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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 27. Juli 2018 um 16:34 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Trump bläst zum Handelskrieg, Europa tanzt
  2. Schulterschluss in Ostasien
  3. „Gangster’s Paradise“ – Deutschland wird zur Hochburg für Geldwäsche
  4. Wunsch des Kapitals
  5. Besuch bei der Münchner Tafel: Arm in einer reichen Stadt
  6. Verfassungsschutz ist Teil des Problems
  7. Digitale Dystopie
  8. Schleifung des Rechtsstaats verhindern
  9. Massentierhaltungsinitiative – Tierwohl als öffentliches Gut
  10. Die Privatisierung der GBW
  11. Breitseite im schriftlichen Urteil: Richter knöpfen sich gierige Schlecker-Kinder vor
  12. Erfolgreiche Erdogan-Propaganda in den „Bild“-Medien
  13. Zu guter Letzt: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Trump bläst zum Handelskrieg, Europa tanzt
    Im Handelskrieg mit den USA rächen sich die deutsche Wirtschaftspolitik und die Europolitik der vergangenen Jahre. Die einseitige Förderung des Exports durch Lohndumping hat die Bundesregierung diplomatisch entwaffnet. Denn nicht erst seit Trump gibt es heftige internationale Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen, die dazu führen, dass sich das Ausland für Waren “Made in Germany” verschuldet. Die Kürzungspolitik in der Eurozone hat zudem die Binnenwirtschaft geschwächt und somit die Abhängigkeit vom Export und den USA vertieft. Deutschland und die EU sind daher gegenüber Trump verwundbar.
    Anstatt mit einem neuen TTIP zu versuchen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, muss die EU unabhängiger von den USA werden. Dies erfordert die Stärkung der Binnenwirtschaft über höhere öffentliche Investitionen, Löhne und Renten, um die Exportabhängigkeit zu reduzieren. Überdies brauchen wir eine neue Entspannungspolitik mit Russland. Mehr Investitionen in Krankenhäuser, Brücken, digitale Infrastruktur oder Universitäten wären gut für Deutschland und gut für Europa und würden die Abhängigkeit gegenüber den USA verringern. Zudem müssen US-Konzerne wie Google, Amazon & Co in der EU endlich hinreichend besteuert werden. Dies wäre eine Sprache die Trump versteht.
    Quelle: Fabio De Masi

    Anmerkung André Tautenhahn: Gestern haben die NachDenkSeiten anlässlich des Treffens zwischen Juncker und Trump über die sehr schnellen und wohlwollenden Reaktionen aus den Reihen der Bundesregierung berichtet. Außenminister Heiko Maas schrieb sogar von einem geeinten europäischen Auftritt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die französische Zeitung Libération titelte „Jean-Claude Juncker, un président plus allemand qu’européen“. In der Wahrnehmung der Franzosen trat Juncker also eher wie ein Vertreter Deutschlands auf und nicht als der Präsident der EU-Kommission. Folglich können die Franzosen dem „Deal“ auch nur wenig abgewinnen.

  2. Schulterschluss in Ostasien
    Berlin und Brüssel bringen sich mit neuen Vereinbarungen an der Seite der Vereinigten Staaten und Japans gegen China in Stellung. Am Mittwoch hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Einigung mit US-Präsident Donald Trump getroffen, der zufolge beide Seiten eine Reform der Welthandelsorganisation nach gegen China gerichteten Kriterien anstreben. Ebenfalls am Mittwoch hat Außenminister Heiko Maas einen “strategischen Dialog” mit Japan eingeleitet, der darauf abzielt, in einem “deutsch-japanischen Schulterschluss” zu neuen “Gestaltern und Motoren der internationalen Ordnung” zu werden. Erst eine Woche zuvor hatten die EU und Japan ein Freihandelsabkommen sowie eine Strategische Partnerschaft geschlossen, die nicht zuletzt gemeinsame Schritte in der Außen- und Militärpolitik vorsieht. Tokio ist Beijings schärfster Rivale in Ostasien. Parallel zur politisch-wirtschaftlichen Formierung gegen China nehmen deutsche Soldaten am US-geführten Manöver RIMPAC 2018 im Pazifik teil, das insbesondere auf Chinas westpazifisches Umfeld zielt.
