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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 4. Februar 2020 um 8:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Riester-Rente vor dem Aus? So sieht die Debatte um gute Altersvorsorge in der SPD aus
  2. Belmarsh Prisoners Show Duty to Civil Disobedience
  3. Geringverdiener und Mittelschicht füllen Sozialkassen
  4. Das Steuersystem muss völlig neu justiert werden
  5. Umverteilung von unten nach oben: Unternehmen profitieren stärker als Mitarbeiter
  6. Wem nutzt eine solche Gewerkschaft?
  7. Der verschwiegene gefährliche Generalstreik
  8. Börsennotierte Unternehmen bauen kräftig Lehrstellen ab
  9. 100 Jahre Betriebsrätegesetz heißt 100 Jahre Kampf für bessere Arbeitsbedingungen
  10. Verdeckte Altersarmut
  11. Oma Anneli liefert ab – und zwar Pakete
  12. Agrarministerin Klöckner – Mit heißer Luft gegen billige Lebensmittel
  13. Hitlers nützliche Idioten
  14. Klassenhass: Porsche und Parasiten
  15. Falsche Begeisterung
  16. Wir sollten uns an nuklearer Abschreckung beteiligen
  17. Die Apokalypse findet nicht statt
  18. Mehr Freiheit! Gleichheit! Verantwortlichkeit!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Riester-Rente vor dem Aus? So sieht die Debatte um gute Altersvorsorge in der SPD aus
    Die gesetzliche Rente so stärken, dass private Vorsorge nicht mehr notwendig ist, so lautet der Plan der SPD. Aber was passiert mit den rund 16 Millionen Riester-Verträgen? Wie kann eine Alternative dazu aussehen? Darauf antwortet der SPD-Politiker Ralf Kapschack im Interview.
    Die andauernde Niedrigzinsphase schafft Unsicherheit für alle, die über eine private Altersvorsorge versuchen, das sinkende Rentenniveau aufzufangen. Ist diese Sorge berechtigt?
    Kapitalmarktprodukte sind immer mit einer Unsicherheit behaftet. Sie bieten eine Menge Chancen, aber eben auch Risiken. Deshalb bin ich der Meinung, dass jede und jeder, der es kann und will, auch privat vorsorgen sollte. Aber: Es sollte nicht zwingend erforderlich sein, um im Alter über die Runden zu kommen. Dies ist ein ganz entscheidender Punkt, der von der Rentenkommission des Parteivorstandes auch formuliert wurde: Private Altersvorsorge soll nicht ein sinkendes Rentenniveau ausgleichen.
    Aber war nicht genau das der Plan von Riester und Co?
    So war es gedacht. Aber es funktioniert nicht. Man muss zur Ehrenrettung von Walter Riester sagen, dass es damals ein anderes Zinsniveau gab. Zudem gab es die Vorstellung, es obligatorisch einzuführen, jede und jeder sollte verpflichtet werden, privat vorzusorgen, um das sinkende Rentenniveau auszugleichen. Die Idee war, dass die Rente höher ausfallen würde als mit einem gleichbleibenden Rentenniveau. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen.
    Deshalb sind wir heute in der Rentenkommission der Meinung, dass die gesetzliche Rente zur Sicherung des Lebensstandards reichen muss, ohne dass man allzu große Einschränkungen hat. […]
    Es gibt allerdings Überlegungen – und diese Forderung ist auch im Koalitionsvertrag enthalten – ein sogenanntes Standardprodukt einzuführen. Ziel ist, dass man sich nicht mehr wie jetzt beim Riester-Produkt zwischen 150 verschiedenen Vertragsvarianten entscheiden muss. Diese Angebote sollten einfach, sicher, transparent und kostengünstig sein.
    Quelle: Vorwärts

    Anmerkung Jens Berger: Der Begriff „Standardprodukt“ lässt aufhorchen. Mit dieser Bezeichnung wird nämlich das sogenannte PEPP-Modell auf europäischer Ebene beworben. PEPP ist eine Idee von BlackRock und ist vergleichbar mit einem passiven Aktienindexfonds, der zwar in der Tat deutliche Gebührenvorteile gegenüber Riester und Co. hat, aber dafür keine Garantie für die Rückzahlung der Beiträge bietet, wenn die Kapitalmärkte sich negativ entwickeln sollten. Für ein staatlich gefördertes Altersvorsorgemodell ist es daher nicht geeignet, wenn man nicht das Risiko in Kauf nehmen will, dass die zweite Säule der Altersvorsorge auch wegbrechen kann.

