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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. August 2019 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wissenschaftler als Politikberater Die Rolle der Experten im postfaktischen Zeitalter
  2. Wie sich Eliten selbst entlarven – die Tönnies-Signatur
  3. Lupenreiner Antisemitismus
  4. Diese Banken stehen mit vor Gericht
  5. Nicht frisch, nicht Fleisch
  6. BASF-Chef fordert neue Agenda 2010 – und mehr Realismus beim Klimaschutz
  7. Kommunen suchen händeringend nach Personal
  8. Warum der Einstieg von Gabriel bei polnischem Konzern scheiterte
  9. Jenseits von Kohle und Stahl
  10. Landgrabbing in Sachsen-Anhalt
  11. Wer ist die größte Lobbymacht in Brüssel?
  12. Tor-Netzwerk und Redaktionsgeheimnis: Was die Bundesregierung anderswo unterstützt, greift sie hierzulande an
  13. Da bleibt die Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke
  14. In der SPD geht die Angst vor einer eigenen Werteunion um
  15. AfD und Bundeswehr
  16. Entfremdete Medienelite – “Soziale Herkunft prägt Berichterstattung”
  17. Die Fehler-Fetischisten und ihre Korinthenkackerei
  18. Das Letzte – No Deal ist besser als ein Premier Corbyn

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wissenschaftler als Politikberater Die Rolle der Experten im postfaktischen Zeitalter
    Wissenschaftliche Politikberatung ist angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel notwendiger denn je. In populistischen Zeiten sehen sich Experten aber mehr und mehr Kritik von Seiten der Politik ausgesetzt. Woher kommt diese Skepsis? […]
    Der Schweizer Historiker Caspar Hirschi ist selbst Experte. In seinem Buch „Skandalexperten, Expertenskandale“ erforschte der Professor mit Lehrstuhl an der Universität St. Gallen die Risiken, denen Wissenschaftler ausgesetzt sind, wenn sie zum Spielball politischer Interessen werden oder ihr Wissen in den Dienst der Politik stellen. Die Debatte über Stickoxide, die zeitgleich zum Erscheinen seines Buches stattfand, illustrierte auf fast schon plakative Weise die Gegenwärtigkeit des Problems, das Hirschi in historischem Kontext beleuchtet. Ob die Lungenärzte aus politischen Motiven an die Öffentlichkeit getreten sind oder aus aufklärerischer Absicht, sei dabei eigentlich unerheblich.
    „In dem Moment, wo eben der Verkehrsminister Scheuer die ganze Gegenexpertise vereinnahmt hat, wurden sie zum politischen Spielball und konnten keine unabhängige Position für sich in Anspruch nehmen. Grundsätzlich hab ich den Eindruck, dass Dieter Köhler durchaus sich vorgestellt hat, dass er über ein Spezialwissen verfügt in diesem Gebiet und das einbringen kann. Nur hat er eben diese Selbsteinschätzung nicht kritisch genug gemacht. Was man sieht, ist, dass eine Debatte über die Grenzwerte durchaus interessant gewesen wäre, weil Grenzwerte etwas Hochkomplexes sind, nur die Frage ist: Wie stellt man sich selber dar in dieser Diskussion? Muss man zwangsläufig als Experte auftreten, auch wenn man keiner ist? Und ich glaube, da haben sich diese Lungenärzte, an der Spitze Dieter Köhler, komplett verrannt.“
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Albrecht Müller: Interessant.

    Anmerkung Jens Berger: Die NachDenkSeiten sehen es als eine ihrer wichtigsten Aufgabe, solchen vermeintlichen „Experten“ die Luft herauszulassen. Bei den im Artikel genannten „Lungenärzten“ gehörten wir auch zu den ersten Medien, die kritisch aufklärten, während vor allem die klassischen Medien in einem „postfaktischen Populismus“ versanken.

    Anmerkung Christian Goldbrunner: Der Abschnitt über Syrien verschweigt, dass Russland einen eigenen Entwurf vorgelegt hat für eine politisch unabhängige Untersuchung, die wurde vom Westen blockiert.

