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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 13. August 2019 um 8:41 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Petition: Schluss mit der Geheimhaltungsverpflichtung der Rentenkommission
  2. Solidaritätszuschlag
  3. Politologe Claus Leggewie: „Ich nehme die Wähler der AfD nicht mehr in Schutz“
  4. Kein Wunder, dass Clemens Tönnies ganz Afrika verachtet
  5. Flughafen dicht: Hongkong streicht alle Abflüge wegen Protesten
  6. Die vergebliche Warnung des Herrn B.
  7. Rezessionspolitik: Keine Abkehr von »schwarzer Null«
  8. Prekär geliefert – Aus für Deliveroo in Deutschland
  9. Grüner wird’s nicht
  10. Deutschlands Gestaltungsanspruch
  11. Tosende Stille am Persischen Golf
  12. Die türkis-blaue Arbeitsmarktpolitik für Jugendliche war widersprüchlich und ineffizient
  13. Nur ein soziales Europa kann überleben
  14. Ich schließe die Kanzlei
  15. Ecuador: Haftbefehl gegen Ex-Präsidenten Correa
  16. „Wir müssen uns selbst retten“
  17. Ein Foto mit dem Waisenkind: Trumps Tiefpunkt im Auftrag der Selbstinszenierung
  18. Was macht eigentlich … Edward Snowden?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Petition: Schluss mit der Geheimhaltungsverpflichtung der Rentenkommission
    Die Erfahrungen mit der Rürup-Kommission (Rentensenkungsprogramm), der Hartz-Kommission (Agenda 2010 mit Hartz I bis IV), der Fratzscher-Kommission (Privatisierung staatlicher Aufgaben), oder zuletzt die Kommission zur Erarbeitung des sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetzes, haben die Regierenden gelehrt: Am besten und geräuschlosesten können Gesetze gegen die Interessen von Bevölkerungsmehrheiten durchgesetzt werden, wenn sie durch „unabhängige“ Kommissionen geheim vorbereitet und verhandelt werden.
    Die Ergebnisse können dann als ausgewogene von Fachleuten intensiv und ungestört erarbeitete Konzepte verkauft werden. Die Einflussnahme von Interessengruppen und Lobbyistenvertretern bleibt dabei völlig im Verborgenen.
    Seit 16 Monaten arbeitet die Rentenkommission „verlässlicher Generationenvertrag“ in völliger Geheimhaltung. Es dringt nichts an die Öffentlichkeit. Das soll bis März 2020 so bleiben, dann soll das Konzept für die Altersversorgung nach 2025 aus dem Hut gezaubert werden. Wie üblich wahrscheinlich wieder mit einem Minderheitenvotum der Gewerkschaftsvertreterin, das, ebenso üblich, keine Bedeutung haben wird.
    Dieses Vorgehen ist nicht akzeptabel, es ist schlicht antidemokratisch.
    Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunftsinteressen von über 70 Millionen Menschen in diesem Land. Es geht um die Lebensgrundlage der jetzigen und der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner. Das erfordert eine intensive und öffentliche gesellschaftliche Debatte um den besten Weg. Die Betroffenen dabei auszuschliessen ist undemokratisch. Ihnen jegliche Information vorzuenthalten kann nur als antidemokratisch bewertet werden.
    Quelle: Seniorenaufstand

    dazu: Petition: Die Geheimhaltungsverpflichtung der Rentenkommission sofort beenden.
    Quelle: openPetition

  2. Solidaritätszuschlag
    1. Abschaffung des Soli: Paritätischer kritisiert Pläne von Finanzminister Scholz und fordert steuerpolitischen Kurswechsel
      Als kurzsichtig und in der Sache völlig unverständlich kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur fast kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags ohne Kompensation. Der Verband fordert eine solidarische steuerliche Gegenfinanzierung.
      Ohne Gegenfinanzierung gingen dem Haushalt durch diese Maßnahme rund zehn Milliarden Euro verloren, die dringend für die Infrastruktur in Deutschland gebraucht werden, warnt der Paritätische. „Schon jetzt gibt es einen milliardenschweren Investitionsstau, sei es im Kita-Bereich, der Pflege oder der Mobilität. Auch die großen gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit wie die steigende Altersarmut oder die wachsende Wohnungsnot lösen sich nicht zum Nulltarif“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Vor diesem Hintergrund sei es überhaupt nicht nachvollziehbar, wie die Koalition auf zehn bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr verzichten könne.
      Der Paritätische bewertet die Pläne darüber hinaus auch als sozialpolitisch kontraproduktiv. Geringverdiener*innen und Hartz-IV-Beziehende gingen bei diesem Steuergeschenk völlig leer aus; im Ergebnis würden die Armen noch weiter abgehängt. „Es ist eine Steuerpolitik, die den ohnehin erodierenden Zusammenhalt dieser Gesellschaft weiter gefährdet. Nicht nur sozial, sondern auch regional ist Deutschland ein tief gespaltenes Land. In diesen Zeiten braucht es mehr statt weniger Solidarität“, so Schneider.
      Der Verband fordert nicht nur eine volle Kompensation der Einnahmeausfälle durch Abschaffung des Solis, sondern einen grundsätzlichen Kurswechsel hin zu einer solidarischen Steuer- und Finanzpolitik. Notwendig sei eine stärkere Heranziehung hoher Einkommen sowie großer Vermögen und Erbschaften, um den Sozialstaat nachhaltig zu finanzieren.