  2. Belmarsh Prisoners Show Duty to Civil Disobedience
    For those who are willing to look closely, it is clear that Assange’s U.S. extradition case is politically motivated. In May 2019, Nils Melzer, the United Nations special rapporteur on torture, called out Western governments’ abuse of power:
    “In 20 years of working with war victims, violence and political persecution, I have never seen a group of democratic states unite to deliberately isolate, demonize and abuse a single individual for so long a time and with such little respect for human dignity and status of rights. Julian Assange’s collective persecution must end here and now!”
    From the Westminster Magistrates’ Court to Belmarsh prison, amidst a lack of media coverage, the injustice of the U.K. government against the WikiLeaks publisher has been allowed to continue.
    The unfair treatment by the government includes the restriction of Assange’s access to legal counsel, making it hard for him to adequately prepare for his defense. The most concerning issue is the prison authorities’ treatment of Assange, subjecting him to what amounts to psychological torture, as was indicated by Melzer and medical doctors.
    Quelle: consortium news
  3. Geringverdiener und Mittelschicht füllen Sozialkassen
    Nicht nur das deutsche Steuersystem, sondern auch die Sozialversicherungen spiegeln die gesellschaftliche Spaltung des Landes. Wie das Bundesarbeitsministerium auf eine Anfrage der Linkspartei mitteilte, finanzieren Geringverdiener und die Mittelschicht den Hauptteil des deutschen Sozialstaats. Arbeitnehmer mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis 70 000 Euro tragen 81 Prozent der Sozialabgaben, während ihr Anteil am Gesamteinkommen bei knapp zwei Dritteln und damit deutlich darunter liegt. Arbeitnehmer, die über mehr als 110 000 Euro Jahreseinkommen verfügen, tragen nur rund fünf Prozent der Sozialabgaben, obwohl sie über 22 Prozent des Gesamteinkommens verfügen. Die Antwort liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
    Für die Linkspartei sind diese Zahlen erneut Anlass zu heftiger Kritik an der Finanzierung des Sozialstaates. “Unser Steuer- und Abgabensystem ist das Faxgerät unseres Landes: Völlig verstaubt und aus der Zeit gefallen”, sagte der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch. Es sei ungerecht, dass Sozialstaat und Gemeinwesen überproportional von kleinen und mittlere Einkommen finanziert werden müssten. Bartsch forderte eine “Generalüberholung” des gesamten Systems: “Wir brauchen Steuersenkungen für Geringverdiener und die Mittelschicht und gleichzeitig höhere Steuern für Top-Verdiener und die deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialkassen.”
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Für Die Mehrheit der arbeitenden Mensch ist dies nichts Neues. Sie machen diese schmerzliche Erfahrung jeden Monat mit dem Blick auf ihre Gehaltsabrechnung. Besonders stark betroffen sind dabei kinderlose Singles, die faktische die Hälfte ihres Einkommens an den Staat überweisen dürfen. Gut dass dies zum wiederholten Mal offiziell festgestellt wird. Ändern wird sich daran wohl nichts, da sich die Parteien der neoliberalen Mitte mehr denn je allein der oberen Mittelschicht verpflichtet fühlen.

    dazu: Höchste Zeit, die Mittelschicht zu entlasten
    Die Koalition lässt zu, dass die Mittelschicht zu stark mit Steuern und Abgaben belastet wird. Fast zwei Millionen Beschäftigte zahlen den Spitzensteuersatz auf Teile ihres Gehalts, obwohl das bei nur 5000 bis 7000 Euro liegt – brutto. Früher war dieser Top-Tarif für jene reserviert, die top verdienten. Insgesamt achtet die Politik nicht genug auf die Mitte. Die weniger verdienenden 70 Prozent der Bevölkerung müssen mehr an den Staat abgeben als vor 20 Jahren, während Reiche massiv entlastet wurden.
    Kompass für die Mitte geht verloren
    Nötig wäre ein Kraftakt: weniger Steuern für die Mittelschicht, weniger Sozialabgaben für Geringverdiener. Doch Union und SPD scheuen einen derartigen Kraftakt. Ausgerechnet so gegensätzliche Parteien wie FDP und Linke fordern nun gemeinsam, die Mittelschicht besserzustellen. Dieses erstaunliche Bündnis zeigt, dass die angeschlagenen Volksparteien der Regierung ihren Kompass für die Mitte verlieren. Das könnte der AfD in die Hände spielen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Hagelüken als Mitglied des stramm marktradikalen Wirtschaftsressorts der SZ kann natürlich nicht anders als die neoliberale Agenda 2010 Gerhard Schröders in völliger Verdrehung ihrer Folgen, die überproportional Entlastung der Vermögens- und Kapitaleinkommen, die er nun beklagt, zu loben. Bemerkenswert ist aber allemal, dass nun sogar Neoliberale für höhere Steuern für plädieren.

  4. Das Steuersystem muss völlig neu justiert werden
    Mittlere Einkommen schröpft der Staat mehr denn je. Die höchsten schont er, relativ betrachtet. So klagen viele. Aber was tun: Steuern senken oder Steuern erhöhen? Sowohl als auch, meint der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck.
    Deutschlandfunk Kultur: Scholz beruft sich ja auch darauf, dass der Solidaritätszuschlag für weite Teile der Steuerzahler wegfallen wird, für 96,5 Prozent, ab 2021. Und man könne auch darüber reden, das vielleicht vorzuziehen. Ist das nicht eine Form der Entlastung, die hilft? Oder muss man umgekehrt argumentieren und sagen: Ja, aber die verbleibenden dreieinhalb Prozent, die dann weiter den Soli zahlen müssen, die sind immerhin für die Hälfte des Aufkommens insgesamt verantwortlich.
    Flassbeck: Mit solchen Rechnungen muss man immer vorsichtig sein – „mit der Hälfte des Aufkommens“. Das sind eben extrem reiche Leute. Deswegen haben die die Hälfte des Aufkommens. Also, das ist noch keine Leistung, die Hälfte des Aufkommens zu stemmen als drei Prozent, sondern das zeigt, wie extrem reich die sind.
    Generell, klar, generell wäre das eine Entlastung, die man machen kann. Wie gesagt, man muss dann wieder die Verteilungswirkung im Einzelnen genau anschauen. Das ist immer bei solchen Maßnahmen so. Und man wird dann auch sehen, dass das natürlich, wie gesagt, die unteren Einkommen kaum entlastet, weil die kaum Soli bezahlen oder schon gar nicht mehr bezahlen. Man kann das machen mit dem Soli. Der Staat hat im Moment so viel Geld, dass er das auch machen kann.
    Aber es gäbe Maßnahmen, die sicher noch weiter unten viel besser greifen würden. Ich denke zum Beispiel an eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Warum redet man darüber nicht mal? Das würde wirklich ganz vielen Leuten, ein paar Millionen in Deutschland, unmittelbar zugutekommen. Das ist ein absolutes Tabu. Man redet gern über Steuersenkung, aber darüber, dass man zum Beispiel ein vernünftiges Grundeinkommen den Menschen gibt – nicht bedingungslos, aber ein vernünftiges bedingtes Grundeinkommen denen, die Pech hatten oder die am unteren Ende sind. Darüber redet man praktisch nicht.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Ein sehr ausführliches Interview, aber man sollte sich die Zeit nehmen es bis zum Ende zu lesen oder anzuhören.