    Quelle: German Foreign Policy
  3. „Gangster’s Paradise“ – Deutschland wird zur Hochburg für Geldwäsche
    Ein Paradies für illegale Geldflüsse: Gesetzeslücken und überforderte Behörden machen es Kriminellen zu einfach. Anatomie einer Schattenbranche. […]
    Hat sich Deutschland klammheimlich zur Hochburg für Geldwäsche entwickelt? Eine Schätzung der Universität Halle stützt den Verdacht. Im Auftrag des Bundesfinanzministeriums haben die Wissenschaftler das Volumen der Geldwäscheaktivitäten in Deutschland im Jahr 2015 auf über 100 Milliarden Euro beziffert.
    Das entspricht rund drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in Deutschland. Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, ein Experte für Wirtschaftskriminalität, sieht die Bundesrepublik als Paradies für Geldwäscher, denn höchstens ein Prozent des Geldes aus illegalen Quellen werde von den Behörden entdeckt. „Insgesamt“, so Fiedler, „gilt leider in Deutschland der Satz: Verbrechen lohnt sich.“ Noch drastischer formulierte es 2012 der Oberstaatsanwalt von Palermo, Roberto Scarpinato: „Wenn ich Mafioso wäre, würde ich in Deutschland investieren.“
    Der Anti-Money-Laundering (AML)-Index des Basel Institute on Governance untersucht die Anfälligkeit der betrachteten Länder für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. In diesem Index belegt Deutschland einen Platz im Mittelfeld, weit entfernt vom Geldwäscheparadies Iran. Aber eben auch noch 25 Plätze entfernt von Finnland, jenem Staat, der dem Ranking zufolge weltweit am unattraktivsten für Geldwäscher ist. Selbst Malta schneidet im Ranking besser ab als die Bundesrepublik.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Zoll kommt im Kampf gegen Geldwäsche kaum hinterher. An diesen Umständen hätte der ehemalige Bundesfinanzminister und derzeitige Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Schäuble, viel ändern können. Auch der nun als Bundesfinanzminister agierende Herr Scholz könnte maßgeblich etwas ändern, wenn er und sein Ministerium es tatsächlich wollten.

    “Monitor” hatte über die Folgen des in Deutschland nicht vorhandenen Immobilienregisters berichtet.

    Von der Linkspartei hatte Fabio De Masi bereits vor einigen Wochen/Monaten auf das deutsche Problem „Gangster’s Paradise“ hingewiesen und entsprechende Forderungen gestellt. Aber vermutlich denken die meisten Finanzminister und Kämmerer seit einigen Jahren weniger an die Opfer von organisierter Kriminalität, sondern vielmehr wohl eher daran: Sex, Drogen und Waffen für das BIP.

  4. Pflege
    1. Wunsch des Kapitals
      Unternehmer fordern billiges Personal. Arbeitsminister plant Einwanderungsgesetz für Fachkräfte
      Folter, Hunger, Krieg? Egal, Deutschland schiebt ab. Solange es um arme Menschen in Not geht, ist das für die Bundesregierung offensichtlich kein Problem. Anders hält man es mit ausgebildeten Fachkräften aus sogenannten Drittstaaten: Die deutsche Wirtschaft hat schließlich ein Interesse daran, qualifizierte Arbeitskraft möglichst billig zu verwerten. Die hohe Erwerbslosigkeit und mangelnde Sozialleistungen in vielen Ländern weltweit sowie der harte Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt spielen ihr dabei in die Hände. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fühlt sich diesem Ansatz verbunden. Noch dieses Jahr will er ein Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften auf den Weg bringen. Die Unternehmerverbände diktieren ihm bereits ihre Wünsche.
