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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. April 2020 um 8:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Warum der Begriff “Rechtspopulismus” verharmlosend ist
  2. Das Dilemma der Lockdown-Politik
  3. Pest und Cholera
  4. Corona-Kapitalismus in den USA: hier zeigt er sich in Reinform
  5. Surfen auf der Schuldenwelle
  6. Für eine Handvoll Spargel
  7. Wird aus dem Marktliberalen jetzt ein Sozialist?
  8. Corona-Studie: der Plan hinter dem „Heinsberg-Protokoll“
  9. Keine erhöhte Sterberate durch Corona in der ersten März-Hälfte
  10. Kramp-Karrenbauer sagt Washington Kauf von US-Kampfjets zu
  11. Gedanken und Thesen zum Corona-Ausnahmezustand
  12. Warum das Corona-Risiko nicht absolut gesetzt werden darf
  13. Volksgemeinschaftsmoral, bitte
  14. COVID-19 Prävalenz
  15. Covid-19: Bill Gates über das Virus: “Es gibt einige Dinge, wie Geschäftsreisen, die nie wiederkommen”
  16. Das steckt hinter der Querfrontdemonstration in Berlin
  17. Bild-Zeitung vs. China: Chefredakteur Julian Reichelt schreibt sich faktenfrei in Rage
  18. Giorgio Agamben zum Umgang der liberalen Demokratien mit dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Warum der Begriff “Rechtspopulismus” verharmlosend ist
    “Rechtspopulismus” ist ein verführerisch einfacher Begriff. Tatsächlich setzt er unterschiedliche politische Phänomene gleich und verdeckt so ihre Gefahren. Um ihnen begegnen zu können, müssen wir sie genauer benennen. (…)
    Worin könnte die Differenzierung im inzwischen breiten rechten politischen Spektrum bestehen, um die spezifische Gefährlichkeit für liberale Demokratien und offene Gesellschaften zu benennen?
    Der Vorschlag unterscheidet drei Varianten: erstens die Kategorie des Rechtspopulismus ; zweitens alle jene Varianten, die als Autoritärer Nationalradikalismus bezeichnet werden können; und drittens der gewalttätige Rechtsextremismus , einschließlich neonazistischen Versionen. Anhand dieser Differenzierung kann die Gefährlichkeit für die offene Gesellschaft und liberale Demokratie unterschieden werden. Dazu sollen die Platzierungen in diesem Spektrum differenziert werden. (…)
    Dazwischen ist nun eine Partei mit einer eigenen Erfolgsspur platziert, die weder bloß nur schlichte und flache Ideologien vertritt noch den brutalen Auftritt im öffentlichen Raum zelebriert. Es ist die AfD als Autoritärer Nationalradikalismus.

    • Autoritär, weil sie Gesellschaftsvorstellungen vertritt, die eine auf Homogenität ausgerichtete Volksgemeinschaft mit entsprechenden Ausgrenzungen sowie einem auf Hierarchien basierenden Kontrollparadigma beinhalten.
    • National im Sinne von nationalistisch, weil die Überlegenheit des deutschen Volkes herausgestellt wird in Kombination mit einer Ideologie der Ungleichwertigkeit gegenüber Anderen. Hinzu kommen die Propagierungen einer Neudeutung deutscher Geschichte.
    • Radikalismus im Hinblick auf die strategischen Grenzüberschreitungen zur Verletzung psychischer und physischer Unversehrtheit von Andersdenkenden und Menschen anderer Herkunft im Sinne gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

    Quelle: Wilhelm Heitmeyer in Spiegel

    Anmerkung Albrecht Müller: Endlich sagt das einer.

  2. Das Dilemma der Lockdown-Politik
    Das Leben eines größeren und im Schnitt jüngeren Teils der Bevölkerung steht gegen das älteren Minderheit. Wäre es moralisch legitim, das Wohl der einen für das Wohl der anderen zu opfern? (…)
    Doch unabhängig davon, wie man zu Corona steht, eines dürfte klar sein: Diese Epidemie wird erst dann enden, wenn entweder ein Impfstoff gefunden oder Herdenimmunität erreicht wird. Beides scheint momentan nicht in Reichweite: Ein Impfstoff wird vermutlich nicht vor 2021 erhältlich sein und eine suffiziente kollektive Immunisierung wird mit den jetzigen Maßnahmen laut Modellen erst in 1-2 Jahren eintreten. Ein probates Medikament steht auch noch aus. Die famose Reproduktionszahl R0 auf unter 1 zu drücken kann auch nur ein temporäres Ziel sein. Die Epidemie wäre dann keineswegs vorbei, sondern nur wieder überschaubar. Die Drohung einer zweiten Welle stünde dann immer noch im Raum. Also, was tun?
    Dass der Lockdown so schnell als möglich beendet werden muss, lässt sich nicht mehr wegargumentieren. Die gesellschaftlichen und ökonomischen Schäden sind bereits immens. Experten sprechen schon jetzt von der schlimmsten Weltwirtschaftskrise seit 1929. Viele bangen bereits um ihre Existenz – auch in wohlhabenden Ländern. Die Caritas verbucht einen steilen Zulauf.
    In vielen ärmeren Ländern sind Menschen verstärkt durch den Hungertod bedroht aber auch in Europa wird bereits gehungert. In Süditalien wurden schon jäh nach Krisenbeginn Supermärkte geplündert, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Täter waren jedoch keine Kleinkriminellen, sondern ganz normale Bürger. All dies geschieht aus finanzieller Not, wie es heißt.
    Dass es so nicht geht, daran zweifeln nur noch wenige, wiewohl es auch nur wenige wagen, daraus langfristige Konsequenzen zu ziehen. Immerhin macht Österreich den ersten Schritt. Die Wirtschaft soll wieder hochgefahren werden – stückweise versteht sich. Zuerst öffnen kleinere Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte. Der Rest soll schrittweise folgen. Anfang Juni soll alles wieder so sein wie vor der Krise – zumindest für eine Zeit lang, denn eine zweite Welle ist wahrscheinlich. Aber was dann?
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Carsten Weikamp.: Sehr lesenswert!

