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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 20. Oktober 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Nahostexperte zur türkischen Syrien-Offensive: „Den Preis zahlen am Ende wir Europäer“
  2. Was die heutige SPD von ihrem ersten Kanzler lernen kann
  3. Oskar Lafontaine: Parteinachwuchs – Deppen der Rüstungsindustrie
  4. Die Armut im Kleinen
  5. DGB-Verteilungsbericht: Vermögensverteilung extrem ungleich
  6. Geheimtreffen mit Mautfirmen war womöglich rechtswidrig
  7. Ausbau der Windenergie sinkt um 80 Prozent
  8. IWF provoziert Volksaufstand in Ecuador
  9. Militärhaushalt: 50 Mrd. Schallmauer
  10. Steuerfahnder – warum es immer noch zu wenige gibt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nahostexperte zur türkischen Syrien-Offensive: „Den Preis zahlen am Ende wir Europäer“
    Der Nahost-Experte Michael Lüders kritisiert die fehlende Strategie der EU in der Region. […]
    Man glaubt immer noch an ein enges Bündnis mit den USA. Aber das erratische Verhalten von Donald Trump macht es natürlich ratsam, sich einmal zu überlegen, wie kann eine, auch von Washington in Teilen unabhängige sinnvolle Politik der Europäer, der Deutschen aussehen, gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten, gegenüber der Türkei, gegenüber dem Iran. Ein solches Nachdenken findet aber nicht wirklich statt. Man begnügt sich nach wie vor mit der Rolle des Juniorpartners, und das Ergebnis ist dann, dass wir in Deutschland als Ergebnis des Versuches, Assad zu stürzen in Syrien, 800.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben. Das hätte man alles vermeiden können, wenn man vielleicht doch nüchtern sich überlegt hätte, wie sinnvoll ist es, eine Interventionspolitik zu betreiben, wie wir sie in Syrien und anderswo in der Region gesehen haben, im Irak, in Libyen und so weiter. Den Preis zahlen am Ende wir, die Europäer. Und es reicht nicht, letztendlich den Juniorpartner spielen zu wollen und dann sich darüber zu erstaunen und zu empören, dass natürlich Russland, der Iran und das Regime von Baschar al-Assad die großen geostrategischen Gewinner sind dieser Scharaden, die wir jetzt in der Region Tag für Tag neu erleben.
    Müller: Anders herum gefragt. Muss das aus europäischer Sicht ein Nachteil sein, wenn die Russen noch mehr Einfluss und Kontrolle gerade auch in Syrien bekommen?
    Lüders: Im Grunde genommen nicht. Und selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass man das nicht will, weil man die Russen als Widersacher ansieht, muss man nüchtern sagen: Es werden am Ende die Russen sein, die eine Lösung herbeizuführen versuchen. Denn sie sind die einzigen Spielemacher, die zu den Konfliktparteien gleichermaßen gute Beziehungen unterhalten. Die Deutschen nimmt, nüchtern gesehen, niemand mehr ernst, weil sie stets mit moralischem Zeigefinger daherkommen, aber in der Sache nicht liefern. Und Russland hat sehr geschickt, wie auch Erdogan, die Gunst der Stunde erkannt. Erdogan ist zweifelsohne ein sehr gerissener Politiker – und ich sage das nicht als Ausdruck der Anerkennung, sondern nüchtern und analytisch. Er ist ein brillant zu nennender Machiavellist. Er hat genau erkannt: In dem Moment, wo die Amerikaner ihm signalisieren, dass er einmarschieren kann, tut er das auch – wenige Tage später, zum dritten Mal seit 2015. Die beiden vorigen Male haben die Amerikaner ihn noch einigermaßen ausgebremst. Jetzt nicht mehr und jetzt will er allen Ernstes den gesamten Norden Syriens besetzen und die kurdischen Autonomiebestrebungen ein für alle Mal zerschlagen, weil er sie als Bedrohung sieht für eventuelle Autonomiebestrebungen der Kurden im eigenen Land, im Südosten der Türkei.
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu: Modell Syrien – hoffen auf Putin?
    Putin, Russland als Schutzmacht Syriens, kann und wird nach Lage der Dinge für diese neue Konstellation eintreten und sie machtpolitisch garantieren, indem es der Einverleibung der selbstverwalteten Gebiete in den syrischen Staat zustimmt. Angesichts der Grundpositionen Putins, für den „Terrorismus“ und „Separatismus“ gleichermaßen unter das Verdikt der „Regellosigkeit“ fallen, welche die regionale und tendenziell globale Stabilität bedrohen, spricht so leider alles dafür, dass die „Hoffnung auf Putin“, der man nur allzu gern zustimmen möchte, auf ‚Rojava‘ als Bauernopfer im Namen der Erhaltung der Stabilität zusammenschnurrt.
    Die Kurden und alle diejenigen nicht kurdischen Kräfte, die mit der kurdischen Bevölkerung zusammen mitten im Bürgerkriegschaos, im Zentrum terroristischer Brutalität, und einem um sie herum tobenden Stellvertreterkrieg der globalen Mächte, den Ansatz zu einer selbstverwalteten, emanzipatorischen, zudem noch wesentlich von Frauen getragenen Gesellschaft gewagt haben, werden sich unter den Schutz dieser von Russland garantierten Stabilität, das heißt, des heute herrschenden Credos vom einheitlichen Nationalstaat begeben müssen – um nicht erneut Opfer des Terrorismus zu werden, sei es von unten oder von oben. Darin liegt eine Chance für sie, denn Stabilität ist besser als Krieg. Das eigentliche Modell aber, auf dem ihre Hoffnung und die all derer liegt, die den Zukunftskeim dieses Experimentes erkannt haben, ist nicht diese Stabilität, sondern deren Überwindung.
    Quelle: Kai Ehlers

