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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. Juli 2018 um 8:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Özil-Rücktritt
  2. EU soll G7-Freihandelszone anstreben
  3. Die ungenutzten Geldquellen der EU
  4. Die Deutsche Post muss sparen – außer beim Gehalt ihres Chefs
  5. Leiharbeit blieb auch 2017 stramm auf Expansionskurs
  6. Das große Kliniksterben auf dem Land
  7. Ich sage ‘ja’ zum Anstand
  8. Merkel macht Graue Wölfe hoffähig
  9. Professorin sieht Entwicklung in Richtung „Präfaschismus“
  10. Die vergiftete Saat der Flüchtlingskrise
  11. Im Neoliberalismus darfst du dein eigener Chef sein
  12. Frankreich: Der Schläger aus dem Palast Macrons
  13. Lesen ist eine unverzichtbare Kulturtechnik
  14. Der SÜDDEUTSCHE Konjunktiv – Das Münchner Blatt entdeckt ein digitales Watergate

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Özil-Rücktritt
    1. Der Fall Özil ist ein Fall Grindel
      Eine der wichtigsten DFB-Nationalspieler tritt zurück: Mesut Özil will den deutschen Rassismus nicht mehr ertragen.
      Nie zuvor ist es passiert, dass ein deutscher Fußball-Nationalspieler in dieser Weise Klartext redet. Mesut Özil hat es getan, und was er zu sagen hat, ist das beste, was der deutschen Multikultidebatte passieren konnte. Der 29-jährige, der kürzlich bei der WM in Russland sein 92. Länderspiel für den DFB absolvierte, erklärte gestern seinen Rücktritt aus dem Kader von Joachim Löw. Im dritten Teil seiner per Twitter auf Englisch verbreiteten Stellungnahme zur Debatte um ihn als Spieler schreibt er: „Ich fühle mich ungewollt und denke, dass das, was ich seit meinem Länderspiel-Debüt 2009 erreicht habe, vergessen ist.“
      Aber er hat noch viel mehr zu sagen. Der Mann aus dem Ruhrpott schließt sein beißend-klares Statement mit Sätzen, die faktisch den echten, nicht nur gutherzig-gefühlten Stand der Debatte ums Zusammenleben mit migrantisch geprägten Bürger*innen zusammenfassen: „Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre.“
      Quelle: taz
    2. Hoeneß tritt nach
      Scharfe Kritik aus München: Bayern-Boss Uli Hoeneß gibt sich erleichtert über den DFB-Rücktritt von Mesut Özil und sagt, Özil verstecke “seine Mist-Leistung” hinter seinem Foto mit Erdogan.
      Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß hat Mesut Özil nach dessen Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in drastischer Form kritisiert. “Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen”, sagte Hoeneß der “Sport Bild” vor dem Abflug des deutschen Rekordmeisters zu einer Testspielserie in die USA.
      Die Entwicklung in unserem Land sei, so Hoeneß weiter, “eine Katastrophe. Man muss es mal wieder auf das reduzieren, was es ist: Sport. Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren.”
      Quelle: SPIEGEL Online

      Dazu twittert Fabio De Masi: Ausgerechnet der Wurst Fabrikant #Hoeneß sollte Ball schön flach halten und sich um seine Steuern kümmern. #Özil hat die WM doch nicht alleine vergeigt. Alle reden über ein dummes Foto mit Erdogan. Die Bundesregierung liefert Waffen an den Typen.

      Anmerkung Jens Berger: Hoeneß „Nachtreten“ ist nicht nur stillos, sondern auch dumm und haltlos. Für die letzte Saison erhielt Mesut Özil von den Arsenal Fans eine Durchschnittsbewertung von 7,75. Nur Aaron Ramsey (7,8) und Pierre-Emerick Aubameyang (7,85) erhielten bessere Noten. Die Aussage, dass der Spielmacher von Arsenal London, der dort seit 2013 142 Spiele bestritten hat, ein schlechter Fußballer sei, ist dermaßen daneben, dass man – nicht zum ersten Mal – an Hoeneß Sachverstand zweifeln muss. 2015 und 2016 wurde Özil übrigens von den Fans zum „Nationalspieler des Jahres“ gewählt – zuletzt mit fast 200.000 Stimmen. Aber was wissen schon die Fans?