  2. Wie sich Eliten selbst entlarven – die Tönnies-Signatur
    Nach einer rassistischen Äußerung entschuldigte sich Clemens Tönnies bei Schalke 04 – aber nicht bei den Betroffenen. Der Fall und die Nicht-Reaktionen auf ihn zeigen, wie Herreneliten zur Normalisierung von Menschenfeindlichkeit beitragen.
    Herrn Tönnies, Fleisch-Milliardär und Aufsichtsratsvorsitzender des Bundesligavereins Schalke 04, gilt ein gewisser Dank. Ihm gelingt vor der Kulisse von etwa 1600 geladenen Gästen auf dem “Tag des Handwerks” am 1. August 2019 in Paderborn mit einem Satz die Selbstentlarvung von Eliten. Selbstentlarvung als unkontrollierte Aufdeckung verdeckter Denkmuster. Und überall sind Herren am Werk.
    Herr Tönnies plädiert zur Vermeidung einer Klimasteuer in den Industriegesellschaften zur Begrenzung des Klimawandels für die Finanzierung von 20 Kraftwerken in Afrika:
    “Dann würden Afrikaner aufhören Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.”
    “Produzieren”: Klarer kann eine Selbstentlarvung, man kann auch sagen Selbst-Demaskierung, von Eliten nicht gelingen. Es ist eine Signatur, also eine Einkerbung in der öffentlichen Debatte, die nicht vergehen wird.
    Im Kern geht es um eine Aussage zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, indem Menschen allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit – hier Afrikaner – und unabhängig von ihrem individuellen Verhalten der Abwertung und Diskriminierung ausgeliefert werden. Diese Ideologie der Ungleichwertigkeit korrespondiert mit Attitüden von Überlegenheit der eigenen Gruppe.
    Quelle: Wilhelm Heitmeyer auf SPON
  3. Lupenreiner Antisemitismus
    Wie nach einer Intervention der Bild-Zeitung zuerst das Auswärtige Amt einknickte und dann die Deutsche Welle sich selbst zensierte
    Der Streit um den Iran bleibt einer der brisantesten Konflikte der Weltpolitik. Vordergründig geht es um Atomwaffen, Terrorismus und Menschenrechte, hintergründig um Öl und regionale Vorherrschaft. Israel und die USA agieren als die großen Gegenspieler des Iran, Deutschland laviert unentschlossen in der Mitte. Die folgende Geschichte, die sich vor diesem Hintergrund abgespielt hat, kann als Lehrstück in politischer PR gelten, als Fallbeispiel für leere Behauptungen, die Wirkung entfalten, da kaum jemand wagt, sie zu hinterfragen.
    Alles begann Anfang des Jahres, als die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens gemeinsam eine Clearingstelle gründeten mit dem Zweck, europäischen Firmen weiterhin Geschäfte mit dem Iran zu ermöglichen. Auslöser war das im November 2018 erneut in Kraft getretene US-Embargo. Aufgrund der Sanktionen Washingtons sind Finanztransaktionen mit dem Iran derzeit so gut wie unmöglich. Der weltweite Zahlungsdienstleister SWIFT, der den privaten Banken gehört, hatte unmittelbar nach dem amerikanischen Sanktionsbeschluss den Iran “vom Netz” genommen, wie es hieß. Laut SWIFT-Chef war das unvermeidbar: “Sonst können wir die Kunden in den USA nicht halten.”
    Die neue europäische Clearingstelle INSTEX soll nun einen Tauschhandel ohne Geldflüsse ermöglichen – ein zaghafter Versuch, unabhängiger von den USA zu werden. Das Projekt kommt allerdings nur schleppend in Gang. Immerhin wurde Ende Juni verkündet, man habe die ersten Transaktionen abgewickelt, im Juli meldete zudem Russland Interesse an einem Beitritt an, was die Europäer prinzipiell begrüßten.
    Quelle: Paul Schreyer auf Telepolis
  4. Diese Banken stehen mit vor Gericht
    Das Bonner Landgericht hat entschieden: Im ersten Strafprozess in Deutschlands größtem Steuerskandal werden auch Banken beteiligt. Müssen sie haften für den angeklagten Griff in die Staatskasse?
    Der erste Strafprozess in der Cum-Ex-Steueraffäre wird noch einmal komplexer. An diesem Montag hat das Landgericht Bonn entschieden, neben den beiden angeklagten Briten fünf Gesellschaften als Nebenbeteiligte in das Verfahren mit einzubeziehen. Nach SZ-Informationen handelt es sich dabei um die Holdinggesellschaft und eine Fondstochter der Hamburger Privatbankgruppe M.M. Warburg, eine Tochterfirma der US-Bank BNY Mellon, eine Zweiggesellschaft des französischen Instituts Société Générale sowie die Hamburger Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansainvest.
    Es werden dann zwar keine Bank- oder Fondsmanager auf der Anklagebank sitzen, aber die betroffenen Firmen dürften von Anwälten vertreten am Verfahren teilnehmen. Es geht um viel Geld: Die 12. Strafkammer am Bonner Landgericht möchte gleich im ersten Strafprozess klären, wer am Ende alles haften könnte für den angeklagten Griff in die Staatskasse. Im Strafgesetzbuch ist festgelegt, inwiefern Täter, Teilnehmer und andere Profiteure von illegalen Geschäften haftbar gemacht werden können: Als Ausgleich für den mutmaßlich angerichteten Steuerschaden steht dem Gericht das Instrument der “Einziehung” von Vermögen offen. Die Kammer hält es “hinsichtlich bestimmter Fälle der Anklageschrift” für wahrscheinlich, dass die Voraussetzungen für eine solche Einziehung gegeben seien, teilte das Gericht mit.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  5. Nicht frisch, nicht Fleisch
    Fleisch ist in Deutschland zu günstig. Das stimmt schon. Das hier produzierte Fleisch höher zu besteuern, kann aber nichts als ein schlechter Scherz sein. Das Problem ist nicht, dass das Fleisch so preisgünstig ist, weil die Besteuerung hinkt. Um was es eigentlich geht, ist das sozio-ökonomische Dumping der Fleischbranche.
    Die Fleischindustrie ist ein gut subventionierter Geschäftszweig. Besser noch als die Bundesliga – und die kriegt schon für das Bisschen, das sie bietet, ziemlich viel öffentliche Unterstützung. Ob nun Gebührengelder für die Vereinskasse, Finanzierung stadionnaher Infrastruktur durch Städte und Gemeinden oder die Abschaltung des Verursacherbetriebs in puncto Spieltagsicherheit: Den Vereinen wird dabei geholfen, reale Kosten zu vereiteln. Ähnlich läuft es für die Fleischhersteller. Sie müssen die realen Kosten, die ihr Metier verursacht, nicht im endgültigen Preis abbilden und an den Verbraucher weitergeben.
    Umweltschäden zum Beispiel, aber auch geringe Löhne werden einfach sozialisiert. Der Steuerzahler, die Allgemeinheit letztendlich, kommt für eine Produktionsweise auf, die ausbeuterisch, rücksichtslos, umweltbelastend, struktur- und gesundheitsschädigend ihre Geschäfte bestellt. Weil sich der Gesetzgeber zurückzieht, Verpflichtungen abbaut und es erlaubt, dass Folgekosten auf alle umgewälzt werden können, haben wir den vielleicht billigsten Fleischmarkt Europas.
    Gleichzeitig nimmt der Gesetzgeber auch Abstand davon, fadenscheinige Produktionsweisen künftig vom Verbraucher abzuwenden. Deshalb arbeitet die Industrie mit billigsten Seperatorenfleisch, gepressten Fleischresten, hohen Stabilisatoren- und Wasseranteilen in der Wurst (bis zu 35 Prozent sind möglich) und aromatisierenden Zusatzstoffen, die selbst den Räuchervorgang überflüssig machen, indem sie das Raucharoma schlicht simulieren. Dass die Produkte also so günstig sind, ist keine Frage zu niedriger Fleischessteuern. Es ist der Rücksichtslosigkeit der Branche anzulasten – oder richtiger gesagt: Dem Nachtwächterstaat und dem Gesetzeslosigkeitsgeber.
    Quelle: Roberto J. de Lapuente auf neulandrebellen