    dazu auch: Kurden werden arbeitsteilig vertrieben
    Die Türkei verstösst mit ihrem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die kurdischen StaatsbürgerInnen Syriens auf syrischem Territorium nicht nur gegen die UNO-Charta sondern auch gegen den NATO-Vertrag. Die syrische Regierung von Präsident Assad darf zur Abwehr der völkerrechtswidrigen Invasion der Türkei und zum Schutz ihrer kurdischen StaatsbürgerInnen unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UNO-Charta legitimerweise militärische Mittel einsetzen. Sie dürfte sogar andere Länder um militärischen Beistand bitten. Das wäre – außer vielleicht in der wilden Phantasie des türkischen Präsidenten Erdogan – kein bewaffneter Angriff Syriens auf das NATO-Mitglied Türkei, der die Voraussetzungen der Beistandspflicht nach Artikel 5 des NATO-Vertrages erfüllen würde. Selbst dann nicht, wenn die syrischen Streitkräfte bei der Abwehr der Invasion militärische Ziele auf türkischem Territorium beschießen oder dieses Territorium zeitweise betreten würden. Nach einer ersten Phase der militärischen Selbstverteidigung müsste die Regierung Assad nach den Regeln des Völkerrechts dann allerdings den UNO-Sicherheitsrat um Beistand anrufen.
    So weit wird es allerdings mit allergrösster Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Die syrischen Streitkräfte werden voraussichtlich nicht einmal aktiv gegen die hoch überlegenen türkischen Invasionstruppen vorgehen, um diese in die Türkei zurückzudrängen, sondern sich auf den Versuch beschränken, den weiteren Vormarsch dieser Truppen zu stoppen.
    Quelle: Infosperber

