden können und die Konflikte in der Wertanschauung, die kurzfristig schwer zu beseitigen sind. (…)
      Tatsächlich spielt das gegenseitige Misstrauen immer eine große Rolle in den amerikanisch-russischen Beziehungen. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges ist eine konsequente Politik der US-Regierung, den strategischen Einfluss Russlands zu verringern. Insbesondere die Osterweiterung der Nato hat den Nerv von Putin getroffen.
      Auch in der Weltordnung bestehen zwischen Washington und Moskau Meinungsverschiedenheiten. Russland plädiert für Pluralismus in der Welt, Freihandel und Multilateralismus, während die USA ihre Hegemonie in der Welt behaupten wollen und Handelsprotektionismus und Unilateralismus betreiben.
      In diesem Sinne ist es nicht schwer zu verstehen, dass Gespräche wie das Trump-Putin-Treffen die auf Eis gelegten amerikanisch-russischen Beziehungen nicht retten könnten, sollten die USA nicht auf Machtpolitik und Alleingang verzichten.
      Quelle: CRI online

      Anmerkung Jens Berger: Man lese und staune. Es geht doch. Dass die einzige wirklich analystische und unaufgeregte Analyse des Gipfels „ausgerechnet“ von der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur kommt, sollte „unseren“ Qualitätsmedien zu denken geben.

  2. Trump glaubt den Geheimdiensten nun doch
    • US-Präsident Donald Trump hat im Streit um die Rolle Russlands bei der Präsidentenwahl von 2016 eingelenkt.
    • Er “akzeptiere” die Schlussfolgerung der US-Geheimdienste, dass Russland sich in die Wahl eingemischt haben könnte, sagte Trump am Dienstag.
    • Trump hatte beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin in Helsinki gesagt, er sehe keinen Grund, warum Russland sich in die Wahl eingemischt haben sollte.

    Nach heftiger Kritik wegen seiner Haltung beim Gipfel mit Kreml-Chef Wladimir Putin in Helsinki hat US-Präsident Donald Trump eingeräumt, dass Russland sich in die US-Wahl 2016 eingemischt hat. Er “akzeptiere” die Schlussfolgerung der US-Geheimdienste, sagte Trump am Dienstag im Weißen Haus in Washington, er habe sich bei der Pressekonferenz mit Putin “versprochen”. Er habe sagen wollen, dass er “keinen Grund” sehe, warum es “nicht” Russland wäre, dass hinter der Beeinflussung stecken könnte. Versehentlich habe er das “nicht” weggelassen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: Wieder einmal zeigt sich, dass man erst einmal 48 Stunden warten muss, um zu sehen, ob Trump sich von sich selbst distanziert oder sich gar selbst der Verbreitung von Fake News überführt. Im konkreten Fall ist dies gleich doppelt ärgerlich, da Trumps ursprüngliche Äußerung inhaltlich wohl nicht einmal falsch war …

    dazu: Memo to the President Ahead of Monday’s Summit
    With Friday’s indictments of Russian intelligence officers, Ray McGovern and Bill Binney have written an open letter to President Trump making clear that the “evidence” behind the indictments is as fraudulent as the intelligence alleging WMD in Iraq. It is being published exclusively here ahead of the Trump-Putin summit on Monday. […]
    “Still Waiting for Evidence of a Russian Hack”
    If you are wondering why so little is heard these days of accusations that Russia hacked into the U.S. election in 2016, it could be because those charges could not withstand close scrutiny. It could also be because special counsel Robert Mueller appears to have never bothered to investigate what was once the central alleged crime in Russia-gate as no one associated with WikiLeaks has ever been questioned by his team.
    Quelle: Consortiumnews

    passend dazu: Trump and Putin vs. America
    From the beginning of his administration, President Trump has responded to every new bit of evidence from the C.I.A., F.B.I. and N.S.A. that Russia intervened in our last election on his behalf by either attacking Barack Obama or the Democrats for being too lax — never President Vladimir Putin of Russia for his unprecedented cyberhit on our democratic process. Such behavior by an American president is so perverse, so contrary to American interests and values, that it leads to only one conclusion: Donald Trump is either an asset of Russian intelligence or really enjoys playing one on TV.
    Everything that happened in Helsinki today only reinforces that conclusion. My fellow Americans, we are in trouble and we have some big decisions to make today. This was a historic moment in the entire history of the United States. (…)
    Trump vacated that oath today, and Republicans can no longer run and hide from that fact. Every single Republican lawmaker will be — and should be — asked on the election trail: Are you with Trump and Putin or are you with the C.I.A., F.B.I. and N.S.A.?
    Quelle: Thomas L. Friedman in der New York Times

    Anmerkung Jens Berger: Friedman fragt seine Leser direkt, ob sie eher Trump und Putin oder eher CIA, FBI und NSA glauben. Ich vermute, die Antwort auf diese Frage dürfte ihm nicht wirklich gefallen, haben die Geheimdienste in der Vergangenheit doch häufig gezielte Falschinformationen gestreut.