    3. Dem Türken wird hier nichts verziehen
      Mesut Özil und die Deutschtürken: Dass ausgerechnet ein Integrationspreisträger sich nun wie ein Bürger zweiter Klasse fühlt, wird dieses Land um Jahre zurückwerfen.
      Gerade jetzt muss man vielleicht noch mal daran erinnern, was für eine Welt das ist, deren moralische Maßstäbe der Fußballer Mesut Özil nun angeblich unterlaufen haben soll: Die Fifa ist ein krimineller Sumpf. Ihre Funktionäre schummeln, tricksen, schmieren. Dass Weltmeisterschaften in komplett undemokratischen Ländern wie Russland und bald Katar stattfinden, ist längst akzeptiert. Ein lachender Putin steht neben dem deutschen Ehrenspielführer Lothar Matthäus, das stört aber keinen. In Bayern regiert ein verurteilter Steuerhinterzieher den wichtigsten Fußballverein des Landes. Aber das ist nun natürlich alles egal. Weil der Haustürke vermeintlich einen Fehler gemacht hat. Und weil er sich nun auch noch erdreistet, sich von seinem Land, von Deutschland, nicht alles gefallen zu lassen.
      Özil sollte in einer verkommenen Fußballwelt eine moralische Reinheit beweisen, die von seinen biodeutschen Mitspielern niemand verlangt. Diese Doppelstandards sind es, die viele Deutschtürken nur allzu gut kennen. Und die diesen Rücktritt zu einem Armutszeugnis für dieses Land macht, das sich als weltoffen verkauft.
      Quelle: ZEIT
    4. Keine Frage der Identität
      Um über das fußballerische Moment zu sprechen, dafür hat es bei der Mannschaft des DFB dieses Jahr nicht gereicht. So rankt die aktuelle Nationalelf-Debatte um die Rahmenbedingungen. Wäre die Mannschaft bis ins Halbfinale vorgedrungen, spräche wahrscheinlich keiner mehr von jenen türkischstämmigen Deutschen, die den Präsidenten der Türkei in dessen Hotelzimmer trafen. So rasch wie das DFB-Team ausgeschieden war, blieb der Öffentlichkeit aber viel Zeit, die anfangs noch zögerlich geäußerte Kritik an Mesut Özil und Ilkay Gündogan zu vertiefen. Dass die Debatte sich inhaltlich jedoch nur um Identität strickt, das ist wie ein vergebener Elfmeter.
      Denn statt zu fragen, wie ein eigentlich deutscher Mensch einen türkischen Präsidenten besuchen kann, könnte man das alles ja generalisieren und überlegen: Warum muss das eigentlich sein, dass Politik und Sport solch eine Nähe aufbauen? Natürlich hat Özil mit Recep Tayyip Erdogan kokettiert – oder Erdogan mit Özil. Doch vor vier Jahren gab es ähnliche Bilder – damals posierten Özil und seine Sportfreunde mit Angela Merkel für die Kameras. Politiker sind ohnehin dauernd am Rande des Spielbetriebes zu finden. Wladimir Putin, Emmanuel Macron und Kolinda Grabar-Kitarovic erst neulich mit und ohne Regenschirm. Und der journalistische Betrieb hält drauf, zeigt jubelnde Ministerpräsidenten und Shakehands von Staatsoberhäuptern. Der Unterschied ist nur, dass wir das als Normalität hinnehmen.
      Quelle: Neues Deutschland
  2. EU soll G7-Freihandelszone anstreben
    Wie soll die EU auf die Zolldrohungen der USA antworten? Nicht mit Gegenzöllen, fordert das Münchener Ifo-Institut. Stattdessen sollen die Europäer US-Finanzminister Mnuchin beim Wort
    nehmen und sich für eine neue G7-Freihandelszone einsetzen.
    Das Münchener Ifo-Institut hat die Europäer aufgefordert, das US-Angebot für Verhandlungen über eine Freihandelszone der großen Industrieländer anzunehmen. Der Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr sagte: “Die EU-Spitzen Juncker und Tusk sollten bei ihrem Treffen am kommenden Mittwoch mit US-Präsident Trump die Beleidigungen der letzten Tage vergessen und die Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen anbieten”.
    Felbermayr bezog sich auf Äußerungen von US-Finanzminister Steven Mnuchin. Der hatte beim G20-Treffen in argentinischen Buenos Aires ein Freihandelsabkommen zwischen den G-7-Staaten – den USA, Kanada, Japan, Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien – ins Gespräch gebracht. “Das ist ein Angebot, das die EU unbedingt aufnehmen muss”, sagte Felbermayr. “Man kann nicht den amerikanischen Protektionismus mit Gegenzöllen geißeln, um den weltweiten Freihandel zu retten, und sich einer solchen Initiative verweigern.”
    Der Experte empfahl die zügige Aufnahme von Sondierungsgesprächen. “Diese sollten nicht, wie Frankreich dies fordert, von der Aufgabe der amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle abhängig gemacht werden.”
    Quelle: n-tv

    Anmerkung Jens Berger: Da die EU dank CETA und JEFTA ohnehin schon mit allen G7-Staaten außer den USA ein Freihandelsabkommen hat, ist dieser „G7-Freihandelszonen-Vorschlag“ nichts anderes als eine Wiederaufnahme von TTIP.