  2. Was die heutige SPD von ihrem ersten Kanzler lernen kann
    Allgemein ist bekannt, dass die SPD gegenwärtig und schon seit längerer Zeit in einer Krise steckt. Doch das war nicht immer so. Im Oktober 1969 feierte die Partei ihren wohl größten Erfolg: Die Sozialdemokraten stellten zum ersten Mal den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
    Willy Brandt, der einstige Regierende Bürgermeister West-Berlins und dann Bundesaußenminister, war durchaus umstritten, als er am 21. Oktober 1969 zum Regierungschef gewählt wurde. SPD und FDP bildeten eine Koalition und verfügten über eine knappe Mehrheit von zwölf Sitzen im Bundestag. „Es war keine stabile Regierung“, sagt Bernd Rother, der Historiker der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung: „Aber es war eine mutige.“
    Die Regierung Brandt stand für demokratischen Aufbruch und Veränderung. Seine „Neue Ostpolitik“ ist in die Geschichte eingegangen. Dabei gerät jedoch die reformerische Innenpolitik manchmal in den Hintergrund. „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ war der Leitspruch seiner Kanzlerschaft.
    Die sozialliberale Koalition senkte das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre und setzte Reformen in Bildungs-, Sozial- und Rechtspolitik durch. Sie führte neben Leistungsverbesserungen bei Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung auch das Bildungsförderungsgesetz ein, besser bekannt als BAföG. Chancengleichheit war Brandt wichtig; Kinder einkommensschwacher Familien sollten finanziell unterstützt werden. Zudem steigerte sein Kabinett die allgemeinen Ausgaben für Bildung. (…)
    Schon im Wahlkampf 1969 hatte Brandt die Umwelt beschäftigt – lange bevor Begriffe wie Umweltschutz oder Umweltpolitik gängig wurden, stellte dieses Thema einen Teil seiner Kampagne dar. (…) Mit Brandt begann das umweltpolitischen Denken Deutschlands – es ist daher nicht übertrieben, den vierten Bundeskanzler als Avantgardisten der Umweltpolitik zu bezeichnen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein bemerkenswert informativer Artikel in der „Welt“.

  3. Oskar Lafontaine: Parteinachwuchs – Deppen der Rüstungsindustrie
    Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zwar mit stehendem Applaus empfangen, aber es herrschte keine „Stadion-Atmosphäre wie bei Merz“. Ihre Rede wurde von vielen Delegierten gelobt, „vor allem das Bekenntnis zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr und zum Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben gefällt dem Parteinachwuchs“, schreibt die „Saarbrücker Zeitung“.
    Welch eine Veränderung. Waren in der Zeit der Entspannungspolitik vor allem die Nachwuchspolitiker der verschiedenen Parteien für Abrüstung und für eine Senkung der Militärausgaben, so ist jetzt die Jugendorganisation der „christlichen“ Parteien CDU/CSU für eine gewaltige Aufrüstung. Sie denken wohl, Aufrüstung sei ein Beitrag zum Umweltschutz – “weapons for future”.
    Und das, obwohl allein die USA im vergangenen Jahr laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri 649 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben hat, mehr als zehnmal soviel wie Russland (61,4 Milliarden). Die 29 NATO-Staaten zusammen haben insgesamt 963 Milliarden Dollar für Kriege und Rüstung bereitgestellt, darunter Frankreich 63,8 Milliarden, und Deutschland 49,5 Milliarden. Es fehlen einem die Worte.
    Eine außenpolitisch unerfahrene Verteidigungsministerin plappert der Trump-Administration kritiklos alles nach und der Parteinachwuchs der CDU/CSU ist politisch so unbedarft und uninformiert, dass er diesen Irrsinn, die deutschen Verteidigungsausgaben um weitere rund 40 Milliarden zu erhöhen, bejubelt.
    Die Rüstungsindustrie in aller Welt lässt die Champagner-Korken knallen und in den Kriegen, in die die Deutschen Waffen liefern, werden jeden Tag Menschen umgebracht.
    Die Deppen der Rüstungsindustrie sterben nicht aus. Es ist zum Verzweifeln. Welcher Zukunft sehen wir entgegen, wenn das der politische Nachwuchs ist?
    Quelle: Oskar Lafontaine via facebook
  4. Die Armut im Kleinen
    Den sogenannten Wirtschaftsnobelpreis bekommen in diesem Jahr drei ArmutsforscherInnen. Ihre Methoden haben leider Grenzen.
    Der sogenannte Nobelpreis für Ökonomie ist berühmt-berüchtigt. Er ist kein „echter“ Nobelpreis, sondern wurde 1969 von der schwedischen Reichsbank erfunden, um neoliberale Theorien aufzuwerten. Nicht immer, aber oft wurde haarsträubender Unsinn prämiert.
    Der sogenannte Nobelpreis für Ökonomie ist berühmt-berüchtigt. Er ist kein „echter“ Nobelpreis, sondern wurde 1969 von der schwedischen Reichsbank erfunden, um neoliberale Theorien aufzuwerten. Nicht immer, aber oft wurde haarsträubender Unsinn prämiert.
    In diesem Jahr gehen die Nobelpreise in Ordnung – wenn man akzeptiert, dass sowieso nur Mainstream-Ökonomen eine Chance haben, die von den richtigen US-Universitäten stammen und die richtigen Doktorväter hatten. Der Nobelpreis für Wirtschaft ist ein Zitationskartell.
    Ausgezeichnet wurden diesmal die Französin Esther Duflo, ihr indischer Ehemann Abhijit Banerjee sowie der Amerikaner Michael Kremer. Duflo und Banerjee lehren am MIT, Kremer in Harvard. Alle drei PreisträgerInnen arbeiten am gleichen Projekt: In armen Ländern des globalen Südens führen sie aufwendige Experimente mit Versuchspersonen durch, um zu ermitteln, wie sich Entwicklungshilfe optimieren lässt.
    So konnten die drei ÖkonomInnen zeigen, dass Mikrokredite wenig bringen oder dass die Impfrate indischer Kinder steigt, wenn man ihren Eltern ein Kilo Linsen verspricht. Allerdings klingen viele Erkenntnisse banal, die nun den Nobelpreis begründen sollen. Unter anderem wurden Duflo und Banerjee prämiert, weil sie in einem Projekt in Indien herausgefunden hätten, dass „Schüler umso schlechter lernen, je weniger ihr Vorwissen zu den Anforderungen des Lehrers passt“. Übersetzt: Es bringt nichts, Kinder zu überfordern. Die meisten Pädagogen dürften das längst wissen.
    Quelle: Ulrike Herrmann in der taz

