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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Dezember 2020 um 8:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bund und Länder einigen sich auf harten Shutdown ab Mittwoch
  2. Mit wem Sie Weihnachten jetzt (nicht) feiern dürfen
  3. Ist Russland am Verzweifeln?
  4. Mächtig unkontrolliert
  5. Bundeshaushalt: Die Schulden sind nicht das Problem
  6. Das wahre Wesen des Kapitalismus: 3. Der Blackrock-Kapitalismus, ein Exkurs
  7. „Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas“
  8. Corona-Krise: „Menschen mit Hartz IV werden vergessen“
  9. So viel Rendite bringt die gesetzliche Rente
  10. Durchschnittliche gesetzliche Rente liegt unter 1.000 Euro
  11. So steht es wirklich um den versprochenen Kita-Ausbau für unter Dreijährige
  12. „Härte kann man nicht immer einfach mit Wirksamkeit gleichsetzen“
  13. BIP-Aktuell 150: Israelisches Militär erschießt fünfzehnjähriges Kind
  14. EU-Studie: Ermittler brauchen Vorratsdatenspeicherung nicht unbedingt
  15. Nestlé nicht auf Platz 1: Das ist die größte Dreckmacher-Firma weltweit
  16. Bekannter Oppositionspolitiker in Venezuela will Juan Guaidó beerben
  17. Operation Regenbogen
  18. Scholz rechnet sich gute Chancen aus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bund und Länder einigen sich auf harten Shutdown ab Mittwoch
    Läden dicht, Schulbesuche nur in Ausnahmefällen, Versammlungsverbot an Silvester, Alkoholverbot in der Öffentlichkeit: Diese Maßnahmen haben Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten im Kampf gegen das Coronavirus beschlossen. (…)
    Der Beschluss liegt dem SPIEGEL vor. Demnach sollen alle Geschäfte vom 16. Dezember bis 10. Januar schließen – außer jene, die den täglichen Bedarf abdecken. Dazu gehören demnach unter anderem der Lebensmittel-Einzelhandel, Wochenmärkte und Direktvermarkter für Lebensmittel, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken.
    Für den Zeitraum gelten deutliche Kontakteinschränkungen an den Schulen und Kitas. Kinder sollen »wann immer möglich zu Hause betreut werden«. Daher werden Schulen »grundsätzlich« geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt. Der Beschluss sieht allerdings Notfallbetreuung und Distanzlernen vor.
    Analog ist es für Kitas geplant. Für Eltern sollen zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub nehmen zu können.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung Jens Berger: Nun klopft sich die Politik auf die Schulter, weil der harte Lockdown ja (über)fällig war und viel besser ist als der Lockdown light. Doch was ist eigentlich so “hart” am “Lockdown”? Das wir jetzt nicht mehr in die Stadt zum Schuhladen dürfen? Da war doch in den letzten Wochen eh niemand. Dass wir – wie beim Gras – Böller zwar für den Eigengebrauch benutzen dürfen, der Handel damit aber nun verboten ist? Dass die Weihnachtsferien um ein paar Tage vorgezogen wurden? Dass wir jetzt nur noch mit fünf statt mit sechs oder acht Menschen aus zwei oder vielleicht drei statt dreieinhalb Haushalten (jeweils exkl. Kinder) die fette Weihnachtsgans verspeisen dürfen? Das ist ja wirklich ein mächtig gewaltiger Plan, wie man bei der Olsen-Bande sagen würde. Aber was soll das bringen?
    Müssen die Menschen immer noch in überfüllten Bussen und Bahnen in ihre Großraumbüros und Fabrikhallen? Ja. Und darum wird sich auch nichts am Infektionsgeschehen ändern. Oder? Doch wird es, weil halb Deutschland zwischen Weihnachten und Neujahr Brückenwoche hat – und dies vollkommen unabhängig vom harten oder leichten Lockdown, da dies jedes Jahr so ist. Die Zahlen werden erst mal runtergehen, die Politik wird sich feiern lassen und gegenseitig noch heftiger auf die Schultern klopfen, sekundiert von den Medien. Und wenn die Leute im neuen Jahr wieder zur Arbeit gehen, werden die Zahlen wieder steigen und ganz sicher schimpfen Medien und Politik dann wieder über die Undiszipliniertheit des bösen Volkes und denken sich noch “härtere” Maßnahmen aus. Die werden auch wieder mächtig gewaltig sein, da man selbstverständlich das wirtschaftliche Leben nicht herunterfahren kann. Stattdessen wird dann vielleicht die Ausgangssperre von 20.00 auf 19.30 vorgezogen, Kinderspielplätze sind nicht mehr bis 16.30, sondern nur noch bis 16.00 geöffnet und es dürfen sich nur noch dreieinhalb Menschen aus anderthalb Haushalten treffen. Was für ein Affenzirkus. Und von der einzigen wirklich wichtigen Maßnahme, dem Schutz der Risikogruppen, spricht natürlich auch dann immer noch keiner.