    Anmerkung JK: Ein guter Punkt. Würde man das Fleisch allein durch Steuern verteuern, würde sich ja an den teils katastrophalen Arbeits- und Produktionsbedingungen nichts ändern. Wie der Artikel anführt kann Fleisch durchaus teurer werden, wenn eben damit verbunden ist, dass es ökologisch nachhaltig und unter entsprechenden Arbeitsbedingungen produziert wird. Es ist genau diese Blindheit gegenüber den ökonomischen und sozialen Zusammenhängen, die an der Art der Klimadiskussion, wie sie das grüne Milieu führt so stört.

    Dazu: Öko darf nicht nur Lifestyle der Besserverdienenden sein.
    Profit triumphiert über Gemeinwohl, Verschleiß über umweltbewusstes Wirtschaften. Die Müllberge wachsen, die Vergiftung der Böden, des Grundwassers und der Meere erreicht bedrohliche Ausmaße. Gerade Ärmere sind in besonderem Maße betroffen. Sie wohnen meist an den lautesten Straßen mit der schlechtesten Luft. Haben im Beruf öfter mit gesundheitsgefährdenden Substanzen zu tun und müssen beim Einkauf ihrer Lebensmittel besonders auf den Preis achten.
    Wir stehen auf. Für naturverträgliches, klimaschonendes Wirtschaften, dass Mensch, Natur und Tier nicht Profiten unterordnet. Für Investitionen in zukunftsfähige Jobs, in Bildung und Verkehr. Für eine ökologische Wende, die nicht bloß Lifestyle der Besserverdienenden ist und zu mehr Ungleichheit führt.
    Quelle: Aufstehen

  6. BASF-Chef fordert neue Agenda 2010 – und mehr Realismus beim Klimaschutz
    Der Chef des Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, hat sich in der Klimaschutzdebatte für mehr Realismus ausgesprochen. “Man muss den Bürgern schon sagen, dass sich dann manche Preise verändern”, sagte er dem “Handelsblatt” vom Montag. Brudermüller forderte “einen viel breiteren und offeneren Dialog”. “Gesellschaftliche Unterstützung wird es nur geben, wenn Klimaschutz nicht in Arbeitslosigkeit mündet”, sagte Brudermüller. Er warnte davor, “einfach noch” eine CO2-Steuer zu bestehenden Belastungen für Unternehmen hinzuzufügen. Das Ziel müsse stattdessen sein, erneuerbare Energien möglichst günstig zu machen und so Anreize zur Vermeidung von Treibhausgasen zu schaffen. …
    Von der Bundesregierung forderte Brudermüller angesichts der aktuellen Konjunkturschwäche Reformen in Bereichen wie Steuern, Regulierung und auch solche mit Blick auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. “Die Bundesregierung sollte an eine neue Agenda 2010 denken.”
    Quelle: Manager Magazin

    Anmerkung JK: Dieses Statement zeigt eigentlich, dass die Klimadiskussion, zumindest so wie sie aktuell durch die Politik geführt wird, eine Scheindebatte ist. Glaubt wirklich jemand ernsthaft, die Diskussion über den Klimawandel kann völlig losgelöst von den ökonomischen und gesellschaftlichen Besitz- und Machtverhältnissen geführt werden? Brudermüller sagt es sehr deutlich, ihm und so der herrschenden Oligarchie geht es darum, dass den angeblichen bestehenden Belastungen für Unternehmen nicht weitere hinzugefügt werden, anders gesagt, dass sich die Taschen der Superreichen auch weiter füllen.

  7. Kommunen suchen händeringend nach Personal
    Jedes Jahr wächst das oberbayerische Ingolstadt um 1200 Einwohner, aktuell leben hier 137 400 Menschen, die Zahl der Arbeitsplätze liegt nur knapp darunter. “Für uns bedeutet dieses Wachstum Straßen und Schulen planen und bauen, neue Wohn- und Gewerbegebiete erschließen, die Verkehrsentwicklung lenken und insgesamt für eine leistungsfähige Infrastruktur sorgen”, sagt Christian Siebendritt, Personalchef im Ingolstädter Rathaus. Die Sache ist nur: Für all das braucht es genug Leute.
    Genau die fehlen immer mehr Gemeinden, Städten und Landkreisen in Deutschland. Und zwar nicht nur in wirtschaftlichen Boom-Regionen wie dem Audi-Standort Ingolstadt, wo der Arbeitsmarkt seit Jahren leer und das allgemeine Lohnniveau hoch ist. (…)
    In der freien Wirtschaft klagt man seit Jahren über den Fachkräftemangel. Mindestens genauso dringend suchen aber auch die deutschen Kommunen nach gut ausgebildetem Personal – und vor allem nach Auszubildenden. Ob klassische Verwaltung, Bauamt, IT-Administration, Friedhofswesen, Müllabfuhr, Jobcenter, Stadtreinigung, Wasserwerke oder Kläranlagen – in nahezu allen Sparten fehlen Leute. Selbst attraktive Führungsposten sind immer schwerer zu besetzen.
    Wie dramatisch sich die Lage zuspitzt, das zeigen Zahlen, die der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) im Juli veröffentlicht hat. Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Publecon fragte er die personelle Lage in fast 500 Rathäusern ab und verglich die Ergebnisse mit denen einer ähnlichen Erhebung aus dem Jahr 2012. Das Ergebnis ist alarmierend. “Vor allem bei IT-Fachkräften, Absolventen von Ingenieurstudiengängen, Erziehern, Technikern sowie Meistern in technischen Berufen wird ein Rückgang der Bewerberzahlen beklagt”, fasst Publecon-Unternehmensberater Thomas Helmke die Lage zusammen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers M.J.: Das sind die Folgen von 20 Jahren Knickrigkeit, Billiglöhnerei, Herumgespare, Stellenstreichungen, „schwarzer Null“, Ausbildungsstopp usw.: Wer wollte sich noch auf das höchst unsichere Vabanquespiel „Öffi“ einlassen – zumal als „gut Qualifizierter“? Und die BRD-Qualitätspresse stellt das Ergebnis: KEINE LEUTE als irgendwie völlig unvorhersehbares erratisches Ereignis dar – als „Schwarzen Schwan“, als eine Art Naturkatastrophe, als hätten Pest und Krieg die „gut qualifizierten“ jungen Leute dahingerafft – und nicht eine vollkommen idiotische POLITIK der letzten 20 Jahre!