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung unseres Lesers J.R.: Es kann doch wirklich nicht sein, dass dieser Wahnsinn immer weiter geht. Anstatt Anreize zu setzen, Pflegejobs und andere Berufe auszuführen (z. B. durch mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen) immer und immer wieder dieses Fachkräfte-Märchen. Da kann man langsam nicht mehr ruhig bleiben.

    2. Pflegeheim in München: Altenpflege und gute Bezahlung schließen sich nicht aus
      Die Altenpflege soll besser bezahlt werden, darin sind sich alle Parteien einig. Aber private Pflegeeinrichtungen wehren sich bisher recht erfolgreich gegen flächendeckende Tarifverträge. Ein kommunales Pflegeheim in München zeigt, dass Altenpflege und gute Bezahlung durchaus zusammengehen können.
      Quelle: BR 24
    3. Pflegeversicherung – Eigenanteil für Pflegeheim wird teurer
      Der Eigenanteil für die Unterbringung im Pflegeheim steigt weiter an. Allein seit Januar 2018 kletterten die durchschnittlichen Kosten um knapp 80 Euro auf 1.830,84 Euro im Monat.
      Zum 1. Januar 2017 trat die zweite Stufe des 2. Pflegestärkungsgesetzes in Kraft. Seither gibt es statt drei Pflegestufen fünf Pflegegrade. Diese sollten dabei helfen, die Ansprüche eines auf fremde Hilfe angewiesenen Patienten besser erfassen zu können. Im Rahmen der Pflegereform wurden auch die Abhängigkeiten des Eigenanteils Unterbringung in einem Pflegeheim neu geregelt. Während die Kosten vor der Pflegereform abhängig von den Pflegestufen waren, setzen sich diese nun aus dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) für die pflegebedingten Kosten der Pflegerade 2 bis 5, den Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie den Investitionskosten zusammen.
      Die Pflegeheime finanzieren die rein pflegebedingten Aufwendungen mit den Zuschüssen der Pflegeversicherung und dem EEE. Diese Aufwendungen setzen sich zu 80 Prozent aus Personal- und zu 20 Prozent aus Sachkosten zusammen. Welche Einnahmen eine Pflegeeinrichtung insgesamt aus den Zuschüssen der Versicherung erzielt, ist somit von der Zusammensetzung der Pflegegrade in der jeweiligen Einrichtung abhängig.
      Quelle: Versicherungsbote
    4. Schwerkranke Kinder und Jugendliche: der unbekannte Pflegenotstand
      Deutschlands Pflegenotstand betrifft nicht nur alte Menschen. Auch immer mehr Kinder und Jugendliche gelten als pflegebedürftig. Ihre Zahl steigt seit Jahren, ohne dass Eltern angemessene Hilfe erhalten. Besonders im ambulanten Bereich finden Familien mit schwerkranken oder behinderten Kindern kaum eine Betreuung. Ein Notstand, der von der Politik kaum wahrgenommen wird: Jahrelang wurde der Bedarf unterschätzt, die Bezahlung der Pflegekräfte ist oft schlecht. Das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe soll nun Abhilfe schaffen. Doch Fachleute fürchten: Es wird die Probleme weiter verschärfen.
      Quelle: Monitor
  5. Besuch bei der Münchner Tafel: Arm in einer reichen Stadt
    München ist ein teures Pflaster – zu teuer für Menschen, die von einer kleinen Rente leben oder auf Hartz IV angewiesen sind. Und die hohen Lebenshaltungskosten in der bayerischen Metropole machen viele nicht nur arm, sondern auch einsam.