    Anmerkung J.K.: Der ewige Ausnahmezustand ist da! An Zynismus und Arroganz nicht zu überbieten. Merkel schickt das Land in den Lockdown ohne den Bürgern irgendeine Perspektive zu bieten.

    dazu: Lock, Lock, Lockdown
    Lockdown jetzt! oder auch schneller harter Lockdown jetzt!, das sind die populären Forderungen, die derzeit für Aufsehen und reichlich Bewegung in den Staatskanzleien sorgen. Ein entsprechender Beschluss wird noch an diesem Wochenende vorbereitet. Die als spannend geltende Frage, ob die neuen Beschränkungen noch vor oder erst nach Weihnachten gelten sollen, ist dabei vollkommen unerheblich. Das Virus dürfte in dem einen wie auch dem anderen Fall davon unbeeindruckt bleiben. Mit Pandemiebekämpfung oder Wissenschaft haben „Lockdown light“, „Wellenbrecher-Lockdown“ oder „harter Lockdown“ jedenfalls nichts zu tun.
    Quelle: TauBlog

  2. Mit wem Sie Weihnachten jetzt (nicht) feiern dürfen
    Wer darf noch mit wem? Die beschlossene Weihnachtsregelung ist ein Satz-Ungetüm über zehn Zeilen, das noch für Diskussionen sorgen könnte – in der Politik, aber auch in Familien. […]
    Dechiffriert bedeutet es:

    1. Erlaubt sind an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen über 14 Jahren.
    2. Kinder unter 14 Jahren werden dabei nicht mitgezählt.
    3. Erlaubt werden sollen eigentlich nur Treffen im engsten Familienkreis. Weil der aber formal schwer einzugrenzen ist, hat die Politik verschiedene Personenkreise konkret genannt: »Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige«.
    4. Die Politik appelliert an alle, vor einem Treffen an Weihnachten eine »Schutzwoche« einzulegen und alle Kontakte drastisch zu reduzieren.

    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung Jens Berger: Unser Sohn will Weihnachten einen Freund mitbringen, der selbst keine Familie mehr hat und ansonsten Weihnachten alleine verbringen müsste. Das ist nun verboten. Aber sollte die Polizei auftauchen, können die beiden ja Händchen halten, denn wenn sie „Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft“ sind, wäre es wiederum erlaubt. Das ist nur noch absurd.