  3. Die ungenutzten Geldquellen der EU
    Neue Forschungsansätze bringen das Ausmaß der Steuervermeidung internationaler Konzerne ans Licht. Sie zeigen: Die EU ist der große Verlierer der Steuertricks.
    Wenn Staaten in Haushaltsnöte geraten, spüren Rentner, arme Menschen und Staatsbedienstete die Folgen meist sofort. Gerne kürzen Regierungen auch die Investitionen in die Zukunft, um Löcher zu stopfen. Welch enorme Finanzquellen sie unangetastet lassen, zeigt eine aktuelle Studie über die Einnahmeverluste durch die Gewinnverschiebung internationaler Konzerne. Demnach lenkten Profitgiganten wie Apple, Amazon, Google und Nike im Jahr 2015 insgesamt rund 620 Milliarden Dollar in Steueroasen. Dies macht 40 Prozent ihrer weltweit anfallenden Gewinne aus.
    Die größten Verlierer sind laut der Untersuchung die EU-Staaten, die durch das aggressive, wenn auch legale Vorgehen fast 20 Prozent ihrer Körperschaftsteuereinnahmen einbüßten. Aber selbst die USA zählen zu den Geschädigten, obwohl es auch hier Steueroasen gibt – und US-Konzerne die größten Gewinnverschieber sind.
    Für ihre Untersuchung hat die dänisch-amerikanische Forschergruppe einen neuen Ansatz gewählt. Statt wie bisher üblich auf die meist unvollständigen Informationen über die Abschlüsse einzelner Firmen zurück zu greifen, zogen sie volkswirtschaftliche Daten über Gewinne und Löhne heran. Dabei verglichen sie die Ergebnisse in Ländern wie Deutschland oder Frankreich mit denen in klassischen Steueroasen. Zu denen zählten sie nicht nur Panama und die Bermudas, sondern auch europäische Staaten mit Vorzugskonditionen wie die Niederlande, die Schweiz oder Irland. Denn gerade mit Hilfe dieser Staaten gelingt es den Konzernen, ihre Überschüsse innerhalb der EU in die gewünschte Region zu verlagern, bis die Forderungen der Finanzämter auf ein Minimum geschrumpft sind.
    Die Autoren rund um Gabriel Zucman von der Eliteuniversität Berkeley in Kalifornien räumen Unschärfen in ihrem Zahlenmaterial ein, obwohl dies auf offiziellen Statistiken des Internationalen Währungsfonds und der OECD beruht. Trotzdem nehmen sie für sich in Anspruch, mit dem volkswirtschaftlichem Blick ein wenig mehr Licht in ein besonders dunkles Loch der Weltwirtschaft zu bringen. Nach ihren Schätzungen tauchen in den Bilanzdaten gerade einmal 17 Prozent der Gewinne auf, die internationale Konzerne wie Google, Nike oder Facebook erzielen. Zucman und seine Mitstreiter konnten durch ihre Analyse ein auffallendes Missverhältnis zwischen Lohnzahlungen und den Gewinnen in den Steueroasen nachweisen, das sich von den üblichen Relationen krass unterscheidet. Denn mit ganz wenig Beschäftigten erwirtschaften die Multis dort gigantische Profite. Das ist seit langem der Hauptvorwurf an die Steuergestalter vor allem in den Digitalkonzernen: Sie verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen in Deutschland, Frankreich oder Brasilien. Aber sie verweigern diesen großen, bevölkerungsreichen Staaten ihren Anteil an den Gewinnen, weil sie diese in wirtschaftlich völlig unbedeutenden Gebieten anfallen lassen.
    Quelle: FR

    Anmerkung JK: Das ist nichts fundamental Neues, dennoch brillieren die politischen Verantwortliche seit Jahr und Tag durch Ignoranz und Tatenlosigkeit. Sieht man sich das Führungspersonal der EU an, wie etwa den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in dessen Amtszeit als Ministerpräsident durch Luxemburg Steuerabkommen mit mehr als 340 internationalen Konzernen abgeschlossen wurden, hält sich auch hier die Überraschung in Grenzen.

    dazu: Warum das Steuersystem vor allem auf Kosten der Ärmeren geht
    “Demnach schaffen es die Reichen vergleichsweise weniger Steuern zu zahlen als Ärmere. Sie können sich Steuerberater leisten. Sie kennen die vielen Ausnahmen im System besser, wissen, ob man Bitcoins in der Steuererklärung angeben muss oder nicht. Sie kennen die vielen Tricks, wie man die Steuerlast drückt. Und sie passen sich schneller an, wenn sich die Gesetze ändern.
    Die Autoren hätten aber nicht Deutschland, sondern Frankreich untersucht, mögen nun Kritiker einwenden. Stimmt! Aber so unterschiedlich sind die Steuersysteme der beiden Länder dann auch wieder nicht, würde Bernau sagen. Der Ökonom sieht auch hierzulande eine „vertrackte Situation für Geringverdiener“. „Bei ihnen wirken Steuer- und Sozialsystem so ungünstig zusammen, dass sie von ihren Zuverdiensten kaum etwas behalten können“, schreibt er in der „FAS“.
    Große Abschreibungen oder gar Steuerausfall? Fehlanzeige! Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern komme demnach immer auf ungefähr 2000 Euro netto raus, egal wie viel sie selbst verdiene. Und das gelte nur im günstigsten Fall, schreibt Bernau.
    Was in diesem Fall hilft? Sich vielleicht selbst ins Steuerrecht hineinwühlen. Oder vielleicht auch nicht. Denn das soll laut Bernau stattliche 120.000 Seiten haben.”
    Quelle: Business Insider

    Anmerkung JK.: Aber bitte, genauso funktioniert „marktkonforme Demokratie“.