    Montagnachmittag in München/Giesing. Im Hof hinter der Philippus Kirche sind Stände aufgebaut: “Also hier gibt es Kartoffeln, Zwiebeln, gelbe Rüben, Kräuter …”
    Was aussieht wie ein kleiner Wochenmarkt, ist eine Ausgabestelle der Münchner Tafel. 27 gibt es verteilt über die Stadt. Wer hierher kommt, muss nichts bezahlen. Gregor Tschung ist Pressesprecher der Tafel und ehrenamtlicher Leiter der Ausgabestelle in Giesing. Lebensmittel mitnehmen darf nur, wer nach Abzug von Miete und Nebenkosten weniger als 469 Euro im Monat zur Verfügung hat. Es gibt Wartelisten, nicht alle Bedürftigen können von der Tafel versorgt werden.
    “Wir hatten vor gut zwei Jahren rund 18.000, die wir betreut haben, inzwischen sind es 20.000. Was deutlich zugenommen hat ist die Zahl der alleinerziehenden Mütter und Väter, deutlich zugenommen hat auch die Altersarmut, sprich Rentnerinnen und Rentner, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, ansonsten auch ganz viele Menschen, mit denen es das Leben oder auch das Schicksal nicht ganz gut gemeint hat und die einfach in Not geraten sind. Und dann bei uns Hilfe finden.”
    Zur Ausgabestelle in Giesing kommen jeden Montag rund 200 Menschen. Einer von ihnen ist Wolfgang J., 55 Jahre alt, graue Haare, gepflegter Bart, braune Jacke, Jeans. Seit zwei Jahren kommt er regelmäßig hierher. “Durch Krankheit bin ich arm geworden und muss leider die Tafel besuchen.”
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  6. Verfassungsschutz ist Teil des Problems
    „Das Problem liegt beim Verfassungsschutz selbst: Die alte Unterscheidung zwischen offen rechtsextrem und scheinbar ‚nur‘ rechtspopulistisch ist von gestern. Der Verfassungsschutz hat überhaupt nicht im Blick, wie sich rassistische und andere offen demokratiefeindliche Positionen unter dem Deckmantel scheinbarer Legalität in der Mitte der Gesellschaft breitmachen“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts des Bundes für das Jahr 2017. Jelpke weiter:
    „Eine offen rassistische und in Teilen völkische Partei sitzt als drittstärkste Kraft im Bundestag, diffamiert Migranten pauschal als Kriminelle, verharmlost die Verbrechen des Hitler-Faschismus und hetzt gegen demokratische Werte – aber dem Verfassungsschutz ist das keine Erwähnung wert. Er fokussiert sich nur auf extreme Ränder, ohne in den Blick zu nehmen, wie in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft die Werte erodieren.
    Ich bleibe dabei: Die Verfassung wird nicht vom Verfassungsschutz geschützt, sondern nur von politisch aktiven Bürgern, die den Geist des Grundgesetzes verteidigen. Auf einen Verfassungsschutz, der mit seinen V-Leuten vor allem zur Stärkung neonazistischer Strukturen beiträgt, können wir dagegen gut verzichten.“
    Quelle: DIE LINKE im Bundestag
  7. Digitale Dystopie
    Innerhalb von einem Jahrzehnt verwandelte sich die größte Demokratie der Welt in einen Überwachungsstaat. Die Datenbank Aadhaar erfasst intime Informationen von 1,2 Milliarden Indern – damit ist ein Siebtel der Weltbevölkerung betroffen.
    “Viele Menschen meiden die Debatte. Sie fühlen sich nicht wohl, über diese Dinge in der Öffentlichkeit zu sprechen”, meint Sohaila Hakim (Name geändert), eine Doktorandin der Universität Neu-Delhi. “Doch für die gesellschaftliche Entwicklung Indiens ist Aadhaar ein Rückschritt.” Aadhaar, Hindi für “Grundlage”, lautet der Name der größten biometrischen Datenbank der Welt. Sie speichert nach Angaben der hindu-nationalistischen Regierung Informationen über 1,2 Milliarden Inderinnen und Inder. Damit sind 99 Prozent der Bevölkerung erfasst, jeder bekommt eine zwölfstellige Identifikationsnummer zugeordnet. “Theoretisch hat man die freie Wahl”, sagt Hakim, “und kann sich vom System ausschließen.” In der Praxis sei das jedoch unmöglich. “Ohne registriert zu sein, kann man nicht einmal einen Brief verschicken”, berichtet die Politik-Studentin, “selbst bei der Post wird die Identifikationsnummer aufgenommen, damit der Brief in den Versand geht.”