  3. Ist Russland am Verzweifeln?
    Das russische Aussenministerium hat bekanntgegeben, eine formelle Delegation der AfD empfangen zu haben. Das ist eine Katastrophe. (…)
    Jetzt, am 11. Dezember, zeigt das russische Aussenministerium öffentlich, wie es eine Delegation der deutschen rechtspopulistischen Partei «Alternative für Deutschland», der AfD, zum Gespräch empfangen hat. Ausgerechnet.
    Aussenminister Sergei Lawrow betonte, dass das Gespräch nicht auf seinen Wunsch stattgefunden habe, sondern auf Wunsch der Delegation der AfD. Aber wenn das «offizielle» Deutschland jede Kommunikation verweigere, müsse eben jede andere Gelegenheit benützt werden, mit Deutschland im Gespräch zu bleiben.
    Als russischer Aussenminister muss Lawrow das politische Parteiprogramm der AfD kennen. Auch die Biographie der Leute in der AfD-Parteileitung kann ihm nicht entgangen sein. Und auch er weiss, was AfD-Fraktionschef Alexander Gauland zum Zweiten Weltkrieg gesagt hat: «Die Hitler-Zeit war nur ein Vogelschiss in der 1000-jährigen Erfolgsgeschichte Deutschlands». Ein «Vogelschiss», der auf Seite der Sowjetunion 27 Millionen Kriegsopfer gefordert hat. Ist Lawrow bewusst, was die direkte Folge dieses Treffens mit der AfD sein wird? Dass nämlich noch mehr Leute ohne näheres Hinsehen Russland als Gesprächs- und Handelspartner ablehnen werden? Russland noch mehr verachten oder gar hassen werden? (…)
    Das Treffen der AfD-Delegation im Kreml hinterlässt vordergründig Irritation, wenn nicht gar einen Schock der Enttäuschung. Es braucht wohl ein paar Nächte, um darüber schlafen und das Treffen näher analysieren zu können. Eine erste Interpretation kann nur die sein: Russland ist nicht nur immens enttäuscht über das Verhalten Deutschlands Russland gegenüber (das geopolitisch tatsächlich als katastrophal bezeichnet werden muss), Russland ist nachgerade am Verzweifeln. Der Empfang der AfD-Delegation kommt einem Hilferuf gleich. Russland sucht nach jedem Grashalm, wieder ins Gespräch mit Deutschland zu kommen. Und wenn es auch nur über die Opposition geht, ohne genauer hinzuschauen, welches üble Parteiprogramm diese Leute haben. (…)
    Als die USA, aufgrund der erlogenen Begründung unterstützt von etlichen anderen Ländern, im Jahr 2003 den Irak zu bombardieren begannen, hatten Deutschland und Frankreich den Mut, nicht mitzumachen. Es bestand die Hoffnung, dass sich diese zwei Länder und damit später vielleicht ganz Europa aus den Fesseln der USA lösen würden. Das Gegenteil ist eingetroffen. Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, aber auch die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie politisieren, als wären sie bezahlte US-Agenten. In der Ukraine und neu auch in Belarus spielen sie in nicht zu verantwortender Weise mit dem Feuer. Warum werden sie verbal und mit Sanktionen immer aggressiver gegen Russland? Warum sind sie nicht bereit, mit Russland wenigstens das Gespräch aufzunehmen, wissend, dass Russland das Gespräch seinerseits ausdrücklich sucht?
    Quelle: Infosperber
  4. Mächtig unkontrolliert
    Eine Studie versucht, Akteure und Handlungsweisen der deutschen Finanzlobby darzustellen.
    Seit Jahren jagt ein Finanzskandal den nächsten, und das anscheinend ohne Konsequenzen: Nach einem kurzen Aufschrei – erinnert sei an die vor vier Jahren veröffentlichten Panama Papers – ist schnell vergessen, wo gerade wieder mit welchen undurchsichtigen Steuersparmodellen wie viel Geld am Fiskus vorbeigeschleust worden ist. Und auch der Kollaps des DAX-Unternehmens und deutschen Fintech-Wunderkindes Wirecard, dessen Führungskräften nun bandenmäßiger Betrug, Bilanzfälschung in Milliardenhöhe und Marktmanipulation vorgeworfen werden – was die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ernste Erklärungsnöte bringt –, sorgt augenscheinlich kaum für Empörung.
    Zu sehr haben sich die Bürger an die folgenlosen Veröffentlichungen derartiger Enthüllungsgeschichten gewöhnt, die dem Normalverbraucher aufgrund der Komplexität des Geldsystems und des internationalen Finanzsektors ohnehin wenig zugänglich erscheinen. Ein Status quo, den jedoch nicht alle hinnehmen wollen. Die vom ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründete Bürgerbewegung Finanzwende versucht seit 2018, Licht ins Dunkel der Finanzwelt zu bringen, insbesondere durch Aufklärung im Netz. In den sozialen Netzwerken wird mit Hilfe von Grafiken, Videos und Texten über Riester-Renten und Zentralbanken informiert, werden Cum-Ex-Betrug und Steuertrickserei skandalisiert. Vor allem aber können online die eigenen Forderungen verbreitet werden, zum Beispiel nach der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, der Stabilisierung des Finanzsektors oder der Orientierung an ökologischen Zielen.
    Quelle: Freitag
  5. Bundeshaushalt: Die Schulden sind nicht das Problem
    Diese Woche beschließt der Bundestag den Bundeshaushalt für 2021. Geprägt ist er nach wie vor von Corona. Die Krisen-Bekämpfung und die Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen machen im kommenden Jahr Staatsausgaben nötig, die mit planmäßig 498,6 Milliarden Euro nur wenig unter dem Soll von 2020 liegen. (…)
    Neoliberale Parteien und Kommentatoren schüren Panik und bezeichnen die Staatsschulden als „süßes Gift“. CDU und CSU wollen die Kredite möglichst schnell wieder tilgen. Der vom Bundestag zu beschließende Tilgungsplan sieht entsprechend vor, die Schulden, die über das von der Schuldenbremse normalerweise erlaubte Maß hinausgehen, ab 2026 innerhalb von 17 Jahren zurückzuführen. (…)
    Doch die Panikmache und der zu kurze Tilgungsplan sind viel problematischer als die aufgenommenen Kredite selbst. Die Tilgungspläne der Haushalte 2020 und 2021 zwingen die Politik, jedes Jahr mehr als 15 Milliarden Euro in die Rückzahlung der Schulden zu stecken – so viel wie das Umwelt- und das Entwicklungsministerium zusammen im Jahr ausgeben dürfen. Würde der Tilgungsplan über viele Jahrzehnte gestreckt, wäre die jährliche Last deutlich geringer. (…)
    Tatsächlich ist die Höhe der deutschen Staatsverschuldung trotz Corona kein Problem. Sie liegt, gemessen an der Wirtschaftsleistung, unter dem Niveau von vor zehn Jahren und ist im Vergleich mit anderen großen Industriestaaten niedrig. Ökonomen sind sich einig: Der Schuldenstand stellt keinerlei Gefahr für Wachstum und wirtschaftliche Stabilität dar. Die Zinsbelastung der öffentlichen Hand ist so gering, wie lange nicht und wird noch weiter sinken (siehe Grafik). Wenn die Politik die Konjunktur jetzt mit viel Geld stützt, wird Deutschland aus den Schulden einfach herauswachsen. (…)
    Wenn sich das Parlament selbst keine unnötigen Tilgungspflichten auferlegt, gehen Staatsschulden auch nicht zu Lasten „künftiger Generationen“. Im Gegenteil: Wenn die Politik in der Krise nicht gegensteuert, zahlen die heute jungen Menschen morgen dafür mit Arbeitslosigkeit und weniger Wohlstand. Gerade in unsicheren Krisenzeiten regen öffentliche Investitionen zusätzliche Investitionen bei Unternehmen an, schaffen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Schuldenfinanzierte Investitionen finanzieren sich so zu einem großen Teil selbst.
    Quelle: DGB

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch die DGB-Broschüre “Von schwarzer Null auf 100 % Zukunft!”.