  4. Die Deutsche Post muss sparen – außer beim Gehalt ihres Chefs
    Jedes Jahr im Herbst veranstaltet die turboprivatisierte Deutsche Post (Bundesanteil: 21 Prozent) ein großes Lobbyfest in Berlin, zu dem Minister, Abgeordnete und andere wertvolle Freunde der Briefzustellung eingeladen werden.
    Doch in diesem Juni erreichte die üblichen Gäste ein rätselhaftes Schreiben: „Wie Sie den Medien entnehmen konnten“, heißt es darin, „stellt sich Deutsche Post DHL Group großen Herausforderungen. Diese betreffen in besonderem Maße die nachhaltige Ergebnissicherung im Unternehmensbereich Post, eCommerce und Parcel. … Auch wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass Deutsche Post DHL Group die strategischen Unternehmensziele erreicht. Aus diesem Grund werden wir in diesem Jahr auf die Ausrichtung des Postfestes verzichten.“
    Abgesehen davon, dass ein strategisches Ziel von Deutsche Post DHL Group in der Einsparung des bestimmten Artikels zu bestehen scheint, macht es natürlich Sinn, auf die zweifelsohne viel zu teure Berliner Party zu verzichten. Denn Lobbypartys sind ja dazu da, die politischen Entscheider zu beeindrucken und zu beeinflussen.
    In diesem Jahr aber drohte das genaue Gegenteil: Abgeordnete hätten versuchen können, mit den hoch bezahlten, unbefristet beschäftigten DHL-Lobbyisten aus Brüssel, Bonn und Berlin über die vielen befristeten, schlecht bezahlten Verträge der DHL-Paketzusteller und Briefträger zu diskutieren, an denen es in den vergangenen Wochen viel berechtigte Kritik gegeben hat. …
    Die Post muss auch deshalb so sparen, im Großen wie im Kleinen, damit Post-Chef Frank Appel 232-mal so viel verdienen kann wie der Durchschnitt seiner Beschäftigen – womit er laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung seine übrigen Dax-Kollegen kilometerweit hinter sich lässt (die armen Teufel verdienen im Schnitt nur das 71-Fache ihrer Belegschaften).
    Quelle: Welt
  5. Leiharbeit blieb auch 2017 stramm auf Expansionskurs
    Im Januar 2003 trat das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in Kraft. Mit dieser auch unter dem Begriff Hartz I bekannten Arbeitsmarktreform wurden die entscheidenden Beschränkungen, mit denen das Geschäft der Arbeitnehmerüberlassung bislang in relativ engen Bahnen gehalten wurde, aufgegeben. Die Entfesselung der Leiharbeit entfaltete quasi von Beginn an ihre Wirkung. Eine vormals eher unbedeutende Branche, die mit dem Verleihen von Arbeitskräften ihre Gewinne erzielt, expandierte nahezu ungehemmt mit den von Rekord zu Rekord eilenden Zahlen an LeiharbeitnehmerInnen. Im Juni 2015 überschritt die Zahl der Arbeitnehmerüberlassungsbetriebe die Marke von 50.000, im darauf folgenden August wurden erstmals über eine Million Leiharbeitsbeschäftigte registriert.
    Im vergangenen Jahr ist ein weiterer trauriger Rekord hinzugekommen: Erstmals hat die Zahl der im Jahresdurchschnitt in Leiharbeit Beschäftigten die Millionenmarke überschritten. Wie aus den kürzlich veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht, hatten etwa 52.000 Überlassungsbetriebe 2017 im Schnitt 1,03 Millionen ArbeitnehmerInnen unter Vertrag, ein Vertrag, der für 55 Prozent der so Beschäftigten allerdings nie länger als drei Monate Bestand hatte.
    Quelle: miese Jobs

    Anmerkung Christian Reimann: Leider besinnt sich auch diese SPD-Spitze offensichtlich nicht des Umstandes, dass im Berliner Grundsatzprogramm von 1989 zu lesen war, dass Leiharbeit zu verbieten sei. Insbeondere Frau Nahles als ehemalige zuständige Bundesministerin erweckt den Eindruck, dass sie diese – aber auch andere miese Arbeitsformen – faktisch hinnimmt und die Arbeitgeberseite nicht “verschrecken” möchte.

