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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 23. Mai 2021 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona
  2. Nahost-Konflikt
  3. Syrien und Russland haben den Krieg gewonnen, aber Amerika legitimiert die fortgesetzte Plünderung
  4. DIE LINKE fordert Deutsch-Russischen Freundschaftsvertrag
  5. Laschet schwört auf die Nato
  6. Auch der Freihandel hat Grenzen
  7. Gegen die christlichen Werte
  8. Das Milliarden-Versagen
  9. Die Bundesanstalt für Finanzbetrug
  10. Von den präviralen Ungleichheiten nach einer kurzen Unterbrechung in eine postvirale Klassengesellschaft? Daten und Spekulationen über Armut und Ungleichheit
  11. Zwei Fälle, die nicht nur Europas Doppelmoral verbindet

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. Kinder und Jugendliche in der (Corona-)Krise: Massive Vernachlässigung
      Ärzte sprechen von Triage in der Psychiatrie und verheerenden Langzeitfolgen
      Nachrichten aus der Legion der Vereinsamten: “Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben”, heißt es vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Deren Berliner Sprecher Jakob Maske scheut in einem Interview nicht davor zurück, auch das militanteste Wort der Corona-Krise zu benutzen, um auf die gegenwärtige Notsituation von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen:

      Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und “nur” eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen.
      Jakob Maske, BVKJ

      Für Maske steht die Misere in einen Zusammenhang mit dem Management der Corona-Krise. Von Anfang an seien Kinder und Jugendliche “massiv vernachlässigt” worden. Konkret nennt er pauschale Einschränkungen wie Schul- und Kitaschließungen. Das sei in der ersten Phase noch nachvollziehbar gewesen. Dann aber mit einem anderen Wissenstand nicht mehr. Man habe doch inzwischen gelernt, “dass Kinder die Infektion deutlich weniger weitertragen und selbst deutlich seltener erkranken als Erwachsene”. Sie seien viel mehr gefährdet durch die “verheerenden Langzeitfolgen” der Lockdowns.
      Quelle: Telepolis

      dazu: OECD zur Verdopplung von Depressionen bei Jugendlichen “Die Entwicklung ist nicht überraschend, aber das Ausmaß schon”
      Kinder und Jugendliche sind, was die psychische Gesundheit angeht, besonders von der Pandemie betroffen. Die OECD sucht nach Lösungen.
      Die Anzahl der Jugendlichen, die unter Depressionen oder Angststörungen leiden, hat sich seit Pandemiebeginn in Deutschland und einigen anderen Ländern verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht. Diese Zahlen stellte Christopher Prinz von der OECD am Donnerstag bei einer digitalen Diskussionsveranstaltung vor.
      Generell ist die Zahl der psychischen Erkrankungen während der Coronakrise in sämtlichen Bereichen angestiegen. „Diese Entwicklung ist nicht überraschend“, sagte Christopher Prinz über die erhöhte psychische Belastung in Deutschland. „Aber das Ausmaß ist es schon.“
      Quelle: Tagesspiegel

      und: Kinderarmut in Deutschland – Ungleiche Chancen
      Jeder fünfte junge Mensch unter 18 Jahren ist heute in Deutschland von Armut betroffen. Durch Corona wurde diese Lage noch verschlechtert. Kinder und Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen bleiben fast zwangsläufig ihr Leben lang benachteiligt.
      2,8 Millionen Kinder wachsen in Armut auf. Die Zahl hält sich schon lange auf hohem Niveau und die Zahl der armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen in Deutschland steigt.
      Quelle: SWR 2

    2. Tagesschau entfernt Beitrag, der den eigenen Faktenchecker bloßstellt
      Da sage noch jemand, die öffentlich-rechtlichen Anstalten seien verschlafen. Gestern hatte ich berichtet, wie ein Beitrag auf Tagesschau.de über den Nutzen von Vitamin D gegen Covid den Tagesschau-Faktenchecker bloßstellt, der das als Desinformation bezeichnet hat. Prompt wurde der Beitrag entfernt und Links darauf auf den älteren Faktencheck umgeleitet.
      Links zu dem Beitrag „Kehrtwende des BfR: Vitamin D doch nützlich bei Covid-19“ auf den älteren Faktencheck von Wulf Rohwedder „Desinformation: Vitamin D schützt nicht vor Covid-19-Erkrankung“ umzuleiten, war zwar eine schnelle Reaktion, aber nicht unbedingt die journalistisch und gesundheitspolitisch angemessene, darf der Faktencheck doch inzwischen als widerlegt gelten. Denn das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), auf das sich Rohwedder für sein Urteil stützte, hat ja sein Verdikt über Vitamin D geändert.
      Quelle: Norbert Häring