      Quelle: Der Paritätische Wohlfahrtverband
    2. Soli abschaffen?
      Die Bundesregierung meldet sich aus der Sommerfrische zurück. Olaf Scholz gibt den Macher und kündigt den Abbau des sogenannten “Solis” an. 1991 eingeführt, um Mehrbedarf im Bundeshaushalt nach der deutschen Einheit abzufangen, wollen ihn viele Steuerzahler lieber heute als morgen gestrichen sehen. Dass Scholz’ Vorschlag so kurz vor den nächsten Landtagswahlen und ohne Gegenfinanzierung kommt, sei unseriös und ein durchschaubares Wahlkampfmanöver, kritisiert Dietmar Bartsch: „Zumal das alles erst 2021 wirksam werden soll, wenn diese Koalition abgewählt wird. Regierungshandeln mit Weitblick sieht anders aus.“ DIE LINKE setzt sich im Bundestag für ein gerechtes Steuersystem ein. Wir wollen Vermögenseinkommen, große Erbschaften und Finanzgeschäfte wesentlich stärker belasten als bisher. Dadurch erhält der Bund zusätzliche Einnahmen, und der Solidaritätszuschlag kann schrittweise gesenkt werden. Auf diese Weise wollen wir soziale Gerechtigkeit und gleichwertige Lebensverhältnisse in der ganzen Bundesrepublik herstellen.
      Quelle: DIE LINKE via facebook
    3. Soli: Attac fordert Integration in Einkommensteuertarif
      (…) Nach Medienberichten sieht der Gesetzesvorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor, ab 2021 90 Prozent der Steuerzahler vom Soli zu befreien. „Anders als die Politiker der großen Koalition uns glauben machen wollen, profitieren von dieser Abschmelzung des Soli aber nur die Wohlhabenden und Reichen. Die Behauptung der Bundesregierung, damit vor allem die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten, ist nachgewiesen falsch“, sagt Detlev von Larcher von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern. „Statt den Soli abzuschaffen, muss der Bund stärker die Kommunen unterstützen und dazu beitragen, die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren.
      Das Bundesfinanzministerium hat für den jetzt vorgeschlagenen Schritt zur Abschaffung des Soli zehn Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen angesetzt. Diese zehn Milliarden Euro, die der Bund weniger einnehmen würde, sollten nach Ansicht von Attac zur Finanzierung des ökologischen Umbaus ausgegeben werden anstatt die Einkommensunterschiede zu vergrößern.
      Soli-Abschaffung käme den obersten vier Prozent zugute
      Die CDU will den Soli später sogar ganz abschaffen. Damit würden nur vier Prozent der Steuerzahler in der höchsten Einkommensgruppe entlastet…
      Quelle: Attac
  3. Politologe Claus Leggewie: „Ich nehme die Wähler der AfD nicht mehr in Schutz“
    (…) „Der Wähler darf nicht zu einem sakrosankten Wesen erklärt werden, das immer Recht hat.“
    Leggewie macht für diese Entwicklungen auch die Wählerinnen und Wähler der AfD unmittelbar verantwortlich. Er lehnte es ab, hier wegen vermeintlicher Protestwahl-Ambitionen Nachsichtigkeit walten zu lassen. „Der Wähler darf nicht zu einem sakrosankten Wesen erklärt werden, das immer Recht hat.“ Und weiter: „Ich nehme die Wählerinnen und Wähler der AfD nicht mehr in Schutz. Viele von denen wissen ganz genau, worum es geht.“
    Es sei nicht vertretbar, zu sagen, die SPD habe „mich verlassen, deshalb wähle ich jetzt die AfD, um denen zu zeigen, was ‚ne Harke ist“. Der Politik-Professor nennt das ein „irrationales Verhalten“. Er könne es kaum noch ertragen, betonte er, dass Wähler in Talkshows gewissermaßen auf einen Sockel gehoben würden. „Der Wähler von Herrn Höcke und die Wählerin der Afd hat in Nichts recht. Das sind Leute die ganz massiv die Demokratie in Deutschland aufs Spiel setzen.“
    „Höcke geht es nicht um die Mehrheit bei der Landtagswahl, er möchte bis ans Ende gehen“
    (…) Höcke stehe für einen – in Anführungszeichen mit Bindestrich – „national-sozialistischen“ Kurs. Hier spiele „einer den Führer“. Höcke geht es laut Leggewie nicht unbedingt darum, bei der Landtagswahl die Mehrheit in Thüringen zu erringen, er „möchte bis ans Ende gehen“. Er wolle die „absolute Macht für die AfD“, auch wenn sich das wie Spinnerei anhöre und er selbst nicht glaube, dass das klappen werde.
    Quelle: Deutschlandfunk
  4. Kein Wunder, dass Clemens Tönnies ganz Afrika verachtet
    (…) Aber Tönnies ist nicht nur Fußballfunktionär. Mit einem geschätzten Vermögen von 1,42 Milliarden Euro ist er einer der reichsten Menschen der Welt. Sein Privatjet, eine knapp sechs Millionen Euro teure Cessna Citation 4, empört wegen ihres Lärms viele Anwohner des Bielefelder Flughafens. Und als Exporteur subventionierter Fleischprodukte ist er mitverantwortlich für den Überlebenskampf afrikanischer Landwirte…
    Kein Wunder, dass er ganz Afrika verachtet. Das lässt die Selbstdarstellung des Unternehmens auf der Webseite fast zynisch klingen: „Unser Team Tönnies, das sich speziell auf die Aktivitäten am Weltmarkt konzentriert, kennt sich nicht nur mit den kulinarischen Gepflogenheiten der Kontinente aus.“
    Tönnies’ Äußerung ist das Symptom eines moralischen Verfalls der Unternehmerkultur. Wie lange will man noch von „Eliten“ sprechen bei Wirtschaftsmächtigen, die den moralischen Maßstab für ihr Handeln verloren haben.
