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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 11. Februar 2020 um 8:13 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Albrecht Müller (Ex-Berater von Willy Brandt) zur aktuellen Lage von SPD & CDU: Versager unter sich
  2. Thüringen
  3. Wir müssen endlich aufhören, Linke und Nazis gleichzusetzen
  4. Liberal – war einmal
  5. Die Linke muss auf die CDU zugehen
  6. US-Demokrat Bernie Sanders – “Der nächste Spalter”
  7. Assange
  8. America: Land of Make-Believe
  9. Alternativlos
  10. Portugal verabschiedet historischen Überschuss-Etat
  11. Wenn Kinderarmut erwachsen wird …
  12. Abschied von der Mittelschicht – Die prekäre Gesellschaft
  13. Push – Für das Grundrecht auf Wohnen
  14. Empfänger von Arbeitslosengeld erhalten zunehmend Sperren
  15. Einschränkung von Bürgerrechten durch die Hintertür
  16. Entschleunigt das Bildungssystem!
  17. Wofür deutsche Panzer gebaut werden …
  18. Die Anstalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Albrecht Müller (Ex-Berater von Willy Brandt) zur aktuellen Lage von SPD & CDU: Versager unter sich
    Albrecht Müller, Planungschef im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Herausgeber der NachDenkSeiten, spricht im Interview über die Groko, die Stimmung in der SPD und eine Lösung für Thüringen. Für das aktuelle Führungspersonal von SPD und CDU findet er deutliche Worte.
    Quelle: RT Deutsch
  2. Thüringen
    1. „Ramelow ist das kleinere Übel im Vergleich zu Höcke“
      Nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen müsse die CDU dringend ihr Verhältnis zur Linkspartei und zur AfD klären, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende in Schleswig-Holstein, Karin Prien, im Dlf.
      Auch wenn die Linke aufgrund ihrer Positionen, mit denen sich die CDU schwertue, politischer Gegner der Union bleiben, stelle sich die Frage, ob diese Gegnerschaft das gleiche sei, wie die Feindschaft zur AfD. Mit dieser könne es kein Zusammenarbeit irgendeiner Art geben. Es gebe Momente im politischen Leben, in denen man sich für das kleiner Übel entscheiden müsse. Und ein gemäßigter Linkenpolitiker wie Bodo Ramelow sei das kleinere Übel im Vergleich zu einem Björn Höcke, der ein bekennender Faschist sei.
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung JK: Bodo Ramelow ist also nur „das kleinere Übel“ im Vergleich zu Höcke. Im Grunde sind also Höcke und Ramelow so weit nicht von einander entfernt – zumindest für die stellvertretende CDU-Vorsitzende in Schleswig-Holstein. Der CDU ist nicht mehr zu helfen oder andersherum: Jeder sollte sich endlich im klaren sein, wo die CDU politisch steht und wo sie eigentlich schon immer stand.

    2. Fünf Lehren aus Thüringen
      Wenn man sich die sozioökonomischen Daten in Ostdeutschland anschaut, dann ist die politische Rechtsdrift alles andere als verwunderlich. Im Gegenteil, sie lässt sich eindeutig mit Zahlen beweisen. Denn sie ist im Kern, und auch das kann man in Thüringen sehen, längst zu einem Kampf zwischen Stadt und Land geworden. Die vielen spontanen Demonstrationen nach der Ministerpräsidentenwahl fanden allesamt in Städten statt, die einigermaßen prosperieren: in Jena, Weimar, Erfurt und Leipzig. Die ostdeutsche Provinz dagegen ist viel flächendeckender als im Westen, grob gesagt, entleert, überaltert, sozial prekär und stark vermännlicht. In der AfD hat sie eine lang vermisste politische Repräsentation gefunden, die so lange erfolgreich bleiben wird, wie sich an der dortigen Situation nichts ändert.
      Eigentlich brauchen wir, analog dem Klimakabinett, endlich auch ein Ostdeutschland-Kabinett. Der Osten braucht radikale Veränderungen: höhere Einkommen, größere Möglichkeiten zum Vermögensaufbau, besseren Zugang zur Elite, vor allem junge, gut ausgebildete Männer und Frauen. Viel mehr Frauen als Männer. So utopisch das klingt, eigentlich braucht der Osten massenhaft Zuwanderung. Sonst wird er sich in Zukunft noch stärker radikalisieren. Denn so wie sich die Grünen um den Klimawandel kümmern werden, wird sich die AfD dann um den Osten kümmern. Der gestrige Dammbruch wäre somit der Beginn, eine Art bittere Stunde null. Es soll aber hinterher niemand sagen, er oder sie hätte es nicht gewusst.
      Quelle: Zeit