    Anmerkung JK: Ulrike Herrmann weißt zu recht darauf hin, dass der sogenannte „Wirtschaftsnobelpreis“ in der Vergangenheit oft genug zur Durchsetzung der neoliberalen Ideologie benutzt wurde. Ökonomen die Kritik am neoliberalen Mainstream üben wird man also auch in Zukunft unter den Preisträgern nicht finden.

    dazu: Warum die experimentelle Entwicklungsökonomik den Nobelpreis nicht verdient
    Das Auswahlkomitee der Schwedischen Akademie der Wissenschaften für den Ökonomie-Nobelpreis ist seinem Faible für neoliberale, Chicago-Style Ökonomik treu geblieben. Den Preis bekommen Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer. Bei deren Forschung geht es darum, Entwicklungspolitik, die darauf abzielt, Volkswirtschaften zu entwickeln, zu ersetzen durch Maßnahmen, die die Produktivität von Individuen erhöhen. Außerhalb des Auswahlkomitees ist der Hype um die von den dreien populär gemachte experimentelle Entwicklungsökonomik längst der Kritik gewichen. Aus gegebenem Anlass hier noch einmal, was ich darüber vor über einem Jahr schrieb.
    Wer heute als Entwicklungsökonom erfolgreich sein möchte, sollte tunlichst mit “randomisierten Kontrollversuchen” (RCTs) arbeiten. Das sind experimentelle Wirkungsanalysen nach dem Vorbild der medizinischen Forschung. Dabei wird die eine Gruppe “behandelt” und gleichzeitig eine vergleichbare “nicht behandelte” Kontrollgruppe beobachtet. Zum Beispiel werden den Bauern in verschiedenen Dörfern unterschiedliche Varianten von Versicherungen gegen Ernteausfälle angeboten, in anderen Dörfern wird keine Versicherung angeboten. Ziel ist es in diesem Fall herauszufinden, wie man die Bauern dazu bringen kann, mehr Kunstdünger zu kaufen und auszubringen.
    So soll ermittelt werden, “was funktioniert” und was nicht. Denn es gab und gibt viel Enttäuschung darüber, dass sich in vielen Ländern trotz der Entwicklungshilfe wenig nachhaltige Armutsverminderung erkennen lässt. Diese Enttäuschung war der Nährboden für die sehr schnelle Verbreitung von RCTs in der Entwicklungsforschung und – politik.
    Quelle: Norbert Häring