  3. Pest und Cholera
    Nach dem Ausscheiden von Bernie Sanders aus den Vorwahlen der Demokratischen Partei ist es nahezu sicher, dass in der Wahl im November Joe Biden für die Demokraten gegen Donald Trump antreten wird. Beide sind unwählbar, weshalb es an der Zeit ist, endlich das Zweiparteiensystem aufzusprengen und die Green Party zu wählen, die im Gegensatz zu den Grünen in Deutschland grün und links ist. (…)
    Nein, Biden und Trump wären nicht gleich „schlimm“, so wie auch Hillary nicht gleich, sondern auf andere Art und Weise schlimm gewesen wäre. Alle drei Figuren sind niederträchtig und verachtenswert und kategorisch von A bis Z abzulehnen.
    Ja, das Konzept des „geringeren Übels“ mag in sehr, sehr eng gestecktem Rahmen relevant sein – doch Biden vs. Trump ist anders, genau wie auch Hillary vs. Trump schon anders war. Es ist die buchstäbliche Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn mich ein Linkshänder vor die Wahl stellt, mir entweder mit Links oder Rechts ins Gesicht zu boxen, wähle ich sicher nicht die rechte, vermeintlich schwächere Faust, das kleinere Übel, sondern fordere ihn auf, gefälligst zu verschwinden.
    Als Schlusswort nur noch Folgendes: Trump wird Biden vernichten. Die ganz persönliche Propaganda-Maschinerie, die Trump sich hält – die Hetzer auf FOX News genau wie all die rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker im Internet –, wird Biden in Stücke reißen. Die US-Bevölkerung kann sich auf ein halbes Jahr Lügen-Stakkato einstellen. Biden ist seit gefühlt 100 Jahren in der Politik und hat dementsprechend ganze Lagerhallen voll Leichen im Keller, die Trumps PR-Moloch alle ausgraben und Biden 24/7 um die Ohren schlagen wird.
    Daher meine Prognose: Biden wird verlieren, Trump bleibt im Amt.
    Warum freiwillig zwischen Pest und Cholera wählen? Wann, wenn nicht jetzt, wäre die perfekte Zeit, die Green Party zu wählen? (Ja, es gibt in den USA eine grüne Partei.) Im Gegensatz zu den deutschen Grünen – die nicht grün sind und außer Neoliberalismus und Kriegstreiberei kaum noch etwas im Angebot haben – sind die US-Grünen grün und linksaußen. Warum also den Das-kleinere-Übel-Unsinn mitspielen, anstatt die historische Chance zu nutzen und das Zweiparteiensystem in den USA endlich aufzusprengen?
    Quelle: JusticeNow!
  4. Corona-Kapitalismus in den USA: hier zeigt er sich in Reinform
    In einer “Krise”, in der 22 Millionen US-Bürger arbeitslos werden und unzählige kleine Geschäfte und Unternehmen eingehen, werden vier superreiche US-Amerikaner um weitere 47 Milliarden reicher. Hier lässt sich die Funktionsweise des Kapitalismus wie unter dem Brennglas studieren.
    Es ist der 17 April 2020. Die USA sind zum globalen Hotspot der Covid-19-Epidemie geworden. Die Zahl der erfassten Infizierten beträgt über 700.000, die Zahl der tatsächlich infizierten dürfte um eine Vielfaches höher liegen. Gut 34.000 Menschen sind an Covid-19 gestorben, fast die Hälfte davon in der Finanzmetropole New York. In nur vier Wochen haben 22 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren und sich arbeitslos gemeldet (16. April) . In den Medien sind kilometerlange Autoschlangen vor Essensausgaben für Mittellose zu sehen. Die US-Bürger erleben eine gesundheitliche, wirtschaftliche und existenzielle Katastrophe.
    Es gibt aber auch das andere New York, die Wall Street, und die anderen USA, die USA der Superreichen. Schaut man zur gleichen Zeit (15. April) auf die Bloomberg-Liste der Superreichen und ihr Amerika, so glaubt man man blühende Landschaften zu sehen.
    Quelle: Norbert Häring
  5. Surfen auf der Schuldenwelle
    Fiskalpolitik nach Corona: Die Dogmen von gestern gelten – und helfen nicht mehr
    Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende – und die Staatsverschuldung – auch: Um die wirtschaftliche Verwüstung zu bekämpfen, die die Corona-Pandemie nach sich zieht, setzen Staaten und Zentralbanken derzeit gigantische Finanzmittel in Bewegung und werfen wirtschaftspolitische Dogmen und Tabus gleichermaßen über den Haufen: Schuldenbremse und Schwarze Null gelten nicht mehr, milliardenschwere Rettungspakete werden geschnürt, größtenteils auf Pump. Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern, von der schwäbischen Hausfrau? Auf einmal ist das, was eben noch als verwegen verschrien war, vernünftig und das Radikale geboten. Nicht zuletzt auf diesen Zustand geht zurück, dass radikale Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen auf der Agenda der öffentlichen Debatte weiter nach oben rücken. […]
    Die Staatsverschuldung wird, ähnlich wie nach der Finanzkrise 2008/2009, in den nächsten Monaten sprunghaft ansteigen: in Deutschland von derzeit etwas über 60 Prozent auf 80 oder sogar 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in anderen Ländern wie Italien auf 140 Prozent und mehr. Eine Wiederholung der Austeritätspolitik als Mittel zum Schuldenabbau scheint nicht noch einmal gangbar, schon das ist eine tektonische Verschiebung wirtschaftspolitischer Grundsätze. Moritz Schularick, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bonn, sagt: „Es ist, glaube ich, allen klar, dass die Austeritätspolitik nach der Finanzkrise 2008/2009 erhebliche Nebenwirkungen hatte, sowohl für das politische System als auch für die Wirtschaft selbst. Das Gleiche nach dem Ende der Krise zu wiederholen, wäre gefährlich.“
    Quelle: Der Freitag