  5. Umverteilung von unten nach oben: Unternehmen profitieren stärker als Mitarbeiter
    Traditionell haben Branchen und Unternehmen mit hohen Gewinnen je Arbeitnehmer auch besonders hohe Löhne bezahlt. Das wirkte früher dem Absinken der Lohnquote in solchen Branchen und Unternehmen entgegen. Weil die Unternehmen aber zunehmend die arbeitsintensiven Tätigkeiten an Zulieferer im billigen Ausland auslagerten, Zeitarbeitsfirmen nutzten oder Werkverträge mit Selbstständigen abschlössen, schafften sie es, den früher üblichen Lohnauftrieb auf eine relativ kleine Kernbelegschaft zu begrenzen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers S.C.: Die Realität zeigt, bezahlen müssen immer die Kleinen…. Mehr fällt einem dazu nicht ein.

  6. Wem nutzt eine solche Gewerkschaft?
    Ausgangspunkt der Gewerkschaft für die Tarifrunde ist die Lage der deutschen Wirtschaft, die angeblich vor den Herausforderungen einer Transformation der Industrie durch Elektromobilität und Digitalisierung steht. Dabei geht sie davon aus, dass sowohl die Gewinne der Unternehmen wie auch die Einkommensmöglichkeiten der Beschäftigten gefährdet sind. Deswegen sei die Lage – ganz klassenübergreifend – eine Herausforderung für beide Seiten, ein wahres Gemeinschaftsanliegen.
    Vergessen muss man dabei nur, dass die Betroffenheit in dieser Lage sehr unterschiedlich ausfällt. Auf der einen Seite stehen die Kapitaleigner in der Auto-, Metall- und Elektroindustrie. Sie wollen ihre Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt behaupten und ihre Gewinne oder Renditen sichern; sie haben Absatzschwierigkeiten, was sich in zurückgehenden Auftragszahlen niederschlägt; und sie wollen mit neuen Produkten, neuen Produktionsverfahren ihre Geschäftsaussichten positiv gestalten. Dafür stehen die Stichworte Elektromobilität und Digitalisierung, die die Gewerkschaft als einen Sachzwang behandelt und für den sie das Stichwort “Transformation” bemüht. Dieser angeblichen Sachnotwendigkeit will sie sich nicht verstellen.
    Auf der anderen Seite stehen die verehrten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, also die Mitglieder der Gewerkschaft, die sich zur Wahrung ihrer Interessen in eben diesem Verein zusammengeschlossen haben: Deren Betroffenheit gestaltet sich etwas anders. Sie sind davon abhängig, inwieweit sie für das weitere Geschäft in der Branche benötigt werden. Ob und wie sich der zukünftige Einsatz gestaltet, hängt ganz von der Kalkulation der Unternehmen ab. Wie die erfolgreich zu realisieren ist, daran will die Gewerkschaft in Form von Mitbestimmung mitwirken – und beweist damit einmal mehr, dass die Gewinne der Familien Piech und Porsche, Quant und Kladden, der Eigner von Siemens, der Scheichs von Katar oder der Investoren von BlackRock Vorrang haben vor den Lebensnotwendigkeiten ihrer Mitglieder. Vom Erfolg dieser Gewinnrechnungen hängt ab, ob und in welchem Umfang die Gewerkschaftsmitglieder – und nicht nur die – ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung JK: Auch wenn der Tenor des Artikels etwas zynisch daherkommt ist es tatsächlich ein grundsätzliches Problem, dass gerade die großen Industriegewerkschaften, die ihre Mitgliederbasis primär in den exportorientierten Großkonzernen finden, durch die fortwährende Lohnmoderation eine wichtige Stütze der deutschen Exportindustrie sind und damit letztendlich dazu beitragen, Arbeitslosigkeit zu exportieren.