  6. Das wahre Wesen des Kapitalismus: 3. Der Blackrock-Kapitalismus, ein Exkurs
    m Zeitalter des Asset-Manager-Kapitalismus haben fast alle großen Kapitalgesellschaften zu einem beträchtlichen Anteil die gleichen Aktionäre, Blackrock, Vanguard, State Street und ein paar andere große Kapitalsammelstellen. Das ist etwa so, wie wenn alle Bundesliga-Clubs den gleichen Anteilseigner oder Hauptsponsoren hätten.
    In den Ökonomielehrbüchern lernen die StudentInnen vom Gegensatz der Interessen der Manager eines Unternehmens und den Interessen der Aktionäre. In der populären Principal-Agent-Theorie wird den Managern zum Beispiel unterstellt, einen Hang zum persönlichen Machtgewinn oder zu einem möglichst ruhigen Leben zu haben.
    Weil aber die Aktienanteile eines Unternehmens typischerweise auf viele Aktionäre mit jeweils geringen Stimmrechtsanteilen aufgeteilt sind, haben die Aktionäre, so die Theorie, Schwierigkeiten, ihre Interessen gegenüber den Managern durchzusetzen.
    Unter dem Stichwort Shareholder Value wird deshalb seit den Neunzigerjahren daran gearbeitet, durch hohe variable Gehälter und Aktienoptionen das Interesse der Manager mit dem Interesse der Aktionäre an steigenden Aktienkursen in Einklang zu bringen.
    Doch es mehren sich die Stimmen, die die Konzentration auf den Shareholder Value für längst überholt erklären. Denn der steile Aufstieg neuer, mächtiger Akteure am Kapitalmarkt hat dafür gesorgt, dass das Problem des zersplitterten Aktienbesitzes längst keines mehr ist. Vielmehr ist er heute sogar zu stark konzentriert.
    Benjamin Braun vom Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung stellt in einer historischen Analyse der Aktienmarktstruktur mit dem Titel “American Asset Manager Capitalism” fest, dass das Bild vom machtlosen Kleinaktionären aus dem zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts stammt, als es die Situation gut abbildete.
    Im ersten Drittel gehörten amerikanische Aktiengesellschaften noch einem kleinen Kreis von Konzernen, die wiederum im Besitz einer Handvoll „Räuberbarone“ vom Schlage J.P. Morgan, Andrew Carnegie und John D. Rockefeller waren. Nachdem die Investment Trusts zerschlagen worden waren, entsprach die Aktienverteilung der Annahme hinter der Shareholder-Value-Philosophie: breit gestreuter Aktionärsbesitz von Kleinaktionären. „Ein relativ kleiner Kreis von Top-Managern konnte dadurch sehr viel Macht ausüben“ stellt Braun fest. (…)
    Die Verlierer im Asset Manager Kapitalismus sind diejenigen, die die stark gestiegenen Gewinne der größten Unternehmen finanzieren, also die Menschen, deren Löhne und Gehälter gedrückt werden und die hohe Gewinnmargen in den Preisen der Güter bezahlen, die sie mit diesen Löhnen und Gehältern kaufen.
    Quelle: Norbert Häring
  7. „Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas“
    Der neue Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, sieht die Metall- und Elektroindustrie in ihrer Existenz bedroht. Vor dem Start der Tarifverhandlungen in der größten Industriebranche Deutschlands forderte er eine Nullrunde sowie weitreichende Öffnungsklauseln, damit Betriebe die Krise überstehen könnten.
    „Ich sehe keinen Verteilungsspielraum. Und wir müssen die Tariflandschaft entrümpeln und an bestimmte Vergünstigungen ran“, sagte Wolf WELT AM SONNTAG. Außerdem sollten Unternehmen mit ihren Betriebsräten Abweichungen vom Flächentarif vereinbaren können „und zwar ohne die Gewerkschaft“.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich weiß natürlich wieder, wie es ausgehen wird: die Politik wird wieder mit Steuererleichterungen winken, die IG Metall wieder kuschen und den erpresserischen Forderungen entgegenkommen. Dass die Forderungen des Gesamtmetall-Chefs der völlige Irrsinn sind, fällt wahrscheinlich wieder mal keinem auf: Deutschland war *nie* “der kranke Mann Europas” im Sinne von “nicht wettbewerbsfähig”, sondern wies in den 1990er Jahren Exportüberschüsse auf. Zuletzt sind diese Überschüsse auf 7-8% vom Bruttosozialprodukt gewachsen, jenseits von Gut und Böse, und wieder wird der Unsinn von den “nicht wettbewerbsfähigen Löhnen” wiederholt. Dabei hat die Metallbranche (der exportorientierte Maschinenbau und vor allem die Automobilindustrie) in den letzten 10 Jahren gigantische Gewinne eingefahren; wer da kein Polster für 18 Monate Corona angespart, sondern das Geld in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen vergeudet hat, ist selber schuld. Und wenn (angeblich) Bulgarien und Rumänien mit Steuererleichterungen um deutsche Firmen werben, dann kann ich nur sagen: geht doch! Da gibt es zum Ausgleich Korruption als tägliche Begleiterscheinung; davon abgesehen muss man ganz hart eine EU in Frage stellen, die solche Steuerdumpingpraktiken nicht nur akzeptiert, sondern sogar fördert. Noch mal aus einem anderen Blickwinkel: Wolf sägt, ebenfalls ohne es zu merken, den Ast ab, auf dem er selber sitzt. Denn wenn im Ausland durch die Corona-Rezession die Nachfrage weggebrochen ist, dann ist es nicht schlau, sondern besonders dumm, zusätzlich die inländische Nachfrage zu beschädigen. Woher sollen denn am Ende noch die Kunden kommen?