    dazu auch: Die Deutschen müssen sich an hohe Schulden gewöhnen
    Politiker mobilisieren Billionen, um den Wirtschaftskollaps zu verhindern. Gut so. Schlecht ist, wenn sie das Geld bald wieder zurückhaben wollen. Da droht nach dem Corona-Schock das nächste Desaster. (…)
    Eine mögliche Lösung wirkt so radikal, wie die derzeitige Krise nun einmal ist: Was an privaten Verlusten durch die Coronakrise in diesen Wochen entsteht, sollte staatlich nicht durch Kredite, sondern viel stärker noch durch Zuschüsse an die Betreffenden so weit wie irgend möglich ausgeglichen werden. Und was dadurch beim Staat an zusätzlichen Schulden entsteht, sollte die Notenbank finanzieren, indem sie das Geld schafft – ohne dass es irgendwer auf absehbare Zeit zurückzahlen müsste.
    Das hätte den Reiz, dass alles, was an Schulden durch diesen Schock entstanden ist, aufgefangen würde, ohne dass jemand deshalb anschließend anfangen müsste, wild zu kürzen. Oder Steuern und Abgaben zu erhöhen. Und wir danach viel eher da weitermachen könnten, wo wir vor der Pandemie standen. Ohne für so ein dämliches Virus von der einen Rezession in die nächste Schuldenkrise zu stolpern und über Jahre kaum noch zu wachsen.
    “In außergewöhnlichen Zeiten, wie es Kriege, tiefe Depressionen oder eine Pandemie sind, ist es der Job einer Notenbank, den Staat in der alles überragenden Aufgabe zu unterstützen, das Leben und den Lebensunterhalt der Menschen im Land zu schützen”, schreibt Martin Wolf, der Chefkommentator und Kolumnist der “Financial Times”, diese Woche. Was auf der Insel keine Theorie mehr ist: Die Briten wollen genau das jetzt starten und die Notenbank das Geld liefern lassen, damit die Regierung alles machen kann, um das Volk zu schützen. Höchste Zeit, über den vermeintlichen Tabubruch auch auf dem Kontinent nachzudenken.
    Quelle: Thomas Fricke in Spiegel

  6. Für eine Handvoll Spargel
    Um Luxusgemüse verkaufen zu können, werden tausende Erntehelfer gefährdet. Das ist menschenverachtend. (…)
    Um die Virologen zu beruhigen, versprach das Agrarministerium besondere Sicherheitsauflagen. Von denen ist aber nicht viel zu halten, wie die ersten Flüge für Saisonarbeitskräfte nach dem ursprünglichen Einreiseverbot gezeigt haben: Im kleinen Flughafengebäude im rumänischen Cluj-Napoca drängten sich an die 2.000 Erntehelfer dicht an dicht. Auch in den Flugzeugen und Transferbussen war nicht daran zu denken, anderthalb Meter Sicherheitsabstand einzuhalten. Die Körpertemperaturmessung bringt nicht viel, weil ja auch Infizierte ohne Symptome das Virus übertragen können. Und viele Erntehelfer werden wieder in Mehrbettzimmern untergebracht.
    Dieses hohe Infektionsrisiko lässt sich nicht rechtfertigen – schon gar nicht mit dem Ziel, dass die Deutschen auch dieses Jahr möglichst wenig für Spargel bezahlen müssen. Denn: Spargel ist ein Luxusgemüse, das niemand zur Ernährung braucht.
    Quelle: taz

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern: Mehr Geld für Erntehelfer! mit einer Anmerkung.

    Dazu: Wer die Spargel- und Erdbeerernte rettet
    Die deutsche Landwirtschaft ist auf Saisonarbeiter aus dem Ausland angewiesen. Woher kommen die Menschen, die trotz Corona unsere Ernte retten sollen? Und was verdienen sie? (…)
    Seit Jahren wird um die Saisonarbeiter in der Landwirtschaft gestritten. Zunächst ging es um Dumpingpreise, Arbeitsplätze und einen Mindestlohn. Seit dem 1. Januar 2018 muss allen Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden; im Jahr 2019 betrug der festgesetzte Mindestlohn noch 9,19 €, seit 2020 sind es 9,35 Euro pro Zeitstunde.
    Hinsichtlich ausländischer Spargelstecher und Erntehelfer reagierte die Bundesregierung Ende März zunächst mit einer Lockerung der Arbeitsbedingungen: Inzwischen dürfen die Saisonkräfte in einem kurzfristigen Beschäftigungsverhältnis 115 Arbeitstage sozialversicherungsfrei arbeiten statt der bisher vorgeschriebenen Obergrenze von 70 Tagen; die Regelung gilt bis Oktober. Außerdem ist in der Coronakrise die Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis möglich – wichtig, damit die Erntehelfer kurzfristig auch bei anderen Arbeitgebern einspringen können.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Hätte der SPIEGEL tatsächlich untersucht, was die Saisonarbeiter (eigentlich) verdienen (15 Euro pro Stunde? 20 Euro?), dann wüßten wir mehr. So erfahren wir nur, was die Erntehelfer *bekommen*, nämlich viel zu wenig, noch nicht einmal den viel zu niedrigen deutschen Mindestlohn. (Aus Arbeitgebersicht beträgt der Mindestlohn 9,35 Euro plus ca. 20% für den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben, Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung; die Sozialabgaben für die Erntehelfer dürfen die Bauern aber ganz legal prellen.) Eigentlich unverständlich, wenn die Arbeit so anstrengend und diffizil ist wie beschrieben und in einer Leistungsgesellschaft angeblich wertvollere, produktivere Arbeit besser bezahlt werden muss als sogenannte einfache Tätigkeiten. Auch aus der Grafik mit den monatlichen Mindestlöhnen für Rumänien, Polen und die deutsche Landwirtschaft (der deutsche Balken ist verzerrt, weil in Wahrheit nicht der deutsche Mindestlohn gezahlt wird) erfahren wir nur, warum für Rumänen und Polen eventuell der höhere deutsche Lohn attraktiv und/oder das Erpressungspotential der Bauern so groß ist – aber leider nicht, warum die Bauern für qualifizierte Arbeit nur diesen Dumpinglohn zahlen müssen. “Die deutsche Landwirtschaft ist auf Saisonarbeiter aus dem Ausland angewiesen” – um die Löhne niedrig und die Gewinne hoch zu halten, sonst für nichts.