  3. Die Arroganz der Ohnmacht
    Nirgends zeigt sich das Debakel der Sozialdemokratie so drastisch wie in Frankreich. Doch statt sich zu erneuern, redet man nur. (…)
    Der PS hat sich das Etikett „progressiv“ verpasst, meidet die Auseinandersetzung mit den Kommunisten und der „France Insoumise“ des Ex-Sozialisten Jean-Luc Mélenchon. Reicht dieser Trotz am Abgrund, wenn man nur noch rund 35.000 zahlende Mitglieder hat, Tendenz sinkend? Und reicht dieser Trotz, wenn einen die Mehrheit in Frankreich als einstige Regierungspartei zum Verräter an sozialen Werten erklärt?
    Auch wenn die Entwicklung und die Historie der über 150 Jahre alten SPD und des PS (der sich erst 1969 gründete) nicht zu vergleichen sind: Das quasi Verschwinden einer nahestehenden Volkspartei muss die deutsche Sozialdemokratie beunruhigen. Nicht, dass man bundesweit zur Zeit schon auf unter zehn Prozent zusteuert. Man zählt auch noch rund 450.000 Mitglieder.
    Trotzdem: In Sachsen etwa stimmten 2017 nur noch 11,7 Prozent per Erststimme für die SPD, in mehreren der 16 Bundesländern kam die SPD auf unter 20 Prozent, in ganz Ostdeutschland erreichte sie durchschnittlich nur rund 14 Prozent.
    Es steht, mit Ausnahme von Labour-Parteichef Jeremy Corbyn in England und Pedro Sánchez in Spanien (der mit einer Minderheitsregierung am Start ist) nicht gut um Europas Genossinnen und Genossen. (…)
    Bei der SPD-Zentrale in Berlin-Kreuzberg haben sie schon vor Wochen die Parteiflagge eingeholt. Jetzt flattert dort auf dem Dach die Fahne Europas. Der Wind dreht dieser Tage oft.
    Quelle: taz
  4. Feuerdrachen gegen die Eiserne Kuppel
    Zwischen Israel und der Hamas hat es einen erneuten Gewaltausbruch gegeben; eine Lösung ist nicht in Sicht
    Die Auseinandersetzungen waren kurz und heftig: Innerhalb von nur einigen Stunden feuerten Kämpfer von Hamas und Islamischem Dschihad rund 100 Raketen ab; Israels Luftwaffe reagierte mit Luftwaffen auf Ziele, die den beiden islamistischen Organisationen zugeschrieben werden.
    Es sei die größte Offensive bei Tageslicht seit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014 gewesen, sagten Militärsprecher danach, wobei diese Einordnung, die wohl als Superlativ gedacht ist, vor allem politische Bedeutung habe, wie Mitarbeiter der israelischen Sicherheitsdienste offen sagen: Man wolle jene Rechten besänftigen, die seit Monaten schon eine umfassende Luft- und Bodenoffensive im Gazastreifen fordern, wobei so mancher, und vor allem die an der Regierung beteiligte, der Siedlerbewegung nahestehende Partei “Jüdisches Heim”, dabei auch für eine Neuauflage des Siedlungsprojekts im Gazastreifen plädiert.
    Die Räumung
    Zur Erinnerung: 2005 hatte die damalige israelische Regierung alle israelischen Siedlungen dort räumen lassen (Der Auszug aus dem Gazastreifen). Zwar hatte der Gazastreifen für die Siedlerbewegung nie eine religiöse Bedeutung; doch die Gaza-Räumung, die von massivsten Protesten der Rechten begleitet wurde, wird in der Bewegung bis heute als Niederlage gesehen, die es zu korrigieren gilt.
    “Diejenigen, die die Räumung damals durchgesetzt haben, sind verantwortlich für die heutige Situation”, so Danny Dayan, Vorsitzender des einflussreichen Siedler-Lobby Jescha-Rat, im Juni. “Jescha” ist ein Akronym, das für Judea, Schomrom (Samaria) und Aza (Gaza) steht.
    Kriegsgefahr?
    Doch nun ist die Situation wie sie ist, und der politische Druck, das Militär in Richtung Gaza marschieren zu lassen, hoch. Nur: Weder die Armee noch die Geheimdienste noch Netanjahu wollen das, weil es zu einem weiteren Krieg, dem vierten innerhalb von nur zehn Jahren, führen würde, während in Syrien die Truppen von Präsident Baschar al Assad auf dem Vormarsch sind und immer näher an die Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen heran kommen.
    Niemand weiß, wie sich der Atom-Streit mit dem Iran entwickeln wird, und ob das ägyptische Militär die Lage auf der Sinai-Halbinsel in den Griff bekommt – trotz einer sehr hart geführten Offensive gegen islamistische Gruppen aus dem Umfeld des Islamischen Staats sieht es nicht danach aus.
    Es sei schlicht nicht möglich, einen erheblichen Teil des Militärs im Gazastreifen zu binden, mahnten Militärvertreter im Verteidigungsausschuss der Knesset. Und vor allem: Es führe auch zu nichts.
    Quelle: Telepolis
  5. Die Erosion der Mittelschicht ist näher denn je
    Eine Analyse zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft in den Industrieländern. Volkswirtschaften formen sich durch Alterung und Automatisierung neu. Im Extremfall wandelt sich das Drei-Klassen-Modell in ein Zweiersystem – mit 80 Prozent Unterschicht.
    (…) Drei absehbare Trends bündeln sich nach Einschätzung der Autoren Karen Harris, Austin Kimson und Andrew Schwedel zu einem unheilvollen Ganzen. „Die Automatisierung wird ganze Volkswirtschaften neu formen, die Arbeitsmärkte in Tumult versetzen und die Spielregeln in vielen Wirtschaftszweigen verändern“, heißt es in der Studie. Gleichzeitig werde die Alterung der Bevölkerung die Sozialsysteme strapazieren „wie nie zuvor“.
    Dazu kommen eine wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen in den meisten Industrieländern – die Spanne zwischen Gewinnern und Verlierern der Modernisierung werde größer, wobei die Gewinner deutlich in der Minderheit bleiben. Diese Kräfte seien bereits heute dabei, ihre Wirkung zu entfalten…
    Quelle: Welt

    Anmerkung J.K.: Eine Zwei-Klassen Gesellschaft mit 80 Prozent Unterschicht und 20 Prozent Oberschicht, das hört sich nach Revolution an. Gut, dass die neue digitale Welt auch die passenden Überwachungs- und Kontrollsysteme hervorbringt. China macht gerade vor wie dies aussehen könnte.