    Anmerkung Christian Reimann: Bis auf die Phrasen vom „demographischen Wandel“ und „Fachkräftemangel“ ist der Artikel informativ. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die betroffenen Kommunen und ihre Leiter von Personalabteilungen nicht in die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit nachsehen, um Personal zu finden. Vermutlich nicht wenige ALG-II-beziehende Personen würden sich wohl über ein Angebot/Vermittlungsvorschlag freuen.

  8. Warum der Einstieg von Gabriel bei polnischem Konzern scheiterte
    An neuen Aufgaben war für den ehemaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel seit Frühjahr vergangenen Jahres kein Mangel. Gut zwei Wochen nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung zeigte der frühere SPD-Chef Anfang April 2018 bei der Bundesregierung an, dass er neben seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter sechs weitere Tätigkeiten anstrebt. Im September 2018 folgten vier weitere Anträge. Und dann noch einer im Februar 2019, insgesamt also elf. Auf der Wunschliste Gabriels stand im April 2018 zunächst, so ein dem Tagesspiegel vorliegendes Schreiben von Kanzleramts-Staatsminister Hendrik Hoppenstedt auf eine Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin: Mitglied im Verwaltungsrat beim noch zu gründenden Gemeinschaftsunternehmen für Schienenfahrzeugbau von Siemens und Alstom, die publizistische Zusammenarbeit mit der Verlagsgruppe Dieter von Holtzbrinck (zu der auch der Tagesspiegel gehört), die Tätigkeit als Redner gegen Honorar zu verschiedenen Anlässen, Lehraufträge an verschiedenen in- und ausländischen Hochschulen, die Mitwirkung beim European Forum on Global Responsibilities und die Mitgliedschaft im Beirat der International Crisis Group.
    Im September zeigte Gabriel die geplante Aufnahme weiterer Tätigkeiten an: Laut Kanzleramt wollte er Aufsichtsrat sowohl bei der polnischen Kulczyk Holding als auch bei der Baufirma GP Günter Papenburg AG werden. Dazu angezeigt wurde von dem SPD-Politiker die Mitgliedschaft im Algebris Policy & Research Forum sowie die Mentorentätigkeit beim Projekt “Top Job” der Zeag GmbH.
    Im Februar 2019 schließlich zeigte Gabriel an, dass er Mitglied im Beirat der Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft werden möchte. Untersagt wurden Gabriel laut Kanzleramt – befristet für die Dauer von zwölf Monaten – zwei Posten, der bei Siemens und Alstom sowie der für den polnischen Kulczyk-Konzern.
    Die gleichlautende Begründung: Es würden durch diese Tätigkeiten “öffentliche Interessen” im Sinne des Bundesministergesetzes beeinträchtigt. Gegen die anderen Tätigkeiten Gabriels hatte die Bundesregierung keine Einwände. Die Fusion von Siemens und Alstom scheiterte im Februar 2019, der Plan des Ex-Bundesministers, dort Mitglied im Verwaltungsrat werden zu wollen, hatte sich damit ohnehin erledigt.
    Gabriel war von Januar 2017 bis März 2018 Bundesaußenminister, zuvor auch Bundeswirtschaftsminister und Bundesumweltminister.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung JK: Was treibt Gabriel da eigentlich an? Als Sozialdemokrat etwa einen Posten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte anzustreben, die Unternehmen dabei berät, wie sie am besten Steuern vermeiden können, ist nicht erklärbar. Materielle Not dürfte kaum der Grund dafür sein. Also kann es nur die nackte Gier sein. Damit ist Gabriel wie Scholz ein Vertreter der „Socialdemocrats in name only“. Dabei ist Gabriel definitiv nicht allein. Dieses Phänomen, sich nach der politischen Karriere weiter schamlos zu bereichern, zieht sich durch alle Parteien und dann wundert man sich wieder, dass nur noch 47 Prozent der Bürger zufrieden mit dem Funktionieren „unserer Demokratie“ sind.