  6. Das große Kliniksterben auf dem Land
    Bald soll es nur noch 628 Notfallkliniken in Deutschland geben – statt derzeit 1748. Von der Schließung betroffen ist etwa das Krankenhaus im bayerischen Hersbruck. Während der Klinikbetrieb bereits heruntergefahren wird, kämpft eine Bürgerinitiative für den Erhalt.
    Thomas Grüneberg, Geschäftsführer der Träger-GmbH Krankenhäuser Nürnberger Land, zuständig für Hersbruck, argumentiert vor allem mit Zahlen. Ein Hauptgrund für die Schließung in Hersbruck sei der Zustand des Gebäudes: “Momentan stehen wir vor der Entscheidung, sanieren zu müssen. Wir haben das mal schätzen lassen, das liegt bei 26 Millionen Euro und das ist eine Investitionssumme für ein 60-Betten-Haus, das in keiner Relation steht.”
    Das stimme nicht, sagen dagegen Kritiker. Es gehe dem Träger vielmehr darum, dass ein Haus mit 60 Betten heute als nicht mehr rentabel gelte. Der betriebswirtschaftliche Richtwert liegt bei 300 Betten. Die Folgen: Anonyme, zentralisierte Großkliniken mit riesigem Einzugsgebiet. Dagegen demonstrieren die Bürger von Hersbruck seit Monaten. Bislang ohne Erfolg. An ihrer Seite Bürgermeister Robert Ilg:
    “Es ist komplex, die Sachlage. Es fängt an mit der Verlagerung der Betten und mit dem Wegzug des Krankenhauses. Aber es hängt ja viel mehr dran. Wir haben große Sorge, dass in der Nachfolge dann auch fachärztliche Praxen den Standort verlassen, dass die Bereitschaftspraxis, die hier am Ort mit im Krankenhaus untergebracht ist, dann auch dem Krankenhausstandort Lauf zugeschlagen wird. Und dass in der Folge auch Apotheken und weitere Dienstleister den Standort verlassen werden.”
    Anfang August soll es ein Treffen mit Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml geben. Horst Vogel, Mitglied der Bürgerinitiative, erhofft sich viel davon. Denn: “Für unseren ländlichen Raum wäre das eine Katastrophe, wenn das wegbricht, da geht was verloren, das werden wir nie mehr kriegen.”
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Soll nur noch die betriebswirtschaftliche Rentabilität der allein entscheidende Bewertungsmaßstab sein oder sollte nicht auch die medizinische Versorgung der Bürger ein zentrales Entscheidungskriterium sein?