  8. Corona-Krise: „Menschen mit Hartz IV werden vergessen“
    Helena Kilian-Steinhaus vom Verein „Sanktionsfrei“ spricht über die Nöte von Hartz-IV-Empfängern während der Corona-Krise und das schwierige Thema Weihnachten. (…)
    Die Politik gibt Millionensummen aus, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Werden Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, dabei vergessen?
    Kurz und knapp: Ja.
    Warum?
    Menschen mit Hartz IV haben keine große Lobby. Das liegt einerseits am Stigma von Hartz IV und den Klischees: Menschen mit Hartz IV seien faul, selber schuld, sie hätten nichts geleistet – warum sollten sie nun etwas bekommen? Andererseits liegt es am Fokus der Politik auf die Wirtschaft. Das zeigt auch die Debatte über Schulen und Kitas: Die sollen offen bleiben, damit die Wirtschaft keinen Schaden nimmt – und nicht weil der Kontakt zu Gleichaltrigen für Kinder so wichtig ist. (…)
    Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf 2021?
    Mit gemischten Gefühlen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im vergangenen Jahr geurteilt, dass die bisherige Praxis der Hartz-IV-Sanktionen nicht zulässig ist. Inzwischen gibt es die ersten Vorschläge von Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen für eine neue Regelung der Sanktionen, die auch eine hundertprozentige Streichung der Beiträge wieder möglich machen würde. Das ist absurd, weil es dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. Aber das zeigt, dass die schwarze Pädagogik der Sanktionen weiter präsent ist. Das macht mir Sorgen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Helena Steinhaus zu Hartz IV: „Wir können auch anders und wir können es uns leisten!“.

  9. So viel Rendite bringt die gesetzliche Rente
    Einige meinen, ihre Rentenbeiträge seien verlorenes Geld. Ein Irrtum. Eine aktuelle Studie zeigt nun, wie viel Rendite dabei herausspringen könnte. Die Ergebnisse sind überraschend. (…)
    Sind die Rentenbeiträge also verlorenes Geld? Womöglich täuschen sich die Gegner der staatlichen Rente da. In diese Richtung deutet zumindest eine neue Studie von Forschern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), veröffentlicht von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie haben berechnet, wie viel Rendite bei der gesetzlichen Rente herausspringt. (…)
    Die Jahresrenditen auf die Beiträge fallen dabei mit 2,9 bis 3,6 Prozent pro Jahr durchaus bemerkenswert hoch aus. Besonders gut schneidet ein Beispielfall mit Kindern ab, weil für diese zusätzliche Rentenpunkte gutgeschrieben werden.
    Quelle: WirtschaftsWoche
  10. Durchschnittliche gesetzliche Rente liegt unter 1.000 Euro
    Rentner in Deutschland müssen im Schnitt mit 982 Euro im Monat auskommen, zeigen neue Zahlen. Frauen erhalten deutlich weniger, zwischen Ost und West besteht ein Gefälle. (…)
    Frauen erhalten demnach 425 Euro weniger Rente als Männer. (…)
    Laut den Zahlen besteht auch zwischen Ost und West ein deutliches Gefälle. So erhalten ein Viertel aller Rentnerinnen und Rentner, die 40 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, weniger als 1.000 Euro Rente im Monat, während es in Ostdeutschland ein Drittel sei.
    Zudem erhalten Menschen, die neu in Rente kommen, neun Euro weniger im Monat als Bestandsrentner. Unter denen sind es vor allem Männer, die mit weniger Geld auskommen müssen.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Solche Almosenrenten bedeuten doch bittere Armut für Millionen von Menschen. Warum findet die Politik das in Ordnung, und warum lassen die Menschen sich das gefallen?