    Offiziell soll die Datenbank, die bereits seit 2009 existiert, die Verwaltung in der größten Demokratie der Welt erleichtern und Korruption bekämpfen. Nach Darstellung der Regierung sollen insbesondere die Armen von Aadhaar profitieren, denen ein einfacherer Zugang zu Sozialhilfe ermöglicht werde. Auch Identitätsbetrug soll durch die Datenbank verhindert werden. Gespeichert werden dort nicht nur Name, Anschrift, Telefonnummer und Familienstand – auch biometrische Informationen sind dort erfasst. Dafür werden Fingerabdrücke genommen und die Iris beider Augen gescannt. Inzwischen wird Aadhaar immer häufiger im Alltag benötigt. Problematisch wird es, wenn die Verwaltung die Grundrechte der Bürger verletzt.
    Quelle: Emran Feroz auf Kontext: Wochenzeitung
  8. Schleifung des Rechtsstaats verhindern
    Die Mehrheit der deutschen Bundesländer plant deutliche Verschärfungen ihrer Polizeigesetze, die Regierungen in Bayern und Baden-Württemberg haben besonders restriktive neue Regelwerke bereits durchgesetzt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und FDP, überrascht von dem breiten Protest gegen die geplanten Änderungen, hat Anfang dieses Monats angekündigt, ihren Gesetzesentwurf nochmals zu überarbeiten.
    Nun formiert sich auch in Niedersachsen der Protest gegen dort geplante Gesetzesänderungen. Die Landesregierung von SPD und CDU will mit dem neuen Polizeigesetz (NPOG) unter anderem eine bis zu 74tägige Präventivhaft ermöglichen. Auch die verdeckte Überwachung potentieller Straftäter durch sogenannte Staatstrojaner, Videotechnik und Sprachaufzeichnungen soll ausgeweitet werden. Neben der Einführung der elektronischen Fußfessel – wohlgemerkt ohne Richtervorbehalt – soll die Videoüberwachung öffentlicher Räume ausgeweitet werden. All dies geht einher mit einer weiteren Militarisierung der Polizei. Die soll künftig auch in Niedersachsen mit Elektroschockpistolen, sogenannten Tasern, ausgestattet werden. Die sogenannte Vermummung auf Demonstrationen, die in dem Bundesland bisher als Ordnungswidrigkeit geahndet wurde, soll wieder als Straftat gelten. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) nach den Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei rund um den G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg gefordert hatte, das Vermummungsverbot bundesweit nur noch als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen. Dann müsse die Polizei nicht mehr in jeder Situation einschreiten, hatte Pistorius im Juli 2017 gegenüber dem NDR argumentiert und hinzugefügt: »Nicht jeder Vermummte begeht auch Gewalttaten.«
    Wie zuvor in Bayern und Nordrhein-Westfalen hat sich nun auch in Niedersachsen ein Bündnis von linken Gruppen und Parteien, Datenschützern, Bürgerrechtsinitiativen und Gewerkschaften gegründet, um gegen den geplanten Grundrechteabbau mobil zu machen. Die Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen bedeute »nichts anderes als eine Schleifung des Rechtsstaats«, sagte Susanne Richter, eine Sprecherin des Bündnisses »No NPOG«, in einer am Dienstag verbreiteten Erklärung. Es liege jetzt an den Bürgern, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Für den 8. September plant das Bündnis eine Großdemonstration in Hannover. Die wird auch von der Partei Die Linke unterstützt. Man werde sich den Plänen »mit allen Kräften entgegenstellen«, sagte Anja Stoeck, Landessprecherin des niedersächsischen Linke-Landesverbandes, am Mittwoch gegenüber jW.