  5. DGB-Verteilungsbericht: Vermögensverteilung extrem ungleich
    Vermögen sind in Deutschland extrem ungleich verteilt: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über fast zwei Drittel (64%) des gesamten Nettovermögens. 30 Prozent der Erwachsenen Bevölkerung haben hingegen so gut wie gar kein Vermögen oder gar Schulden. Das ist ein Ergebnis des DGB-Verteilungsberichts. “Gegen die zunehmende Ungleichheit brauchen wir endlich wirksame Maßnahmen”, fordert DGB-Vorstand Stefan Körzell.
    “Die aktuellen Debatten in Deutschland zeigen: Immer größere Bevölkerungsteile wünschen sich eine gerechtere und solidarische Gesellschaft. Wenn die Politik eine weitere Spaltung der Gesellschaft verhindern will, muss sie dieses Thema schnell angehen”, so Körzell.
    Tarifverträge wichtiges Instrument gegen Einkommens-Ungleichheit
    “Das wichtigste Instrument gegen die Einkommens-Ungleichheit sind Tarifverträge sowie eine allgemein hohe Tarifbindung”, erklärt Körzell. “Die Politik darf darüber nicht nur reden. Sie muss endlich bessere Rahmenbedingungen schaffen: Öffentliche Aufträge sollten nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen. Der Bund und die Länder müssen endlich mit entsprechenden Vergabegesetzen dafür sorgen. Überdies sollte der Gesetzgeber es ermöglichen, Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich zu erklären.”
    Verteilungsgerechtigkeit spielt auch bei Debatte um Klimawandel wichtige Rolle
    “Auch bei der Debatte um den Klimawandel muss das Thema Verteilungsgerechtigkeit eine gewichtige Rolle spielen”, so Körzell. “Zum einen sind es die Vermögenden, die sich am besten gegen Stürme, Hitze und Überflutungen schützen können. Zum anderen sind es vor allem die Reichen, die mit ihrem Lebensstil für deutlich mehr CO2-Emmissionen verantwortlich sind. Fakt ist: Ein wirkungsvoller Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn der Staat durch Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge erst die Alternativen schafft, die einen Wandel des Lebensstils ermöglichen. Dabei dürfen die ländlichen Räume nicht gegen die urbanen Zentren ausgespielt werden.”
    DGB-Vorstand Körzell: Vermögensteuer und Erbschaftssteuer wieder einführen
    Körzell fordert außerdem, die Vermögensteuer und die Erbschaftssteuer wieder einzuführen. Ein gerechter Strukturwandel und eine sozial verträgliche Transformation der Wirtschaft könne nur gelingen, wenn Reiche und Vermögende stärker dazu beitragen. Und: “Eine umfassende Finanztransaktionssteuer, die den Namen auch verdient, ist seit Jahren überfällig. Sie würde nicht nur mehr Stabilität in die internationalen Finanz- und Kapitalmärkte bringen, sondern auch notwendige Gelder für öffentliche Investitionen bedeuten.”
    Quelle: DGB

    Anmerkung Christian Reimann: Vor allem die “christlichen” Unionsparteien und die SPD, die in den letzten Jahren regiert haben, haben diese ungerechte Verteilung zu verantworten. Sie haben eine neoliberale Politik zugunsten von Unternehmen und Vermögenden betrieben. Vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz könnte nun zeigen, dass er auch zu einer Politik für die Bevölkerungsmehrheit in der Lage ist – Erbschafts- und Vermögenssteuer werden genannt. Die Bekämpfung der Geldwäsche wäre eine weitere Maßnahme – lesen Sie dazu bitte auch Steuerfahnder – warum es immer noch zu wenige gibt.