    Anmerkung Jens Berger: Was die WELT hier als aktuelle Studie verkauft, lehnt sich im Kern offenbar eine 1:1 an die Aussagen einer Konferenz der globalen Elite an, die von der Gorbatschow-Stiftung 1995 in San Franzisko veranstaltet wurde. Bereits damals sah man die 20:80-Gesellschaft, in der nur noch 20 Prozent der Bevölkerung unmittelbar für Produktion und Erhaltung der Gesellschaft benötigt werden und es für 80 Prozent der Bevölkerung schlicht keine Aufgabe mehr gibt. Nun ist seitdem jedoch auch schon wieder fast ein Vierteljahrhundert vergangen und die Zahlen geben ein solches Szenario einfach nicht her. Man sollte solchen „Studien“ (nicht nur) daher stets sehr kritisch gegenüberstehen und fragen, was die Autoren eigentlich bezwecken wollen. Und wenn man dann noch etwas von „Strapazierung der Sozialsysteme“ liest, sollten gleich die Alarmglocken klingeln.

  6. Thyssen Krupp droht die Zerschlagung
    Der deutsche Stahlkonzern Thyssen Krupp steht am Scheideweg. Denn einige Investoren und andere Marktakteure drängen darauf, das Traditionsunternehmen zu zerschlagen – die IG Metall will das verhindern
    Nach dem angekündigten Rücktritt von Thyssen Krupp-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner droht eine Zerschlagung des Dax-Konzerns. Zumindest setzen Investoren an der Börse darauf: Die seit Jahren eher vor sich hin dümpelnde Aktie legte am Dienstag zeitweise mehr als acht Prozent zu.
    “Thyssen Krupp steht nun am Scheideweg”, sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment der Nachrichtenagentur Reuters. Mit dem kürzlich schon ausgeschiedenen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Lehner seien zwei Säulen der bisherigen Strategie weggefallen, die zuletzt oft kritisiert worden sei. Die beiden hatten eine Zerschlagung stets abgelehnt. […]
    Während Cevian und Elliott den Konzern auf Rendite trimmen wollen und die Struktur für überholt halten, befürchten die Arbeitnehmervertreter eine Zerschlagung des 1999 aus Thyssen und Krupp fusionierten Unternehmens, dessen Wurzeln über 200 Jahren zurückreichen.
    “Es ist nun die Aufgabe der Hauptaktionäre, insbesondere der Krupp-Stiftung, das Unternehmen gemeinsam weiterzuentwickeln”, sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath zu Reuters. Es gehe um Tausende Arbeitsplätze. Nach der Stahlsparte müssten auch die übrigen Bereiche zukunftssicher aufgestellt werden. “Eine Zerschlagung des Konzerns darf es nicht geben.”
    Quelle: Deutsche Welle

    dazu: Der Finanzinvestor Cevian
    Der schwedische Finanzinvestor Cevian verwaltet für internationale Anleger derzeit ein Vermögen von rund 13 Milliarden Euro. Die Beteiligungsgesellschaft hat sich vor allem auf europäische Industrieunternehmen spezialisiert, die sie an der Börse für unterbewertet hält. “Gesunde Unternehmen, die übersehen, missverstanden oder bei den Investoren in Ungnade gefallen sind” – so beschreibt Cevian seinen Schwerpunkt selbst.
    Dabei gehört es zur Firmenpolitik, sich aktiv in die Geschäfte einzumischen und wichtige strategische Weichenstellungen zu beeinflussen.
    Cevian wurde 2002 von Christer Gardell und Lars Förberg gegründet. Die Firma hat neben dem Sitz in Stockholm Büros in Zürich und London. Der Anlagefokus ist auf fünf bis sieben Jahre ausgerichtet, in denen der Aktienkurs der Beteiligungen möglichst stark steigen soll.
    Bei thyssenkrupp kaufte sich Cevian Ende 2013 ein. Inzwischen hält der Investor gut 18 Prozent der Anteile und ist damit hinter der Krupp-Stiftung zweitgrößter Aktionär. Vom Dienstleistungs- und Baukonzern Bilfinger gehören Cevian fast 30 Prozent. Seine Milliardenbeteiligung am Lkw-Bauer Volvo verkaufte Cevian Ende 2017.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung WM: Die Heuschrecken sind wieder am Werk. Betriebe dienen für sie nicht mehr der Produktion von Gütern sondern sind in ihren Augen reine Anlageobjekte, die im Interesse der Anleger möglichst schnell hohe Renditen erzielen müssen. Die Werke Krupp und Thyssen sind 200 bzw. 120 Jahre alt. Sie sind Teil der Geschichte der Industrialisierung Deutschlands. „Der Anlagefokus“ bei Cevian „ist auf fünf bis sieben Jahre ausgerichtet“. In dieser Zeit heißt es, soviel Gewinn wie möglich herausschlagen und dann weiterverscherbeln. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen interessieren Cevian nicht.