  9. Jenseits von Kohle und Stahl
    Die Industriegesellschaft sicherte auch ungelernten Arbeitern wachsenden Wohlstand. Die Auswirkungen der Schließung von Fabriken, Stahlwerken und Zechen zeigt Lutz Raphael in „Jenseits von Kohle und Stahl“ – und wie wenig wir davon verstanden haben.
    Stahlwerke, Kohlezechen, Textilfabriken: Das waren die wichtigsten Produktionsstätten der Industriegesellschaft, Arbeitsplätze für Millionen von Menschen, symbolisch aufgeladene Orte. Seit den 1970er-Jahren ist von diesen Stätten eine nach der anderen geschlossen worden. Manche von ihnen wurden zu Museen umgebaut – sie bewahren Erinnerungen an eine untergegangene Kultur. Aus der Industriegesellschaft ist eine postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft geworden: Dieser Umstand ist leicht einzusehen. Aber was bedeutet dieser ökonomische Umbruch für die Kultur im Ganzen, für das Zusammenleben der Menschen und für ihre individuellen Biografien, schließlich: für ihre politische Haltung? Das sind die Fragen, mit denen sich der Historiker Lutz Raphael in dem Buch „Jenseits von Kohle und Stahl“ befasst.
    In seiner „Gesellschaftsgeschichte der Deindustrialisierung“ nimmt Raphael konsequent die Perspektive des „einfachen Malochers“ ein, für den dieser Wandel vor allem mit Verlusten verbunden ist. In den 70er-Jahren werden viele der klassischen Arbeiterjobs in Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert; andere fallen dem technologischen Fortschritt und der Rationalisierung zum Opfer. In den 80er-Jahren setzt sich das bis heute herrschende System des Finanzmarktkapitalismus durch, in dem der kurzfristige Profit der Aktionäre wichtiger wird als die dauerhafte Stabilität einer Firma.
    Diese Entwicklungen werden von der Politik mal mit Härte vorangetrieben (wie von Margaret Thatcher), mal auch gemildert – das zeigt Raphael in detailreicher, gerade auch im Vergleich verschiedener Länder wohltuend differenzierter Weise. Doch trotz aller Unterschiede führt die Deindustrialisierung im Ganzen zu einer Destabilisierung der Lebensverhältnisse in den westlichen Gesellschaften. Bis in die 70er-Jahre können sich auch einfache, sogar ungelernte Arbeiter und Arbeiterinnen auf sichere Erwerbsbiografien bis zur Rente verlassen und auf allmählich wachsenden Wohlstand. Dieses Sicherheitsgefühl verschwindet bis zum Anfang der 80er-Jahre, als eine ganze Generation sich in Arbeitslosigkeit oder Frührente wiederfindet; und die einfachen Jobs, die in der darauf folgenden Dienstleistungsgesellschaft entstehen, sind wesentlich von prekären Anstellungsverhältnissen geprägt.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  10. Landgrabbing in Sachsen-Anhalt
    Nicht nur Bauland – auch Ackerflächen sind inzwischen beliebte Geldanlagen und werden von Konzernen und Investoren im großen Stil aufgekauft. Für kleine Bauern wird das zum Problem. Sachsen-Anhalt wollte das so genannte Landgrabbing per Gesetz verhindern – doch der Entwurf liegt in der Schublade.
    Weit ziehen sich Wiesen, Felder und Äcker durch die sanft hügelige Börde. Darüber viel blauer Himmel. Hier – eine knappe Autostunde westlich von Magdeburg – lebt Bauer Jochen Dettmer. Auf seinem Hof in Belsdorf bei Flechtingen nahe der früheren innerdeutschen Grenze hält er neben Gänsen und Hühnern, das vom Aussterben bedrohte Bunte Bentheimer Landschwein. Und bewirtschaftet 60 Hektar.
    „Zwanzig Hektar davon sind Acker, vierzig davon Grünland. Da machen wir Heu für Pferde-Betriebe, das ist bei der Futterknappheit ein gefragtes Produkt.“
    Wenn er mehr Land haben wollte, müsste sich Dettmer mächtig verschulden. Denn in Sachsen-Anhalt muss ein Landwirt für ländlichen Boden inzwischen tief in die Tasche greifen. Es werden inzwischen Preise von bis zu 100.000 Euro pro Hektar verlangt. Preise, die Landwirte niemals erwirtschaften, geschweige denn bezahlen können.
    „Wenn sie von der Großmutter ein gutes Erbe haben, dann würde es gehen…“
    Dettmer lacht. Über uns kreisen die Geier, sagt der Präsident des Bauernbunds in Sachsen-Anhalt. Und: Sachsen-Anhalt sei ein Brennpunkt der Bodenauseinandersetzung.
    Für den Anstieg der Boden-Preise sind insbesondere Agrar-Investoren verantwortlich, die vor allem in Ostdeutschland riesige Flächen von den ehemaligen, flächenmäßig sehr großen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften aus DDR-Zeiten aufkaufen, 3.000 Hektar sind da keine Seltenheit. Anschließend würden die Flächen von den Kapitalanlegern an finanzkräftige – nicht regional verankerte – Agrarunternehmer verpachtet werden, erklärt Dettmer. In der Folge kämen sogenannte, Rucksackbauern, Land-Wanderarbeiter, die das Land bewirtschaften. Die Konsequenz: Die Dörfer veröden, weil keiner mehr vor Ort wohnt und arbeitet.
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Wer ist die größte Lobbymacht in Brüssel?
    Die EU-Institutionen gelten als Spielplatz der Lobbyisten, die hinter verschlossenen Türen Einfluss auf die Politik nehmen. Manche Unternehmen und Verbände sind dabei besonders erfolgreich.
    „Das sind Vorgaben aus Brüssel.“ So rechtfertigen Bürgermeister, Abgeordnete und Minister in ganz Deutschland gern, wenn etwas nicht funktioniert, sie daran aber leider nichts ändern können. „Brüssel“ wird dabei gerne als ferner Kosmos dargestellt, auf den niemand Einfluss hat – außer natürlich Lobbyisten. Es gibt Parteien, die ganze Wahlprogramme auf diesem gefühlten Demokratiedefizit der EU-Institutionen aufbauen. Und es stimmt ja: Die EU hat in den vergangenen Jahren in der Gesetzgebung einen immer wichtigeren Stand bekommen – das macht sie interessant für Lobbyisten. Doch wie groß ist das Problem wirklich?
    Die Zahl der im Transparenzregister der EU gelisteten Organisationen ist in den vergangenen Jahren mit großen Schritten gewachsen. Inzwischen gibt es in Brüssel ähnlich viele Lobbyorganisationen wie in der amerikanischen Hauptstadt Washington. Dort sind es seit mehreren Jahren gut 11.000 Verbände, Unternehmen und Interessengruppen, die Lobbyarbeit betreiben. In Brüssel ist ihre Zahl seit vergangenem Jahr erstmals relativ konstant geblieben. Mit Stand vom 6. August waren im EU-Transparenzregister etwas mehr als 11.900 Organisationen gelistet. Die Daten, die wir hier zugrunde legen, stammen übrigens aus den offiziellen EU-Datenbanken, welche die beiden Nichtregierungsorganisationen Corporate Europe Observatory und Lobycontrol auf ihrer Plattform lobbyfacts.eu zusammengetragen und durchsuchbar gemacht haben.