    Quelle: Frankfurter Rundschau/Times Manager

    Anmerkung J.K.: Warum sind Tönnies Äußerung das Symptom eines moralischen Verfalls der Unternehmerkultur? Dass in seinen Betrieben schlimmste ausbeuterische Zustände herrschen, dass er aggressive Steuervermeidung betreibt und in betrügerische Cum-Ex-Geschäfte verwickelt sein soll, sind offenbar kein Zeichen moralischen Verfalls.

    Dazu auch: BILD, SPIEGEL und die verlorene Ehre des Clemens Tönnies.

  5. Flughafen dicht: Hongkong streicht alle Abflüge wegen Protesten
    Nach schweren Ausschreitungen am Wochenende demonstrieren Tausende gegen die Gewalt der Polizei – auch im Flughafen der Millionenmetropole Hongkong. Nicht ohne Folgen für den Flugverkehr. Peking sieht bei den Aktivisten “erste Anzeichen von Terrorismus”.
    Wegen der anhaltenden Proteste der Demokratiebewegung hat Hongkongs Flughafen am Montag sämtliche Abflüge für den Rest des Tages gestrichen. Der Flughafen gilt als wichtiges Drehkreuz in Südostasien und ist einer der belebtesten Airports weltweit. Tausende Demonstranten versammelten sich in der Abflugs- und Ankunftshalle, um gegen Regierung und Polizeigewalt bei vorangegangenen Protesten in der Stadt zu protestieren. Wie der Flughafen mitteilte, wurde der Check-in für die verbleibenden Flüge wegen ernsthafter Störungen des Betriebs ausgesetzt. Zuvor hatten noch Maschinen abheben können.
    Schwarz gekleidete Aktivisten skandierten im Flughafen Parolen. Die Polizei solle einem Demonstranten, der durch ein Gummigeschoss schwer im Gesicht verletzt worden war, sein Auge “zurückgeben”. Auch zeigten sie Bilder von Polizisten, die mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen waren. Bereits am Wochenende hatten Hunderte Demonstranten am Flughafen demonstriert, wodurch der Flugbetrieb aber nicht nennenswert verzögert wurde.
    Mehr lesen: Da schau her! Führender Hongkong-Aktivist gerät durch Treffen mit US-Konsulin in die Defensive
    In der einstigen britischen Kronkolonie Hongkong kommt es seit zwei Monaten immer wieder zu massiven Protesten, die regelmäßig in Ausschreitungen enden. Am Wochenende war es in der Finanzmetropole erneut zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
    Auslöser für die Demonstrationen war ein – inzwischen auf Eis gelegter – Gesetzentwurf zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China. Die Demonstrationen entwickelten sich zu einer breiteren Bewegung. Viele Menschen befürchten zunehmenden Einfluss Pekings auf das Leben in der Finanzmetropole und fordern Reformen.
    Chinas Regierung mahnt derweil immer energischer, die Ordnung in der Sonderverwaltungszone wiederherzustellen und die Gewalt zu beenden. Yang Gang, der Sprecher der für Hongkong zuständigen Behörde, warf den gewaltbereiten Demonstranten zuletzt “erste Anzeichen von Terrorismus” vor. In den letzten Tagen hätten “radikale Demonstranten” wiederholt Polizisten mit “äußerst gefährlichen Werkzeugen” angegriffen.
    Dies sei eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Menschen in Hongkong. Die “Kriminellen” müssten so schnell wie möglich vor Gericht gebracht werden, sagte der Sprecher weiter.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung Marco Wenzel: Die Besetzung des internationalen Flughafens ist fragwürdig. Egal welche Ziele die Opposition hat und ob sie legitim sind oder nicht. Ende November 2008 hatten Demonstranten den internationalen Flughafen von Bangkok für eine Woche besetzt. Sämtliche Flüge mussten abgesagt werden und die Urlauber saßen in Thailand fest. Der Schaden für Thailand war enorm, sowohl der wirtschaftliche Schaden als auch der Schaden für den Ruf von Thailand als Urlaubsziel.

    dazu: Flights resume at Hong Kong airport after shutdown
    Protesters had been angered by police shooting woman in the eye from close range on Sunday […]
    On Tuesday morning, only a handful of protesters remained in the airport. But fears of a police operation to clear the facility overnight proved unfounded, with demonstrators simply leaving by themselves.
    Many of the posters and artwork they had hung throughout the facility during the hours-long rally had been taken down, but graffiti – some reading “an eye for an eye” – could still be seen in several places.
    The protest was dubbed “an eye for an eye” because the young woman, who was shot in Tsim Shui Tsui on Sunday evening with a suspected bean-bag round, faces the prospect of losing her right eye.
    Quelle: Asia Times

  6. Die vergebliche Warnung des Herrn B.
    Die in den Cum-Ex-Skandal verwickelte, lange Zeit staatliche Bank HSH hat die dubiosen Börsengeschäfte intern untersuchen lassen.
    Das Ergebnis des lange unter Verschluss gehaltenen Berichts ist niederschmetternd.
    Demnach hatte sich trotz vieler Eingeweihter nur ein Mitarbeiter gegen die Deals ausgesprochen.