  11. So steht es wirklich um den versprochenen Kita-Ausbau für unter Dreijährige
    Beim Ausbau von Plätzen in Kindertagesstätten für unter Dreijährige bleiben die deutschen Kommunen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die WELT AM SONNTAG vorliegt. „Die Kommunen haben sich bemüht, aber deutlich weniger erreicht, als sie beim Krippengipfel 2007 zugesagt hatten“, sagt Wido Geis-Thöne, Ökonom für Familienpolitik beim IW.
    Bund, Länder und Kommunen beschlossen damals einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr, der seit August 2013 gilt. Bis dahin sollten 750.000 Betreuungsplätze geschaffen werden. Doch diese Marke erreichten die Kommunen erst vier Jahre später, währenddessen ist der Bedarf an weiteren Plätzen drastisch gestiegen. „Das ist ein Armutszeugnis“, sagt Geis-Thöne. Es zeige, dass viele Städte und Gemeinden nicht so aktiv waren, wie sie hätten sein sollen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Daran tragen die Kommunen am allerwenigsten Schuld. Hier hat der Bund einen Rechtsanspruch beschlossen und nicht mit finanziellen Mitteln unterfüttert, denn der Kita-Ausbau scheitert meistens an der Kofinanzierung durch die Kommunen. Die leider finanziell ausgebombt sind bzw. vorsätzlich wurden: durch die Überwälzung von Hartz-IV-Kosten und anderen Sozialleistungen ohne adäquate Finanzierung und durch die massiven (Körperschaft- und Einkommenen-)Steuersenkungen der Regierungen Schröder und Merkel, durch die die anteiligen Beträge für die Kommunen eingebrochen sind. Die Bedienung der Wünsche des großen Kapitals ist (vor allem) Schröder und Merkel halt immer viel wichtiger gewesen als die Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Wäre die WELT eine investigative Zeitung, dann hätte sie diese Fakten erwähnen können; so bleiben die kommunalen Finanznöte unerklärt.

  12. „Härte kann man nicht immer einfach mit Wirksamkeit gleichsetzen“
    Christian Drostens PCR-Test funktioniert nicht, das Virus wurde nie isoliert: Solche Behauptungen verbreiten sich rasant im Netz. Virologe Jonas Schmidt-Chanasit erklärt, warum oft schwer zu erkennen ist, was stimmt – und warum Widersprüche trotzdem zur Wissenschaft gehören. […]
    WELT: Professor Schmidt-Chanasit, Sie haben sich das Corman-Drosten-Review angesehen. Was halten Sie davon?
    Jonas Schmidt-Chanasit: Es handelt sich um eine Mischung, wie man sie bei solchen Desinformationskampagnen häufig findet: Einige korrekte Aussagen, die in dem Zusammenhang aber nicht relevant sind, werden mit Falschaussagen zusammengerührt. […]
    WELT: In manchen Köpfen wird nun vielleicht hängen bleiben, dass mit dem PCR-Test von Christian Drosten etwas nicht stimmt. Aber wäre das für die derzeitige Situation überhaupt von Bedeutung?
    Schmidt-Chanasit: Nein, überhaupt nicht. Es wird ja manchmal so getan, als gäbe es nur diesen einen Test, dabei war er nur der erste. Schon bald darauf wurden überall auf Welt Dutzende PCR-Tests in unabhängigen Designs entwickelt, in China, in den USA und anderen Ländern. Inzwischen haben sich ohnehin längst große kommerzielle Anbieter etabliert, die einen hohen Durchsatz ermöglichen. […]
    WELT: Aber auch zu dieser Frage kursieren wissenschaftlich anmutende Abhandlungen, die für Laien schwer zu durchschauen sind. Sie säen Zweifel – dass es bei der Forschung zum Coronavirus nicht mit rechten Dingen zugehen könnte
    Schmidt-Chanasit: Ja, das ist manchmal wirklich problematisch. Selbst ein Professoren-Titel ist keine Gewähr – und wer hier Namen nennt, muss mit massiven Angriffen aus dem „Querdenker“-Lager rechnen. Die Methoden der Wissenschaftsleugnung sind manchmal sehr raffiniert. Eine Orientierung kann das Kürzel PLURV bieten, eine Abkürzung für die fünf wichtigsten Methoden der Wissenschaftsleugnung: Pseudoexperten, Logikfehler, unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei und Verschwörungsmythen. Das Kürzel stammt ursprünglich aus der Diskussion um den Klimawandel. Als Virologe musste man sich bis zur Corona-Pandemie mit solchen Techniken kaum beschäftigen.
    Quelle: WELT
  13. BIP-Aktuell 150: Israelisches Militär erschießt fünfzehnjähriges Kind
    n 20 Jahren tötete israelisches Militär 2119 palästinensische Kinder
    Zusammenfassung: Zum sechsten Mal in diesem Jahr haben israelische Streitkräfte ein palästinensisches Kind getötet. Die Ermordung von Ali Ayman Saleh Abu Alia geschah an seinem fünfzehnten Geburtstag. Die Europäische Union fordert zwar eine Untersuchung des Mordes, aber fast alle Soldaten, die früher für die Tötung anderer palästinensischer Kinder und Erwachsener verantwortlich waren, wurden bisher weder angeklagt, noch wurden die Fälle untersucht. Während die palästinensischen und israelischen Medien über die Tötung berichteten, schwiegen die deutschen Medien weitgehend.
    Quelle: BIP Jetzt Blog

    Anmerkung unserer Leserin Marlene Stripecke: … und das wird gedeckt von deutscher Staatsraison!