  7. Freihandelsabkommen EU-Japan: Gemeinsam gegen Trump
    Aller Kritik zum Trotz: Die EU will das Freihandelsabkommen mit Japan. Denn diese Verbindung könnte die Europäer gegen die protektionistische Handelspolitik von US-Präsident Trump schützen.
    Dieses Freihandelsabkommen wird das EU-Parlament auf keinen Fall scheitern lassen. Denn die Mehrheit im EU-Parlament betrachtet den multilateralen Handelsvertrag zwischen Japan und der EU als eine klare außenpolitischen Absage an US-Präsident Donald Trump – und dessen Versuch, die regelbasierte Welthandelsordnung aus den Angeln zu heben.
    Walfang und illegale Abholzung
    Diese Punkte reichen von den Themen Arbeitnehmerrechte, Datenschutz bis hin zum Walfang und zur Wasserversorgung. So wird der Walfang in dem Abkommen mit der EU nicht reguliert. Japan ist der einzige Staat, der weltweit Wale jagt und Jahr für Jahr zum Beispiel Zwergwale in der Antarktis tötet.
    Japan ist zugleich der größte Holzimporteur der Welt und hat als einziges G7-Land kein Gesetz gegen Importe aus illegaler Abholzung. Auch in dem Abkommen mit der EU verpflichtet sich die Regierung in Tokio nicht ausdrücklich, gegen illegale Abholzung und Holzhandel vorzugehen.
    Strittige Punkte Arbeitnehmer- und Datenschutz
    Auch bei den Themen Arbeitnehmerschutz, Verhinderung von Zwangsarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz sehen mehrere EU-Abgeordnete noch Defizite…Auch beim Datenschutz sei Japan deutlich weniger streng als die EU mit ihrer Datenschutzgrundverordnung.
    Privatisierung der Wasserversorgung?
    Reinhard Bütikofer sieht hingegen vor allem die Gefahr, dass japanische Unternehmen europäische Wasserwerke kaufen könnten…
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Jens Berger: Da haben wir die neue Sprachregelung. Ab jetzt kann jede Schweinerei als „gemeinsamer Akt gegen Trump“ verkauft werden.

    Dazu: Voreilige Unterzeichnung von JEFTA bedroht Verbraucherschutz und erhöht Privatisierungsdruck
    „Vertreter der Europäischen Union haben den umfassendsten Freihandelsvertrag ihrer Geschichte unterzeichnet – ohne dass die Folgen dieses Abkommens angemessen in den Parlamenten beraten wurden. Auch die Bundesregierung hat sich auf europäischer Ebene nicht dafür eingesetzt, dass der Bundestag die Zeit erhält, sich angemessen mit den drohenden Folgen für den Verbraucherschutz und die öffentliche Daseinsvorsorge zu beschäftigen. Offensichtlich hatten die Regierungsparteien Angst vor einer umfassenden und transparenten Debatte. So leisten CDU/CSU und SPD der europäischen Integration einen Bärendienst“, kommentiert Pascal Meiser, Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages für die Fraktion DIE LINKE, die heutige Unterzeichnung des europäisch-japanischen
    Freihandelsabkommens JEFTA in Tokio. Meiser weiter:
    „Anders als die Rosstäuscher in der EU-Kommission und der Bundesregierung behaupten, geht es bei diesem Abkommen mit Japan um viel mehr als nur den Abbau von Zöllen. Unter dem Deckmantel des freien Handels drohen die Absenkung von Verbraucherschutzstandards und zusätzlicher Privatisierungsdruck bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Nicht zuletzt birgt JEFTA erhebliche Gefahren für die kommunale Wasserwirtschaft. In keinem anderen Abkommen hat die EU der Kommerzialisierung der Wasserwirtschaft Tür und Tor derart weit geöffnet. Für uns als LINKE bleibt es dabei: Wir brauchen keine sogenannten Freihandelsverträge, die Standards zum Schutz von Beschäftigten, Umwelt und Verbrauchern unterminieren, sondern Regeln, die rücksichtslos agierende internationale Konzerne in die Schranken weisen.
    Quelle: Die Linke