  7. Der verschwiegene gefährliche Generalstreik
    Vermutlich hat kaum jemand im deutschsprachigen Raum mitbekommen, dass es im Baskenland am gestrigen Donnerstag einen Generalstreik gab. Sogar Zeitungen, die sich “sozialistisch” nennen, oder die sich ausdrücklich als “linke Tageszeitung” begreifen, war es bestenfalls eine kleine Meldung am Rande wert, dass beidseits der Grenze im französischen Baskenland Hunderttausende Menschen für würdige Renten, Löhne, und Arbeitsbedingungen gestreikt haben. Fabriken blieben geschlossen – auch viele Kneipen und Geschäfte -, und im Radio und im Fernsehen lief nur ein Notprogramm. …
    Die baskischen Gewerkschaften und die spanische anarcho-syndikalistische CNT haben den Schritt getan, sich auch Forderungen derer auf die Fahnen zu schreiben und dafür zu streiken, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen und nicht mehr streiken können. Das ist ein richtungsweisender Schritt! Damit zeigen diese Gewerkschaften, dass sie auf der Höhe der Zeit sein wollen und nicht allein Privilegien und Partikularinteressen vertreten, sondern sich um Vorgänge kümmern, die für die gesamte Gesellschaft relevant sind.
    Das müsste das Vorbild für moderne Gewerkschaften sein. Dass derlei Vorgänge nicht einmal wahrgenommen und breit diskutiert werden, ist für die peinlich, die sich links verorten. Und so war es auch erfrischend, neben Rentnern und Arbeitern auch viele Schüler und Studenten auf den Straßen anzutreffen. Darunter auch viele Frauen, die sich für den nächsten Frauenstreiktag am 8. März warmlaufen, der nun vermutlich noch stärker als im letzten Jahr wird. Für kämpferischen Nachwuchs , der nicht allein gegen den Klimawandel streikt und demonstriert, ist gesorgt.
    Quelle: Telepolis
  8. Börsennotierte Unternehmen bauen kräftig Lehrstellen ab
    Wie der Studientitel „Ausschütten statt Investieren“ schon nahelegt, führen die Autoren das sinkende Ausbildungsengagement börsennotierter Firmen vor allem auf den steigenden Druck am Kapitalmarkt zurück: „Gerade in den Unternehmen, die der Kapitalmarktlogik unterliegen, wird also zunehmend weniger in die duale Ausbildung investiert“, schreibt das Team um den WZB-Experten Robert Scholz.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JK: Und dann wird sich wieder über den „Fachkräftemangel“ beklagt. Aber man hat ja eine vermeintlich schlaue Lösung, andere Nationen sollen die entsprechende Arbeitskräfte ausbilden und dann der deutschen Industrie, dank „offener Grenzen“, zur Verfügung stellen.

  9. 100 Jahre Betriebsrätegesetz heißt 100 Jahre Kampf für bessere Arbeitsbedingungen
    Arbeiter- und Soldatenräte legten vor 100 Jahren den Grundstein für unsere betriebliche Demokratie. Die Wahlbeteiligungen in Betrieben sind heute ein klarer Ausdruck dieser Demokratie. Der Anteil der Wählerinnen und Wähler bei Betriebsratswahlen, in der Beschäftigte ihre Interessensvertretung direkt wählen, ist seit Jahren mit 75 bis 80 Prozent auf konstant hohem Niveau. Deshalb gilt es heute mehr denn je, diese gelebte Demokratie zu schützen“, erklärt Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf das Betriebsrätegesetz, das am 4. Februar 1920, also vor 100 Jahren, in Kraft trat. Das Betriebsrätegesetz gilt als Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes. Krellmann weiter:
    „In über 90 Prozent der Betriebe, die die Voraussetzungen für einen Betriebsrat erfüllen, gibt es jedoch keinen Betriebsrat. Die Bundesregierung ist verpflichtet, der Erosion von Betriebsräten endlich entgegenzuwirken. Sie darf sich nicht weiter vor ihrer Verantwortung drücken. Angriffe auf Betriebsräte oder diejenigen, die einen gründen wollen, sind Angriffe auf unsere Demokratie. Diese autoritären, demokratiefeindlichen Tendenzen müssen gestoppt werden. Die Antwort von Arbeitsminister Heil, das vereinfachte Wahlverfahren auszuweiten, ist keine Lösung. Die Einführung 2001 hat zwar damals für einige Betriebe die Wahl verkürzt, aber keine Trendwende herbeigeführt.
    Betriebliche Mitbestimmung braucht besseren Schutz und größere Anerkennung. Auch muss die Mitbestimmung erweitert werden, um den heutigen Herausforderungen gerecht zu werden. Beschäftigte sollen nicht nur zuschauen, sie sollen mitentscheiden können.”
    Quelle: DIE LINKE
  10. Verdeckte Altersarmut
    Bei der derzeitigen Diskussion um die Grundrente wird für viele Menschen erstmals das Ausmaß von Altersarmut deutlich. Dabei wird die Armut im Alter häufig daran gemessen, wie viele alte Menschen tatsächlich Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Anspruch nehmen.
    In dieser Betrachtung bleiben diejenigen Personen unberücksichtigt, denen Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) – XII zustünde, die aber, sei es aus Unwissen, Scham oder einem anderen Grund diese nicht in Anspruch nehmen. Grundsicherung im Alter wird von rund 60 Prozent der Anspruchsberechtigten – hochgerechnet sind das etwa 625.000 Privathaushalte – nicht in Anspruch genommen. Bei voller Inanspruchnahme würde das verfügbare Einkommen dieser Haushalte, die Grundsicherung aktuell nicht beziehen, aber beziehen könnten, um rund 30 Prozent steigen.
    Ist die Grundsicherungsquote niedrig und gleichzeitig die Anzahl der älteren Menschen hoch, die Grundsicherungsleistungen nicht beanspruchen, ist die Altersvorsorgepolitik nur scheinbar erfolgreich. Das Gleiche gilt für die derzeit auf den Weg gebrachten Reformen zur Bekämpfung von Altersarmut. Wenn ein erheblicher Teil der für den Bezug von Grundsicherung berechtigten Menschen diese nicht in Anspruch nimmt, dann hat eine Ausweitung der Grundsicherungsleistung nur einen geringen Effekt auf deren finanzielle Lage.
    Hilfebedürftige Personen, die die Altersgrenze erreicht haben oder wegen einer bestehenden Erwerbsminderung auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten können, haben Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
    Seit der Einführung der Grundsicherung im Jahr 2003 ist die Zahl der Menschen, die diese Leistung erhielten ständig angestiegen. Waren es Ende des Jahres 2003 noch knapp 260.000 Personen, stieg ihre Zahl im Juni 2019 auf 566.000 an, das sind rund drei Prozent aller Personen ab der Regelaltersgrenze.
    Quelle: gewerkschaftsforum.de