      Anmerkung JK: Ab und zu gibt es auch im Zentralorgan des linklibralen Bildungsbürgertums lichte Momente. Auch wenn man sich damit permanent wiederholt, muss wieder und wieder auf die Ursachen des Erfolges der AfD im Osten hingewiesen werden. Diese finden sich in der neoliberlaen Schocktherapie nach der Wiedervereinigung und der neoliberalen Agenda 2010 der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder.

      Wie überhaupt es vor dem Hintergund der Geschehnisse in Thüringen endlich eine Diskussion über die Ideologie geben muss, die verantwortlich ist für die massive soziale Spaltung der Gesellschaft und dem rasanten Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Es ist der Neoliberalismus, der bis heute die Fundierung der Wirtschaftspolitik auch aller Parteien in Deutschland, mit Ausnahme der Linken, bildet.

    3. Thüringen und die Folgen
      (…) Die FDP ist noch tiefer in Misskredit geraten; bei Teilen der jüngeren Generation und des linken Spektrums ist sie regelrecht verhasst. Das ist doppelt fatal: erstens werden damit die Optionen für eine Regierungsbildung jenseits von Rot-Rot-Grün dezimiert; zweitens droht mit der FDP auch der politische Liberalismus in Verruf zu geraten.
      Wenn das Motiv für FDP und CDU in Thüringen war, eine Linkskoalition unter Führung eines Ministerpräsidenten zu verhindern, der sich standhaft weigert, die DDR als Unrechtsregime zu bezeichnen, dann haben sie das glatte Gegenteil bewirkt. Rot-Rot-Grün erscheint jetzt erst recht als legitime Alternative zum Flirt mit der AfD.
      Mehr noch: in zahlreichen Kommentaren wird die Linkspartei als demokratische Kraft geadelt, mit der man bedenkenlos koalieren kann. Das schüttet das Kind mit dem Bade aus. So richtig es ist, die Ramelow-Linke nicht auf eine Stufe mit der AfD zu stellen, so blauäugig ist es, die Vorbehalte gegen Marktwirtschaft, liberale Demokratie und Westbindung zu ignorieren, die zur politischen DNA der Linkspartei gehören.
      Die Mesalliance der Thüringer FDP und CDU mit der AfD hat der links-rechts-Polarisierung wieder Auftrieb gegeben. Rot-Rot-Grün wird als „antifaschistisches Bündnis“ geadelt, während FDP und Union als unsichere Kantonisten dargestellt werden, denen man nicht über den Weg trauen kann.
      Gut möglich, dass das Bubenstück von Erfurt den Ausgang der kommenden Bundestagswahl entscheidend verändert. Die FDP kann dieses Experiment an den Rand ihrer parlamentarischen Existenz bringen, der Union droht der Verlust ihrer Position als stärkste demokratische Kraft.
      Quelle: Zentrum Liberale Moderne

      Anmerkung Jens Berger: Dieser Text stammt nicht aus der WELT oder der FAZ, sondern ist von Ralf Fücks, seines Zeichens Grünen-Politiker, Transatlantiker und Chef der Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne, die er zusammen mit seiner Gattin und Parteifreundin Marieluise Beck ins Leben gerufen hat. Man sollte die neoliberalen und transatlantischen Kader innerhalb der Grünen nicht unterschätzen.