    Nach seinem Budget ist der größte Lobbyist in Europa zur Zeit mit großem Abstand der Europaverband der chemischen Industrie (Cefic). Der Verband gibt seine Ausgaben für das Vertreten seiner Interessen gegenüber den EU-Institutionen mit 12 Millionen Euro im Jahr 2018 an, bei einem Gesamtbudget von 40,3 Millionen Euro. 23 Personen des Verbands haben eine Akkreditierung für das Europäische Parlament, die Gesamtzahl seiner Lobbyisten gibt Cefic mit 78 an.
    Auch von den aus Deutschland stammenden EU-Lobbyisten gibt die chemische Industrie am meisten Geld für ihre Arbeit aus. Mit dichtem Abstand folgt ihnen aber der Verband des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus. Darauf folgen mit Siemens, Bayer, BASF und der Deutschen Bank vier der größten deutschen Unternehmen.
    Quelle: FAZ
  12. Tor-Netzwerk und Redaktionsgeheimnis: Was die Bundesregierung anderswo unterstützt, greift sie hierzulande an
    Die Bundesregierung empfiehlt in vielen Ländern die Nutzung von Anonymisierungsinfrastrukturen und unterstützt auch Digital-Security-Trainings für Journalist:innen. Im Innern sägt der zuständige Minister Seehofer mit Gesetzentwürfen dagegen am Redaktionsgeheimnis und könnte das Betreiben von Tor-Knoten kriminalisieren.
    Quelle: Netzpolitik.org
  13. Da bleibt die Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke
    Ein Gespräch mit Uwe Maeffert und Lino Peters. Über einen selbstherrlichen Richter und die Hamburger Justiz nach dem G-20-Gipfel von 2017.
    Ein wichtiger Prozess in Sachen G 20 läuft noch vor dem Landgericht Hamburg. Im »Elbchaussee-Verfahren« sind fünf junge Männer angeklagt, von denen vier lediglich das Mitmarschieren in einem Aufzug vorgeworfen wird, aus dem heraus es Gewalt gegeben hat. In dem Verfahren bahnt sich eine Pleite für die Staatsanwaltschaft an. Dennoch will diese mit derselben Konstruktion in mehreren Großverfahren rund 70 Gipfelgegner vor Gericht stellen, die im Industriegebiet Rondenbarg am 7. Juli 2017 festgenommen wurden. Wie bewerten Sie das?
    L. P.: Es ist absurd, zwei Jahre nach dem G-20-Sommer Jugendliche anzuklagen, von denen viele gar nicht in Hamburg leben. Man reißt sie aus ihren sozialen Bezügen, überzieht sie mit einem Verfahren. Das ist wider den Grundgedanken des Jugendstrafrechts.
    U. M.: Es gibt da ein Vorbild für diese geplanten Verfahren, das ist der Nürnberger »Komm«-Prozess 1981. Damals waren bei einer spontanen Demo nach einer Filmvorführung des Jugendzentrums »Komm« rund 150 Menschen festgenommen worden. Im Minutentakt stellten damals zwei Haftrichter Haftbefehle aus. Auch damals ging es schon um den Tatbestand Landfriedensbruch und die Frage, wer von den Leuten nur mitgelaufen war und sich dabei nicht klar distanziert habe. Das Ganze ging grandios in die Hose. Das erste Verfahren gegen zehn Angeklagte wurde wegen polizeilicher Manipulationen eingestellt.
    Warum meinen Sie, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft in Sachen Rondenbarg so energisch agiert? Gäbe es nicht auch die Möglichkeit zu sagen: Wir klagen nicht an, wir stellen ein?
    L. P.: Klar, das könnte sie tun. Sie müsste es eigentlich sogar, wenn sie sich an die Maßstäbe halten würde, die außerhalb politischer Verfahren gelten. Genau das meine ich, wenn ich von abnehmender Rechtsstaatlichkeit spreche. Es ist der Staat, der sich hier in eine bestimmte Richtung entwickelt. Wenn man Personen, die auf eine Demonstration gehen, strafrechtlich verfolgt, ist das eine Gefahr für das Versammlungsrecht. Das betrifft viele. Denken Sie an die Klimaschutzbewegung »Fridays for Future«.
    Quelle: junge welt
  14. In der SPD geht die Angst vor einer eigenen Werteunion um
    Am Anfang stand ein provokanter Name, den einige Sozialdemokraten als Anmaßung empfanden. Vor etwa zwei Monaten tauchte die Initiative „Die wahre SPD“ in der Öffentlichkeit auf, und es klang so, als etabliere sich da eine neue SPD in der SPD, als habe sich die bestehende Partei zu sehr von sich selbst entfernt. Es entstand intern einige Unruhe, auch offene Kritik an den Gründern um Michael Groschek gab es, dem früheren Vorsitzenden der SPD Nordrhein-Westfalen.
    Doch eines haben sie zumindest erreicht: Aufmerksamkeit. Mittlerweile hat sich die Initiative kompromisshalber umbenannt in „SPDpur 2030“. Sie will in der Führungs- und Existenzkrise der Sozialdemokratie maßgeblichen Einfluss nehmen. Kritiker wie Nordrhein-Westfalens SPD-Landeschef Sebastian Hartmann lehnen eine „Neufraktionierung“ ab und verweisen auf gewählte Gremien und Organe. Die Vorgänge erinnern an das Ringen der CDU mit ihrer Werteunion.
    Die selbst ernannte „Bewegung“ in der SPD hat etwas guerillahaftes – und prominente Fürsprecher. Der frühere Parteichef Sigmar Gabriel gehört zu den bisher etwa 160 Unterstützern, dazu kommen das „Wirtschaftsforum“ der Partei und ein paar Amtsträger in der Kommunalpolitik.
    Erste Statements noch unter der Flagge der „wahren SPD“ klangen konfrontativ und gaben die grundsätzliche Richtung vor: Man wolle sich einem „Linksruck entgegenstemmen“, „keine Verstaatlichungspartei“ und „keine Linkspartei 2.0“ sein, die SPD müsse wirtschaftsnah bleiben und Regierungsverantwortung tragen.
    Der erste Aufruf unter dem neuen Label „SPDpur 2030“ vermeidet alles, was als aufrührerisch empfunden werden könnte. Der Sprecher der Initiative heißt Tim Kähler, ist Bürgermeister in der nordrhein-westfälischen Stadt Herford. Kähler will den Eindruck zerstreuen, dass sich da ein rebellischer Zirkel gebildet hat.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Die Selbstbezeichnung dieser neoliberal angehauchten „Socialdemocrats in name only“ als „Die wahre SPD“ kann man durchaus als zynisch bezeichnen.