    Anmerkung Christian Reimann: Das sind die Folgen einer verfehlten Renten- und Sozialpolitik der SPD während der Schröder-Kanzlerschaft, die bis heute nicht korrigiert worden sind. Insbesondere der federführende Bundesminister Heil könnte/sollte sich mal überlegen, ob sein mit den Unionsparteien beschlossenes Konzept der Grundrente tatsächlich ausreicht – offensichtlich nämlich nicht. Stattdessen könnten er und andere Spitzenpersonen in der SPD-Bundestagsfraktion sich für die Stärkung der gesetzlichen Rente einsetzen. Also volle Konzentration, alle öffentlichen Gelder in die gesetzliche Rente – gleichzeitiges Ende der Privatisierungen im Rentensystem.

    Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut “Erstaunliche Einsichten zur Bevölkerungsentwicklung beim Namensgeber der Rürup-Kommission. Dazu ein lesenswerter Text aus der „Reformlüge“: Denkfehler 5.” und “Altersvorsorge Teil II: Die Rürup-Kommission. Blick zurück mit teils erstaunlichen Erkenntnissen“.

  11. Oma Anneli liefert ab – und zwar Pakete
    Es regnet. Annelie stört das nicht. Die 77-Jährige hat ihre gemütliche, viel zu große Boten-Jacke an und ist gut gelaunt – wie immer, wenn sie ihre Tour fährt. „Ich liefere Pakete aus“, sagt sie.
    Annelie ist Hessens älteste Paketbotin!
    „Ich muss das machen. Ich habe wenig Rente“, sagt sie. „Und es bringt mir Spaß! Ich bin gerne mit Menschen zusammen und habe so liebe Kunden. Außerdem habe ich viel Bewegung, ich brauche kein Fitness-Studio.“
    Werktags liefert die Rentnerin täglich 70 bis 120 Pakete für Hermes aus. Seit 14 Jahren ist das ihr Job.
    Quelle: Bild

    Anmerkung JK: Wieder einmal Springer-Propaganda vom Feinsten.

    Anmerkung unserer Leserin C.K.: So hätte es BILD gerne: Arbeiten auch noch mit 77 Jahren, täglich 14 Stunden.

  12. Agrarministerin Klöckner – Mit heißer Luft gegen billige Lebensmittel
    Julia Klöckner kämpft. Für die Landwirte, gegen unanständige Preise und die geballte Macht des Handels. So soll es zumindest aussehen anlässlich des Treffens an diesem Montag im Kanzleramt, wo die Agrarministerin und die Bundeskanzlerin sich die vier großen Supermarktketten vorknöpften, weil diese Lebensmittel zu Dumpingpreisen verramschen. …
    2,72 Euro für das Kilo Hähnchenschenkel? Das, so der Handel, seien die Regeln des Marktes. Doch dieser Markt ist weitgehend gesetzlos und funktioniert nur auf Kosten der Allgemeinheit: Die Folgen sind Umweltschäden, eine zu hohe Nitratbelastung des Grundwassers, schlechte Löhne und unangemessene Tierhaltung. Die Reparaturen solcher Kollateralschäden werden der Gesellschaft überlassen: Länder und Kommunen dürfen Hungerlöhne in der Fleischbranche aufstocken und güllebelastetes Grundwasser reinigen.
    Quelle: Spiegel

    dazu: Krisengespräch im Kanzleramt Kleinbauern gegen Handelsriesen
    Nein, seinen Namen will der Obstbauer hier nicht lesen. Denn er sei zornig, erklärt er im Gespräch mit tagesschau.de. Zornig – und hilflos.
    Die großen Handelsketten hätten eine gigantische Einkaufsmacht und brächten damit Lieferanten wie ihn gezielt in die Abhängigkeit. Und “das Perverse sind die Rückvergütungen”, klagt er. Gemeint sind jährliche Boni- und Konditionsvereinbarungen, also vertraglich fixierte Anteile seines Jahresumsatzes, die er als Lieferant zusätzlich der jeweiligen Handelskette zahlen müsse. Gängige Praxis sei das. Wer nicht spurt, dem drohe die Auslistung. “Wir sind manipulierbar in jede Richtung”, sagt der Obstbauer. “Das Geschäft ist gnadenlos.”
    Auch sein Kollege aus dem Gemüseanbau möchte lieber anonym bleiben. Die Landwirte seien zum “Bittsteller am Telefon” verkommen. Ob REWE, Edeka, Lidl oder Aldi – der Landwirt erlebt sie als anonyme Einkäufer oder Vermittlungsgesellschaften. “Was juckt es einen Einkäufer in Hamburg oder München, wenn es bei uns in der Region gehagelt hat?”, fragt der Gemüsebauer erbost. Man ahnt die Antwort: Er muss liefern – oder hat ein Problem. Denn der Gemüsebauer ist so austauschbar wie seine Ware. Kartoffeln haben eben kein Markenzeichen.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Dass die Großen Vier (Aldi, Lidl mit Kaufland, Rewe mit Penny, Edeka mit Netto) die Lebensmittelproduzenten weltweit ausquetschen wie Zitronen, ist kaum von der Hand zu weisen. Das sei “nicht anständig”, mokiert sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach massiven Bauernprotesten. Klöckner und ihre Chefin Angela Merkel wollen sich heute im Kanzleramt die vier großen Handelsketten vorknöpfen.