  3. Wir müssen endlich aufhören, Linke und Nazis gleichzusetzen
    Mit Rechten paktieren, statt einen Linken zu unterstützen? Thüringen zeigt, warum das Gleichsetzen von sogenannten politischen Rändern gefährlich ist.
    Christdemokraten und Liberale generierten sich als bürgerliche Kräfte, mit Brandmauern gegen die Ränder von rechts und links. Hinter einer Mauer sitzt demnach ein Faschist mit völkischen Gesellschaftsvorstellungen, hinter der anderen Mauer ein abgewählter Ministerpräsident, der fünf Jahre lang eine pragmatische sozialdemokratische Politik verfolgt hat.
    Doch ins Amt gehoben wurde Kemmerich mit Unterstützung der völkischen AfD, um den Kandidat der Linken zu verhindern. Diese Wahl zeigt, wohin politisches Denken führen kann, das die politische Landschaft schablonenhaft einteilt.
    Mohring und Co folgen dabei dem Extremismuskonzept, das tief in der politischen Kultur der Bundesrepublik verankert ist. Die Huldigung der Mitte und der Kampf gegen alle Formen des Extremismus sind Staatsräson. Der Extremismusforscher Eckhard Jesse fordert seit Langem gebetsmühlenartig eine Politik der Äquidistanz, die gleichen Abstand zu den politischen Rändern hält.
    Eine Differenzierung zwischen Rechts- und Linksextremismus hält er „unter dem Gesichtspunkt der Abwehrbereitschaft“ für überflüssig. Bei dem Versuch die Komplexität der Gesellschaft anhand der Linie Rechtsextremismus – Mitte – Linksextremismus zu verstehen, bleibt völlig unterbeleuchtet, was dabei wovon abgegrenzt wird.
    Quelle: Tagesspiegel
  4. Liberal – war einmal
    Die CDU hat mit dem permanent bekräftigten Eingeständnis des Kanzleramts, der anonymen Macht von Institutionen und Systemen, der Globalisierung, der EU, den Banken, der Geldpolitik, der Flüchtlingsströme ausgeliefert zu sein („alternativlos“) den Aufstieg der AfD begünstigt und sich ihr mit der eskalierenden Rhetorik ihrer Spitzenpolitiker als kraftnationale Betreuungsorganisation verähnlicht – sowie den expliziten Radikalismus von rechts und das gärende Ressentiment des kleinbürgerlichen Prekariats skandalös unterschätzt. …
    Zugleich hat die CDU die Linken im Stil der Neunzigerjahre dämonisiert – als handelte es sich bei Ihnen noch um die fünfte Kolonne Moskaus. Zur Erinnerung: Es waren vor allem Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak, die sich unmittelbar nach der Landtagswahl im Oktober 2019 jede Annäherung der CDU in Thüringen an Bodo Ramelow und die Linken verbeten haben – weil die Union noch immer den Kolossalblödsinn einer Äquidistanz zu den „politischen Rändern“ predigt und sich eine kommunistische Gefahr herbeihalluziniert.
    Es ist höchste Zeit, dass sich die CDU von dieser Lebenslüge verabschiedet. Es gibt keine Äquidistanz der „Parteien der Mitte“ zu den „linken“ und „rechten“ Rändern. Der entscheidende Unterschied zwischen der Linken und der AfD ist: Jene ist in weiten Teilen (heute) eine staatstragende Partei, diese nicht. Jene will integrativ etwas für dieses Land erreichen; diese spielt „das Volk“ gegen es selbst aus. Jene hat sich Jahrzehnte lang als eine Art Kümmer-CSU des Ostens um die Menschen verdient gemacht; diese hetzt sie auf. …
    Was CDU und FDP eint: Am Ende ihrer symmetrischen Mobilisierung gegen Linksgrüne und Rechtsnationale stehen plötzlich Landtagsabgeordnete der CDU und FDP in Thüringen, die keinen Sinn mehr entwickeln können für das, was konservativ und bürgerlich, liberal und christdemokratisch ist – und die vor lauter Ressentiment gegen klimahysterische „Gutmenschen“ und deren angeblichen Enteignungsfantasien auch den Beifall rechtsradikaler Bösmenschen in Kauf nehmen.
    Quelle: WirtschaftsWoche
  5. Die Linke muss auf die CDU zugehen
    Vielleicht gelingt es der Linken in Thüringen ja doch noch, die ganze Situation zu versemmeln. Das ist zwar nicht ihre Absicht, aber warum sollte es in dem Bundesland allein CDU und FDP vorbehalten sein, sich selbst auszutricksen? Die Landes- und Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagt, ihre Partei werde Bodo Ramelow nur dann in die Wahl zum Ministerpräsidenten schicken, wenn CDU und FDP vorher zumindest für vier Stimmen aus ihren Reihen garantierten – damit Ramelow im ersten Wahlgang auf die absolute Mehrheit von 46 Stimmen kommt. Sind die Linken jetzt darauf erpicht, an ihrer eigenen Hybris zu scheitern?
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Ein unglaublicher Kommentar, der die Verantwortung für den Schlamassel in Thüringen völlig auf den Kopf stellt, aber ganz im Geiste der „bürgerlichen Mitte“ und dem Selbstverständnis der überwiegenden Mehrheit der deutschen „Qualitätsjournalisten“ verfasst ist: Hauptsache gegen links.