  7. Wird aus dem Marktliberalen jetzt ein Sozialist?
    Die Franzosen leiden an ihrem Präsidenten. Emmanuel Macron muss nicht nur das Virus in den Griff bekommen: Er muss sich politisch neu erfinden.
    Eine Gesellschaft hat ein Selbstbild, eine zumindest vage Vorstellung davon, wie sie sein will. Dann gibt es noch die Wirklichkeit. Das eine hat mit dem anderen nicht immer etwas zu tun, aber selten fiel die Kluft so deutlich auf wie durch die pinke Schnorchelmaske, die Elodie Caillon-Royer trägt. Die Krankenschwester arbeitet in der Notaufnahme des Hôpital Nord Franche-Comté, dem regional größten Krankenhaus südlich von Mulhouse, wo die Corona-Pandemie derzeit die meisten Opfer fordert.
    “Ich muss beim Stationschef um jede virensichere Maske betteln”, sagt sie. Also hat sie für sich und ihre Kolleginnen im örtlichen Sportgeschäft ein paar Taucherbrillen gekauft. Es heißt, die könnten helfen. Per Mail schickt sie ein Foto: Krankenschwestern, Ärztinnen, mit bunten Taucherbrillen im Gesicht, empfangen die sterbenskranken Covid-19-Erkrankten.
    Das sind die Bilder der Pandemie in Frankreich, dem großen, stolzen Frankreich. Das Virus nimmt keine Rücksicht auf Grandeur und nationale Fantasien. Doch was tut ein Staatspräsident, ausgestattet mit fast königsgleicher Macht, wenn er hilflos ist?
    Die Franzosen leiden nicht nur an der Katastrophe Corona, die in ihrem Land Tausende Todesopfer fordert. Sie leiden auch an ihrem Präsidenten. Nur etwas mehr als 40 Prozent aller Französinnen und Franzosen finden, Emmanuel Macron meistere die Krise gut – eine im europaweiten Vergleich niedrige Zustimmung. Gar 80 Prozent meinen, die Regierung verheimliche Informationen.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Daß aus einem Wirtschaftsliberalen im Allgemeinen und dem knallharten Macron im Besondern plötzlich ein Sozialdemokrat (oder gar Sozialist) werden könnte, ist an den Haaren herbeigezogen. Ja, Macron muss berechtige, harte Kritik einstecken, und die Rentenkürzungen sind erst einmal zurückgestellt, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wenn der französische Arbeitgeberverband Medef die Zeit nach der Krise für noch mehr Lohnsenkungen durch mehr Arbeitsleistung für dasselbe Geld durchsetzen will (eine absolute Unverschämtheit, wenn man bedenkt, daß nicht nur die Krise von den Arbeitnehmern ausgebadet wird, sondern die Rettungsgelder für Unternehmen ebenfalls von den Arbeitnehmern kommen), dann ist zumindest eine wahrscheinliche Linie vorgezeichnet. Der Artikel enthält zwei schöne Sätze: “Die Pandemie führt recht nüchtern vor, wie viel körperliche, schmutzige, harte, repetitive Arbeit notwendig ist, damit andere ihre Freiheit leben können und Wahlmöglichkeiten haben. Wenn man wollte, könnte man daraus schließen, dass nicht das Unten auf das Oben angewiesen ist, sondern es andersherum genauso ist.” Daß man extra betonen muss, daß die Oberschicht ohne die Arbeit der vielen VerkäuferInnen, BusfahrerInnen, Müllarbeiter und KrankenpflegerInnen schlicht nicht existieren kann und daß eine Fabrik nicht nur vom Vorstandsvorsitzenden, sondern genauso von den vielen Leuten am Band am Laufen gehalten wird, zeigt doch nur, daß die Oberschicht jeden Kontakt zu den “normalen” Leuten verloren hat und die Bilder und Maßstäbe ins Absolutistische verrutscht sind: hier vollbringen die großen Helden Wirtschaftsführer und genialen Politiker alle wichtigen Leistungen; dort kann der Pöbel, jederzeit ersetzbar, froh sein, mit den zugeworfenen Almosen vom Tisch der Reichen irgendwie über die Runden zu kommen. Mit einem solchen Gesellschaftsbild ist auch die Vehemenz der Gilets jaunes, die ans Revolutionäre (von 1789) erinnert, gut erklärbar.

  8. Corona-Studie: der Plan hinter dem „Heinsberg-Protokoll“
    Die Corona-Studie aus Heinsberg gilt als wegweisende Untersuchung im Kampf gegen das Virus. Ein internes PR-Konzept der Agentur Storymachine zeigt, wie die Studie des Virologen Hendrik Streeck inszeniert werden sollte (…)
    Tatsächlich stand der Termin Gründonnerstag aber auch schon im Storymachine-Konzept aus den ersten April-Tagen: Dort wird ein „Zwischenbericht“ bis Gründonnerstag geplant – als Abschluss der ersten von drei Kommunikationsphasen. Auf die Frage, wer die Entscheidung für diesen Termin für den Zwischenbericht getroffen habe, antwortete Mitinhaber Jessen: „Das entzieht sich unserer Kenntnis. An dieser Entscheidung waren wir nicht beteiligt.“ Studienleiter Streeck äußerte sich auch zu dieser Frage nicht.
    Die Frage, ob mit Blick auf die anstehende Bund-Länder-Entscheidung über die Exit-Strategie Druck auf Streeck und seine Kollegen ausgeübt wurde, wissenschaftlich noch nicht ausreichend belastbare Zwischenstände zu präsentieren, beschäftigt inzwischen auch den nordrhein-westfälischen Landtag. Dazu läuft eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion. Darin geht es um die zeitlichen Abläufe, aber auch um die Rolle der „Partner“ von Storymachine, die einen Teil der Kosten für das PR-Projekt übernommen haben. Darüber hinaus prüft auch der Deutsche Rat für Public Relations das Engagement der Firma bei dem „Heinsberg-Protokoll“. Das Selbstkontrollorgan will unter anderem untersuchen, ob die Agentur ihre Geldgeber rechtzeitig offengelegt hat.
    Wie Capital-Recherchen ergeben, hat sich Storymachine im Vorfeld des Projekts zunächst auch um weitere Finanziers bemüht – über die beiden öffentlich genannten Unternehmen Deutsche Glasfaser und Depot hinaus. Dafür hat sie bei mehreren Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Einzelpersonen angeklopft. Konkret bestätigte der Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB), in dem die Landesbanken sowie die Förderbanken von Bund und Ländern organisiert sind, von der Agentur angefragt worden zu sein. Auch der Verein Atlantik-Brücke bestätigte eine Anfrage. Man habe sich aber gegen eine Beteiligung entschieden, teilten beide Institutionen mit.
    Quelle: Capital