  8. Sozialer Arbeitsmarkt: Tariflohn und Sozialversicherungspflicht unabdingbar
    Sozialversicherungspflicht und Bezahlung nach Tarif – diese beiden Prinzipien müssen für den Sozialen Arbeitsmarkt gelten, der morgen im Bundeskabinett beschlossen werden soll. „Wir setzen darauf, dass der Bundestag noch entsprechende Verbesserungen auf den Weg bringt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Dienstag in Berlin.
    „Es ist gut und richtig, Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu eröffnen und für sie öffentlich geförderte Arbeitsplätze zu schaffen“, betonte Buntenbach. „Damit das Förderprogramm kein Flop wird und das Ziel, Langzeitarbeitslosen soziale Teilhabe zu ermöglichen, tatsächlich eingelöst werden kann, müssen aber vollwertige, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Arbeitnehmer im Sozialen Arbeitsmarkt trotz mehrjähriger Beschäftigung keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwerben sollen.“
    Die geplanten Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber müssten dabei auf Basis der Tariflöhne berechnet werden. „Die bisher vorgesehene Berechnung nach dem Mindestlohn setzt den falschen Anreiz, dass vor allem Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor geschaffen werden“, erklärte Buntenbach. „Diese Löhne werden aber vielfach nicht reichen, um unabhängig von Hartz-IV-Leistungen leben zu können. Erfahrungen mit bisherigen Förderprogrammen zeigen, dass sich vormals Langzeitarbeitslose vor allem dann als vollwertige Mitarbeiter fühlen und soziale Teilhabe erleben, wenn sie mit ihrer Arbeit den Hartz-IV-Bezug beenden können.“
    „Zudem benachteiligen Lohnkostenzuschüsse auf Mindestlohnniveau tarifgebundene Arbeitgeber wie etwa Kommunen, kommunale Tochterunternehmen und Wohlfahrtsverbände. Sie müssten die Differenz zwischen dem Lohnkostenzuschuss und dem für sie verbindlichen Tariflohn aus der eigenen Kasse zuzahlen. Diese Förderkonditionen sind so unattraktiv, dass sich viele potentielle Einsatzstellen nicht beteiligen werden, die eigentlich für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser aufgeschlossen sind. Es besteht die Gefahr, dass die angestrebten 150.000 geförderten Arbeitsplätze nicht erreicht werden können“, sagte Buntenach.
    Quelle: DGB
  9. Achtung, Lebensgefahr
    Lenkzeiten von zwölf aufeinanderfolgenden Tagen ohne einen Ruhetag und zweimal die Woche ein 16-Stunden-Tag – ein geplantes „Mobilitätspaket“ der EU für den Bus- und Lkw-Verkehr könnte bedrohlich werden. ver.di lehnt die Pläne strikt ab
    Von Maria Kniesburges
    Das kann gefährlich werden. Für die Beschäftigten im Straßentransport, die Lkw- und die Busfahrer, aber auch für die Buspassagiere und die Sicherheit im Straßenverkehr insgesamt. Anfang Juli stand im EU-Parlament ein Vorschlag seines Verkehrsausschusses zum „Mobilitätspaket“ der EU-Kommission zur Debatte. Und der hat es in sich: Die bisher gesetzlich zugelassenen Lenkzeiten für Lkw- und Busfahrer sollen demnach drastisch verlängert und die vorgeschriebenen Ruhezeiten entsprechend verkürzt werden. Wochenendruhezeiten soll es erst nach drei statt bisher zwei ­Wochen geben. Und in Anbetracht solcher Lenkzeiten soll es den Fahrern „erlaubt“ sein, ihre wöchentlichen Ruhezeiten auf Parkplätzen in der Fahrerkabine zu verbringen. Im Bus- und Reisebusverkehr sollen Lenkzeiten von zwölf aufeinanderfolgenden Tagen ohne einen Ruhetag erlaubt werden und überdies zweimal die Woche ein 16-Stunden-Tag.
    (…) Kern der in der Tat bedrohlichen Vorgänge ist, dass die Ende Mai reformierte EU-Entsenderichtlinie für Lkw- und Busfahrer im internationalen Verkehr keine Geltung haben soll. Dabei zielte die Reform der Richtlinie ausdrücklich auf eine Eindämmung von Lohndrückerei und die Stärkung von Rechten und Schutzstandards der Beschäftigten. Aber nicht für die Lkw- und Busfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr, der doch immer weiter zunimmt.
    Und das Ganze für 235 Euro im Monat
    Sollte diese Herausnahme der Fahrerinnen und Fahrer aus der Entsenderichtlinie nicht verhindert beziehungsweise behoben ­werden können, so würde das bedeuten, dass etwa „ein bei einem bulgarischen ­Unternehmen beschäftigter Bus- oder Lkw- Fahrer für den bulgarischen Mindestlohn von 235 Euro pro Monat Menschen oder Waren zwischen Deutschland und Frankreich transportieren könnte,“ heißt es in einer ver.di-Mitteilung. Ein soziales Europa sähe anders aus: „Wenn die EU solche Rahmenbedingungen schafft, ist das ein Existenzvernichtungsprogramm für sozial und tariflich geschützte Arbeitsplätze“, sagt Kocsis.
    Quelle: Verdi
  10. Im Kampf um die Arbeitszeit
    Die Regierung hat den Zwölfstundentag beschlossen. Zuvor waren rund 100.000 Menschen dagegen auf die Straße gegangen. Die Gewerkschaften mobilisieren weiter