  14. EU-Studie: Ermittler brauchen Vorratsdatenspeicherung nicht unbedingt
    Ersuchen von Strafverfolgern nach Verbindungs- und Standortinformationen sowie nach Bestandsdaten sind in Europa nur “selten nicht erfolgreich”. Dies ist eines der Kernergebnisse einer lange erwarteten Studie zur Vorratsdatenspeicherung, die die EU-Kommission jetzt still, heimlich und leise veröffentlicht hat. Die Mehrheit der beteiligten Ermittlungsbehörden sowie der Telekommunikationsfirmen erklärte demnach, dass Abfragen “in weniger als 20 Prozent der Fälle” scheiterten. (…)
    Der rechtliche und institutionelle Rahmen rund um das Protokollieren von Verkehrsdaten inklusive IP-Adressen ist den Resultaten zufolge uneinheitlich, was zu Unsicherheiten führe. Drei der zehn Länder haben derzeit keine gesetzlichen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung. Rechtlich sei dies so in Slowenien und Österreich, faktisch in Deutschland. Das hiesige Gesetz, wonach Telekommunikationsanbieter Verbindungsdaten für zehn und Standortinformationen für vier Wochen ohne Verdacht aufbewahren müssen, ist aufgrund von Entscheidungen von Verwaltungsgerichten derzeit ausgesetzt.
    In diesen drei Staaten seien die Strafverfolger in der Regel auf die Daten angewiesen, die die Provider für ihre geschäftlichen Zwecke wie zur Abrechnung, für Marketing oder zum Aufrechterhalten der Netzwerksicherheit speicherten, schreiben die Forscher. Deutschland, Italien und Portugal hätten dafür eine maximale Aufbewahrungsfrist von sechs Monaten festgelegt, in Frankreich liege die Frist bei einem Jahr. Für die Rechnung relevante Daten speicherten die Anbieter fast alle recht lang, IP-Adressen müssten dagegen in Deutschland nach sieben Tagen gelöscht werden. (…)
    Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer monierte, dass die Kommission und der Ministerrat bei der “am tiefsten in die Privatsphäre eingreifenden und unpopulärsten Überwachungsmaßnahme, die die EU bis heute hervorgebracht hat”, nicht locker ließen. Nun drohe ein erneuter Dammbruch, nachdem der EuGH in seinem jüngsten Urteil unter massivem Druck den Weg für eine IP-Vorratsdatenspeicherung zur Durchleuchtung der Internetnutzung frei gemacht hat”. Für das Mitglied der Piratenpartei steht außer Frage, dass dieser Übergriff gestoppt werden muss. Eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments habe ergeben, dass die Vorratsdatenspeicherung in keinem EU-Land einen messbaren Einfluss auf die Kriminalitätsrate oder die Aufklärungsquote habe.
    Quelle: heise online
  15. Nestlé nicht auf Platz 1: Das ist die größte Dreckmacher-Firma weltweit
    “Break Free From Plastic” listet in jedem Jahr die Konzerne auf, deren Verpackungen am häufigsten als Abfallprodukte an Straßen, Stränden oder Flüssen gefunden werden.
    Im diesjährigen Bericht werden drei weltweit agierende Großkonzerne mit besonders schlechten Bewertungen abgestraft: Zum dritten Mal in Folge ist Coca-Cola mit all seinen Untermarken der mit Abstand größte Verursacher von Plastikmüll. Insgesamt 13.834 Plastkverpackungen des Coca-Cola-Brands wurden von den freiwilligen Helfern in 55 Ländern gefunden.
    Als zweitgrößter Plastikmüll-Verursacher wurde Nestlé ermittelt: 8.633 an Straßen und Co. weggeworfene Verpackungen wurden hier gefunden. Mit 5.155 Plastikverpackungen geht der dritte Rang schließlich an einen weiteren Getränkehersteller, Coca-Colas großen Konkurrenten PepsiCo.
    Quelle: chip
  16. Bekannter Oppositionspolitiker in Venezuela will Juan Guaidó beerben
    Der ehemalige Gouverneur des venezolanischen Bundesstaates Miranda und zweimalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles hat in einem BBC-Interview nach den Parlamentswahlen am 6. Dezember mit der Strategie der Opposition in dem südamerikanischen Land abgerechnet.
    Capriles, Begründer der Partei “Gerechtigkeit zuerst” (Primero Justicia), äußerte sich dabei auch zur Zukunft des selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, der unter anderem von der US-Regierung, der Europäischen Union und in der Lima-Gruppe zusammengeschlossenen lateinamerikanischen Regierungen als “legitime Führung” Venezuelas anerkannt worden ist. Dessen Zeit sei “vorbei, es ist beendet, Vergangenheit, abgeschlossen, fertig”, so der langjährige Oppositionelle, der bei den Präsidentschaftswahlen 2012 gegen Hugo Chávez und 2013 gegen den heutigen Präsidenten Nicolás Maduro antrat.
    “Die neue [Biden]-Administration muss verstehen, dass dieser Plan abgelaufen ist und sie den Status quo, die ‘Interimspräsidentschaft’, nicht beibehalten kann” , sagte Capriles an die USA gerichtet. Die Opposition laufe Gefahr, “als Alternative zu verschwinden”, wenn es keinen Kurswechsel gebe.
    Die Einschätzung von Capriles folgt auf die Wahlen zur Nationalversammlung des Landes, die die Opposition unter Führung von Guaidó in Abstimmung mit ihren internationalen Verbündeten boykottiert hatte. Capriles selbst hatte sich diesem Schritt erst zuletzt angeschlossen, nachdem die EU die Entsendung einer Wahlbeobachtermission abgelehnt hatte. Zuvor war er noch einer der bekanntesten oppositionellen Stimmen gewesen ist, die eine Teilnahme an der Abstimmung empfohlen hatten.
    Quelle: amerika21