    Das Treffen dürfte interessant werden, steht doch die freie Preisbildung im Focus der Gespräche, und da wollen sich die Handelsketten nicht reinreden lassen. Dumm nur, dass gerade die Christdemokraten die freie Preisbildung in einer Marktwirtschaft wie ein Mantra vor sich hertragen. Dumm ebenfalls, dass die freie Preisbildung, wie sie sich der Ökonom Adam Smith einmal vorgestellt hat – viele Anbieter und viele Nachfrager feilschen frei um den Preis -in der Praxis mit wenigen Oligopolen schon lange nicht mehr funktioniert. Das ist in anderen Indusstriezweigen nicht anders, auch die Autobauer üben starken Druck auf die Zulieferer aus. Heute sind überall Leute wie José Ignacio López (berüchtigter Ex-Einkäufer von Opel, General Motors, Volkswagen) unterwegs.

    Doch jetzt haben die Christdemokraten die Bauern am Hacken, die zu ihren treuesten Wählen gehören, gleichzeitig unter der Marktmacht der Oligopole leiden. Gleichzeitig schiebt die Politik auch den Verbrauchern den “Schwarzen Peter” zu. Diese seien nicht bereit, mehr Geld für bessere Lebensmittel (z. B. Bio) auszugeben. Dazu gäbe es viel zu sagen, doch hierzu nur eins: Der Vorwurf ist “nicht anständig”, um es mit Julia Klöckner zu sagen. Die “Geiz ist geil”-Mentalität ist keine Erfindung von Verbrauchern, sondern von Werbefristen im Auftrag großer Handelsketten. Und diese Mentalität wird den Verbrauchern seit Jahren immer wieder eingehämmert.

    Anmerkung JK.: Man muss hier die entsprechenden Kausalitäten noch erweitern. Sieht man sich die Lohnentwicklung der letzten 20 Jahre an sind billige Lebensmittel für viele Mitbürger nicht die Frage einer „Geiz ist geil“-Mentalität sondern schlichte Notwendigkeit um, gerade auch angesichts exorbitant steigender Mieten in den Städten, über die Runden zu kommen.

  13. Hitlers nützliche Idioten
    Die Hohenzollern, Nachkommen des antisemitischen deutschen Kaisers Wilhelm II., wollen entschädigt werden für ihre Enteignung in Ostdeutschland nach 1945. Sie waren und sind aber keine Opfer.
    Von wem ist dieser bösartige und gemeine, von wem ist dieser hetzerische Satz? Von wem ist dieses Zitat, das den Holocaust fordert und ihn zugleich verharmlost? Wer hat im Jahr 1927 “Juden und Mücken” als “Pest” bezeichnet, “von der sich die Menschheit so oder so befreien muss”? War es Hitler, war es Goebbels, war es Göring?
    Nein, das ist keine Quizfrage; man stellt keine Quizfrage zur Vernichtung der Juden. Es ist dies eine Frage von großer historischer und juristischer Relevanz – weil die Antwort auf diese Frage einen Rechtsstreit mitentscheidet. Dieses Zitat stammt nämlich von keinem der Genannten, es stammt auch nicht von Alfred Rosenberg, dem NS-Chefideologen, der damals, 1927, gerade an seinem antisemitischen Werk “Der Mythus des 20. Jahrhunderts” schrieb.
    Das Zitat stammt vom Hohenzollern-Kaiser Wilhelm II., der damals schon lang nicht mehr Kaiser war. Er hatte 1918 nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg abgedankt, saß im holländischen Exil und sinnierte Tag und Nacht darüber, wie und mit welchen Mitteln er wieder zu Thron und Macht kommen könnte.
    Quelle: Heribert Prantl in der SZ

    Anmerkung JK.: Es ist völlig unverständlich wie sich eine demokratisch gewählte Regierung überhaupt auf Verhandlungen mit jenen einlassen kann, deren Macht und Reichtum über Hunderte von Jahren auf Ausbeutung und Unterdrückung basierte und die sich nach dem sie ihre Macht verloren hatten an der Zerstörung der ersten deutschen Demokratie aktiv beteiligt haben.

  14. Klassenhass: Porsche und Parasiten
    Wer sich einen Porsche Cayenne und Chai Latte leisten kann, weiß ziemlich genau, dass wir in einer Klassengesellschaft leben.
    Genau das ist Klassenbewusstsein, welches bei Arbeiterinnen und Arbeitern viel zu oft nur diffus ausgeprägt ist. Überhaupt verstehen die Herrschenden viel besser, wie sie ihre Positionen verteidigen können – kann sich die Linke davon etwas abschauen?
    Ines und Steve sprechen darüber, warum es so schwierig ist, die eigene Klasse zu organisieren und was der Kinofilm “Parasite” damit zutun hat (Filmtipp!).
    Klassenhass muss nicht enden wie in dem Film, aber eine Prise davon könnte der Linken vielleicht nicht schaden?
    Quelle: Halbzehn.fm

    Anmerkung unseres Lesers F.H.: In dem Podcast wird unter anderem sehr schön herausgestellt wie es den Eliten über die Medien gelungen ist, Arbeitslose zu diffamieren und so von dem unverschämten Reichtum jener abzulenken, die leistungslos von ihren Kapitalerträgen leben können. Die Macht der Sprache wird in dem Podcast auch angesprochen (z.B die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Das traurige Thema wird sehr kurzweilig und unterhaltsam vermittelt.