      dazu auch: tagesschau.de kämpft um die Deutungshoheit bei Covid-19 und Vitamin D
      Ein Artikel auf Tagesschau.de wurde gelöscht, weil er nach einem Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung erklärte, Vitamin D könnte bei Covid-19 nützlich sein. Das scheint nicht als Möglichkeit gesagt werden zu dürfen.
      Die tagesschau hatte am 15. Mai einen Bericht unter dem Titel „Vitamin D könnte bei Covid-19 doch nützlich sein“ veröffentlicht. In der Einleitung hieß es: „Hilft Vitamin D bei Corona? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte diese Frage stets verneint. Doch nun macht die Behörde eine vorsichtige, aber bemerkenswerte Kehrtwende.“ Kurz darauf wurde der Bericht gelöscht und am 17. Mai unter dem Link eine „Richtigstellung“ veröffentlicht: „Doch keine Kehrtwende des BfR“. In der Richtigstellung wird dann ein Faktenfinder vom Februar mit deutlichem Zeigefinger verlinkt: „Desinformation zu Corona: Vitamin D schützt nicht vor Covid-19-Erkrankung“.
      Man darf vermuten, dass es im Hintergrund in der Redaktion erheblichen Streit gegeben haben dürfte, der dann dazu führte, dass ein Bericht, der eine mögliche Wirkung von Vitamin D auf Covid-19 vorsichtig mit dem Rückgriff auf die Mitteilung des BfR erwähnte, nicht mehr vertretbar erschien, hatte man das doch als Desinformation bezeichnet, womit man allerdings wissenschaftliche Fragestellungen und Hypothesen auch als Desinformation verbannen will. […]
      Sicher, der Titel des Berichts über eine „Kehrtwende“ des Instituts war übertrieben – aber das hätte man auch als Nachtrag zum Bericht richtigstellen können, ohne zur Zensur zu greifen. Ist das auch Cancel Cultur? Man hat jedenfalls den Eindruck, dass die überzogene Aktion dafür spricht, dass in der Redaktion Panik herrscht, die korrekte Meinung zu verfehlen, anstatt selbstkritisch und transparent zu handeln.
      Quelle: buchkomplizen