  6. US-Demokrat Bernie Sanders – “Der nächste Spalter”
    Er polarisiert, polemisiert und seine Fans verachten moderate Demokraten fast so sehr wie Donald Trump. Einen besseren Gegenkandidaten könnte sich der Präsident nicht wünschen.
    “Wir haben hier in Iowa an 500.000 Türen geklopft”, sagt Sanders, während sein linker Zeigefinger die Luft durchschneidet. “Wir werden eine Regierung bilden, die für alle funktioniert und nicht nur für das eine Prozent der Superreichen.”
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung unseres Lesers Michael Beier: Selten war ich so dankbar für eine Bezahlschranke – keinen Cent für dieses infame Stück Kampagnenjournalismus! Auch die Unterstellung im Link des Artikels (“Das linke Gegenstück zu Donald Trump”) dürfte nur diejenigen enttäuschen, die dem Magazin immer noch keine Zerrspiegelbilder zur Bewahrung des status quo zutrauen.

    Anmerkung JK: Der Tenor des Artikels entspricht genau dem Motto unter dem sich die Mehrheit der deutschen „Qualitätsjournalisten“ versammelt: Hauptsache gegen links. Dazu scheut man sich auch nicht die Verhältnisse in der Berichterstattung völlig auf den Kopf zu stellen. Der größte Wahlhelfer Trumps ist sicher nicht Bernie Sanders, sondern die Führungsmannschaft der Demokraten selbst. Man beachte auch die verächtliche Terminologie, natürlich „schlurft“ Bernie Sanders „mit hängenden Schultern“ über einen „trostlosen Parkplatz“. Das ist echter deutscher „Qualitätsjournalismus“.

