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Titel: Stresstest der Banken durch die Bankenaufseher der EU

Datum: 23. Juli 2010 um 12:25 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise
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In der Finanzbranche werden Banken und Versicherungen Stresstests unterzogen. Banken werden überprüft, ob diese bei künftigen Krisen ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet sind. Im Zentrum stehen die Auswirkungen einer dramatischen Verschlechterung der Konjunktur sowie hohe Kursverluste der Wertpapiere. Die strategische Messgröße für die Belastbarkeitstests ist die Eigenkapitalquote, also das Eigenkapital einer Bank im Verhältnis zur Bilanzsumme. Von Rudolf Hickel

1. Worum geht es?

Dazu ein Beispiel: Eine Bank erwirtschaftet auf der Basis eines soliden Geschäftsmodells Ge­winne und schüttet Dividenden aus. Ihre Eigenkapitalquote mit 10% reicht aus, um die üblichen Schwankungen bei den Wertpapierkursen sowie Verluste durch geplatzte Kredite verarbeiten zu können. Was aber passiert, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie die Markteinflüsse dramatisch verschlechtern? Hier setzt der Stresstest ein. Dieser zeigt für unterschiedliche An­nahmen über die Intensität von Belastungen der Bankbilanz ob das Eigenkapital unter eine Min­destmarke sinkt. Wird beim Stresstest die durch die EU-Bankenaufseher unterstellte Mindest­quote des Kernkapitals um 6% unterschritten, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Die Bank besorgt sich frisches Kapital. Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, stellt sich die Frage, ob staat­liche Eigenkapitalzuschüsse gewährt werden oder die Bank teil- oder voll verstaatlicht bzw. im schlimmsten Fall nicht gerettet wird.

Stresstests dienen als Frühwarnsystem. Es handelt sich jedoch nicht um Prognosen zur ökono­mischen Entwicklung etwa der Deutschen Bank oder Commerzbank. Vielmehr geht es um Wenn-Dann-Szenarien. Wenn beispielsweise Staatsanleihen aus Krisenstaaten der EU, über die die Bank verfügt, um 10%, 20%, ja 50% an Wert verlieren, dann stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß wegen notwendiger Wertberichtigungen bzw. Abschreibungen das Eigenkapital der Bank schmilzt.

2. Erfahrungen mit Belastbarkeitstests in den USA und der deutschen Versicherungswirtschaft

Mit solchen Stresstests liegen umfangreiche Erfahrungen vor. In der deutschen Versicherungs­wirtschaft ist das Instrument 2004 zur Bewertung der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen dieser Branche eingeführt werden. Zuständig ist die „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf­sicht (BaFin)“. In komplizierten Risikomodellen werden unterschiedlich hohe Kursverluste bei Ak­tien und bei Anleihen (zwischen 45% und 10%) durchgespielt. Fällt bei dramatischen Kursver­lusten der Risikopuffer Eigenkapital unter ein Mindestmaß und fehlt es an ausreichenden Eigen­mitteln (Solvabilität), dann muss das Unternehmen mit einem Sanierungsplan aktiv werden.

Bekannt geworden sind die Stresstests von 19 großen Banken in den USA im Frühjahr 2009. Dabei wird einer Bank, die im schlimmsten Fall (Worst- Case-Szenario) so viel an Eigenkapital verliert, dass gegenüber der Bilanzsumme die Mindesteigenkapitalquote unter­schritten wird, der erforderliche Kapitalzuschuss durch die Aufsichtsbehörde mitgeteilt. Bei der Bank of America waren es 33,9 Mrd. $, und bei der Citygroup 5,5 Mrd. $. Die Kritik an diesen Stresstests verweist darauf, dass auch unter dem Einfluss der Bankenlobby mit viel zu laschen Kriterien die Ergebnisse geschönt worden seien.

3. Die Stresstests von 91 Banken in der EU im Überblick

Erstmals ist in diesem Umfang ein Stresstest bei 91 systemrelevanten Banken durch­geführt worden. Zuständig für die Durchführung sowie die Empfehlungen von Maßnahmen im Falle der unzureichenden Eigenkapitalausstattung sind die Bankenaufseher der EU in London („Committee of European Banking Supervisors (CEBS)“. In Deutschland wurden insgesamt 14 Banken auf ihre Stressfähigkeit untersucht: Deutsche Bank, Commerzbank, Hypo Real Estate Holding, Landesbank Baden-Württemberg, Bayerische Landesbank, DZ Bank AG, Dt. Zentral-Genossenschaftsbank, Norddeutsche Landesbank, Deutsche Postbank, WestLB, HSH Nordbank, Landesbank Hessen-Thüringen, Landesbank Berlin, Dekabank Deutsche Girozentrale, WGZ Bank.
Die Faktoren, die zur Ermittlung unterschiedlicher Krisenverläufe von den Banken abgefragt wur­den, sind nur grob bekannt. Erfragt wurden zum einen die Auswirkungen unterschiedlicher Inten­sitäten eines Konjunktureinbruchs auf das Eigenkapital der einzelnen Bank. Zum anderen sind massive Kursverluste am Markt für europäische Staatsanleihen durchgespielt worden. Die von Marktbeobachtern erwartete Berücksichtigung der Auswirkungen einer Staatspleite innerhalb der EU auf die Bankbilanz ist nicht untersucht worden. Die Rechtfertigung aus der Politik, es gäbe einen Rettungsschirm, ist nicht akzeptabel. Schließlich wäre es wichtig zu wissen, welche Bank nach einem negativen Ergebnis der Stresstests öffentliche Finanzmittel aus dem Fonds bean­spruchen wird. Darüber hinaus müssten beim Stresstest auch die Wertpapiere, die auf der Basis von Verbriefungen von Krediten zusammengepackt worden sind, einbezogen werden.