  7. Ich sage ‘ja’ zum Anstand
    Die CSU im Münchner Stadtrat wollte den städtischen Theatern verbieten, an der Demonstration “#ausgehetzt” gegen einen Rechtsruck in Politik und Gesellschaft teilzunehmen. Der Intendant des
    Münchner Volkstheaters, Christian Stückl, über die Demo und die kommende Landtagswahl.
    Obwohl es geregnet hat, haben sich nach Polizeiangaben mehr als 25.000 Menschen auf dem Königsplatz in München versammelt und unter dem Motto “#ausgehetzt – Gemeinsam gegen die Politik der Angst!” demonstriert. Die CSU hatte auf den Demonstrationsaufruf kurzfristig mit einer Gegenkampagne reagiert. Sie hängte in der Stadt Plakate auf mit dem Aufdruck: “Ja zum politischen Anstand! Nein zu #ausgehetzt. Bayern lässt sich nicht verhetzen!”.
    Der Intendant des Münchner Volkstheaters, Christian Stückl, hat auf der Demonstration eine Rede gehalten, in der er die Solidarität der Münchner Theater mit der Veranstaltung bekräftigte. Auf die
    Plakate der CSU angesprochen, sagt er, er wünsche sich durchaus mehr Anstand.
    “Gerade, wenn es um die Wortwahl geht. Ich merke, wie sich bestimmte Wörter in meiner Umgebung verbreiten, wie ‘Asyltourismus’. Ich denke, man sollte diesen Menschen (den Asylsuchenden) mit Anstand gegenüber treten. Von daher sage ich ‘ja’ zum Anstand. Aber das gilt auch für die CSU”, so Stückl.
    Das Münchner Volkstheater setze sich schon seit längerer Zeit für die Rechte Geflüchteter ein,
    unterstreicht Intendant Stückl. “Und plötzlich im Zusammenhang mit der Landtagswahl wird die CSU nervös. Ich weiß es nicht, warum sie jetzt da in dieser einen Sache so überreagiert”, meint der 56-Jährige.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  8. Merkel macht Graue Wölfe hoffähig
    Driftet die deutsche Außenpolitik weiter nach rechts? Die Bundesregierung scheint nun auch den
    Schulterschluss mit ausländischen nationalistischen Organisationen zu suchen. Vergangene Woche traf Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nato-Gipfel in Brüssel auf den höchsten Funktionär der türkischen faschistischen Grauen Wölfe in Europa und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm die Hand zu schütteln.
    Diplomatische Etikette hin oder her, diese Geste hat fatale Folgen. Nicht nur, dass Erdogan nun versucht, seinen kleinen Koalitionspartner, die faschistische MHP, in Europa hoffähig zu machen.
    Es zeigt einmal mehr, wie sehr Erdogan Politik in Deutschland macht. Cemal Çetin ist der Vorsitzende des Dachverbandes der Grauen Wölfe in Europa, der Avrupa Türk Konfederasyon. Selbst der Verfassungsschutz, der bekanntermaßen lieber Jagd auf Linke als auf Faschisten macht (Stichwort NSU), stuft diese Organisation als extremistisch ein. Nicht zu Unrecht. Die türkischen Faschisten verfügen in Deutschland über ein engmaschiges Netzwerk nationalistischer Organisationen, vom Boxclub über die mafiöse Rockergruppe Osmanen Germania, über sogenannte Jugend- und Kulturvereine bis hin zu Moscheen.
    Rund 170 Vereine besitzt allein die Türk Föderation. Mit mehr als 18.000 Mitgliedern sind die Grauen Wölfe die größte faschistische ausländische Organisation in Deutschland – drei Mal mehr, als die NPD Mitglieder hat.
    In Deutschland gibt es auch viele Verbindungen zwischen den Grauen Wölfen und der AKP Erdogans. Erst kürzlich wurde die Rockergruppe Osmanen Germania in Deutschland verboten, deren Chef hatte beste Kontakte zum Erdogan-Clan. All dies ist aktenkundig, Merkel kann sich also kaum mit “Das war mir nicht bekannt” herausreden.Das Bundespresseamt wollte denn auch lieber keinen Kommentar dazu abgeben. Ein Mitarbeiter einer deutschen Sicherheitsbehörde wird gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit deutlicher: “Wir haben die Grauen Wölfe im Blick. Es ist allerdings zu befürchten, dass unter dem politischen Druck der türkischen Seite auf die deutschen Behörden der Beobachtungsstatus aufgeweicht wird.”
    Quelle: Telepolis
  9. Professorin sieht Entwicklung in Richtung „Präfaschismus“
    Die Migrationsforscherin Naika Foroutan sieht Deutschland auf dem historischen Weg zurück. „Die gesellschaftlichen Entwicklungen weisen in eine präfaschistische Phase und ich behaupte, dass das nichts mit meiner persönlichen Befindlichkeit zu tun hat, auch nicht mit meiner migrantischen Geschichte“, sagte Foroutan dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag”.
    Das Wort präfaschistisch halte sie für nicht zu stark: Sie versuche seit geraumer Zeit, das Buch des Historikers Fritz Stern „Kulturpessimismus als politische Gefahr“ zu lesen. Stern, dessen jüdische Familie vor dem NS-Regime in die USA fliehen musste, beschreibt darin den Aufstieg des Nationalsozialismus „und jene intellektuellen Kräfte, die einen Pessimismus verbreiteten, der als einzigen Ausweg aus einer verachteten Gegenwart nur die komplette Zerstörung alles Bestehenden übrigließ“.
    Sie habe „das Buch immer wieder weglegen“ müssen, „weil vieles so gegenwärtig scheint, dass einen Panik erfasst“. Die Politikwissenschaftlerin ist Professorin an der Berliner Humboldt-Universität und stellvertretende Direktorin des dortigen Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM).
    Foroutan, die aus einer deutsch-iranischen Familie stammt, sagte, sie selbst sei kurz davor gewesen, mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern auszuwandern. Sie spüre eine Entfremdung, von der sie nicht glaube, dass sie kurzfristig sei. Sie habe lange an ein „neues deutsches Wir“ geglaubt, „das nicht mehr anhand von religiösen, kulturellen oder migrationsbiografischen Linien das Deutschsein definiert, sondern als eine Haltung für eine plurale Gemeinschaft neu entsteht“, sagte sie.
    „Aber die letzten Jahre habe ich als eine starke Entfremdung erlebt.“ Als jüngeres Beispiel nannte sie die Debatte um den deutschen Fußballnationalspieler Mesut Özil, der zusammen mit dem türkischen Staatspräsidenten für ein Foto posiert hatte: „Ein Bild mit einem Autokraten, während die WM bei einem Autokraten stattfindet, wird genutzt, um Özil das Deutschsein zu entziehen“.
    Darin sähen viele Migranten eine Warnung: „Dass einem die Zugehörigkeit jederzeit entzogen werden kann, egal welche Verdienste man hat und welche Leistungen man erbracht hat“.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Kann man die Kirche vielleicht einmal im Dorf lassen? Unter Faschismus oder mindestens Prä-/Proto-Faschismus geht es beim linksliberalen Juste Milieu aktuell gar nicht mehr.