    (…) Ausgerechnet die HSH bereicherte sich demnach am Fiskus. Und das noch dazu in einer Zeit, in der die Bank von ihren Haupteigentümern, der Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein, nach schief gelaufenen Spekulationsgeschäften mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gerettet worden war. B. empfand das, was die HSH dann machte, als zutiefst unanständig. Der Börsenhändler gab zu Protokoll, die HSH sei eine Bank gewesen, die gerade durch die öffentliche Hand vor dem “Ertrinken” gerettet worden sei. Das habe er damals einem Vorgesetzten gesagt. Während man die rettende Hand ergreife, greife man durch die Cum-Ex-Geschäfte “in die Tasche der Retter.” Damit habe er ein “moralisches Problem” gehabt, da habe er nicht dabei sein wollen. B. gab weiter zu Protokoll, er habe darum gebeten, “nicht weiter als möglicher Händler für diese Geschäfte vorgesehen zu werden.” Seinem Wunsch sei entsprochen worden…
    In Hamburg wird erst jetzt deutlich, wie tief die Abgründe waren in der Zeit, in der Dirk Jens Nonnenmacher erst Vorstandsmitglied und dann Vorstandschef der HSH gewesen war. Jener Nonnenmacher, der nach hohen Verlusten bei fehlgeschlagenen Geschäften wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von Bankvermögen vor Gericht gestanden hatte und schließlich mit 1,5 Millionen Euro Geldauflage davonkam. Nonnenmacher gilt als eines der Gesichter der Finanzkrise, in deren Verlauf der Staat etliche Banken mit Milliardenbeträgen gerettet hatte; darunter eben auch die HSH….
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  7. Rezessionspolitik: Keine Abkehr von »schwarzer Null«
    Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ein Machtwort sprechen. Sie habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie zur »schwarzen Null« stehe, verkündete Steffen Seibert am Montag. »Auch das ist Nachhaltigkeit«, so der Regierungssprecher. Der ausgeglichene Haushalt bleibt Staatsdoktrin.
    Natürlich war eine Abkehr von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse nie eine ernsthafte Option. Warum sollte der Klimawandel schaffen, was soziale Spaltung, Bildungsnotstand und Wirtschaftsabschwung nicht geschafft haben? Im Kern ging es beim Infragestellen der strikten Haushaltsdisziplin zugunsten von Klimaschutzinvestitionen um Profilierungsversuche im SPD-internen Machtgerangel. Das Ausmaß und die Heftigkeit der Reaktionen innerhalb und außerhalb der Sozialdemokratie sprechen jedoch Bände darüber, wie fest das Politikmodell »schwarze Null« in Köpfen und Herzen des politischen Establishments verankert ist…
    Quelle: junge Welt
  8. Prekär geliefert – Aus für Deliveroo in Deutschland
    Deliveroo zieht sich aus Deutschland zurück- 1000 Fahrer verlieren von einer Woche auf die andere ihren Job. Das Unternehmen verspricht “passende Kulanzpakete”. Reicht das?
    (…) Ab dem 16. August gibt “Deliveroo” sein Geschäft in Deutschland auf, das teilte das britische Unternehmen seinen Fahrern an diesem Montag mit. Man will sich auf wachstumsstärkere Märkte konzentrieren.
    Für die deutschen Fahrer kam der Schritt überraschend. Sie erfuhren in einer knappen Mail, unterschrieben von Deutschland-Chef Marcus Ross, von dem Rückzug ihres Arbeitgebers. Einige hielten sie zunächst für eine Fälschung. Schließlich war Ross erst im März angetreten, um Deliveroo gegen den übergroßen Konkurrenten Takeaway (Lieferando, Lieferheld, Foodora) zu verteidigen.
    Noch vor drei Monaten hatte sich Amazon für satte 575 Millionen Dollar bei dem Start-up eingekauft. Deliveroo-Gründer Will Shu versprach “neue Jobs” und “flexiblere, gutbezahlte Jobs für Fahrer”.
    Geld zum Abschied
    Stattdessen müssen sich nun rund 1100 Fahrer nach einer neuen Arbeit umsehen. Anders als die rund 100 Deliveroo-Angestellten und -Mitarbeiter mit Zeitverträgen waren die sogenannten “Rider” freiberuflich tätig, Anspruch auf eine Abfindung haben sie also nicht. Sie stehen Knall auf Fall vor dem Aus. Deliveroo stand schon lange für Arbeitsbedingungen ohne Absicherung in der Kritik.
    Das Unternehmen teilte allerdings mit, dass man den Fahrern “angemessene Vergütungs- und Kulanzpakete” schnüren wolle…
    Ob dieser “gute Wille” ausreicht, um die Zeit der Arbeitslosigkeit zu überbrücken, ist fraglich – Arbeitslosengeld I bekommen die Freiberufler schließlich nicht…
    Interessenkollektiv statt Betriebsrat
    Am Montagabend traf sich in Berlin eine kleine Gruppe von Deliveroo-Fahrern, um zu beratschlagen, wie sie ihre Interessen gegenüber dem Lieferdienst durchsetzen könnten. Nach eigenen Angaben haben bisher 57 Kollegen zugesagt, das Interessenkollektiv zu unterstützen – einen Betriebsrat gibt es in so einer Konstellation nicht.
    Deliveroo glaubt, seiner Verantwortung als Job-Plattform gerecht zu werden. Der Lieferdienst würde in dieser Hinsicht “weit über das gesetzliche Minimum hinausgehen”, sagt ein Sprecher. Außerdem habe man intern einen Mindestbetrag festgelegt, den arbeitslose Fahrer in jedem Fall erhalten – unabhängig vom Durchschnittslohn der letzten 12 Wochen.
    Das sind 50 Euro.
    Quelle: SPON

    Anmerkung Marco Wenzel: Ein Skandal. Da sieht man, was die Deregulierung der Arbeitsmärkte konkret gebracht hat. Von den 50 Euro Entschädigung können sich die Betroffenen ja noch eine Pizza von der Konkurrenz nach Hause liefern lassen.