    Anmerkung Christian Reimann: Auch die Bundesregierung – insbesondere Außenminister Maas – sollte sich überlegen, ob sie die richtige Strategie betrieben hat. Aber vermutlich wird sich Herr Maas mit einem Herrn Capriles gut verständigen können. Eine Biden-Administration würde das vermutlich fördern, denn der Konfrontationskurs gegen Venezuelas Präsident Maduro dürfte auch von dort aus fortgesetzt werden.

  17. Operation Regenbogen
    Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Was die Bundesregierung mit Blick auf die Pandemie tut, könnte das Parlament auch mit Blick auf diese hilflose Bundesregierung tun. Und zwar, indem die Abgeordneten der Bundeskanzlerin nach Artikel 67 des Grundgesetzes das Misstrauen aussprechen und einen Nachfolger wählen. Kandidieren müsste der Fraktionschef der SPD, Rolf Mützenich, der im Plenum hoch anerkannt und vor allem glaubwürdig ist. Es folgen Gründe für ein zugegebenermaßen derzeit vollkommen abwegiges Szenario. Es ist ein Gedankenexperiment.
    Im Bundestag ist eine Regenbogenkoalition aus SPD, FDP, Linken und Grünen rechnerisch denkbar, um Angela Merkel als Bundeskanzlerin abzulösen, und zwar dann, wenn sich die Lage über die Feiertage und Neujahr weiter zuspitzt und ein harter Lockdown scheitert. Das verfassungsrechtliche Mittel wäre das konstruktive Misstrauensvotum nach Artikel 67 des Grundgesetzes. Was spräche denn aus heutiger Sicht für eine Regenbogenkoalition? Absolut gar nichts, da es in den Oppositionsparteien sehr starke Kräfte gibt, die den Kurs der Kanzlerin einfach stützen, egal was ist. Vor allem bei den Grünen, die sich bereits darauf vorbereiten, als neuer Juniorpartner an der Seite der Union ab 2021 regieren zu dürfen. Insofern könnte man die Überlegungen gleich wieder begraben. Aber welche Dynamik sich durch den gesellschaftlichen Schock Corona und die Unfähigkeit der Regierenden, die Kontrolle zu behalten, noch entwickelt, ist offen.
    FDP, Linke und Grüne kooperieren bereits. Hier gibt es Leute, die nicht nur gut miteinander können, sondern auch zu inhaltlichen Ergebnissen beitragen. Der Vorschlag für ein neues Wahlgesetz ist nur ein Beispiel, bei dem sich die drei Bunten konstruktiv zusammengetan haben und es der SPD schwer machten, dagegen zu sein. Viel interessanter ist aber die Zusammenarbeit in den Untersuchungsausschüssen. Im Wirecard-Untersuchungsausschuss sind die „Wirecard-Detektive“ Fabio De Masi (Linke), Florian Toncar (FDP) und Danyal Bayaz (Grüne) gemeinsam unterwegs. Sie setzen vor allem auch das Kanzleramt unter Druck, das in die Affäre verwickelt ist. Ebenso ist das Finanzministerium kompromittiert und damit auch Olaf Scholz, der bei den Cum-Ex-Geschäften als Erster Hamburger Bürgermeister zudem in weitere Erklärungsnot geraten ist. Der Kanzlerkandidat der SPD ist damit angreifbar, er ist aber auch so kein wirkliches Zugpferd, wie sich immer deutlicher zeigt, und könnte von einem Mützenich, der bereits Johannes Kahrs zur Strecke gebracht hat, in Schach gehalten werden. Jedenfalls in der biergetränkten Fantasie des Autors. (…)
    Schaut man sich aber das fortwährende Dilemma der SPD-Fraktion an und die durchaus kooperative Zusammenarbeit von FDP, Linken und Grünen im Parlament, gäbe es zumindest einmal Anlass für Überlegungen, die zu früheren Zeiten in den Strategieabteilungen der Parteien vermutlich gang und gäbe gewesen wären.
    Quelle: TauBlog
  18. Scholz rechnet sich gute Chancen aus
    Es war seine erste Rede als Kanzlerkandidat der SPD auf Bundesebene. Olaf Scholz gab sich zuversichtlich und unterstrich, er wolle die nächste Bundesregierung anführen. Die SPD sei geschlossen, handele gemeinsam und wolle die Bundestagswahl im September 2021 gewinnen, sagte Scholz beim digitalen Debattencamp der Partei in Berlin. “Ich bin überzeugt davon, dass wir eine gute Chance haben im nächsten Jahr.”
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung unseres Lesers J.B.: Ich wusste gar nicht, dass Olaf Scholz unter die Satiriker gegangen ist. Ein verkanntes Talent?


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