    Dazu: PR-Kontrollorgan untersucht Heinsberg-Studie
    Eine Agentur hat für die Heinsberg-Studie die Social-Media-Arbeit gemacht. Ob das transparent genug war, prüft jetzt ein Ethikrat. Die Agentur verteidigt sich – und sorgt damit für Verwunderung und Gelächter.
    Die Aufregung ist groß: Die Social-Media-Agentur Storymachine, gegründet unter anderen vom ehemaligen Chefredakteur der „Bild“-Zeitung Kai Diekmann, verbreitet auf Twitter und Facebook unter dem Titel „Heinsberg-Protokoll“ eine Studie, die in der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg die Ausbreitung des Coronavirus untersucht. Im Raum steht der Vorwurf, diese diene mehr der Politik, konkret dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU), denn der Wissenschaft.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

  9. Keine erhöhte Sterberate durch Corona in der ersten März-Hälfte
    Das Statistische Bundesamt veröffentlicht eine Sonderauswertung der Sterbefallzahlen. In der ersten Märzhälfte gibt es im Jahresvergleich keine Erhöhung durch Corona. […]
    Wie stark sich die Corona-Pandemie auf die durchschnittliche Sterberate in Deutschland auswirkt, zeigt das Statistische Bundesamt in einer . Bisher gibt es zunächst die aktuellen Sterbefallzahlen bis zum 15. März.
    Da in Deutschland täglich mehrere Tausend Menschen sterben, sind Anfang März noch keine Sondereffekte durch die Coronakrise abzulesen
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: Am 15. März gab es in Deutschland 13 Covid-19-Todesfälle. Es wäre wirklich bemerkenswert, wenn 13 Todesfälle die Sterberate signifikant erhöhen würden. Warum dann diese reißerische Überschrift? Was die Berliner Zeitung hier betreibt, ist unlauter und manipulativ.

    Auf europäischer Ebene ist bereits jetzt eine deutliche Erhöhung der Sterberate messbar …

    Quelle: EuroMOMO

    Ob dieser Trend auch für Deutschland darstellbar sein wird, ist jedoch zur Zeit noch ungewiss, da die aktuell 4.642 Todesfälle, die mehrheitlich auf den letzten Monat fielen, im Vergleich zur normalen Sterbeziffe (954.874 im Jahr 2018) immer noch überschaubar sind. Aber dies ist natürlich nur eine Momentaufnahme, da die Todesfälle leider noch steigen werden.

  10. Kramp-Karrenbauer sagt Washington Kauf von US-Kampfjets zu
    Der Streit über die Nachfolge der alternden “Tornados” eskaliert. Ohne Abstimmung mit der SPD sagte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer nach SPIEGEL-Informationen die Bestellung von 45 US-Kampfjets zu.
    Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) geht bei dem umstrittensten Rüstungsprojekt der vergangenen Jahre auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner SPD. Wie der SPIEGEL erfuhr, informierte die Ministerin die amerikanische Regierung am vergangenen Donnerstag offiziell, dass Deutschland als Ersatz für die altersschwachen “Tornado”-Kampfjets der Luftwaffe insgesamt 45 Jets vom Typ F-18 des US-Herstellers Boeing kaufen wolle. Mit dem Koalitionspartner SPD hatte Kramp-Karrenbauer diesen Schritt nicht abgesprochen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ist das ein “Polit-Patzer”? Natürlich kann man sich fragen, ob die Anschaffung milliardenteurer Kriegesflugzeuge gerade in Corona-Zeiten, wo es ganz andere Prioritäten gibt und das Geld für Wichtigeres gebraucht wird, klug ist; ob Deutschland nicht viel dringender mehr KrankenpflegerInnen, eine höhere Bezahlung für ErzieherInnen und ein besseres Internet braucht; oder ob es nicht unverschämt ist, den Koalitionspartner einfach zu übergehen. Aber AKK repräsentiert einfach konsequent die ewige Regierungspartei: wenn nicht der Himmel einstürzt, wird die Union auch den nächsten Bundeskanzler stellen und die Richtlinien der Politik bestimmen; sollte die SPD als Minikoalitionspartner noch dabei sein, kann sie jederzeit gegen die Atlantiker und Bellizisten von den Grünen ausgetauscht werden. Der Wille der CDU ist Staatsräson.