  6. Geheimtreffen mit Mautfirmen war womöglich rechtswidrig
    Verkehrsminister Scheuer traf sich nach SPIEGEL-Informationen am 3. Oktober 2018 mit der späteren Maut-Betreiberfirma Kapsch am Berliner Flughafen zum Gespräch – während das Bewerbungsverfahren für das Projekt noch lief. (…)
    Der Vergaberechtler Norbert Dippel, der lange Zeit bei einem bundeseigenen Unternehmen gearbeitet hat, sieht in dem diskreten Treffen einen möglichen Verstoß gegen das Vergaberecht.
    “Grundsätzlich findet in einem laufenden Vergabeverfahren die Kommunikation ausschließlich zwischen der Vergabestelle des Ministeriums und den Bieterunternehmen statt. Derartige Parallelgespräche bergen immer die Gefahr, dass außerhalb des Vergabeverfahrens angebotsrelevante Informationen ausgetauscht werden”, sagt Dippel.
    “Aus Sicht des Auftraggebers wäre dies ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Aus Sicht des Unternehmens könnte dies als rechtswidriger Versuch gewertet werden, sich vertrauliche Informationen zu beschaffen”, fährt Dippel fort.
    Ein weiterer Vergaberechtler, mit dem der SPIEGEL gesprochen hat, teilt die Bedenken. Er wollte anonym bleiben.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: Scheuer räumt explodierende Beraterkosten ein
    Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) räumt ein, dass die Beraterkosten für die Reform der Fernstraßenverwaltung und den Aufbau der Bundesautobahn GmbH mehr als das Dreifache der ursprünglichen Planungen ausmachen. Bis 2021 würden sich die Kosten auf 86 Millionen Euro belaufen, sagte Scheuer der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag).
    Ursprünglich war das Ministerium von 24 Millionen Euro ausgegangen. Inzwischen seien drei der vier Rahmenverträge für die Beratung einvernehmlich beendet worden, heißt es im Ministerium. Ein besseres Controlling sei bereits eingeführt.
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Andreas Scheuer in der Spur von Ursula von der Leyen.

    Anmerkung Christian Reimann: Herr Scheuer sollte nun selbst erkennen, dass er als Bundesminister ungeeignet ist. Erinnert sei daran, dass es bei der Maut-Diskussion nicht um die CSU, sondern um künftige Privatisierungen in großem Maßstab geht.

  7. Ausbau der Windenergie sinkt um 80 Prozent
    Die Krise der deutschen Windindustrie verschärft sich. Bis Ende September lag der Ausbau nach SPIEGEL-Informationen weit unter dem Durchschnitt. Eine Besserung der Lage ist kaum in Sicht. (…) Die Flaute dürfte sich fortsetzen: Denn auch die Genehmigungen für neue Anlagen sind laut der Analyse im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt um 47 Prozent eingebrochen. Insgesamt wurden demnach bis Ende September nur 304 neue Anlagen mit einer Leistung von 1162 Megawatt zugelassen. Die Zahl der Genehmigungen ist zudem bereits seit 2017 stark rückläufig. Da von der Zulassung bis zum Bau einer Windturbine oft mehrere Jahre vergehen, dürfte der Ausbau der Windenergie auf Sicht eher niedrig bleiben.
    Der stockende Ausbau steht im Widerspruch zu den Plänen der Bundesregierung, bis 2030 mindestens 65 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien zu decken – vor allem durch Windenergie an Land, der bislang wichtigsten Ökostromquelle. Laut dem Klimaschutzprogramm, das am Mittwoch im Kabinett verabschiedet wurde, will die Bundesregierung die installierte Leistung der Windenergie bis 2030 um 14 bis 18 Gigawatt steigern. Mit der derzeitigen Ausbaustrategie ist das laut Quentin kaum zu schaffen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Dazu passt unser Hinweis auf die aktuellste Ausgabe der ZDF-“Anstalt“: Skript (=„Buch“) und Link zur Anstalt-Sendung „Klimagipfel“. Es wird auch erklärt, warum der Ausbau der Windenergie so stark gesunken ist – sehenswert und nachlesbar.