  9. Grüner wird’s nicht
    Das große Thema des Sommers ist grün. Ob CO2-Preis, Plastiktüten-Verbot oder Flugscham – Politiker nahezu aller Parteien setzen jetzt auf den Klimaschutz. Nur wehtun soll er nicht. Ein Widerspruch?
    (…) Klar ist: Die Grünen wollen keine Milieupartei mehr sein, sie wollen potentiell einen Kanzlerkandidaten stellen. Da machen sich radikale Forderungen eher schlecht. Stattdessen geben sie sich möglichst staatstragend. Grünen-Chef Robert Habeck will “Inlandsflüge überflüssig machen”, aber natürlich nicht verbieten.
    Für Klimaschutz interessieren sich alle – aber eben nur ein bisschen
    Tatsächlich haben die Grünen zum Beispiel ganz ähnliche Vorstellungen von der CO2-Bepreisung wie SPD-Ministerin Schulze, auch ihr Kohleausstiegskonzept orientiert sich an den Kompromissen der Kohlekommission. So vorsichtig sind die Grünen mittlerweile.
    Die anderen Parteien aber orientieren sich wiederum an den Grünen, um dem Zeitgeist zu entsprechen. Selbst die FDP will da nicht fehlen. Vor wenigen Wochen hat FDP-Chef Christian Lindner mit Blick auf die “Fridays-for-Future”-Proteste noch gesagt, Klimaschutz sei “eine Sache für Profis”. Im ARD-Sommerinterview korrigierte er sich: Er habe sich “leider sehr missverständlich und dumm geäußert”…
    Die Union hat den Klimaschutz ohnehin seit dem Frühjahr auf dem Schirm. Insbesondere der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder machte Ende Juli mit seinen klimapolitischen Forderungen Schlagzeilen. Er verlangte beispielsweise vor wenigen Wochen die Mehrwertsteuer für alle Bahntickets abzuschaffen…
    Quelle: SPON
  10. Deutschlands Gestaltungsanspruch
    Deutsche Militärexperten legen erste konkrete Pläne für eine EU-Marineoperation im Persischen Golf vor. Wie es in einer Skizze zweier gut vernetzter Regierungsberater und eines Bundeswehr-Professors heißt, sollen Kriegsschiffe künftig an beiden Eingängen der Straße von Hormuz kreuzen. Weitere Kriegsschiffe müssten Erdöltanker durch die Meerenge eskortieren. Je nach Eskalationsbereitschaft könnten zudem bewaffnete Truppen auf den eskortierten Tankern stationiert werden, um mögliche Übergriffe militärisch abzuwehren. Benötigt würden “zwischen 10% und 30% der maritimen Fähigkeiten” der EU. Berlin soll, so heißt es, den Einsatz führen, um seinen “außenpolitischen Gestaltungsanspruch” zu demonstrieren. Während Teile der SPD und der Opposition die Operation ablehnen, treiben Kanzler- und Auswärtiges Amt den Schritt nicht zuletzt auf EU-Ebene voran. Zuvor hatte Außenminister Heiko Maas die US-Forderung abgewiesen, deutsche Kriegsschiffe in einen US-geführten Marineeinsatz im Mittleren Osten zu schicken: Berlin positioniert sich als weltpolitisch eigenständige Macht.
    (…) Berlins “europäische” Intervention
    Statt einer Beteiligung an einer US-Operation macht sich die Bundesregierung weiterhin für einen EU-Marineeinsatz im Persischen Golf stark. “Wir wollen eine europäische Mission”, erklärte Außenminister Maas vor rund einer Woche; allerdings werde es “sicherlich noch Zeit in Anspruch nehmen …, die EU davon zu überzeugen”… Umstritten ist vor allem, ob der Einsatz lediglich die Beobachtung der Seewege im Persischen Golf umfassen soll oder ob Handelsschiffe auch zu eskortieren und ihre Passage bei Bedarf mit Waffengewalt zu erzwingen sind; im letzteren Fall ist von einer “Schutzmission” die Rede.
    (…) Einsatzpläne
    Erste konkrete Pläne für eine EU-Militäroperation an der Straße von Hormuz haben nun zwei Militärexperten von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und ein Professor an der Münchener Hochschule der Bundeswehr vorgelegt. Demnach müsse bei einer “Beobachtermission” stets je ein Schiff an den beiden Eingängen zur Straße von Hormuz kreuzen. Weitere Schiffe seien notwendig, um Tanker durch die Meerenge zu eskortieren oder Präsenz zu zeigen. Zudem müssten Seefernaufklärer “im internationalen Luftraum mit weitem Blick” in die Straße von Hormuz Beobachtungen vornehmen….
    Quelle: German Foreign Policy
  11. Tosende Stille am Persischen Golf
    Der Konflikt zwischen USA und Iran eskaliert schrittweise. Der neusten Entwicklung schenken große Medien zu wenig Aufmerksamkeit.
    (…) Ebenso wenig informierten westliche Medien über das intensivierte militärische Engagement Israels „im Vorhof“ Irans, also in Irak. Mit US-amerikanischen F-35-Jets attackierten die israelischen Streitkräfte innerhalb von zehn Tagen zwei Basen iranischer Milizen auf dem Territorium Iraks. Das Ziel der zweiten Attacke lag in gefährlicher Nähe zur iranischen Grenze. Bemerkenswert: die Regierung Iraks, die sich bisher als „neutral“ zwischen den USA und Iran profilierte, ließ die Israeli gewähren. Verfolgt sie diese Linie weiterhin, wird sie zur Parteigängerin Jener, die von einem Krieg gegen Iran „den“ Befreiungsschlag erwarten….