    Anmerkung JK: Porsche hat ja nun auch E-Autos im Portfolio, da kann das ökologische Gewissen doch wieder ruhig schlafen und man kann dazu noch die „Proleten“ mit ihren alten Dieselfahrzeugen als Umweltsünder kompromittieren.

  15. Falsche Begeisterung
    Ein linkes Problem angesichts der innenpolitischen Inferiorität ist ein nach außen gerichtetes Kompensationsstreben. In den 2000er Jahren Begeisterung für die Linken im Aufschwung in Lateinamerika, die jedoch bald von Nörgelei über patriarchale Strukturen und Handlungsweisen, Machismo, autoritäre Strukturen auch unter den dortigen Linken und „Extraktivismus“ – also Abbau von Rohstoffen zum Zwecke des Exports, um soziale Programme im Lande finanzieren zu können – überlagert wurde. Der „edle Wilde“, wie das Phänomen unter europäischen Schöngeistern bereits vor Jahrhunderten genannt wurde, entsprach nicht den moralisierenden Ansprüchen der linken Schwarmgeister von heute. Angesichts der Niederlagen linker Bewegungen und Regierungen in Lateinamerika herrscht jetzt betretenes Schweigen.
    Es folgte eine ostentative Begeisterung für den „Arabischen Frühling“ 2010/11. Eine krude Form dieser Begeisterung war eine Bewegung mit dem Namen „Adopt a Revolution“, nach der Devise: die Araber können das nicht alleine, sie brauchen deutsche oder europäische Vormünder. Hier wieder die postmoderne, netzaffine, akademisch gebildete, urbane Jugend, die sich untereinander verständigt und vernetzt. Alle sind gleich, aber die Deutschen doch gleicher. Am Ende mündete dieser „Frühling“ jedoch in Krieg, Bürgerkrieg und Staatszerstörung in Libyen, Syrien und Jemen sowie neuen Autoritarismus in Ägypten. Wieder verbreitet Schweigen.
    Nach dem Wahlsieg von Alexis Tsipras 2015 richteten sich die Erwartungen auf die griechische Linksregierung von Syriza, die das Land angesichts von Finanzkrise und Sozialabbau zu stabilisieren versuchte. Unter deutschen Linken hieß es rasch, das sei der Durchbruch, der die Mauern des Neoliberalismus in der EU zum Einstürzen bringen werde. Am Ende zwangen die deutsche Bundesregierung und die EU-Kommission die griechische Regierung dazu, die Knebel-Bedingungen zur Euro-Stabilisierung und zum weiteren Sozialabbau zu akzeptieren. Dieselben Leute, die eben noch den Neoliberalismus wanken sahen, schimpften nun über „Verrat“ von Syriza. Kein Wort darüber, dass keine Linkspartei oder Linken-Bundestagsfraktion imstande war, dem Finanzminister Schäuble in den Arm zu fallen.
    Quelle: Das Blättchen

    Anmerkung JK: Es ist definitiv ein zentrales Problem der heutigen politischen Linken, dass deren Protagonisten, die sich, wie der Beitrag treffend analysiert, inzwischen mehrheitlich aus der weißen, akademisch gebildeten, Mittelschichtjugend rekrutieren, jeden Bezug zu den materiellen Bedingungen der Gesellschaft verloren haben und sich in der Diversitätspolitik lieber mit den exklusiven Empfindungen einzelner sozialer Gruppen auseinandersetzt, als das Gemeinsame und Verbindende im Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse zu suchen.

  16. Wir sollten uns an nuklearer Abschreckung beteiligen
    Johann Wadephul (56) ist Vizechef der Bundestagsfraktion der Union. Der CDU-Politiker ist zuständig für Außen- und Verteidigungspolitik. Seit 2009 ist er Mitglied des Bundestags. Davor war er Fraktionschef in Schleswig-Holstein.
    Herr Wadephul, die französische Regierung klagt, die Deutschen hätten ihr Versprechen von der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 nicht wahrgemacht, wonach sie mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen wollten. Sind unsere engsten Partner zu Recht enttäuscht?
    Die Franzosen erwarten zu Recht mehr von uns. Zunächst hat die deutsche Politik ja durchaus mutige Entscheidungen getroffen. Um den Völkermord an den Jesiden durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu verhindern, haben wir uns entschieden, den kurdischen Peschmerga-Kämpfern Waffen zu liefern und sie auszubilden. Außerdem liefern deutsche Flugzeuge Bildmaterial für den Kampf gegen den IS. Das Mandat läuft noch bis Ende März. Das war ein verheißungsvoller Auftakt, dem leider wenig gefolgt ist. Deutschland ist sicherheitspolitisch weitgehend tatenlos geblieben.
    Wer trägt denn die Verantwortung dafür, dass so wenig passiert ist?
    An den Bürgern lag es nicht. Umfragen zeigen, dass die Bereitschaft der Deutschen zu einer aktiveren Außen- und Sicherheitspolitik in den vergangenen sechs Jahren gestiegen ist. Wenn CDU und CSU nun fordern, dass Deutschland seiner Verantwortung gerecht wird, können wir auf Unterstützung zählen. Unsere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Vorschläge gemacht, wie das gehen könnte – mit der Einrichtung einer internationalen Schutzzone in Syrien oder indem wir mit Partnern Flagge zur Verteidigung der Freiheit der Handelsschifffahrt in der Straße von Hormus oder in Ostasien zeigen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung JK: Kann man wirklich so irre sein und deutsche Atomwaffen fordern? Und dieses Gerede von “mehr sicherheitspolitischer Verantwortung”. Hat man bei der CDU gerade aus der deutschen Geschichte nichts gelernt? Die Kriegsbegeisterung die Wadephul hier zeigt ist absolut unerträglich und das obwohl er die Zeit des Kalten Krieges und die Gefahr eines Nuklearkrieges noch hautnah miterlebt haben muss.