  11. Gedanken und Thesen zum Corona-Ausnahmezustand
    Sich an bestimmte Regeln zu halten, um seine Mitmenschen und sich selbst so gut wie möglich zu schützen, dürfte angesichts der Corona-Epidemie und ihrer Gefahren absolut sinnvoll sein – wenn damit die Ausbreitung des Virus verlangsamt, das krank gesparte Gesundheitswesen vor Überlastung bewahrt und das Leben besonders gefährdeter Personen geschützt werden kann. Dennoch sollten wir die gegenwärtige alptraumhafte Situation im Gefolge des Corona-Virus kritisch hinterfragen sowie auf Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit überprüfen – gerade in Zeiten dirigistischer staatlicher Zwangsmaßnahmen, gerade in Zeiten allgemeiner Angst, Unsicherheit und Anpassung. Zumal die einschneidenden, unser aller Leben stark durchdringenden Maßnahmen letztlich auf Basis einer ungesicherten wissenschaftlichen Datenlage verhängt worden sind. Die folgenden skeptischen Gedanken und zuspitzenden Thesen sollen dazu beitragen, die komplexe und unübersichtliche Problematik einigermaßen in den Griff zu bekommen und bürgerrechtliche Orientierung zu bieten für eine offene und kontroverse Debatte. Diese Debatte leidet derzeit leider noch immer unter Angst, Einseitigkeit und Konformitätsdruck, auch unter Diffamierung und Ausgrenzung: „Wer dieser Tage von Freiheitsrechten spricht“, so Charlotte Wiedemann in der „taz“ (25.03.2020), „wird leicht der Verantwortungslosigkeit bezichtigt (…). Und überhaupt: Kritik ist nicht an der Zeit! (…) Auch die Medien stehen unter Konformitätsdruck.“ Bei so viel Angst und seltener Eintracht sind Skepsis und kritisches Hinterfragen von vermeintlichen Gewissheiten und autoritären Verordnungen nicht nur angezeigt, sondern dringend geboten. Schließlich gehört das zu einer lebendigen Demokratie – nicht nur in Schönwetterzeiten, sondern gerade in solchen Zeiten wie diesen, gerade in Zeiten großer Gefahren, die aus unterschiedlichen Richtungen lauern.
    Quelle: Rolf Gössner
  12. Warum das Corona-Risiko nicht absolut gesetzt werden darf
    Nichts ist alternativlos. Deswegen müssen die beispiellosen Maßnahmen hinterfragt werden – und das Virus mit anderen Gesundheitsgefährdungen verglichen. Ein Gastbeitrag. (…)
    Nicht erst, wenn Corona einmal ausgestanden ist, gilt es den Blick daher über die Herausforderungen der aktuellen Pandemie hinaus zu weiten. Der Schutz vor spezifischen Risiken oder dessen Ausbleiben berührt die Verteilungsgerechtigkeit, für die Virologen keine Ansprechpartner sind; maximalen Schutz für alle kann der Staat nicht gewährleisten.
    Politische Führung erschöpft sich nicht im Regiment von Fallzahlen. Sie bedeutet vor allem: Vorschläge zu machen, welche Maximen wir uns setzen wollen. In Krisen-Zeiten wie zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 verschieben sich Machtverhältnisse und Aufmerksamkeit in Richtung der Exekutive.
    Damals wie heute sind unsere Erwartungen vernünftiger Problembewältigung, an Regierung und Exekutive gerichtet. Doch der “Selbststeuerungsmechanismus” (Michael Greven) demokratischer Gesellschaften, auch in Krisenzeiten, ist nicht die Exekutive – und erst recht kein technokratisches, KI-gestütztes Prozessmanagement – sondern die Politik. (…)
    Wenn jetzt schon die Infektionsschutzgesetze geändert werden, dann sollten die Kompetenzen der Exekutive nicht einfach auf breiter Front erweitert, sondern an mindestens einer Stelle auch verringert werden: Bei der Ausrufung des Ausnahmezustands.
    Keine Seuche kommt so schnell, dass Bundestag und Bundesrat nicht in parlamentarischer Beratung über angemessene Maßnahmen entscheiden könnten: jedenfalls nicht schneller, als es in Zeiten des Kalten Krieges ein Angriff des Ostblocks erfolgt wäre. Wenn schon die Rhetorik der Corona-”Bekämpfung” an den Verteidigungsfall erinnert, dann darf man das auch weiterdenken.
    Quelle: Georg Eckert und Leonard Novy in Der Tagesspiegel
  13. Volksgemeinschaftsmoral, bitte
    Die Regierung hat Corona verpennt, die Medien schweigen dazu. Apropos: Haben wir eigentlich eine Opposition?
    Die Corona-Krise ist ein Glücksfall für die Union. Beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap legt sie Anfang April – im Vergleich zu Anfang März – um sieben Prozentpunkte auf 34 Prozent zu (2.4.), bei der Forschungsgruppe Wahlen klettert sie um 9 Prozentpunkte auf 35 Prozent (9.4.), und bei Emnid explodiert die Zustimmung um 13 Prozentpunkte auf nunmehr 37 Prozent (11.4.). Für die CSU allein rückt die absolute Mehrheit wieder in greifbare Nähe. Laut einer Umfrage von Infratest dimap vom 8. April steigern sich die Christsozialen in Bayern im Vergleich zu ihrem Januarwert um phänomenale 13 Prozentpunkte auf 49 Prozent.
    Mit solchen Zugewinnen hat die in Berlin regierende Große Koalition erstmals seit 2018 wieder eine Stimmenmehrheit. Erreichten CDU, CSU und SPD im zweiten Halbjahr 2019 gemeinsam noch 40 Prozent, so liegen sie derzeit wieder, wie zu Beginn der Legislaturperiode, bei etwa 54 Prozent. Laut einer YouGov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur sind zwei Drittel der Deutschen mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden, Tendenz steigend. Für die Oppositionsparteien Linke, Grüne, FDP und AfD geht es dagegen abwärts.
    Drei Gründe sind dafür maßgeblich. Erstens: Krisen sind immer die Stunde der Exekutive. Zweitens: Die Opposition versagt. Und drittens: Viele Medien fungieren als Lautsprecher der Regierung.
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung unseres Lesers V.C.: Er fasst aus meiner Sicht sehr gut zusammen, warum die Krise Deutschland womöglich in einem schlechteren Zustand zurücklassen wird, als es schon ist – Weil weder das gros der Medien noch die im Parlament vertretenen Parteien was ändern wollen / müssen: Der Wähler nimmt das harte (planlose) vorgehen der Regierung an und dank es mit Traumwerten für die “tollen Krisenmanager”. Fazit: Alles richtig gemacht – keine Korrekturen notwendig

  14. COVID-19 Prävalenz
    Am 10. April 2020 fand im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz zu den ersten Ergebnissen der Studie “COVID-19 Prävalenz” statt.
    Ein ausführlicher wissenschaftlicher Methodenbericht wird im April abgeschlossen und veröffentlicht. (…)
    Die wichtigsten Ergebnisse
    Schätzung der Perioden-Prävalenz
    Prävalenz ist das Auftreten einer Erkrankung in Relation zu einer gesamten Population. Diese Studie erlaubt es, die Prävalenz akuter Infektionen mit COVID-19 („Corona-Virus“) unter in Österreich lebenden, nicht hospitalisierten Menschen für den Zeitraum Anfang April 2020 abzuschätzen.

    • Der Anteil der positiv Getesteten beträgt in der gewichteten Stichprobe 0,33 %.
    • Umgelegt auf die Bevölkerung sind das ca. 28.500 Personen.