    Quelle: junge Welt
  9. Massentierhaltungsinitiative – Tierwohl als öffentliches Gut
    “Schweizer Tierschutzorganisationen haben kürzlich die Volksinitiative gegen Massentierhaltung lanciert. Durch ein Verbot der in Tierfabriken anzufindenden Zustände soll die Lebensqualität für Tiere verbessert werden. Die bisherige Debatte ist ideologisiert und von Übertreibungen geprägt, Argumente zielen oft an den politökonomischen Kernfragen vorbei. Liberale Stimmen kritisieren eine Bevormundung der Konsumenten und suggerieren gleichzeitig die Schweiz solle ohne weiteres die Bevormundung durch internationale Handelsverträge hinnehmen. Letztere werden fälschlicherweise als eindeutiges No-go für Fleischimportauflagen interpretiert, und mit verteilungspolitischen Argumenten gegen die Verteuerung von Fleisch wird implizit eine ökonomisch unsinnige Subvention durch unterbleibenden Tierschutz gefordert. Dabei werden zentrale Aspekte, die für die Initiative sprechen, ignoriert. Darunter insbesondere die Eigenschaft von Tierschutz als öffentlichem Gut, welche für politische Mindeststandards bei inländischen Tierprodukten und Importen spricht. […]
    Die meisten von uns missbilligen Tierleid, unabhängig davon ob das entsprechende Tier auf dem eigenen Teller landet. Damit erfüllt Tierwohl das ‘nicht-Ausschliessbarkeitsprinzip’, charakteristisch für öffentliche Güter. Werden Tiere an einem Ort unnötig gequält, beklagen dies nicht nur diejenigen, welche die Schweinerei direkt mitansehen oder das produzierte Fleisch selbst konsumieren, sondern wir als Gesellschaft.
    Öffentliche Güter bedürfen auch aus liberaler Sicht politischer Regulierung, weil diese die Situation für alle verbessern kann. Es ist unökonomisch anarchistisch, wenn jeder frei tun kann, was andere natürlicherweise stört. Stellt die Einzelperson individuell auf tiergerechte Herkunft um, bezahlt sie den vollen Preis, verbessert dabei aber nur das Leben der selbst verspiesenen Tiere, während es den restlichen Millionen Schweizer Nutztieren nicht bessergeht. Entsprechend bleiben viele gleich beim zweifelhaften Standardprodukt. Regulierung erlaubt das Missverhältnis zu korrigieren: Bei einem allgemein verbesserten Tierschutz stehen vom Gesichtspunkt des einzelnen, denselben eigenen Zusatzkosten statt nur einer Handvoll glücklichere Tiere, plötzlich deren 50 Millionen gegenüber. Da beginnt es sich zu lohnen. Im VWL-Slang: Regulierung löst das Dilemma der sonst individuell unwiderstehlichen Trittbrettfahrerei.
    So ist die Massentierhaltungsinitiative ein möglicher Ansatz, dem öffentlichen Gut-Charakter der Tierhaltung Rechnung zu tragen. Entsprechend sind Haupteinwände der Initiativgegner, dass der Kunde selbst entscheiden, und Regulierung generell vermieden werden müsse, der sachlichen Diskussion nicht dienlich. Die treffende Frage ist stattdessen, wieviel uns eine artgerechtere, weniger traumatische Haltung der Tiere als Gesellschaft wert ist.
    Quelle: Ökonomenstimme

    Anmerkung unseres Lesers J.Z.: In diesem inhaltsreichen und erstaunlich weitsichtigen Text verknüpft der Autor volkswirtschaftliche, handelsrechtliche, naturwissenschaftliche und philosophische Argumente und gewährt damit einen lesenswerten Einblick in die aktuelle Schweizer Debatte zum Thema Tierwohl in der Nutztierhaltung. Die im Artikel in Bezug auf das Tierwohl erwähnten Implikationen der Pascal’schen Wette dürften ohne Weiteres auch hinsichtlich unseres Umgangs mit der Dritten Welt im Allgemeinen und mit der Ausbeutung anderer Menschen im Speziellen anzunehmen sein.