    (…) Zunehmender Einfluss der Revolutionswächter
    …Vieles deutet darauf hin, dass die Revolutionswächter, die direkt dem obersten geistlichen Führer unterstehen, einen Machtkampf gegen die „klassischen“ Diplomaten wie Mohammed Jawad Zarif führen. Sie haben ihn teilweise bereits gewonnen. Und ihr Einfluss wird umso stärker, desto mehr sich die wirtschaftliche Lage im Land zuspitzt, desto knapper Medikamente werden, desto mehr Inflation beim täglichen Einkaufen spürbar wird. Je brutaler der US-Wirtschaftskrieg die iranische Bevölkerung trifft.
    Iran wird sich politisch, in absehbarer Zeit, so weiter verhärten. Der von den USA angeheizte Konflikt stärkt ausgerechnet die iranischen Revolutionswächter, welche die USA als Terroristen einstufen.
    Eine friedliche Lösung ist bald nicht mehr vorstellbar.
    Quelle: Infosperber
  12. Die türkis-blaue Arbeitsmarktpolitik für Jugendliche war widersprüchlich und ineffizient
    Türkis-Blau hat sich für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit nicht interessiert. Dabei wollte die Regierung „den Mangel an Fachkräften“ beheben. Ausreichend Fachkräfte kann es aber nur geben, wenn sie auch ausgebildet werden. Statt eine Qualifizierungsoffensive zu starten und jugendliche Arbeitnehmer*innen auf den digitalen Strukturwandel vorzubereiten, hat die alte Regierung den Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Leben schwergemacht. Umdenken ist angesagt.
    Weniger Geld in der überbetrieblichen Ausbildung und der Produktionsschule
    Die im internationalen Vergleich relativ niedrige Jugendarbeitslosenquote in Österreich ist u. a. auf die 2007 eingeführte Ausbildungsgarantie zurückzuführen, die später zur „AusBildung bis 18“ erweitert wurde. Jugendliche sollen sich nach der Pflichtschule weiterbilden, um langfristig möglichst gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und eine gute Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben zu haben („educate first“ statt „work first“). Wer keine Lehrstelle findet, kann eine Lehre in einer überbetrieblichen Ausbildung machen…
    Kürzung des AMS-Förderbudgets
    Im Rahmen einer Kürzung des gesamten AMS-Förderbudget von 1,545 Mrd. Euro (2017) auf 1,251 Mrd. Euro (2019) wurde auch das Budget für die überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) gekürzt…
    Abschieben statt Fachkräfte ausbilden
    Seit dem Jahr 2012 gab es in Österreich für junge Asylwerber*innen unter 25 Jahren die Möglichkeit, unter strengen Voraussetzungen eine betriebliche Lehre in einem sogenannten Mangelberuf zu absolvieren…
    Quelle: A&W Blog
  13. Nur ein soziales Europa kann überleben
    Um dauerhaft Frieden zu schaffen, brauchen wir eine sozial gerechtere EU, die bei den Bürger*innen Vertrauen genießt und Rückhalt hat. Gerade in Zeiten der Verunsicherung ist das unverzichtbar. Die Nationalstaaten allein sind verloren.
    “Ohne Frieden ist alles nichts”, sagte Willy Brandt einmal. Besser lässt sich das Leitmotiv der Politikergeneration nach dem Zweiten Weltkrieg kaum umschreiben, die den europäischen Einigungsprozess mit der Gründung der Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) 1951 auf den Weg bringen. Aus ihrer Sicht bot nur das Zusammenwachsen Europas dauerhaft Gewähr dafür, dass sich die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht wiederholen. Die Gründungsidee der Europäischen Union war: Gegen Faschismus und Krieg, für Demokratie und Frieden; gegen Armut und Arbeitslosigkeit, für sozialen Fortschritt und ein gutes Leben in Wohlstand.
    (…) Wir erleben also die längste Friedensperiode in der Geschichte unseres Kontinents. Für diese großartige Bilanz wurde die EU im Jahr 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
    Freilich erfolgte die Preisverleihung zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das soziale Fortschritts- und Friedensprojekt Europa in keiner guten Verfassung befand. So hatten die Europäer bei den Erweiterungsrunden unterschätzt, wie stark die Unterschiede in der ökonomischen Integrationsfähigkeit und politischen Integrationswilligkeit zwischen den Mitgliedstaaten zunehmen würden. Hinzu kamen und kommen die bis heute nicht korrigierten Webfehler der europäischen Währungsunion mit ihrer Fixierung auf die Geldpolitik, durch die die dringend notwendige Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik weitgehend außen vor blieb. Schließlich zeigte sich bereits zum damaligen Zeitpunkt eine wachsende Neigung der Europäischen Kommission, den Binnenmarkt durch einseitige Marktliberalisierung und Deregulierung zu verwirklichen. Nach und nach hat sich ein Wettbewerbsverständnis durchgesetzt, das Konkurrenzfähigkeit vor allem an Lohn- und Lohnstückkosten festmacht und dadurch den Abwertungsdruck auf die Arbeits- und Sozialkosten in den Mitgliedstaaten drastisch erhöht.