    Konfidenz-Intervall („Schwankungsbreite“)
    Wird von einer Stichproben-Erhebung ein Schluss auf eine Grundgesamtheit (Population) gezogen, ist stets das Konfidenzintervall („Schwankungsbreite“) zu beachten. Als Standard hat sich hier durchgesetzt, dass die Ergebnisse mit 95%-iger Sicherheit innerhalb des angegebenen Intervalls liegen.
    Für die Berechnung eines Konfidenz-Intervalls für kleine Anteile eignet sich die Methode des Clopper-Pearson Intervall. Auf die COVID-19-Studie angewandt, bedeutet es, dass die Prävalenz von COVID-19 in österreichischen Haushalten mit 95%-iger Wahrscheinlichkeit zwischen 0,12% und 0,76% liegt.
    In absoluten Zahlen: Es gab, zusätzlich zu den Erkrankten in Spitälern, in der Periode 1.-6. April mit 95%-iger Wahrscheinlichkeit zwischen 10.200 und 67.400 akut COVID-19-Infizierte.
    Quelle: SORA

  15. Covid-19: Bill Gates über das Virus: “Es gibt einige Dinge, wie Geschäftsreisen, die nie wiederkommen”
    Bill Gates gilt als ausgesprochener Experte, was Epidemien angeht. In einem Podcast erklärte er, wo wir beim Kampf gegen das Coronavirus stehen – und was sich für immer verändern wird.
    Bill Gates ist nicht nur Microsoft-Gründer und einer der reichsten Menschen des Planeten. Er gilt auch als ausgesprochener Experte, was Epidemien angeht. Die “Bill & Melinda Gates Foundation” steckt seit 20 Jahren Milliarden in die Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die Stiftung unterstützt unter anderem die Forschung nach Impfstoffen gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Und engagiert sich nun auch finanziell im Kampf gegen Covid-19.
    In einem Podcast-Interview mit dem Chef des Business-Netzwerks Linked-In, Daniel Roth, hat Gates seine aktuellen Einschätzungen zur Lage abgegeben. Das Krisenmanagement der US-Regierung hält er nach wie vor für unzureichend. Um die exponentielle Verbreitung des Virus zu verhindern, müsse ein umfassender Shutdown erfolgen, auch in Teilen des Landes, in denen es bislang wenige Fälle gebe. “Es ist ein Fehler, dass nicht das gesamte Land zu extremen Maßnahmen greift”, sagt Gates.
    Den Weg zurück in die Normalität sieht er als einen langen schrittweisen Prozess. Eine Öffnung der Wirtschaft in den USA erwartet er nicht vor Anfang Juni, “wenn die Dinge gut laufen”. “Ich denke, dass Dinge wie Fabrikfertigung, Bauarbeiten, wieder zur Schule gehen – diese Dinge können passieren.” Volle Restaurants und Sportstadien werde man dagegen noch länger nicht sehen. “Es wird so lange halb-normal sein, bis der Impfstoff milliardenfach verfügbar ist.”
    Quelle: msn nachrichten

    Anmerkung J.K.: Kann mir jemand erklären was Bill Gates dazu legitimiert beständig Empfehlungen darüber abzugeben wie wir nach seiner Auffassung nach zu leben haben? Natürlich kann sich Gates zur Corona-Pandemie äußern wie jeder andere Bürger auch, nicht weniger und auch nicht mehr.

    Anmerkung Jens Berger: Unverständlich, warum so ein Quatsch dem Stern eine Meldung wert ist.

  16. Das steckt hinter der Querfrontdemonstration in Berlin
    In Berlin-Mitte sammeln sich am Samstag Verschwörungstheoretiker, linke und rechte Aktivisten. Die Polizei schreitet ein. Welche Rolle spielt die Volksbühne? […]
    Das rechtsoffene Portal „KenFM“ ist mit einem Videoteam gekommen, der ehemalige Journalist und Erdogan-Unterstützer Martin Lejeune und der Rechtsextremist Nikolai Nerling, der sich „Volkslehrer“ nennt, drehen auch Videos.
    Es ist eine wilde Mischung, die sich am Samstagnachmittag vor der Volksbühne zur „Hygiene-Demo“ versammelt hat. Laut Polizei etwas mehr als 500 Menschen. Die Versammlung ist illegal.
    Seit vier Wochen treffen sie sich samstags um 15.30 Uhr. Die Zahl der Teilnehmer wächst, ihre Zusammensetzung geht von weit links bis rechtsextremistisch. Organisiert wird die Demonstration von der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“. Seit vergangenen Donnerstag vertreibt die Gruppe auch eine eigene Zeitung, Plakate hängen an Berliner U-Bahnhöfen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Jens Berger: Der Tagesspiegel von heute ist kaum mehr von der BILD aus den Tagen vor dem Dutschke-Anschlag zu unterscheiden. Auch wer diese Demonstrationen nicht unterstützt, kann fair und gerne auch kritisch über sie berichten. Aber derartige Hetzartikel disqualifizieren letzten Endes nur den Tagesspiegel, der sich damit aus dem Kreis der ernsthaften Diskussionsteilnehmer verabschiedet.

  17. Bild-Zeitung vs. China: Chefredakteur Julian Reichelt schreibt sich faktenfrei in Rage
    Für gewöhnlich hält sich die chinesische Botschaft zurück, wenn es darum geht, innerdeutsche Debatten zu kommentieren. Doch mit der diplomatischen Zurückhaltung war es vorbei, nachdem die Bild-Zeitung am Mittwoch Peking eine “Corona-Rechnung” im dreistelligen Milliardenbereich unter der Losung “Was China uns jetzt schon schuldet” präsentierte.
    “Es wird eine Zeit geben, in der die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden!”, leitete die Bild ihren Artikel mit einem Zitat des US-Außenministers Mike Pompeo ein. Die US-Regierung ist schon seit Wochen bestrebt, China für ihr eigenes Versagen im Umgang mit der Corona-Pandemie verantwortlich zu machen. Noch Ende Februar hatte Präsident Donald Trump angedeutet, dass die Grippe gefährlicher als das Corona-Virus sei. Dass Trump die Krise über lange Zeit beharrlich geleugnet und sich durch Nichtstun ausgezeichnet hat, wird von US-Medien immer lauter kritisiert.
    Doch Bild macht nicht Washington oder andere westliche Regierungen, die sich erst spät zu einem entschlossenen Handeln bewegt hatten, für die schwerwiegenden Folgen der Corona-Pandemie haftbar, sondern die chinesische Führung, die “wichtige Informationen wochenlang unterdrückte”.
    Experten und Politiker weltweit fordern Konsequenzen für Peking – bis hin zu Schadensersatz-Klagen!”, so das Springer-Blatt.
    Die chinesische Botschaft wies die Vorwürfe in einem offenen Brief zurück. Ohne auf die darin genannten Fakten einzugehen, verfasste Bild-Chefredakteuer Julian Reichelt daraufhin einen “Brief” an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
    In fünf Punkten äußert sich Reichelt zu den Vorwürfen der Botschaft, die den Bild-Bericht als “infam” bezeichnet hatte, der “nicht nur ganz wesentlicher Fakten und genauer Zeitabläufe, sondern auch einem Mindestmaß an journalistischer Sorgfaltspflicht und Fairness” entbehre.
    Quelle: RT Deutsch