    3. Forscher kritisieren Umgang von Krankenhäusern mit Fördermitteln
      Der Gesundheitsökonom Matthias Schrappe kritisiert Unstimmigkeiten beim Umgang der deutschen Krankenhäuser mit staatlichen Fördermitteln. “Die Bundesregierung nahm immerhin eine halbe Milliarde Euro in die Hand, um den Aufbau zusätzlicher Intensivbettenkapazitäten zu finanzieren. Nach unseren Recherchen scheinen diese Betten aber nicht existent zu sein”, sagte Schrappe der “Welt” (Montagsausgabe).
      “Sie sind offensichtlich niemals geschaffen worden oder wurden beantragt, obwohl es keine Pflegekräfte dafür gab.” Schrappe sagte, die “irrationalen und die kostspieligen Konsequenzen” würden etwa im Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) gespiegelt. Zusammen mit neun weiteren Wissenschaftlern veröffentlicht Schrappe am Sonntag eine Stellungnahme zur Lage der deutschen Intensivstationen, über die die “Welt” berichtet.
      “Es gab in den Krankenhäusern offensichtlich die Tendenz, Patienten während der Pandemie ohne Not auf die Intensivstation zu verlegen”, sagte Schrappe zu den Befunden der Gruppe. Nirgendwo sonst auf der Welt seien so viele Covid-Kranke auf der Intensivstation behandelt worden wie in Deutschland – sowohl gemessen an der Sieben-Tage-Inzidenz als auch an der Rate der Hospitalisierten insgesamt. “Es gibt sogar einzelne Tage, an denen offiziell mehr Patienten auf Intensivstation lagen, als überhaupt hospitalisiert waren. Mit dem Satz `Wir laufen voll` lässt sich das nicht in Einklang bringen.”
      Quelle: WallStreet Online
    4. Zwischenbilanz für Januar bis Mai 2021 – 40 Milliarden Euro Umsatzverlust: Corona-Maßnahmen treffen von Schließungen betroffenen Handel hart
      “Für den Lockdown-Handel war 2021 bis jetzt ein katastrophales Jahr. Die Umsätze liegen in den betroffenen Branchen bis Ende Mai voraussichtlich im Durchschnitt um rund 60 Prozent unter dem Vorkrisenniveau“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Das entspricht nach HDE-Berechnungen einem Minus von bis zu 40 Milliarden Euro im Vergleich zum Vor-Krisenjahr 2019. Dementsprechend schlecht fällt auch die aktuelle HDE-Umfrage für die vergangene Woche aus. So sehen sich im Bekleidungshandel für dieses Jahr ohne weitere staatliche Hilfen 53 Prozent der Händler in Existenzgefahr, im Schuh- und Lederwarenhandel sind es sogar knapp 60 Prozent. So wertvoll Signale wie eine Öffnung der Geschäfte mit Testpflicht oder Terminvereinbarung für die Stimmung sind, wirtschaftlich ist das für viele Geschäfte nicht. So sprechen die Händler, die mit Testpflicht geöffnet sind, in der HDE-Umfrage im Durchschnitt von Umsatzverlusten von beinahe 60 Prozent, beim Shoppen mit Terminvereinbarung liegen die Verluste bei knapp 50 Prozent. Und auch das Shoppen mit Begrenzung der Kundenzahl beschert den befragten Händlern mehr als ein Drittel weniger Umsatz als vor der Krise.
      „Die Lage im Nicht-Lebensmittelhandel ist vielerorts alarmierend schlecht. Deshalb müssen die Corona-Hilfen jetzt schnellstmöglich komplett ausgezahlt werden“, so Genth weiter. Bisher haben der HDE-Umfrage zufolge fast drei Viertel der betroffenen Händler seit Beginn der Krise staatliche Unterstützung bekommen. 60 Prozent jedoch warten noch auf ausstehende Zahlungen und 60 Prozent der Empfänger von Abschlagszahlungen erhielten weniger als die Hälfte der Auszahlungssumme. Neben der Geschwindigkeit der Hilfe bemängelt der HDE schon seit Monaten zwei wesentliche Lücken. Für inhabergeführte Händler gibt es nach wie vor keine Möglichkeit zur Auszahlung eines Unternehmerlohns. Das zwingt die Unternehmer im Ergebnis, zum Sozialamt zu gehen, um ihren privaten Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für größere Unternehmen fordert der HDE die Aufhebung der Deckelung auf Bundes- und EU-Ebene bzw. einen entsprechenden Schadensausgleich nach EU-Recht. „Größere Händler mit vielen Filialen haben höhere Fixkosten und brauchen mehr Unterstützung“, so Genth. Starre und viel zu niedrig angesetzte Höchstgrenzen für die Auszahlung von Coronahilfen pro Unternehmen sorgten im Ergebnis dafür, dass viele Handelsunternehmen keine Chance mehr hätten, die Krise zu überstehen.
      Quelle: HDE

      dazu: Freier Zugang für Alle: Unternehmen wollen keine Diskriminierung von nicht geimpften Kunden
      Von den Lockerungen in Österreich profitieren wohl nur Geimpfte, die anderen müssen sich weiter testen lassen. Dagegen wendet sich Animap – ein Zusammenschluss von Unternehmen, die “allen Menschen freien Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen gewähren” wollen. (…)
      Für zahlreiche Unternehmen des Einzelhandels – aus Gastronomie, Hotellerie, Handel, Freizeit und körpernaher Dienstleistung – könnte diese 3-G-Regeln zum endgültigen Ruin führen. Nach den langen Monaten des Lockdowns hatten viele auf einen unbeschränkten Zugang für Kunden gehofft. Deshalb hat sich in den vergangenen Wochen ein Netzwerk mit den Namen Animap gegründet.
      Animap ist ein branchenübergreifender Zusammenschluss von Unternehmern, die sich nicht der 3-G-Regel unterwerfen wollen. Die Organisatoren von Animap geben an, mit ihrem Netzwerk einer Benachteiligung und Ausgrenzung jener Menschen entgegenwirken zu wollen, “welche sich aus gesundheitlichen Bedenken” keinen dieser Corona-Impfstoffe spritzen lassen wollen.
      In erster Linie handelt es sich um ein Branchen- und Produktverzeichnis. Über die Website können Kunden, Geschäfte finden, die nach eigener Darstellung “in Bezug auf die COVID-19-Impfung niemanden ausgrenzen, sondern allen Menschen freien Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen gewähren”. Kernelement der Plattform ist eine Online-Karte, auf der sich die teilnehmenden Geschäfte und Unternehmen finden lassen. Für Österreich lassen sich derzeit über 900 Adressen finden. Klickt man beispielsweise auf Wien, finden sich Anbieter verschiedener Branchen: Kosmetik- und Friseursalons, Heilpraktiker und Psychotherapeuten, Yogastudios und viele andere Bereiche.
      Noch ist unklar, ob und wie die österreichischen Behörden mit dem Netzwerk Animap und den daran beteiligten Unternehmen umgehen werden. Laut dem Sozialministerium gelten die 3-G-Regeln bundesweit. Auch für Deutschland gibt es mittlerweile einen Ableger von Animap, bei dem über 5.300 Einträge vorhanden sind.
      Quelle: RT DE