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Anstatt diplomatisch endlich wieder –Willy Brandt hat es vorgemacht!- in das richtige „Fahrwasser“ zu kommen und Brücken zu bauen, wird vasallenhaft die militärische Karte gezogen und Weltmachtträumen nachgehangen. Von dem alten Sprichwort „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ hat dieser Union Verantwortliche namens Wadephul offenbar nichts gehört, ist ihm doch die Gnade der späten Geburt geschenkt worden, so dass er nicht zwischen Trümmern aufwachsen musste.

    Dass das alles wenige Tage nach div. Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Nazi-Diktatur empfohlen wird –wobei das Gedenken an die Opfer in der ehemalige UdSSR inkl. Leningrad weitestgehend medial und politisch unterblieben ist-, zeigt was von diesen politischen Bedauerungs- und Gedenkbekundungen zu halten ist.

  17. Die Apokalypse findet nicht statt
    Peking, 2. Februar. Auch heute geht der erste Blick aus dem Fenster. Verdammt, das fehlte noch. Es hat geschneit. Sonst gibt es in Peking praktisch nie Schnee im Winter. Nur in diesem vertrackten Jahr schneit es jetzt schon das vierte Mal. Dabei hatte vor ein paar Tagen bereits eine Elster begonnen, in dem Baum vor meinem Fenster ihr Nest zu bauen. Sie war damit früh dran, und hatte Hoffnung auf einen baldigen Frühling gegeben. Letztlich ist auch das Corona-Virus ja nichts weiter als ein Grippeerreger. Und Grippewellen enden nun mal, wenn es wärmer wird. Doch damit ist es wohl erst mal Essig.
    Auch die Zahlen sehen heute nicht rosig aus. Die nationale Gesundheitskommission meldet am 2. Februar um exakt 6:24 Uhr morgens 13.831 mit dem Coronavirus Infizierte sowie 304 Tote. Das ist bei den Infizierten ein ziemlicher Sprung. Lagen diese in den letzten Tagen immer um zwischen 1.000 und 1.200 höher im Vergleich zum Vortag, haben sie sich von gestern auf heute nahezu verdoppelt. Allerdings fällt die Steigerung bei den Todeszahlen kaum ins Gewicht. Die lagen in den letzten Tagen bei 42 – 43, jetzt sind wir bei 45.
    Quelle: Christian Y. Schmidt im Freitag
  18. Mehr Freiheit! Gleichheit! Verantwortlichkeit!
    Seit dem Ende des Kalten Krieges leben wir in einer post-ideologischen Welt“, sagte der Brite Billy Bragg im Dlf. In seinem neuen Buch kritisiert er den Neoliberalismus der Gegenwart und wirbt für einen neuen Freiheitsbegriff.
    Christoph Reimann:Billy Bragg, Ihr Buch ist ein wütendes Pamphlet gegen den Neoliberalismus. Ihre Beobachtungen beschränken sich nicht nur auf England, sondern umfassen auch andere Länder. Was Sie hervorheben: Der freie Markt führt zu einer Einschränkung der Freiheiten des Individuums. Wo macht sich das Ihrer Ansicht nach besonders stark bemerkbar?
    Billy Bragg: Nun, das Beispiel wäre: Der freie Markt gibt uns die Möglichkeit, als Konsumenten frei aus verschiedenen Produkten zu wählen. Aber er gibt uns keine Wahlfreiheit hinsichtlich des politischen und, noch wichtiger, des ökonomischen Systems. Eine der zentralen Eigenheiten des Neoliberalismus ist die Annahme, dass es keine Alternative zu ihm gebe. In England haben wir sogar ein Akronym dafür: TINA – there is no alternative.
    Diese Annahme hat zu vielen Problemen geführt. Denn natürlich ließe sich Politik komplett anders gestalten, das Gleiche gilt für die Wirtschaft. Es ist der Widerstand der Neoliberalen, überhaupt über Alternativen nachzudenken, der zu einem großen Druck auf der gesamten Welt geführt hat. Seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat sich niemand Gedanken darüber gemacht, ob es eine Alternative zur gegenwärtigen nationalen beziehungsweise globalen Wirtschaft geben könnte. Ein alternatives System, von dem die Mehrheit der Menschen profitiert und nicht nur ein paar wenige Leute am oberen Ende der ökonomischen Skala, die sogenannten ein Prozent.
    Quelle: Deutschlandfunk


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