  10. Die Privatisierung der GBW
    Um marktwirtschaftliche Gemeinheiten und Privatisierungen durchsetzen zu können, müssen Interessen aus Brüssel und aus der Provinz zusammenkommen. Und am Ende will’s dann keiner gewesen sein. Ein Immobilienkrimi aus dem weiß-blauen Freistaat.
    Bis 2013 konnten “sozial Schwächere” mitten in München einigermaßen schön und günstig wohnen, z.B. für knapp 10 € pro Quadratmeter kalt in Schwabing-West. Gebaut und betrieben wurden die Sozialwohnungen von der GBW, der Gemeinnützigen Bayerischen Wohnungsgesellschaft. In ihrem Bestand sind knapp 33.000 landeseigene Wohnungen für 85.000 Mieter.
    Die GBW hatte sich am Wiederaufbau zerbombter Städte in den Großräumen München und Nürnberg/Erlangen und in 20 bayrischen Städten und am Bau von 48.000 Sozialwohnungen, die der Münchner Stadtrat 1960 beschlossen hatte, beteiligt.
    Schon 2012 hatte die BayernLB-Tochter Deutsche Kreditbank (DKB) ihre DKB Immobilien AG mit 25.000 Wohnungen für knapp eine Milliarde Euro an den Hamburger Investor TAG Immobilien AG verkauft. Und am 08. April 2013 verkaufte die Konzernmutter BayernLB, die ab 2008 nach Fehlspekulationen vor der Pleite stand, ihre GBW an private Investoren. Der Freistaat Bayern unter Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Söder hatten den größten Immobiliendeal Deutschlands in einem einzigen Streich durchgeführt.
    Quelle: Telepolis
  11. Breitseite im schriftlichen Urteil: Richter knöpfen sich gierige Schlecker-Kinder vor
    Acht Monate nach dem Ende des Strafprozesses gegen den früheren Drogeriekönig Anton Schlecker und seine Kinder Lars und Meike hat das Landgericht Stuttgart sein schriftliches Urteil freigegeben. Auf 141 Seiten führen die Richter aus, wie sie das Verhalten der Familie vor und während der Pleite des Drogeriekonzerns bewertet haben.
    Deutliche Worte fand das Gericht unter anderem für überhöhte Stundensätze, die das Drogerieunternehmen an eine Logistikfirma zahlte, die Lars und Meike Schlecker privat gehörte.
    Als noch gravierender bewerteten die Richter, dass Schlecker kurz vor Insolvenzantrag sieben Millionen Euro an die Logistikfirma seiner Kinder überwiesen hatte. Die zogen das Geld noch am selben Tag als angebliche “Vorab-Gewinnausschüttung” ab. Das Vorgehen würde zeigen, dass die Motivation der Angeklagten „von besonders großer Geldgier geprägt war“, so die Richter.
    Quelle: Focus Online
  12. Erfolgreiche Erdogan-Propaganda in den „Bild“-Medien
    Das Foto mit Mesut Özil sei Teil von Erdogans „bisher größtem Propaganda-Erfolg in Deutschland“, und das auch dank deutscher Medien — ja, da könnte Julian Reichelt recht haben. Man erinnere sich nur mal daran, wie häufig diese Fotos von Erdogan mit Özil und mit Ilkay Gündogan und mit beiden deutschen Fußballern seit dem 14. Mai in Zeitungen und bei Onlineportalen zu sehen waren. Manche Redaktionen waren besonders besessen von dem Bild haben dem türkischen Präsidenten bei diesem PR-Coup besonders fleißig geholfen. Dazu gehören ganz sicher Bild.de, „Bild“ und „Bild am Sonntag“, die alle von Julian Reichelt verantwortet werden:
    Quelle: Bildblog
  13. Zu guter Letzt: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


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