    (…) Österreichischen Unternehmern ist es danach künftig möglich, ihre Beschäftigten täglich bis zu zwölf Stunden sowie bis zu 60 Stunden wöchentlich arbeiten zu lassen. In vielen österreichischen Betrieben sind derart lange Arbeitszeiten schon längst Realität. Allerdings handelte es sich dabei bisher um Ausnahmen, denen die Betriebsräte zustimmen mussten. Nach der Gesetzesnovelle bleibt zwar weiterhin die gesetzliche Normalarbeitszeit von acht Stunden täglich aufrechterhalten, allerdings wird es für Unternehmer künftig viel einfacher sein, die Mitarbeiter über dieses Pensum hinaus arbeiten zu lassen.
    Die Regierung zeigte sich von der Großdemonstration unbeeindruckt. Am Donnerstag, den 5. Juli, wurde das Gesetz zum Zwölfstundentag im Parlament beschlossen. Wenige Stunden, bevor der Nationalrat zusammentrat, überraschte die ÖVP-FPÖ-Koalition mit der Ankündigung, dass die neue Regelung bereits am 1. September in Kraft treten werde.(…)
    Im Schnellverfahren durchgejagt
    (…) Die Arbeitszeitnovelle jedoch wurde per Initiativantrag der Regierung im Schnellverfahren durch die parlamentarischen Gremien gejagt. Das führte auch dazu, dass bis zuletzt unklar war, wie sich die Verlängerung der Arbeitszeit auf bestehende Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen auswirken werde.
    Quelle: Verdi
  11. Amazon-Beschäftigte streiken für höhere Löhne
    (…) Auf der anderen Seite stehen die Mitarbeiter in den Versandlagern. Sie fordern höhere Löhne und treten am „Prime Day“ in sieben Ländern in Streik. Zu beklagen haben sie aber mehr als nur fehlendes Geld: Permanente Videoüberwachung und Leistungsdruck machen aus der Arbeit für den Versand-Riesen einen Knochenjob.
    Es ist mit Sicherheit eines der modernsten Logistikzentren der Welt – schaut man nur auf die Technik. Doch was den Umgang mit den Mitarbeitern betrifft befindet, orientiert sich Amazon dann doch an der Vergangenheit. In Deutschland (wo auch der österreichische Versandhandel abgewickelt wird) ist die Gewerkschaft im Dauerstreit mit dem Internethändler. Seit mittlerweile 6 Jahren verlangt sie, dass auch die Amazon-Mitarbeiter nach Kollektivvertrag der Branche bezahlt werden – auch mit Streiks. Andere große, deutsche Versandhändler zahlen den Kollektivvertrag.
    Internationaler Aktionstag – Prime Day
    Unter dem Namen „Prime Day“ hat Amazon sich seinen eigenen Einkaufs-Feiertag geschaffen….Arbeiter aus Deutschland, Polen und Spanien haben angekündigt nicht zur Arbeit zu erscheinen. In der Vergangenheit konnte der Internet-Gigant Streiks über andere Versandzentren abfedern, laut Gewerkschaft allerdings nur mit Mühe. Streiken Beschäftigte jetzt über die Werks- und Landesgrenzen hinaus, könnte es das Unternehmen in Bedrängnis bringen. Die versprochenen Lieferzeiten könnte Amazon eventuell nicht einhalten.
    Quelle: Kontrast
  12. Greenwashing ist ein Ablasshandel für die Reichen
    In Supermärkten und Bioläden ist die Verwendung von Gütesiegeln mit den Prädikaten “umweltfreundlich”, “ressourcenschonend” und “sozial verträglich” inflationär geworden.
    Frau Hartmann, was hat es mit Greenwashing auf sich und wer sind die Protagonisten?
    Kathrin Hartmann: Greenwashing ist eine Ableitung des Begriffs Whitewashing und meint, dass große Konzerne, deren Geschäfte alles andere als sozial, gerecht und umweltverträglich sind, diese unter einem grünen Begriffs-Mäntelchen verstecken. Sei es, dass ein Konzern wie zum Beispiel BP eine ganze Kampagne startet und den Namen von British Petrol zu Beyond Petrolium geändert haben, um ihr Engagement an der Solarenergie hervorzukehren, während das Unternehmen tatsächlich an ihrem Kerngeschäft Erdöl festhält.
    Sei es, dass sie mit marktkonformen NGO’s wie dem WWF zusammenarbeiten, sei es dass sie irgendwelche Umwelt- oder Sozial-Projekte machen. Das ist nie ganz gelogen, aber es betrifft nie das eigentliche zerstörerische Kerngeschäft, dass ihnen den riesigen Profit beschert.
    Kathrin Hartmann: Es hat dreierlei Funktionen: Es soll erstens den Konsumenten ein gutes Wissen verkaufen und hält zweitens den Unternehmen die Politik vom Hals, indem sie behaupten, wir kümmern uns selber über das Gesetz hinaus freiwillig darum. Man muss ihnen also nicht mit politischer Regulierung kommen.
    Und das Dritte besteht darin, dass man gute Leute für die Unternehmen findet. Ich denke nämlich, dass es sich mittlerweile herum gesprochen hat, welche Unternehmen massive Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei ihren Geschäften in Kauf nehmen, so dass es für sie gar nicht mehr einfach ist, an gute Leute zu kommen, denn wer will schon bei einem Unternehmen arbeiten, dem nachgesagt wird, dass es mit ihrem Milchpulver Babies umbringt.?
    Indem man nun aber den Leuten vermittelt, man könne “von innen heraus” etwas Positives erreichen, gelangen die Konzerne wieder an gute Mitarbeiter für ihre PR- und Nachhaltigkeitsabteilungen. Ich habe bei meinen Recherchen immer wieder solche PR-Leuten und Nachhaltigkeitsspezialisten kennen gelernt, bei denen ich es fast traurig fand, dass sie sich für so eine Arbeit hergeben….
    Quelle: Telepolis
  13. Zahlen strafen brandgefährliche Hetze aus Unionskreisen Lügen