    5. “Das riecht nach Totalitarismus”: Forscher räumen “Einsatz von Angst” bei Corona-Krise ein
      Bislang hieß es, vor allem sogenannte Verschwörungstheoretiker und Leute aus der schwurbelnden Querdenker-Szene wähnten im Zuge der Corona-Krise totalitäre Methoden am Werk. Nun legen aktuelle Informationen den Schluss nahe, dass entsprechende Taktiken tatsächlich zum Einsatz kamen.
      Vor wenigen Tagen berichtete das britische Traditionsblatt The Telegraph von Äußerungen, die demzufolge auf Mitglieder der Scientific Pandemic Influenza Group on Behaviour (SPI-B) zurückgehen. Zusammenfassend heißt es im Artikel:

      “Wissenschaftler eines Komitees, das den Einsatz von Angst zur Kontrolle des Verhaltens der Menschen während der COVID-Pandemie gefördert hat, haben zugegeben, dass ihre Arbeit “unethisch” und “totalitär” war.”

      Bei der SPI-B handelt es sich um einen Unterausschuss der Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE), der wichtigsten wissenschaftlichen Beratergruppe der britischen Regierung.
      Quelle: RT DE

    6. Pandemie-Modellrechnungen: Gefährliche Zahlenspiele
      Inzidenz-Zahlen und furchterregende Corona-Szenarien dienen als Begründung für massive Einschränkungen. Der Charité-Mediziner Ulrich Dirnagl kritisiert die dafür erstellten Modelle. Prognosen seien für politische Zwecke missbraucht worden. […]
      Bei einer höchst unsicheren Datenlage, wie sie zum Beispiel allein schon durch die sich ständig ändernden Testkapazitäten und -raten vorkommt, ist es unabdingbar, diese elementare Fehlerbehaftung kritisch zu berücksichtigen.
      Aber besteht der eigentliche Nutzen der Pandemie-Modellierungen vielleicht gar darin, Worst-Case-Szenarien wissenschaftlicher erscheinen zu lassen, wie Kritiker der Modellkritiker nun häufig einwerfen? Sollen die Modelle, die von ihnen vorhergesagten Szenarien, verhindern, um damit bewusst falschzuliegen?
      Das ist allerdings eine gefährliche Strategie: Zum einen, weil Vorhersagen, die daneben liegen, ihre Überzeugungskraft verlieren – aber noch viel wichtiger, weil die Modelle ja auch behaupten, die Nützlichkeit oder Schädlichkeit bestimmter Maßnahmen und Verhaltensweisen zu „objektivieren“.
      Wie zum Beispiel Schulschließungen, Ausgangssperren oder Abstandsregeln. Wenn die offensichtlichen und teils schwerwiegenden Limitationen der Modelle nicht erkannt oder berücksichtigt werden, sie aber dennoch die Grundlage für unser Handeln in der Pandemie liefern sollen – dann läuft etwas schief.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur

      Anmerkung unseres Lesers S.S.: Nirgends ist die politische Instrumentalisierung der Wissenschaft offenkundiger als bei den unsäglichen Modellierungen.