    Dazu: Mark Esper will nicht nur Epidemie im US-Militär vertuschen
    Der US-Verteidigungsminister Mark Esser ist Teil des Chors, der predigt, dass Chinas Umgang mit dem neuartigen Coronavirus irreführend und undurchsichtig sei. Es ist ein Versuch, die eigene Verantwortung abzuschütteln und die Aufmerksamkeit der wütenden Öffentlichkeit auf andere abzulenken. Je mehr Esper andere verleumdet, desto mehr interessiert sich die Öffentlichkeit aber dafür, wie schlimm die Epidemie im US-Militär wirklich ist.
    Fakt ist: Auf dem US-Flugzeugträger „Roosevelt“ sind insgesamt 655 Soldaten positiv auf COVID-19 getestet worden. Einer dieser Soldaten ist an den Folgen der Krankheit gestorben. (…)
    Ein weiterer Versuch Espers ist die vergebliche Suche nach einem Sündenbock. Einem Artikel der Zeitschrift „Forbes“ zufolge wackelt das Vertrauen der Menschen in US-Verteidigungsminister Esper, da das Pentagon nicht rechtzeitig und entschieden Instruktionen zu COVID-19 gegeben habe.
    Mark Esper verfügt nicht über die nötige Moral für das Amt des US-Verteidigungsministers. Er setzt seine eigenen politischen Interessen über das Leben der US-Soldaten. Seine Lügen rund um China sind längst entlarvt worden.
    China informiert die USA seit dem 3. Januar regelmäßigüber die Lage der Epidemie und hat US-Experten als Mitglied der WHO-Expertengruppe in China willkommen geheißen. Ende Januar bis Anfang Februar besuchte der Top-US-Virologe Walter Ian Lipkin China persönlich. Mangelt es China an Transparenz?
    Die US-Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) schlugen angesichts des neuartigen Coronavirus Mitte Januar Alarm. Am 25. Januar erklärten die USA, sie würden ihr Konsulat in Wuhan schließen. Seit dem 2. Februar hat Washington die Grenze für alle chinesischen Bürger und Einreisenden geschlossen, die in den vorangegangenen zwei Wochen in China gewesen waren. Hat China die USA irregeführt?
    Doch warum ist die aktuelle Lage in den USA so schlimm? Einige Politiker denken nur an ihre eigenen Interessen und wollen keine Maßnahmen ergreifen. COVID-19 ist für die USA nicht nur eine Tragödie der öffentlichen Gesundheit, sondern auch eine wirtschaftliche Katastrophe. Die US-Wirtschaft könnte Prognosen zufolge um elf Prozent schrumpfen.
    Quelle: CRI online

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Gebt die Schuld für das Covid-19-Versagen euren Regierungen und nicht China.

  18. Giorgio Agamben zum Umgang der liberalen Demokratien mit dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage
    Ein Land, ja eine Kultur implodiert gerade, und niemanden scheint es zu kümmern. Was spielt sich gerade vor unseren Augen in den Ländern ab, die von sich behaupten, sie seien zivilisiert? (…)
    Ich denke, der Leser, der sich anschickt, über die folgenden Punkte nachzudenken, kann nicht anders, als zuzustimmen, dass die Schwelle, welche die Menschlichkeit von der Barbarei trennt, überschritten wurde. Und zwar, ohne dass man dies bemerkt hätte oder indem man so tat, als würde man es nicht bemerken. (…)

    1. Der erste und vielleicht schwerwiegendste Punkt betrifft die Körper der toten Personen. Wie konnten wir nur im Namen eines Risikos, das wir nicht näher zu bestimmen vermochten, hinnehmen, dass die uns lieben Menschen und überhaupt alle Menschen in den meisten Fällen nicht nur einsam sterben mussten, sondern dass ihre Leichen verbrannt wurden, ohne bestattet zu werden? Dies ist in der Geschichte von der mythischen griechischen Königstochter Antigone bis heute nie geschehen.
    2. Wir haben bedenkenlos hingenommen, wiederum nur im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos, dass unsere Bewegungsfreiheit in einem Ausmass eingeschränkt wurde, wie dies zuvor nie in unserem Land geschah, nicht einmal während der beiden Weltkriege (die Ausgangssperre galt damals für bestimmte Stunden). Wir haben also hingenommen, im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos die Pflege unserer Freundschafts- und Liebesbeziehungen einzustellen, weil unser Nächster zu einer möglichen Ansteckungsquelle wurde.
    3. Dies konnte geschehen – und hier berühren wir die Wurzel des Phänomens –, weil wir die Einheit unserer Lebenserfahrung, die immer zugleich körperlich und geistig ist, in eine bloss biologische Einheit einerseits und in ein affektives und kulturelles Leben anderseits aufgespalten haben. Der Philosoph und Theologe Ivan Illich hat gezeigt, welche Verantwortung der modernen Medizin in dieser Spaltung zukommt. Sie scheint sich von selbst zu verstehen, in Wirklichkeit ist sie aber die grösste aller Abstraktionen. Ich weiss, dass diese Abstraktion von der modernen Wissenschaft durch Wiederbelebungs-Apparate erreicht wurde, die einen Körper in einem Zustand des vegetativen Lebens zu erhalten vermögen.

    Quelle: Giorgio Agamben in Neue Zürcher Zeitung


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