    „Die aktuellen Zahlen zum Familiennachzug strafen die brandgefährliche Hetze der Unionspolitiker, es kämen ,Hunderttausende’, Lügen“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, die aktuellen vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Zahlen zu Anträgen auf Familiennachzug zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus. Demnach haben bislang nur 28.000 Menschen einen Termin in deutschen Botschaften vereinbart, um dort ihren Familiennachzug zu beantragen. Realistische Schätzungen wie die des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gehen von einer Gesamtzahl von maximal 50.000 – 60.000 Antragstellern aus. Jelpke weiter:
    „Es zeigt sich jetzt, wie maßlos überzogen die Szenarien der Union waren, und es wird ebenfalls deutlich, wie den betroffenen Familien Unrecht getan wird. Denn der Nachzug dieser Menschen wäre mitnichten, wie es oftmals behauptet wurde, eine Überlastung für Deutschland. Ihren Nachzug zu verhindern ist aber eine schier unerträgliche Belastung der Betroffenen. Denn sie warten jetzt schon über zwei Jahre auf die Antragstellung. Und wenn nur 1000 Menschen pro Monat nachziehen dürfen, bedeutet dies, dass viele von ihnen noch jahrelang von ihren Angehörigen getrennt bleiben müssen. Unbegleitete Jugendliche können so nie hier wirklich ankommen und sich schon gar kein Leben aufbauen. Die Begrenzung des Familiennachzugs ist nichts weiter als eine bösartige Zermürbungstaktik, die Schutzsuchende letztlich auf tödliche Fluchtrouten treibt, um zu ihren Familien zu gelangen.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  14. Leben statt nur überleben
    (…) Trump ist nicht der erste, der sich die Spannungen zwischen Arbeiterinnen und Umweltaktivistinnen zu Nutzen macht, und er wird sicherlich nicht der letzte sein. Die Linke sollte darauf mit einem Programm reagieren, dass diese Spaltungen als falsch enttarnt – als Strategie des Kapitals. Wir können den Menschen ein Klimaprogramm bieten, das ihr Leben auf spürbare Weise verbessert, sodass sie bereit wären, dafür zu kämpfen. Das bedeutet jedoch nicht, nur die Arbeiterinnenschaft der übriggebliebenen Berufe der fossilen Ökonomie zu adressieren, oder sich nur darauf zu konzentrieren, Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien zu schaffen. Vielmehr geht es darum, die existierende Arbeiterinnenklasse so zu organisieren, dass Krankenschwestern und Lehrerinnen, Care-Arbeiterinnen und Dienstleisterinnen, die bereits die Arbeiten verrichten, die für eine Gesellschaft mit geringem CO2-Ausstoß wesentlich sind – einer Gesellschaft, die das Wohl aller anstrebt und den Weg für eine Zukunft ebnet, deren Glanz nicht nur nur 30 Jahre anhalten kann.
    Wie würde eine solche Gesellschaft aussehen? Zunächst würde sie weniger Arbeit für alle bedeuten. Die Art von Arbeit, die wir brauchen, um auf eine klimastabile Zukunft zuzusteuern, wäre jedoch eine, die auf ein nachhaltiges, besseres Zusammenleben der Menschen abzielt und gleichzeitig die anderen Lebewesen unseres Planeten mit einbezieht.
    Das wären Arbeiten wie Unterrichten, Gartenarbeit, Kochen und Care-Arbeit – Arbeiten, die das Leben der Menschen verbessern, ohne auf einen hohen Ressourcenverbrauch angewiesen zu sein, große Mengen an CO2-Emissionen zu generieren oder einen Haufen Dinge zu produzieren. Nun stellt sich heraus, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um Arbeit handelt, die bereits von einer wachsenden Anzahl an Personen ausgeübt wird…
    »Um es auf den Punkt zu bringen: ‚Frauenjobs‘ sind grüne Jobs«
    Diese Arbeiten werden unverhältnismäßig oft von Frauen, Migrantinnen und People of Colour verrichtet. Diese Arbeiterinnen zu organisieren, wäre unter allen Umständen die Aufgabe von Sozialistinnen. Unter den entsetzlichen gegenwärtigen Bedingungen müssen wir darauf bestehen, dass die Arbeit dieser Menschen nicht nur für eine gerechte und menschenwürdige Gesellschaft unabdingbar sind, sondern auch für eine ökologisch tragfähige. Die Arbeiterinnenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts beharrten darauf, dass Arbeiterinnen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes aufgebaut hatten. Die Arbeiterinnenbewegungen des 21. Jahrhunderts sollten die Arbeiterinnen hervorheben, die es ermöglichen werden, in ihr zu leben. Um es auf den Punkt zu bringen: ‚Frauenjobs‘ sind grüne Jobs.
    (…) Eine Neuordnung der sozialen Reproduktion hieße, die Arbeit unseres täglichen Überlebens weniger beschwerlich und angenehmer zu gestalten. Es hieße Orte zu unterhalten, die als gemeinsames Luxusgut zur kollektiven Freizeitgestaltung dienen könnten – attraktive öffentliche Parks und Gärten, schöne Plätze zum Entspannen, Kunst und Kultur, die für alle zugänglich ist…
    Quelle: ada
  15. Zusammenarbeit oder neuer Kolonialismus?
    China stärkt seine Bande nach Afrika und in den Nahen Osten
    China, China, immer wieder China. Ob die Freihandelszone in Dschibuti oder ÖPNV in Nigeria, überall in Afrika ist China präsent und baut und investiert. In der nigerianischen Hauptstadt Abuja wurde gerade eine Stadtbahn eröffnet, das erste Nahverkehrssystem seiner Art in Westafrika. Gebaut und teilweise finanziert von China.