  7. Assange
    1. Der Elefant im Dunkeln
      Das Interview des UNO-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, mit dem digitalen Magazin Republik zum Fall Julian Assange ging viral. Melzer spricht von konstruierter Vergewaltigung, manipulierten Beweisen und psychologischer Folter und zeigt am Fall des Wikileaks-Gründers, wie die Medien in westlichen Demokratien versagen. Nun zog das ZDF mit einem Nachrichtenbeitrag nach. Das heute journal will Licht ins Dunkel der Verstrickungen bringen, bleibt selbst aber „neutral“. So kann es in der medialen Schlacht um Julian Assange nur gewinnen.
      „Stellen Sie sich einen dunklen Raum vor. Plötzlich richtet einer das Licht auf den Elefanten im Raum, auf Kriegsverbrecher, auf Korruption. … Die Regierungen sind einen Moment lang schockiert. Dann drehen sie mit den Vergewaltigungsvorwürfen den Lichtkegel um. Ein Klassiker in der Manipulation der öffentlichen Meinung. Der Elefant steht wieder im Dunkeln, hinter dem Spotlight“, so fasst Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter, die politischen und medialen Realitäten im Fall Assange zusammen. Konkret heißt das: Plötzlich wissen wir alle, dass Assange „ein Vergewaltiger ist, ein Hacker, Spion und Narzisst“, während die von ihm enthüllten Missstände und Kriegsverbrechen im Dunkeln verblassen. Auch Melzer war davon betroffen. Darf man seinem Interview glauben, lehnte er den Fall zunächst ab. Er wusste ja aus den Medien, dass „Assange irgendwie schuldig ist“.
      Jahre später wird Melzer zu Assanges flammendstem Verteidiger. Recherche, Beweisaufnahme und die Rekonstruktion der Ereignisse haben seine medial erzeugten Vorurteile entkräftet. […]
      Als wolle das ZDF hier einen medialen Stempel setzen, zog das heute journal prompt nach. Der Beitrag „Verschwörung gegen Julian Assange?“ fragt, was dran ist an den Vorwürfen des UNO-Sonderberichterstatters. Die Intention des ZDF ist dabei durchaus lobenswert, die Ausführung aber wenig überraschend. Das ZDF nutzt Melzer als Sprachrohr, bleibt aber doch auf der sicheren Seite. Eine eigene Position, tieferes Nachhaken oder Selbstreflexion sucht man vergeblich.
      Auch die Wissenschaft kommt um WikiLeaks und Julian Assange nicht herum (Hindman & Thomas 2014, Lynch 2019, Coddington 2012). Aber auch hier ginge mehr, der Verdacht der „Selbst-Zensur“ (O’Loughlin 2016) liegt nah. Denn trotz einer Masse geleakter Daten über militärische und diplomatische Machenschaften (DNC Leaks, Afghanistan, Panama Papers) trauen sich nur wenige Wissenschaftler an diese Themen oder Dokumente. Die Angst vor negativen Auswirkungen auf die eigene Karriere sitzt tief, die Angst vor Strafverfolgung ist wahrscheinlich (ebd.).
      So ist Nils Melzers Interview ein Paradebeispiel dafür, wie auf dem Rücken von Julian Assange medial um die Legitimation westlicher Demokratien gerungen wird und wie dieser Kampf geprägt ist von Angst. Als UNO-Beauftragter hat Melzer wenig zu befürchten. Seine Analyse füllt so genau jenes Vakuum, das politische und wirtschaftliche Eigeninteressen geschaffen haben. Der Elefant im Dunkeln aber bleibt, die mögliche Selbst-Zensur auch.
      Quelle: Medienrealität
    2. „Keine Verschwörung von Staaten“ – eine Analyse
      „Keine Verschwörung von Staaten“ sieht Herr Müller vom Deutschlandfunk nach seinem Interview mit Patrick Sensburg.
      Die zahlreichen Interviews des UN-Sonderberichterstatters für Folter Nils Melzer sowie die Pressekonferenz von Günther Wallraff, Sevim Dagdelen, Sigmar Gabriel und Gerhart Baum vom 06.02.2020 haben nach 10 Jahren endlich dafür gesorgt, dass erstmals die brisanten Fakten des Falls Assange etwas mehr Öffentlichkeit erfahren haben.
      Kein Grund für Herrn Müller (Deutschlandfunk), per Interview mit Patrick Sensburg längst wiederlegte Behauptungen und Falschdarstellungen wieder hervorzukramen. Es wird deutlich, dass sich weder Herr Müller noch Herr Sensburg intensiv mit den Aussagen Melzers sowie mit dem Fall Assange befasst haben. Eine Analyse.
      Quelle: Seid wachsam!
  8. America: Land of Make-Believe
    If what happens in courtrooms across the country to poor people of color is justice, what is happening in the Senate is a trial. If the blood-drenched debacles and endless quagmires in the Middle East are victories in the war on terror, our military is the greatest on earth. If the wholesale government surveillance of the public, the revoking of due process and having the world’s largest prison population are liberty, we are the land of the free. If the president, an inept, vulgar and corrupt con artist, is the leader of the free world, we are a beacon for democracy and our enemies hate us for our values. If Jesus came to make us rich, bless the annihilation of Muslims by our war machine and condemn homosexuality and abortion, we are a Christian nation. If formalizing an apartheid state in Israel is a peace plan, we are an honest international mediator. If a meritocracy means that three American men have more wealth than the bottom 50% of the U.S. population, we are the land of opportunity. If the torture of kidnapped victims in black sites and the ripping of children from their parents’ arms and their detention in fetid, overcrowded warehouses, along with the gunning down of unarmed citizens by militarized police in the streets of our urban communities, are the rule of law, we are an exemplar of human rights.
    The rhetoric we use to describe ourselves is so disconnected from reality that it has induced collective schizophrenia. America, as it is discussed in public forums by politicians, academics and the media, is a fantasy, a Disneyfied world of make-believe. The worse it gets, the more we retreat into illusions. The longer we fail to name and confront our physical and moral decay, the more demagogues who peddle illusions and fantasies become empowered. Those who acknowledge the truth—beginning with the stark fact that we are no longer a democracy—wander like ghosts around the edges of society, reviled as enemies of hope.
    Quelle: Truthdig
  9. Alternativlos
    Annegret Kramp-Karrenbauer ist an der unmöglichen Aufgabe gescheitert, die CDU zu leiten, während Angela Merkel noch im Amt ist. Wer immer ihr nachfolgt, wird auf einem Rückzug der Kanzlerin bestehen müssen – und damit auf Neuwahlen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: So sieht also Qualitätsjournalismus aus. Die SPIEGEL-Starjournalistin Melanie Amann schafft es tatsächlich, einen ellenlangen Artikel über die Personalfrage der CDU zu schreiben, ohne einen einzigen inhaltlichen Aspekt zu nennen. Gerade so als ginge es bei Politik nur um Außenwirkung, PR, Sprache und Performance. Nicht nur Teile der Politik, sondern auch Teile des Journalismus haben offenbar schon lange die Inhalte überwunden.