Das Komitee der Bankenaufseher in der EU hat die Kernkapitalquote, die auch im „Worst – Cafe-Szenario“ nicht unterschritten werden darf, mit 6% festgelegt worden. Wird diese unterschritten, wer­den die betroffenen Finanzinstitute aufgefordert, Maßnahmen zur Erhöhung des Eigenkapitals zu ergreifen. Umstritten ist die Frage, was passiert, wenn die Bank dazu nicht in der Lage ist. Mit einem allgemeinen EU-Hilfsprogramm ist nicht zu rechnen. Vielmehr wird von nationalen Lösun­gen allerdings unter Berücksichtigung des EU-Beihilferechts ausgegangen. In Deutschland ist dafür die „Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) mit ihrem Sonderfonds (SoFFin) zuständig.

4. Belastbarkeitstests der EU im Einzelnen

4.1. Die drei Szenarien

Basisszenario

Beim Basisszenario steht die in der Euro-Zone prognostizierte Rate des wirtschaftlichen Wachstums durch die EU-Kommission für dieses und das kommende Jahr im Mittelpunkt. Es wird geprüft, welche Folgen diese Entwicklung für das Eigenkapital der untersuchten Banken sowie auf andere Kennziffern hat.

Im Mai dieses Jahres ist für 2010 in den 27 EU-Mitgliedsländern 1,0 Prozent und für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent prognostiziert worden. Für die 16 Länder der Euro-Zone erwartet die Behörde in diesem Jahr ein Plus von 1,0 Prozent und 2011 von 1,7 Prozent.

Krisenszenario

Beim Krisenszenario erfolgt gegenüber dem Basisszenario ein Test mit der Annahme, dass sich die Konjunktur in der EU im laufenden und kommenden Jahr wesentlich schwächer entwickeln wird. Es werden die Folgen einer Abweichung von drei Prozent gegenüber der EU-Prognose auf das Eigenkapital der Banken simuliert.

Nach bekannt gewordenen Insiderinformationen ist die Belastung der deutschen Banken im Fall des Krisenszenarios günstig. Wegen der im Durchschnitt höheren Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts wird im Krisenszenario ein hauchdünner Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 Prozent und für das kommende Jahr ein Minus von 0,6 Prozent simuliert. Ein Absturz um 5 Prozent, wie er sich 2009 ereignete, wird nicht simuliert.

Auch die Zinsentwicklung wird beim Krisenszenario berücksichtigt. Angenommen wird eine Abflachung der Zinsstrukturkurve. Das heißt, dass die Folgen stärkerer Verwerfungen auf den Rentenmärkten auf die Bankbilanzen getestet werden. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Banken wegen ihrer hohen Bestände an Anleihen betroffen sind.

Crashszenario

Ausgehend vom Krisenszenario wird ein Crash am europäischen Staatsanleihenmarkt zusätzlich berücksichtigt. Simuliert wird die Situation, die dem Höhepunkt der Schuldenkrise im Euroland entspricht.

Es sei daran erinnert, dass auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise die Risikoaufschläge für Staatsanleihen etwa in Griechenland extrem angestiegen sind. Ausgenommen die mit hoher Bonität ausgezeichneten deutschen Bundesanleihen ist der Handel nahezu zusammengebrochen.

Bei dieser Simulation der Belastbarkeit der Banken soll die Konstellation erfasst worden sein: Steigende Risikoaufschläge (Spreads) sowie Kursverluste im Ausmaß steigender Renditen am Markt für Staatsanleihen um durchschnittlich 30 Basispunkte. Die Folge sind entsprechende Kursverluste dieser Staatsanleihen. Die Rede ist von Kursabschlägen bis ca. 20% bei Staatsanleihen aus den Schuldenländern – etwa Griechenland, Portugal und Spanien. Durch die Kursverluste steigen die Eigenkapitalanforderungen. Wegen ihrer hohen Bonität führt der Besitz von deutschen Bundesanleihen nicht zu Belastungen in den Bankbilanzen.

4.2. Die Kritik

  • Die Stresstests sind viel zu stark auf die Folgen der Staatsschuldenkrise einiger Euro-Mitgliedsländer eingeengt worden.
  • Die Simulation wirtschaftlicher Krisen ist viel zu optimistisch. So werden die Belastungen der Banken aus dem Absturz der Wirtschaft 2009 nicht untersucht.
  • Deutschlands Banken stehen nach dieser Methode sehr gut da. Es war von vorneherein klar, dass die Hypo Real Estate als notleidendes. Institut im Umbau den Stresstest nicht bestehen wird.

5. Sind Stresstests sinnvoll

Die Stresstests sind unter folgenden Bedingungen sinnvoll: Alle systemischen Risiken, die zum Verlust an Eigenkapital einer Bank im Krisenfall führen, werden berücksichtigt. Auch extreme Be­lastungen – etwa durch eine Staatspleite innerhalb der EU – werden durchgerechnet. Als vertrau­ensbildende Maßnahme werden die Ergebnisse zu den einzelnen Banken detailliert publiziert.


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