  15. AfD und Bundeswehr
    „Der Dienst an der Waffe ist einzigartig. Kein anderer Beruf in Deutschland setzt die Akzeptanz und den Willen voraus, tödliche Gewalt anzuwenden […].“
    Die Zitate entstammen einer Schrift neuesten Datums: „Streitkraft Bundeswehr. Der Weg zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“, herausgegeben vom Arbeitskreis Verteidigung der AfD-Bundestagsfraktion. …
    Im Einzelnen offeriert dieses AfD-Pamphlet unter anderem folgende Forderungen – respektive Vorhaben – und Begründungszusammenhänge:

    • Wiedereinführung der Wehrpflicht und Durchsetzung derselben; der „Wehrersatzdienst […] soll die Ausnahme vom bewaffneten Wehrdienst“ sein.
    • „Wiederaufnahme der Wehrerfassung. Musterung aller deutschen Männer ab dem 18. Lebensjahr.“
    • Aufstockung der Bundeswehr „in einem ersten Schritt“ auf 230.000 Mann.
    • Bildung eines gekaderten Reservistenkorps in der Stärke von 50.000 Mann – „für die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr im Kriegsfall“, aber „auch befähigt […], im Grenzschutz eingesetzt zu werden“. Wegen letzterem: „Änderung der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren“.
    • Entkoppelung des Militärhaushaltes vom „jährlich schwankende[n] Budgetrecht des Parlaments“; das „Grundgesetz muss […] angepasst werden“.
    • „Deutschland erfüllt seine finanziellen Zusagen gegenüber der NATO uneingeschränkt.“ (Das meint derzeit bekanntlich zwei Prozent vom BIP fürs Militär, also eine Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben auf 75,8 Milliarden US-Dollar – S.)
    • Integrierung der zivilen Bundeswehrverwaltung „in die Truppe“. Die aus historischen Gründen verfügte, im Grundgesetz verankerte Trennung von Truppe und Verwaltung „ist nicht mehr zeitgemäß“.
    • Aufbau eines Generalstabes.
    • Jährliche Militärparaden in Berlin – zum Tag der deutschen Einheit.