  10. Die vergiftete Saat der Flüchtlingskrise
    Die Zahl der Asylbewerber geht zurück, die Polarisierung der Gesellschaft aber nimmt zu. In der aufgeheizten Stimmung bleiben Anstand und manchmal auch Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke.
    Manchmal möchte man Deutschland zurufen: «Bitte regt euch ab, schaltet einen Gang runter, das Leben geht weiter.» Doch es ist wohl zwecklos. Drei Jahre nach der Flüchtlingskrise ist deren vergiftete Saat aufgegangen.
    Zwei Beispiele der letzten Tage, wie der Schock der bereits wieder verebbenden Massenmigration die Gesellschaft verändert hat. Die Politik ist härter geworden, der Ton rauer:
    Der Islamist Sami A. stellte mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit dar, weshalb deutsche Behörden während mehr als zehn Jahren versuchten, ihn abzuschieben. Immer wieder erfolglos, weil nicht auszuschliessen war, dass ihm in seinem Heimatland Tunesien Folter drohte. Inzwischen gelang die Abschiebung doch, der Islamist sitzt in einem tunesischen Gefängnis. Ende gut, alles gut, möchte man denken. Der Preis dafür ist allerdings hoch.
    Die Bundespolizei verfrachtete Sami A. in eine Chartermaschine und flog ihn nach Tunesien, obwohl die zuständigen Ministerien in Berlin und Düsseldorf annehmen mussten, dass ein Gericht die Deportation verbieten würde. Das geschah auch, doch da war der Islamist bereits in der Luft. Innenminister Seehofer hatte dem Gericht eine lange Nase gedreht. Der Fall ist hoch symbolisch, weil Kanzlerin Merkel und Seehofer öffentlich kritisiert hatten, dass Sami A. so lange nicht ausser Landes gebracht werden konnte. Der wehrhafte Staat demonstrierte seine Handlungsfähigkeit, indem er die Richter ausmanövrierte. Im konkreten Fall mag das vertretbar sein. Lässt sich der Rechtsstaat jedoch zu oft darauf ein, ist er bald keiner mehr, weil dann die Justiz zum Spielball von Politik und Verwaltung wird.
    Zur gleichen Zeit musste die Wochenzeitung «Die Zeit» (wir berichteten darüber) einen Shitstorm über sich ergehen lassen. Eine Redaktorin des Blattes hatte geschrieben, dass die Hilfsorganisationen, die vor der Küste Libyens Migranten retten, längst Teil des Geschäftsmodells der Schlepper geworden seien. Die allzeit empörungsbereite Internet-Gemeinde folgerte daraus, dass «Die Zeit» Bootsflüchtlinge absichtlich dem Tod preisgeben wolle. Jemand stellte in den sozialen Netzwerken die witzig gemeinte Frage, ob man stattdessen nicht besser «Zeit»-Redaktoren erschiessen solle. Bei jemandem, der solche Witze reisst, möchte man nicht wissen, wozu er in der Realität fähig ist.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung JK.: Man kann sich in dieser Debatte nur wundern, dass überhaupt nicht wahrgenommen wird, dass die Twitter-Frage des Chefredakteurs der Satirezeitschrift titanic, Tim Wolff, „Zeit-Mitarbeiter auf offener Straße erschießen?“, definitiv nicht ernst gemeint, sondern Satire war.