    Zur Feier bekommen alle Fahrgäste einen Monat frei Fahrt, kündigte der Betreiber an. Es ist die China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC). Einer der ersten Passagiere war der Präsident von Nigeria, Muhammadu Buhari, der das 45 Kilometer lange Schienennetz offiziell einweihte. Die neue Bahn werde “der Wirtschaft und dem sozialen Leben einen enormen Schub geben”, sagte er.
    Auch im ostafrikanischen Tansania investiert China in das dortige Verkehrssystem. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba kann man inzwischen den Zug nach Dschibuti besteigen. Die 752 Kilometer lange Zugstrecke “ist eines der vielen von China gebauten und finanzierten Infrastrukturprojekte, die in den vergangenen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind”, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.
    Quelle: Telepolis
  16. Der Krawallmodus wird ihr nicht helfen
    Fette Schlagzeilen, dünne Storys, Skandale, die keine sind: Die “Bild”-Zeitung ist wieder ganz das alte Krawallblatt. Im Kampf gegen die sinkende Auflage seien dem “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt anscheinend viele Dinge egal, kritisiert Peter Zudeick.
    (…) Julian Reichelt – eine Krawallschachtel, egal bei welchem Thema
    Die Zeiten haben sich besonders seit dem März dieses Jahres geändert, als Julian Reichelt Chefredakteur der “Bild” wurde. Er trug vorher schon als Vorsitzender der Chefredaktionen die redaktionelle Gesamtverantwortung für “Bild”, also für die Print- und die Online-Ausgabe. Mit ihm als direktem Chef der Printausgabe aber sollte “Bild” wieder zu einem richtigen Kampfblatt werden. Den Auftrag erfüllt Reichelt perfekt
    (…) Gegen die sinkende Auflage hilft kein Gebrüll
    Was mit dem wiederentdeckten Kampfmodus erreicht werden soll, liegt auf der Hand: “Bild” ist seit vielen Jahren der größte Verlierer beim rasanten Auflagen-Verlust aller deutschen Tageszeitungen. Aktuell werden weniger als 1,5 Millionen Zeitungen pro Tag verkauft, in den guten Zeiten waren es mal fünf Millionen. Daneben stehen gut 21 Millionen Einzelnutzer von Bild.de pro Monat. Eine Größe, die mit Zeitungslesern oder gar Abonnenten nur schwer zu verrechnen ist.
    “Was ‘Bild’ an Auflage verloren hat, macht Reichelt durch Gebrüll wieder wett”, schreibt der “Spiegel”. Das mag man so sehen. Aber die Auflage geht weiter runter, und wenn sich der Trend fortsetzt, dürfte “Bild” bald weniger als eine Million Zeitungen am Tag verkaufen. Das war zuletzt 1953 der Fall. Da kann Reichelt brüllen, wie er will.
    Quelle: Deutschlandfunk
  17. Redaktionen verklagen
    Redaktionen erhalten immer öfter Schreiben von Anwälten, die gegen eine Berichterstattung über ihre Mandanten drohen. Oft bevor diese überhaupt vollzogen wurde und sich noch im Stadium der Recherche befindet. Journalisten sollen damit möglicherweise eingeschüchtert werden. Verlage und Sendeanstalten wappnen sich.
    (…) Der Druck auf investigativen Journalismus nimmt zu
    Der Druck auf investigative, also eher aufwendig recherchierte Berichterstattung in Deutschland nimmt seit Jahren zu. Und nicht nur Unternehmer, auch Politiker und Prominente wehren sich gegen kritische Schlagzeilen. Journalisten erhalten dann Anwaltsschreiben statt Antworten, Juristen legen ganzen Redaktionen nahe, nicht über bestimmte Themen zu berichten. Experten erkennen einen Trend, der Folgen für die Gesellschaft hat. Medienwissenschaftler Volker Lilienthal warnt vor einer “Schere im Kopf” von Journalisten:
    “Bestimmte Kreise – Verantwortliche oder richtige Missetäter – bleiben dann unbehelligt von missliebiger Berichterstattung, sie müssen sich nicht mehr in der Öffentlichkeit rechtfertigen. Insofern ist es ein Verlust für die Meinungsbildung unserer Gesellschaft.”
    (…) Die Waffe, die Schertz im Zuge dieser Aufrüstung selbst erfunden hat, heißt “Presserechtliches Informationsschreiben”. In diesen Schreiben warnt der Anwalt Redaktionen davor, über einen bestimmten Sachverhalt zu berichten.
    “Das presserechtliche Informationsschreiben ist ein Instrument unserer anwaltlichen Arbeit, wenn eine Schlagzeile in irgendeiner Zeitung steht, die unseres Erachtens rechtswidrig ist, gehen wir gegen diese Erstberichterstattung vor und informieren dann mit diesem sogenannten presserechtlichen Informationsschreiben die anderen Medien, dass wir gegen diesen Bericht vorgehen, weil er unseres Erachtens rechtswidrig ist.”
    “Und, ganz offen, wir schaffen es doch eigentlich ganz regelmäßig im Wesentlichen, so eine Berichterstattung auch einzudämmen. Mal gelingt es nicht, aber es ist ein ganz gutes Mittel, wie man die Beschädigungen von Mandaten, einen Reputationsschaden verhindern kann.”…
    Der Berliner Rechtsanwalt versteht seine Schreiben als Service für die Redaktionen. Ihm gehe es in seiner Arbeit darum, das Persönlichkeitsrecht zu verteidigen, also das Recht einer Person darauf, ihren Ruf und ihre Würde intakt zu halten. Kritiker sprechen von “Drohbriefen” und werfen Schertz “Einschüchterungsversuche” vor…
    Quelle: Deutschlandfunk


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