  10. Portugal verabschiedet historischen Überschuss-Etat
    Im früheren Euro-Krisenland Portugal ist ein historischer Staatshaushalt verabschiedet worden. Das Parlament in Lissabon genehmigte am Donnerstag für 2020 den ersten Überschuss-Etat seit 1974.
    Finanzminister und Euro-Gruppen-Chef Mário Centeno hatte kurz vor der Abstimmung gesagt: “Das ist der beste Haushalt der vergangenen Jahre.” Portugal habe alle Herausforderungen gemeistert und werde auch in Zukunft “nicht müde werden, alle Verpflichtungen zu erfüllen”, beteuerte der 53-Jährige.
    Der Haushaltsplan sieht einen Überschuss von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Bei einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent für 2020 wären das rund 535 Millionen Euro.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Das ist kein Grund zum jubeln. Die portugiesische Regierung nimmt sich offenbar Deutschland zum Vorbild und verpasst die Chance sich durch Anhebung der Einkommen und angemessene Investitionen z.B. in das Bildungssystem, die Gesundheitsfürsorge und den Ausbau der sozialen Sicherung krisenfest zu machen.

  11. Wenn Kinderarmut erwachsen wird …
    Der Ausgangspunkt der AWO-ISS Studie geht auf das Jahr 1997 zurück. Bereits vor mehr als 20 Jahren hat der Gesamtverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) das Thema Kinderarmut als sozialpolitisch relevant identifiziert und das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik mit einer empirischen Untersuchung dieses wichtigen gesellschaftspolitischen Phänomens beauftragt. …
    Die jungen Menschen, die in ihrer Biografie Armut erlebt haben, glauben seltener an Beteiligung an Wahlen als demokratisches Instrument der Einflussnahme, schätzen ihre Kenntnisse über Politik deutlich häufiger als gering ein, sind deutlich weniger politisch aktiv und können es sich auch deutlich seltener vorstellen. Eine tiefergehende Analyse der Indikatoren der politischen Beteiligung nach dem Bildungsniveau der Studienteilnehmenden bestätigt einen bekannten Befund aus der politischen Partizipationsforschung auch in dieser Studie: Insbesondere Personen mit einem Hochschulabschluss sind häufiger bereit, an verschiedenen politischen Aktivitäten – bis zur Protestwahl – teilzunehmen, als Personen mit einem geringeren Bildungsniveau. Als Hinderungsfaktoren der politischen Partizipation werden von den armutsbetroffenen jungen Erwachsenen insbesondere fehlendes Wissen, fehlendes Zutrauen aber auch fehlendes Vertrauen in die Politik genannt.
    Quelle: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

    Anmerkung JK: Das Fazit der Studie ist erschreckend. Aber das sind die Folgen neoliberaler Politik, die Folgen einer Politik der „bürgerlichen Mitte“.