    Quelle: DGB
  14. Ich schließe die Kanzlei
    …weil zu viele Gespräche mit Blicken voller Verzweiflung geendet haben. Zu viele meiner Mandantinnen und Mandanten wurden in Elend, Lebensgefahr und Not abgeschoben. Sie mussten unbeschreibliche Menschenrechtsverletzungen ertragen, in Afghanistan, im Iran, in Syrien, in Somalia und dann am Weg hierher, in Libyen, in der Türkei, in Griechenland oder in Ungarn. Ihre Hoffnungslosigkeit und die Abneigung, die ihnen allerorts entgegenschlägt, wollen mir nicht aus dem Kopf gehen. Es sind mittlerweile zu viele Fälle von Menschen, die keinen Zufluchtsort finden können, deren Anspruch auf Gewährung von internationalem Schutz juristisch nicht durchgesetzt werden kann, weil es politisch nicht opportun ist. In zu vielen Gesprächen musste ich diesen Unwillen eines Rechtssystems, Rechte anzuerkennen, Menschen vermitteln, deren Existenz damit ins Wanken geriet. Dabei geriet nun meine Verbundenheit mit diesem Rechtssystem ins Wanken. Als Rechtsanwalt bin ich Teil davon. Das möchte ich nicht mehr sein.
    …weil ich nicht mehr ständig mit dem Kopf gegen die Wand rennen will. In den vierzehn Jahren meiner juristisch-anwaltlichen Arbeit habe ich mich auf die Verfassung von Rechtsbehelfen an die Höchstgerichte spezialisiert. Ich habe jede Kritik angenommen, mich bemüht zu lernen, ich kenne jede Rechtsprechungslinie in asylrechtlichen Fragen, bin mit allen Formalismen vertraut. Und dennoch – oder vielleicht auch: deshalb – werfen sie mir alles zurück. Meine Bilanz ist erschreckend. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Jahren seit 2015 so gut wie alle meine asylrechtlichen Revisionen zurückgewiesen. Bei den an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden sieht es nicht besser aus. Ich bin selbstbewusst und reflektiert genug, um zu wissen, dass es nicht an meinem juristischen Handwerkszeug liegen kann. Ich bin es aber auch leid, über die Ursache zu sinnieren. Ich mag nicht mehr…
    Quelle: Ronald Frühwirth
  15. Ecuador: Haftbefehl gegen Ex-Präsidenten Correa
    Das Oberste Gericht in Ecuador hat in der vergangenen Woche einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft stattgegeben und einen Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten Ecuadors ausgesprochen. Ihm und weiteren 21 ehemaligen Funktionären und Unternehmen wird illegale Wahlkampffinanzierung und Bestechung vorgeworfen. Dieser Justizkomplex, genannt “Caso Verde”, geht davon aus, dass Firmen illegalerweise der Partei Alianza Pais in der Regierungszeit Correas Gelder haben zukommen lassen. Diese sollen dann der Wahlkampffinanzierung gedient haben. Unter der Führung des Ex-Präsidenten hätten die Beschuldigten eine kriminelle Vereinigung gebildet, so der Vorwurf.
    Neben Correa, der in Belgien lebt und dem ehemalige Vize-Präsidenten, Jorge Glas, der bereits seit über einem Jahr im Gefängnis sitzt, erging der Haftbefehl gegen drei weitere Personen (Walter Solís, Vinicio Alvarado und Yamil Massuh), die sich wie Correa momentan im Ausland aufhalten. Polizei und Interpol sind aufgefordert, die Beschuldigten zu verhaften. Denjenigen, die sich in Ecuador befinden, wurde zur Auflage gemacht, das Land nicht zu verlassen und sich regelmäßig bei Gericht zu melden.
    Correa erklärte bei Twitter und in einem Interview mit dem Fernsehsender Hispan TV, diese neuerlichen Vorwürfe gegen ihn seien Teil einer politischen Verfolgung. Bisher hätte die Justiz weder die Vorwürfe gegen ihn noch gegen Glas beweisen können. In diesem konkreten Fall geht es um den Vorwurf eines Kontos Correas über 6.000 US-Dollar. Correa erläuterte, dass dieses Geld aus freiwilligen Beiträgen von Mitgliedern von Alianza Pais stamme und an Leute gegeben worden sei, die in finanzielle Not geraten seien.
    Der Anwalt Correas, Fausto Jarrín, kündigte an, den Haftbefehl anzufechten.
    Quelle: Amerika 21
  16. „Wir müssen uns selbst retten“
    Black Lives Matter und der Widerstand gegen Trump
    (…) Doch der ungeheuerlichste Rassismus zeigte sich teilweise in den Handlungen der Trump-Regierung selbst…
    Aber all dies geschieht nicht in einem Vakuum, sondern zeitgleich mit dem Angriff auf die Lebensstandards von Arbeitern und Armen in den USA. Es wird begleitet von der dramatischsten Vermögensumverteilung von den 99 zum einen Prozent seit zwei Generationen. Islamophobie und Rassismus gegen Einwanderer werden in zynischer Weise genutzt, um das erstaunliche US-Militärbudget zu rechtfertigen, das dieses Jahr 717 Mrd. US-Dollar überstieg. Der rassistisch aufgeladene Kriminalitätsdiskurs in den Vereinigten Staaten soll legitimieren, dass die Budgets der Polizeidienststellen im ganzen Land weiter aufgebläht werden, während das öffentliche Sozialsystem mit weniger Mitteln mehr leisten muss.