    7. Heribert Prantl: Grundrechte nur mit Impfpass? Geht gar nicht
      Der Journalist und Jurist Heribert Prantl über ein problematisches Gesetz und die Idee, bestimmte Grundrechte nur gegen Vorlage eines Impfausweises zu gewähren.
      Heribert Prantl war einer der Ersten in Deutschland, der auf die Einhaltung der Grundrechte auch in Pandemie-Zeiten pochte. Nun sieht er eine neue Gefahr: Der Staat will so viel Schutz für die Gemeinschaft herstellen, dass für den Einzelnen immer weniger Freiheiten übrig bleiben. Prantl fordert eine Zeit des Nachdenkens. Er will einen offenen und selbstkritischen Diskurs über die bisherige Corona-Politik. (…)
      Was ist mit dem Gesetz fundamental anders als früher?
      Dieses Gesetz, das die Bundesnotbremse installiert, bremst den Rechtsschutz aus. Es wird nicht auf Grund eines Gesetzes , wie es im Grundgesetz eigentlich vorgesehen ist, sondern unmittelbar durch Gesetz in die Grundrechte eingegriffen. Diese Unterscheidung klingt erst einmal wie juristische Wichserei das ist sie aber nicht. Bei Eingriffen unmittelbar durch Gesetz gibt es nämlich keinen klassischen Rechtsschutz.
      Das heißt, man kann gegen einzelne Regelungen im Infektionsschutzgesetz nicht mehr klagen?
      Nein. Man kann gegen die durch den RKI-Knopfdruck ausgelösten Maßnahmen nicht klagen, jedenfalls nicht vor den zuständigen Gerichten, den Verwaltungsgerichten. Es bleibt einzig und allein die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Es gibt noch die in letzter Minute ins Gesetz eingefügte, wenig aussichtsreiche Klage auf Feststellung, von der Regelung nicht erfasst zu werden. Karlsruhe wird zur ersten und einzigen Instanz gemacht und ist damit überfordert. Regulär vor einem normalen Gericht klagen können Sie erst dann, wenn Sie gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen haben und deswegen gegen Sie eine Sanktion verhängt worden ist. Das Gesetz mutet Ihnen also zu, dass Sie erst das Gesetz brechen und dafür eine Strafe kassieren; erst dann können Sie sich wehren. Die Bürger werden also gewissermaßen zur Rechtswidrigkeit gedrängt. So entsteht kein Vertrauen.
      Quelle: berliner-zeitung

      Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Prantls Blick: Ein infiziertes Gesetz und sehen Sie Beklagt die Einschränkung der Freiheitsrechte | Heribert Prantl | SZ-Journalist.