    Quelle: Das Blättchen

  16. Entfremdete Medienelite – “Soziale Herkunft prägt Berichterstattung”
    Die Chefs der großen Medienunternehmen sind vor allem Männer aus gutem Hause, sagt Elitenforscher Michael Hartmann. Er sieht Handlungsbedarf bei der Ausbildung junger Journalisten.
    “Diese Entfremdung zeigt sich zum Beispiel, wenn in den Medien steht: Uns ging’s noch nie so gut wie heute. Manch einer denkt da: Bei mir stimmt das aber nicht. Wenn das regelmäßig immer wieder auftaucht, dann sagt man irgendwann: Die lügen. Was nicht stimmt – aber viele Leute im unteren Drittel der Einkommensschichten interessiert nicht der Durchschnittswert. Die interessiert ihre Wirklichkeit.
    Und da hat es in den letzten beiden Jahrzehnten ein klares Minus beim Realeinkommen gegeben, beim unteren Zehntel um gut 14 Prozent. Die festangestellten Redakteure bei den großen Medien dagegen zählen meistens zu den oberen zehn Prozent, bei denen es im gleichen Zeitraum einen 22-prozentigen Zuwachs gegeben hat. Das verzerrt den Blick. …
    Wenn man den Begriff sehr eng hält, gehören zur Elite die Herausgeber und die Chefredakteure der großen Printmedien. Und die Intendanten, Chefredakteure und Programmdirektoren von Rundfunk und Fernsehen. Selbst wenn man noch andere hohe Führungskräfte hinzunimmt, ist das ein sehr überschaubarer Kreis von 150 bis 200 Personen.
    Es sind im Wesentlichen Männer, die zu zwei Dritteln aus den oberen vier Prozent der Bevölkerung kommen. Die Medienelite ist zusammen mit der Justizelite die zweitexklusivste nach der Wirtschaftselite. Es gibt allerdings einen großen Unterschied zwischen öffentlich-rechtlich und privat: Im privaten Bereich stammen knapp vier von fünf Personen aus den oberen vier Prozent, im öffentlich-rechtlichen ist es nur gut die Hälfte.”
    Quelle: ZDF
  17. Die Fehler-Fetischisten und ihre Korinthenkackerei
    Glückwunsch, ihr Leute von VroniPlag. Jetzt habt ihr die nächste abserviert. Franziska Giffey wird nicht für den SPD-Parteivorsitz kandidieren und womöglich bald als Familienministerin zurücktreten. Was hat sie getan? Mord? Fahrerflucht? Gelder veruntreut? Nein, sie hat nicht richtig zitiert. Was für ein Jahrhundert-Verbrechen. Ein Abgrund von Landesverrat!
    Ich fasse es nicht, dass die politische Karriere einer so talentierten Politikerin wegen einer solchen Bagatelle beendet zu sein scheint. Was soll dieses gierige Herumfuhrwerken in verstaubten Doktorarbeiten? Wem bringt es was, ehemaligen Examens-Kandidaten irgendwelche Verfehlungen nachzuweisen? Das ist so typisch deutsch.
    Wer sind eigentlich diese Typen von VroniPlag? Ich finde schon diesen Namen saublöd. Einige der Fehler-Fetischisten zeigen sich, die meisten wollen anonym bleiben. Was soll diese Heimlichkeit? Diese Leute machen ja schließlich keine Mafia-Recherchen. Ich finde dieses verbissen-akribische Herumgeprüfe kleingeistig und überflüssig. Das ist beflissene Korinthenkackerei von Stubenhockern, die es „denen da“ oben mal ordentlich zeigen wollen. Bestimmt haben die in der Schule auch nicht abschreiben lassen und andere verpetzt.
    Habt Ihr Vronis nichts Besseres zu tun? Zum Beispiel die akademische Ausbildung zu verbessern? Wirkliche Skandale aufzudecken oder sich mal die Nazi-Szene vorzunehmen? …
    Eigentlich ist heute ja jede Examens- oder Doktorarbeit verdächtig. Ich rate vorsichtshalber zur Aberkennung sämtlicher akademischer Titel, bis alle das Gegenteil bewiesen haben. Ja, man sollte alles und jeden prüfen. Wir haben ja sonst keine Probleme im Land.
    Ist ja nicht so wild, dass deutsche Banken und Anwälte bei Cum-Cum-Geschäften jahrelang halfen, den Staat um Milliarden zu bescheißen. Ich wüsste nicht, dass man den Finanzminister seinerzeit zum Rücktritt aufforderte, weil er diesen Monster-Betrug zum Schaden der deutschen Steuerzahler nicht verhindert hat.
    So, ich hab’ mich ja hier nun bei den Vronis nicht gerade beliebt gemacht. Jetzt bin ich wohl auch dran. Ich helfe mal: Meine Magisterarbeit hat den Titel „Jugendsprache – ein sondersprachliches Phänomen“. Darin findet man ein paar schöne Wendungen, über die Ihr Euch mal Gedanken machen solltet: Zum Beispiel die schöne Aufforderung: „Hört auf, euch aufzugeilen!“
    Quelle: Stern
  18. Das Letzte – No Deal ist besser als ein Premier Corbyn
    In die Rolle eines heutigen Cromwells fantasiert sich schon Labour-Führer Jeremy Corbyn hinein. Er bietet sich der Mehrheit des Parlaments, die gegen den No Deal ist, als Premierminister einer überparteilichen Notregierung an, wenn sie mit einem Misstrauensvotum Johnson stürzt. Corbyn will eine Verlängerung der Austrittsfrist mit Brüssel aushandeln, ein zweites Referendum über den EU-Austritt organisieren und Neuwahlen ansetzen. Nicht wenige in Europa hoffen, dass damit der Spuk des Brexit gebannt werden könnte.
    In Wahrheit hat jedoch Corbyn keine Chance. Und das ist auch gut so. Der Mann ist ein Linker alter Schule, der mit dem Kapitalismus und der Globalisierung ebenso fremdelt wie mit der Europäischen Union und der Nato. Seine Sympathien gelten seit jeher antiimperialistischen „Befreiungsbewegungen“ einschließlich einiger gegen Israel kämpfenden Terrorgruppen.
    Zu seinem kruden Weltbild passt ein kaum verhüllter Antisemitismus, der sich unter seiner Ägide in der Labour-Party ausgebreitet hat. Parteiinterne Kritiker werden durch das Corbyn-Rollkommando „Momentum“ mundtot gemacht. Solange die „Corbynistas“ Labour im Würgegriff haben, gilt: Labour ist weder satisfaktions- noch regierungsfähig.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Dieser Artikel liefert wieder tiefe Einblicke in die irre Weltsicht der Neoliberalen. Der Vorwurf des Antisemitismus darf dabei nicht fehlen, wenn es darum geht in der Person Jeremy Corbyns einen Politiker zu diffamieren, dem die Interessen der Bürger wichtiger sind als die Interessen der Finanzoligarchie. Es adelt Corbyn aber ungemein, wenn die herrschende Oligarchie eine derartige Angst vor ihm hat. Vor einem Olaf Scholz hingegen muss niemand Angst haben.

    dazu: Jeremy Corbyn Has Called the Extreme Centrists’ Bluff
    With his proposal for a caretaker government to stop a No Deal Brexit, Jeremy Corbyn has finally torn the mask off the hardline Remainers and centrist ultras. They’d rather see Britain crash out of the EU under Boris Johnson than risk departing from neoliberalism under Jeremy Corbyn.
    Quelle: Jacobin


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