    Eine Herausforderung für den Trumpismus
    Auf diese Weise nutzt die politische Rechte also den Rassismus, um Arbeiter und Arme zu spalten. Das hat die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit in den USA vertieft. Aber dies ist zugleich alles andere als eine einseitige Geschichte: Im vergangenen Jahr sind eine Reihe von bedeutsamen sozialen Kämpfen in den USA ausgebrochen, beginnend mit den Lehrerstreiks, die von der Basis angeführt wurden und sich von West Virginia im Osten des Landes über Kentucky, Los Angeles und Denver bis nach Oakland an der Westküste ausgebreitet haben und die in immer weiteren Regionen aufflammen. Diese Streiks treffen ins Herz des Klassengegensatzes in den Vereinigten Staaten: Der Personalabbau im öffentlichen Sektor, die erbärmlichen Arbeitsbedingungen in amerikanischen Schulen und die Verarmung von Pädagogen resultieren daraus, dass Städte, Bundesstaaten und die Zentralregierung sich weigern, die Reichen so zu besteuern, wie es ihrem Vermögen entspricht.
    Quelle: Blätter

    Anmerkung Marco Wenzel: Lesenswert. Besonders für die, die glauben, dass der Kampf für individuelle Rechte und Freiheiten isoliert von der Sozialen und letztendlich damit auch der Eigentumsfrage, erfolgreich geführt werden könnte. Alles hängt mit Allem zusammen.

  17. Ein Foto mit dem Waisenkind: Trumps Tiefpunkt im Auftrag der Selbstinszenierung
    Für ein Foto lässt der US-Präsident ein Baby zurück ins Krankenhaus holen. Das markiert einen neuen Tiefpunkt. Doch auch der wird dem Präsidenten nicht schaden.
    Natürlich besuchte Donald Trump in seiner Funktion als US-Präsident die Überlebenden des rechtsterroristischen Attentats in El Paso. Als Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten gehört das zu seinen Aufgaben. Es ist auch nur bedingt sein Versagen, dass von den acht immer noch im Krankenhaus liegenden Menschen drei nicht ansprechbar und die anderen fünf nicht bereit waren für ein Foto mit Trump.
    Doch was dann passierte, markiert einen neuen Tiefpunkt in der narzisstischen Selbstinszenierung, die Trump und sein Team seit nunmehr zweieinhalb Jahren veranstalten. Denn ein Foto wurde geschossen und von Melania Trump auf Twitter veröffentlicht. Auf dem Bild hält die First Lady ein Baby im Arm, daneben steht Trump. Beide grinsen, Donald streckt dabei den Daumen hoch. Umrahmt sind die beiden von Tito Anchondo und mutmaßlich seiner Frau. Die beiden sind Onkel und Tante des Babys und überzeugte Republikaner. Die Eltern starben bei dem Anschlag, das Kind überlebte, weil sich Mutter und Vater auf es warfen, um es vor den Kugeln des rassistischen Angreifers zu schützen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  18. Was macht eigentlich … Edward Snowden?
    (…) Snowden hat sich Moskau als Zufluchtsort nicht ausgesucht. Er strandete dort, als ihm die Amerikaner den Pass entzogen und er deshalb nach einer Zwischenlandung in Moskau nicht mehr weiterkonnte. Bis Anfang 2020 läuft seine aktuelle russische Aufenthaltsgenehmigung.
    Die EU, die sich stolz “Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit” nennt, traute und traut sich nicht, Snowden irgendeinen Schutz angedeihen zu lassen; und Deutschland war in der Phalanx der Drückeberger ganz vorne. Die deutsche Politik hatte erst Angst vor dem Amerika des Rechtsprofessors Barack Obama, jetzt hat sie Angst vor dem Amerika des Twitterwüstlings Donald Trump, der schon in seinem Wahlkampf angekündigt hat, dass auf Snowden die Todesstrafe warte.
    Ende des politischen Phlegmas
    Vergeblich haben Snowdens Anwälte 2018 “an die politischen Führer der EU-Staaten” appelliert, den Whistleblower aufzunehmen. Snowden habe einen “immensen Beitrag zum Schutz unserer Freiheiten” geleistet und verdiene eine “echte Zuflucht, ein Land der Freiheit, in dem er und seine Familie sicher und in Frieden leben können”. Es gab keine nennenswerten Reaktionen. Snowdens Schicksal ist ein Exempel dafür, wie die Worte der europäischen Grundrechtecharta im Alltag versanden. Die europäische Politik will daran nicht erinnert werden. Aber dieser schmerzhaften Erinnerung wird sie nicht entkommen: In Kürze kommt die Autobiographie Edward Snowdens auf den Markt…
    Snowden – ein klassischer politischer Flüchtling
    Das bringt gewisse Schwierigkeiten mit sich; diese Schwierigkeiten sind nicht, wie ansonsten heute bei Flüchtlingen, innen- und sozialpolitischer, sondern außenpolitischer Art. Wer Snowden beherbergt, kriegt Probleme mit den USA…
    Vor fünf Jahren hat der jetzige deutsche Außenminister Heiko Maas (damals war er noch Justizminister) Snowden einen altklug-selbstgerechten Rat gegeben: Snowden sei ja jung, sein Leben noch lang, er könne doch nicht ewig irgendwo Asyl suchen. Also solle er doch einfach in die USA zurückkehren und sich dem Walten der US-Gewalten anvertrauen. Was soll man dazu sagen? Es ist das selbstverständliche Recht eines Flüchtlings, Schutz zu suchen. Und es war und ist sonderbar, dass gerade ein Justizminister das geringschätzt. Minister Maas verlangte von Snowden ein Vielfaches des Mutes, den er, Maas, selbst nicht aufbrachte, um sich für Sicherheit und Schutz für Snowden einzusetzen. Asyl für Snowden sei, so sagte Maas damals, zwar eine sympathische Vorstellung, aber eine ohne Substanz. Diese Aussage zeigte freilich nur, dass es dem an Substanz fehlt, der so daherredet.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung


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