  2. Nahost-Konflikt
    1. Die Eskalation ist Resultat der israelischen Vertreibungspolitik
      Ein weiterer Gaza-Krieg droht. Die Aufrufe gegen die Besatzung und für einen gerechten Frieden sind nun dringender denn je.
      Seit einigen Wochen eskaliert die Lage in Israel und Palästina. Weltweite Beachtung findet die Situation allerdings erst seitdem die Hamas Israel mit Raketen angreift und die israelische Armee wieder Gaza bombardiert. Ursache der aktuellen Eskalation war die Zwangsräumung mehrerer palästinensischer Häuser im Ostjerusalemer Viertel Sheikh Jarrah.
      Die Räumung von Häusern, in denen Palästinenserinnen und Palästinenser wohnen, ist nichts Ungewöhnliches, insbesondere in Ostjerusalem und dem Westjordanland. Die Räumung in Sheikh Jarrah folgte jedoch einem Gerichtsurteil, welches sich auf die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke vor dem Jahr 1948 beruft. Die Grundstücke waren vor der Staatsgründung Israels im Besitz von jüdischen Familien, die gemeinsam mit ihren palästinensischen Nachbarn unter der Kontrolle der britischen Kolonialmacht lebten.
      Mit der Staatsgründung Israels 1948, die mit der »Nakba« – der Vertreibung von mehr als 700.000 Palästinenserinnen und Palästinensern –, der Zerstörung von 531 palästinensischen Dörfern und der Entvölkerung von elf palästinensischen Stadtteilen in verschiedenen größeren Städte einherging, besetzte das Königreich Jordanien Ostjerusalem und das Westjordanland. Die dort lebenden Jüdinnen und Juden wurde vertrieben oder ihr Besitz in Beschlag genommen. Diesen Besitz forderten Nachfahren zurück und bekamen recht. Dieses Recht steht jedoch den 700.000 vertriebenen Palästinenserinnen und Palästinensern, die Wohnungen und Häuser in Israel besaßen, nicht zu.
      Quelle: Jacobin
    2. Tel Aviv dankt Washington für Vetos gegen UN-Erklärungen über Waffenruhe – und bombardiert weiter
      Der israelische Verteidigungsminister hat den USA dafür gedankt, dass sie die dritte UN-Erklärung in Folge über eine Forderung eines Waffenstillstandes blockiert haben. Tel Aviv setzte die Luftangriffe gegen Gaza in der Nacht von Montag auf Dienstag unvermindert fort.
      (…) Israel der Unterstützung durch die USA auch bei der UNO sicher
      Während US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am Montag einen Vorschlag für einen Waffenstillstand unterstützte, bekräftigte er dennoch vor allem Washingtons unerschütterliche Unterstützung für Tel Aviv.
      So zeigte die Netanjahu-Regierung keinerlei Absicht, die Bombardierung zu stoppen, allen Behauptungen seitens US-Außenminister Tony Blinken zum Trotz, die US-Regierung arbeite “hinter den Kulissen” an der Sicherung eines Waffenstillstands. Mehr noch, man dankte dem offiziellen Washington, dass es am Montag im UN-Sicherheitsrat die Unterzeichnung einer weiteren Erklärung zur Einstellung der Feindseligkeiten torpediert hatte…
      Quelle: RT
    3. Chris Hedges: Israel, die große Lüge
      Israel übt in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht „das Recht auf Selbstverteidigung“ aus. Es führt Massenmord aus, unterstützt und begünstigt von den USA.
      Fast alle Worte und Phrasen, die von den Demokraten, Republikanern und den sprechenden Köpfen in den Medien verwendet werden, um die Unruhen innerhalb Israels und den schwersten israelischen Angriff gegen die Palästinenser seit den Angriffen auf den Gazastreifen 2014 zu beschreiben, die 51 Tage dauerten und mehr als 2.200 Palästinenser töteten, darunter 551 Kinder, sind eine Lüge.
      Indem Israel seine Militärmaschinerie gegen eine besetzte Bevölkerung einsetzt, die keine mechanisierten Einheiten, keine Luftwaffe, keine Marine, keine Raketen, keine schwere Artillerie und keine Befehlsgewalt hat, ganz zu schweigen von der Zusage der USA, Israel im nächsten Jahrzehnt ein 38-Milliarden-Dollar-Verteidigungshilfepaket zur Verfügung zu stellen, übt es nicht „das Recht aus, sich selbst zu verteidigen.“ Es führt Massenmord aus. Es ist ein Kriegsverbrechen.
      Israel hat deutlich gemacht, dass es bereit ist, jetzt genauso mutwillig zu zerstören und zu töten, wie es 2014 es tat. Israels Verteidigungsminister Benny Gantz, der während des mörderischen Angriffs auf Gaza im Jahr 2014 Stabschef war, hat geschworen, dass, wenn die Hamas „die Gewalt nicht stoppt, der Schlag von 2021 härter und schmerzhafter sein wird als der von 2014.“ Die aktuellen Angriffe haben bereits mehrere Wohnhochhäuser ins Visier genommen, darunter Gebäude, in denen über ein Dutzend lokale und internationale Presseagenturen untergebracht waren, Regierungsgebäude, Straßen, öffentliche Einrichtungen, landwirtschaftliche Flächen, zwei Schulen und eine Moschee….
      Ich habe mir auch von Gaza aus die Lügen angehört, die von Jerusalem und Washington ausgehen. Israels wahlloser Einsatz moderner, industrieller Waffen, um Tausende von Unschuldigen zu töten, Tausende weitere zu verwunden und Zehntausende von Familien obdachlos zu machen, ist kein Krieg: Es ist staatlich geförderter Terror…
      Die falsche Gleichwertigkeit zwischen israelischer und palästinensischer Gewalt wurde während des Krieges, über den ich in Bosnien berichtete, widergespiegelt. Diejenigen von uns, die in der belagerten Stadt Sarajevo waren, wurden täglich mit Hunderten von schweren Granaten und Raketen von den umliegenden Serben beschossen. Wir wurden von Scharfschützen unter Beschuss genommen. Die Stadt hatte jeden Tag einige Dutzend Tote und Verwundete zu beklagen. Die Regierungstruppen innerhalb der Stadt feuerten mit leichten Mörsern und Handfeuerwaffen zurück. Die Unterstützer der Serben nutzten jeden von den bosnischen Regierungstruppen verursachten Todesfall, um das gleiche schmutzige Spiel zu spielen, obwohl weit über 90 Prozent der Tötungen in Bosnien die Schuld der Serben waren, wie es auch in Bezug auf Israel der Fall ist…
      (…) Die Israel-Lobby hat ihren immensen politischen Einfluss schamlos ausgenutzt, um zu verlangen, dass die Amerikaner de facto einen Loyalitätseid auf Israel ablegen…
      Quelle: Linke Zeitung
    4. In Nahost nicht Neues?
      2008, 2012, 2014, 2018 nun 2021: Man kann die Uhr danach stellen. Wenn das israelische Militär den Gazastreifen mit zwei Millionen Einwohnern, eines der dichtesten besiedelten Gebiete der Welt und de facto ein Freiluftgefängnis, wieder einmal militärisch attackiert und bombardiert, werden die altbekannten Slogans hervorgeholt. „Die Gewalt nimmt nicht ab“, „Israel: Schon 3150 Raketen aus Gaza abgefeuert“, „Chronologie eines schier endlosen Konflikts“ oder „CDU-Chef Armin Laschet: ‚Wir verurteilen die antisemitische Hetze auf deutschen Straßen aufs Schärfste‘“. Mit jedem Jahr der Besatzungspolitik, des langsamen Landraubs und weiterer Entrechtung der Palästinenser wirken solche Schlagzeilen hohler. Ihre eigentliche Bedeutung liegt auch nicht in dem, was sie sagen, sondern in dem, was sie nicht sagen.
      Quelle: Kontext TV