  8. IWF provoziert Volksaufstand in Ecuador
    Ecuador erlebt derzeit einen Sozialaufstand gegen eine neoliberale Kahlschlagpolitik, wie ihn Lateinamerika seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Während Hunderttausende gegen Präsident Lenín Moreno auf die Straßen gehen, zeichnen die mehrheitlich von der Regierung kontrollierten oder die ihr nahestehenden Medien ein komplett anderes Bild. Es gebe keine legitimen Proteste, heißt es da, und: Die Demonstrationen seien von Venezuela aus gesteuert. Dieses Narrativ der Regierung prägt auch die internationale Berichterstattung. Die Bundesregierung, bei Venezuela auf Pressefreiheit und oppositionelle Rechte bedacht, schweigt trotz zunehmender Repression.
    Ursache für die schwere Krise sind Zugeständnisse der Regierung von Präsident Lenín Moreno an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach der Streichung von staatlichen Subventionen auf Treibstoff und weiteren Kürzungsmaßnahmen kam es zu landesweiten Protesten, in deren Verlauf mehrere Menschen starben und hunderte Personen festgenommen wurden.
    Angeheizt werden die Proteste durch eine allgemeine wirtschaftliche Krise des Landes. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ecuadors ist im zweiten Quartal dieses Jahres nur um 0,3 Prozent gestiegen. Zugleich besteht die Regierung Moreno auf ein Sparprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Dieses Strukturanpassungsprogramm, das in Ecuador als “el paquetazo” bekannt wurde, ist Teil einer Vereinbarung mit dem IWF, der im Gegenzug Kredite in Höhe von gut 4,2 Milliarden US-Dollar gewährt hat.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Generalstreik in Ecuador – Nach IWF-Kreditschock tobt der Volksaufstand und Regierung flüchtet von Quito nach Guayaquil.

    dazu: Straßen in Ecuador werden gereinigt, Parteien und Presse politisch gesäubert
    Festnahmen und Exilierung von Opposition in Ecuador gehen weiter. Repression sorgt für zunehmenden Widerspruch
    Mexiko hat im Zuge der politischen Krise in Ecuador inzwischen ein gutes halbes Dutzend Oppositionsvertreter in seiner Botschaft in Quito aufgenommen, um sie vor politischer Verfolgung zu schützen. […]
    Bereits seit dem 12. Oktober hält sich die Abgeordnete Gabriela Rivadeneira in der mexikanischen Botschaft in Quito auf. Mexiko bekräftigt mit dieser Asylpolitik nach eigenen Angaben sein “Engagement zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte aller Menschen, unabhängig von ihrer politischen Orientierung”. Die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador reagiert damit auf zunehmende Repression in Ecuador gegen Anhänger des ehemaligen Präsidenten (2007-2017) Rafael Correa, einem harschen Kritiker seines Amtsnachfolgers Lenín Moreno. Der Verdacht: Während nach zwölf Tagen heftiger Proteste gegen ein neoliberales Maßnahmenpaket die Straßen in Ecuador gereinigt werden, setzt die Moreno-Führung mit Hilfe der Polizei und einer willfährigen Justiz zu politischen Säuberungen an.
    Quelle: amerika21

    Anmerkung unseres Lesers G.R.: Hat sich dazu schon unsere Bundesregierung geäußert? Was wäre wohl wieder los, wenn es sich um Venezuela handeln würde?

    dazu: Militär in Ecuador übernimmt Kontrolle (14. Oktober 2019)
    Quelle: Telepolis

    und: Volksaufstand in Ecuador erzwingt Rücknahme von IWF-Reformen (14. Oktober 2019)
    Quelle: Telepolis