  11. Im Neoliberalismus darfst du dein eigener Chef sein
    Eine neue Studie von Thomas Curran und Andrew Hill, veröffentlicht in der Zeitschrift „Psychological Bulletin“, kommt zu dem Ergebnis, dass der Perfektionismus sich immer weiter ausbreitet. Die beiden britischen Psychologen stellen fest, dass „diese Generation junger Menschen wahrnimmt, dass andere mehr von ihnen verlangen, dass sie mehr von anderen verlangen, und dass sie mehr von sich selbst verlangen“.
    Bei der Identifizierung der Ursachen für dieses wachsende Streben nach Exzellenz nehmen Curran und Hill kein Blatt vor den Mund: Der Neoliberalismus ist treibende Kraft dieser Entwicklung. Die neoliberale Ideologie fördert Konkurrenzkampf, ist hinderlich für Kooperation, steht für Ehrgeiz und verknüpft Selbstwert mit beruflichen Erfolgen. Es überrascht nicht, dass in Gesellschaften mit diesen Wertvorstellungen die Menschen anderen gegenüber sehr bewertend und selber sehr ängstlich gegenüber Bewertung werden.
    Psychologinnen hatten bisher ein eher eindimensionales Verständnis von Perfektionismus. Demnach würde Perfektionismus einen ausschließlich selbstbezüglichen Charakter haben, was auch dem umgangssprachlichen Gebrauch des Wortes entspricht. In den letzten Jahrzehnten kamen einige Forscher allerdings zu dem Ergebnis, dass ein umfassenderer Begriff des Perfektionismus dem Phänomen besser gerecht wird. Curran und Hall sprechen sich für eine mehrdimensionale Definition aus, die drei Typen von Perfektionismus umfasst: selbstbezogener, auf andere bezogener und gesellschaftlich vorgegebener Perfektionismus.
    Quelle: ada
  12. Frankreich: Der Schläger aus dem Palast Macrons
    Die “Affäre Benalla” über einen engen Sicherheitsmitarbeiter des Präsidenten, der einen Demonstranten verprügelt, und die auffallend schwache Opposition
    In die Geschichtsbücher wird die “Affäre Benalla” wahrscheinlich nicht kommen. Aber sie wird seit nicht ganz einer Woche in den französischen Medien sehr ausführlich und mit großer Rhetorik ausgewalzt. Und sie hat schon die Parlamentsdebatte über eine Verfassungsänderung vertagt, was allerdings kurz vor den Ferien nicht die ganz große politische Überraschung ist.
    Im Zentrum steht eine instabile Persönlichkeit, ein Schläger, der als Sicherheitsmann und Leibwächter in nächster Nähe von Macron arbeitete und in seiner Freizeit am 1. Mai Demonstranten verprügelte, wobei er den Anschein gab, dass er zur Polizei gehört. Das andere Zentrum der Geschichte ist der Präsidentenpalast.
    Von dort kam am Anfang die falsche Reaktion, nämlich eine viel zu softe Strafe für den Schläger Benalla, der nur ein paar Tage lang suspendiert wurde, als sein Vorgesetzter, der Directeur de cabinet, Patrick Strzoda, von seinen Aggressionen gegen die Demonstranten erfuhr. Jetzt, ein paar Wochen später, im Sommerloch, entwickelt sich aus dem Schläger im Elysee-Palast eine Fortsetzungsgeschichte.
    Quelle: Telepolis
  13. Lesen ist eine unverzichtbare Kulturtechnik
    Jugendliche, die kaum noch lesen können, Verlage, deren Umsätze einbrechen – Deutschland schafft gerade das Lesen ab, beklagt Susanne Gaschke. Die Journalistin fordert eine Bildungspolitik im Geist der Aufklärung. Die brauche keinen Digitalpakt, sondern eine Leseoffensive.
    Deutschland gewöhnt sich gerade das Lesen ab. Und zwar auf allen Ebenen: Grundschüler ringen mit dem Aufbau eines Wortschatzes und sind selbst am Ende der vierten Klasse oft noch weit vom flüssigen, sinnentnehmenden Lesen entfernt. Auch das Schreiben bereitet ihnen Mühe.
    Fragwürdige Unterrichtsmethoden wie das so genannte “Lesen durch Schreiben” machen es ganz besonders den schwächeren Schülern schwer, sich schriftlich fehlerfrei auszudrücken.
    Die Politik reagiert auf diese Probleme nicht etwa mit einer glaubwürdigen Lese-Offensive: Nein, sie will noch mehr digitale Zerstreuungsgeräte in die Schulen bringen. Sehr zur Freude der Digital-Unternehmen. Junge Leute zwischen 14 und 29 Jahren sind laut einer Studie im Auftrag von ARD und ZDF jetzt schon täglich viereinhalb Stunden mit Online-Dingen beschäftigt, viereinhalb Stunden online – das ist Zeit, in der sie jedenfalls nicht konzentriert lesen und sich nicht auf längere Texte einlassen. Genau das wäre allerdings nötig, um die emotionalen und analytischen Fähigkeiten zu entwickeln, die ein urteilsfähiger Mensch und Bürger braucht.
    Die Seuche der Konzentrationsunfähigkeit greift um sich. Das Smartphone wird zu einer Art Ablenkungsfoltermaschine: Maximal 18 Minuten halten erwachsene Deutsche durch, dann müssen sie wieder auf ihr Gerät schauen. Durchschnittlich 90 mal am Tag greifen wir nach unserem prothesenhaften Körperfortsatz. Der amerikanische Digitalexperte Nicholas Carr beschrieb schon vor zehn Jahren, wie ihn die ständigen Unterbrechungen, die permanenten digitalen Impulse am konzentrierten Lesen hinderten und es, so formuliert er, “geradezu zur Qual” machten. Ganz ähnlich haben die befragten “Nicht-mehr-Leser” in einer Untersuchung geantwortet, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Anfang Juni vorstellte: Sie fühlen, dass sie durch die dauernde digitale Ansprache sowohl unfähig als auch unwillig werden, sich in die Welt eines Buches zu versenken.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  14. Der SÜDDEUTSCHE Konjunktiv – Das Münchner Blatt entdeckt ein digitales Watergate
    Watergate? Das war jene kühne Aktion zweier Journalisten, die jede Menge Verbrechen und Vergehen des US-Präsidenten Richard Nixon aufdeckten. Die Enthüllungen führten 1974 zum bisher einzigen Rücktritt eines US-Präsidenten. Halten wir fest: Es ging um politisch gravierende Inhalte, es ging um die aktive, enthüllende Rolle der Presse, es ging um Demokratie. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (SZ) – ein bekanntes Leitmedium, das im Ruf der Seriosität steht – entdeckt nun vorgeblich ein neues Watergate in den USA und widmet dieser Sensation nahezu die komplette Seite 13 ihrer Ausgabe vom 20. Juli 2018. Der Journalist Georg Mascolo schreibt über die im US-Präsidentschafts-Wahlkampf 2016 durch WIKILEAKS veröffentlichten Mails von Hillary Clinton. Und er erweckt den Eindruck, diese Aktion sei von “den” Russen organisiert worden. …
    Quelle: rationalgalerie


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