  12. Abschied von der Mittelschicht – Die prekäre Gesellschaft
    Rund ein Drittel aller Beschäftigten in Europa lebt in Unsicherheit. Obwohl sie Arbeit haben, teilweise sogar mehrere Jobs gleichzeitig, kommen sie nur knapp über die Runden. Sie bilden das sogenannte “Prekariat”. Die wachsende Angst vor der Armut führt zu einem Gefühl des sozialen Ausschlusses und auch zu Zweifeln an der Demokratie. Populistische Parteien profitieren.
    Nicht nur in Deutschland oder Frankreich wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Selbst in Schweden, das vielen noch als „Sozialparadies“ gilt, wird die soziale Schere immer größer. Jeder fünfte Rentner lebt dort unter der Armutsgrenze, Frauen sind besonders betroffen. In Spanien sind mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen prekär beschäftigt. „Das Prekariat lebt immer hart am Rand der Verschuldung. Ein Fehler, eine Krankheit zum falschen Zeitpunkt, ein Unfall oder einem Familienmitglied passiert irgendwas, das kann das Ende bedeuten“, so der britische Wirtschaftswissenschaftler Guy Standing. Welche Explosivität steckt in der neuen Klasse des Prekariats? Wie steht es um Europas sozialen Frieden? Welche Chancen und Herausforderungen gehen mit der Idee eines Grundeinkommens einher? Wie könnte man der großen Unsicherheit und der Polarisierung des politischen Systems entgegenwirken? Karin de Miguel Wessendorf und Valentin Thurn spüren diesen Fragen in der Dokumentation „Abschied von der Mittelschicht – Die prekäre Gesellschaft“ nach und begleiten junge und alte Menschen aus verschiedenen Ländern Europas bei ihrem Alltag im Prekariat.
    Quelle: arte
  13. Push – Für das Grundrecht auf Wohnen
    Überall auf der Welt schnellen die Mietpreise in den Städten in die Höhe und Langzeitmieter werden aus ihren Wohnungen herausgedrängt. Der Film folgt Leilani Farha, der UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, wie sie die Welt bereist, um herauszufinden, wer aus der Stadt gepusht wird und warum. Ihre Recherchen führen sie unter anderem in eine Sozialbausiedlung im schwedischen Uppsala, wo auf einen Schlag mehrere Tausend Wohnungen den Besitzer wechseln, in das hippe Londoner Stadtviertel Notting Hill, wo viele Stadtvillen leer stehen, nach Berlin und Valparaíso, aber auch in das grüne Hinterland von Seoul oder in den New Yorker Stadtteil Harlem, wo ein Mieter für seine 70 Quadratmeter von einem auf den anderen Tag nicht mehr 2.400, sondern 3.500 Dollar zahlen muss. Zu Wort kommen neben verzweifelten Bewohnern die Soziologin Saskia Sassen, der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Schriftsteller Roberto Saviano. Sie erklären anschaulich, wie die Verwandlung von Immobilien in Kapitalposten, die auf den Finanzmärkten verschoben werden wie Aktien oder Rohstoffe, innerhalb weniger Jahre zu einer weltweiten sozialen Krise geführt hat. „Ich glaube, es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Wohnen als Handelsware und Gold als Handelsware. Gold ist kein Menschenrecht, Wohnen schon“, sagt Leilani Farha. Deshalb hat sie „The Shift“ gegründet, ein internationales Aktionsbündnis aus Bürgermeistern und NGOs, die versuchen, sich der enthemmten Verwandlung von Wohnraum in Wirtschaftsgüter entgegenzustellen. „‘Push‘: ein fesselnder neuer Film darüber, wie das globale Finanzsystem die Mietkrise befeuert und Städte unbewohnbar macht.“ (The Guardian)
    Quelle: arte
  14. Empfänger von Arbeitslosengeld erhalten zunehmend Sperren
    Fast 800.000 Empfänger von Arbeitslosengeld haben 2018 eine Sperre hinnehmen müssen. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die Linke im Bundestag ausgewertet hat und über die zuerst die »Rheinische Post« (Montag) berichtete. Die Linke kritisierte die im Vergleich zu 2014 gestiegene Zahl von Sperren. 2014 wurden demnach noch insgesamt knapp 720.000 Sperrzeiten verhängt. »Das Arbeitslosengeld ist kein staatliches Almosen, sondern eine Versicherungsleistung, für die Beschäftigte einzahlen«, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl der Zeitung.
    Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen jeweils die Hälfte des monatlichen Beitrags in die Arbeitslosenversicherung ein, um die Beschäftigten gegen eine kurzfristige Erwerbslosigkeit abzusichern. Wer allerdings gegen Auflagen verstößt oder seinen Job selbst kündigt, muss mit einer Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen rechnen. Die maximale Bezugszeit des Arbeitslosengeldes verringert sich um diese Frist.
    Quelle: neues deutschland
  15. Einschränkung von Bürgerrechten durch die Hintertür
    Die von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt eingeführte Gebührenordnung der Bundespolizei wird jetzt umgesetzt. Demonstrieren und ziviler Ungehorsam könnten nun teuer werden
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat eine Gebührenordnung für die Bundespolizei eingeführt, die Oktober 2019 in Kraft getreten ist. Darin werden beispielsweise Platzverweise und Identitätsfeststellungen mit Gebühren belegt. Dies geschah nahezu unbemerkt von Öffentlichkeit und Medien.
    Eine erstmalige Platzverweisung kostet 88,85 Euro, eine Identitätsfeststellung 53,75 Euro, Anordnung des Gewahrsams 74,15 €, Erkennungsdienstliche Behandlung: 59,50 Euro, Vollzug des Gewahrsams pro angefangener Viertelstunde 6,51 Euro. Für einen normalen Polizeieinsatz können hohe dreistellige Summen anfallen.
    In NRW werden aufgrund der neuen Verordnung nun erste Zahlungsaufforderungen verschickt. Eine Frau soll 550,- € zahlen, weil sie ihren Koffer auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof unbeaufsichtigt ließ. Sie wurde erst nach 30 Minuten ausfindig gemacht, als schon großräumig um das Gepäckstück abgesperrt war.
    Quelle: Telepolis
  16. Entschleunigt das Bildungssystem!
    Viel zu viele Prüfungen, zu wenig fächerübergreifendes Lernen: Der Physiker Harald Lesch findet am derzeitigen Bildungssystem jede Menge kritikwürdig. Sein Credo: das Interesse der Kinder am Lernstoff wecken – und ihnen mehr Zeit geben.
    Seit Jahren gehört der Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Harald Lesch zu den scharfen Kritikern unseres Bildungssystems und trifft damit immer wieder den Nerv des Publikums. Seine Wutrede „Unser Schulsystem ist Mist“ wurde auf Youtube fast zweieinhalb Millionen Mal angeklickt.
    In seinem neuen Buch präsentiert der Münchner Professor für Astrophysik nun gemeinsam mit der Philosophin Ursula Forstner Vorschläge, wie Bildung gelingen kann. Seine zentralen Thesen stellt er auch im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur vor.
    Das Ziel von Bildung sei es heute, eine grobe Landkarte des Wiss- und Verstehbaren zu bekommen, sagt Lesch: „Wie man sich angesichts der enorm wachsenden Informationsmenge überhaupt noch orientieren kann.“ …
    Schule müsse für eine grundlegende Bildung sorgen, anstatt nur ganz spezielle Fähigkeiten auszubilden, so Lesch. Würden wir in der besten aller Bildungs-Welten leben, wären unsere Schulen „viel waldorfähnlicher, als wir das heute haben“, betont er. Denn dort gehe es von der Grundkonzeption her vor allem um das Lernen in Zusammenhängen:
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  17. Wofür deutsche Panzer gebaut werden …

    Anmerkung Jens Berger: Julian Röpcke ist übrigens BILD-Redakteur.

  18. Die Anstalt
    Nicht vergessen, morgen Abend, am 11. Februar 2020 um 22.15 Uhr kommt “Die Anstalt”, Folge 49.
    Wie immer mit Claus von Wagner. Max Uthoff, soll einmalig pausieren und erst in Folge 50 wieder dabei sein, hier und hier nachlesbar.
    Erstmalig sind diesmal die Frauen in der Überzahl. Als Gäste sind mit dabei: Till Reiners, Uta Köbernick, Sarah Hakenberg und Sonja Kling.
    Quelle: ZDF


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