  9. Militärhaushalt: 50 Mrd. Schallmauer
    „Traditionell“ sind die von der NATO erfassten Ausgaben höher als der offizielle deutsche Rüstungsetat, da in sie Posten einfließen, die die Bundesregierung herausrechnet. Während der Haushalt 2019 offiziell 43,2 Mrd. Euro betrug, waren es laut NATO 47,62 Mrd. Euro. Im nächsten Jahr soll er noch einmal deutlich steigen und die „magische“ Grenze von 50 Mrd. übersteigen, berichtet Zeit Online: „Die deutschen Verteidigungsausgaben könnten im kommenden Jahr erstmals auf mehr als 50 Milliarden Euro steigen. Der Nato sollen für das Bündnis relevante Investitionen und Kosten in Höhe von voraussichtlich 50,36 Milliarden Euro gemeldet werden. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Nato-Kreisen in Brüssel, Militärkreise in Berlin bestätigten der dpa die Zahlen.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Dafür hat Bundesfinanzminister und Möchtegern-SPD-Chef Scholz und die gesamte schwarz-rote Koalition offenbar Geld. Aber wenn es um mehr Geld z.B. für die Existenzsicherung, marode Infrastruktur oder armutsfeste Rente geht, wird u.a. auf die Schuldenbremse verwiesen. Wie passt das eigentlich zusammen? Das ist doch Wahnsinn.

  10. Steuerfahnder – warum es immer noch zu wenige gibt
    Thomas Eigenthaler, Vorsitzender Deutsche Steuergewerkschaft: “Wir müssten eigentlich alle drei Jahre bei den Firmen vorbeischauen. Das machen wir vielleicht bei den ganz großen Unternehmen, aber bei mittelgroßen Unternehmen kommen wir nur alle 15 Jahre, und bei kleinen Unternehmen kann es 50 Jahre im Schnitt dauern, bis das Finanzamt zu einer Steuerprüfung kommt. Im Grunde ist das ein Skandal.”
    Fortsetzung bei den Vermögenden: Die Bäderkönige Zwick – vor dreißig Jahren beste Freunde der bayerischen CSU. Da brauchten Finanzbeamte schon viel Mut, um sie vor Gericht zu bringen.
    2008 Durchsuchung bei Postchef Klaus Zumwinckel. Er hatte Geld in Liechtenstein versteckt.
    Uli Hoeneß musste ins Gefängnis. Rund 28 Millionen Euro hatte er dem Fiskus verschwiegen.
    Im April 2016 die so genannten Panama Papers. Großverdiener und Unternehmen hatten Briefkastenfirmen in der ganzen Welt verteilt.
    Aber lange war die Politik äußerst zurückhaltend, genau hinzuschauen. Erst Norbert Walter-Borjans hatte als NRW-Finanzminister den Ankauf von Steuer-CDs maßgeblich durchgesetzt und damit Milliarden an hinterzogenen Steuern hereingeholt. Gegen den Widerstand von Unternehmern, Politikern und Boulevard-Presse.
    Norbert Walter-Borjans, ehem. Finanzminister NRW: “Deutschland ist nach wie vor ein Paradies für Geldwäsche. Es gibt massenhaft Verdachtsfälle von Banken, denen die zuständigen Behörden, in dem Fall der Zoll, nicht nachkommen können, weil sie unterausgestattet sind mit Personal. Das führt dazu, dass wir in Deutschland ungefähr einhundert Milliarden Euro an schmutzigem Geld haben, was investiert wird und runde 20 bis 30 Milliarden davon in Immobilien, die dann in engen Märkten, wie in Berlin, dazu führen, dass die Mieten explodieren und Normalverdiener überhaupt keine Wohnungen mehr finden.”
    Die Steuer-Misere zeigt sich auch in diesem Papier: Der Antwort des bisher sehr verschlossenen Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken. Es werden immer weniger Betriebe geprüft, inzwischen unter zweihunderttausend.
    Da verwundert es nicht, dass auch die dadurch gefundenen Einnahmen stark gesunken sind. Obwohl die Wirtschaft boomt.
    Werden die Unternehmen und Großverdiener ehrlicher? Im digitalen Zeitalter ist es sicher schwerer, Geld zu verstecken. Aber vor allem fehlt es am passenden Personal in den Finanzbehörden, meinen die Experten vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
    Quelle: plusminus


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