      dazu: Rolle des Westens im Nahostkonflikt: Ritualisierte Bekenntnisse
      Die Eskalation in Nahost hat ihre Wurzeln auch im Nichtstun des Westens in der Vergangenheit. Aufforderungen, miteinander zu reden, sind unredlich.
      Wer erklärt Angela Merkel, Gregor Gysi, Heiko Maas und jetzt auch Annalena Baerbock, dass die von ihnen mit Blick auf Israel beschworene „Staatsräson“ Deutschlands ein deplatzierter, ja kontraproduktiver Begriff ist? Tatsächlich geht es um die aus historischen Gründen besondere Verantwortung Deutschlands und aller seiner BürgerInnen, entschieden gegen jede Form von Judenfeindlichkeit sowie für eine sichere und auf Dauer unbedrohte Existenz Israels einzutreten.
      Diese kann und wird es allerdings erst geben, wenn das seit 1947 völkerrechtlich verbriefte Anrecht der PalästinenserInnen auf staatliche Selbstbestimmung umgesetzt ist und die universellen Menschenrechte auch für sie Realität geworden sind. Beides ist nicht möglich, solange eine israelische Regierung das Westjordanland weiterhin völkerrechtswidrig besetzt und besiedelt, den Gazastreifen abschnürt und am Alleinanspruch auf ganz Jerusalem festhält. […]
      Die ritualisierten Bekenntnisse westlicher PolitikerInnen zu einer Zweistaatenlösung werden zunehmend unehrlich, je mehr die israelische Regierung im Westjordanland und Ostjerusalem Fakten schafft, die eine solche Lösung immer unvorstellbarer machen – und dies ohne jeden relevanten Widerspruch aus Europa und in den vergangenen vier Jahren sogar mit Unterstützung der US-Regierung.
      Die ebenso ritualisierte Aufforderung an „beide Seiten, miteinander zu verhandeln“, ist unredlich und daher unrealistisch. Denn sie unterschlägt die militärische, politische und wirtschaftliche Asymmetrie zwischen Israel und den PalästinenserInnen, über die auch noch so viele Raketenangriffe der Hamas und ihrer Unterstützer aus Teheran nicht hinwegtäuschen können.
      Quelle: taz

    5. Judentum, Zionismus und Israel sind verschiedene Kategorien
      Der deutsch-israelische Soziologe Moshe Zuckermann über die Ursachen der Eskalation in Nahost, die israelische Innenpolitik und die Antisemitismusdebatte
      (…) Während die westliche Staatengemeinschaft Israel angesichts der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen ein Recht auf Selbstverteidigung einräumt, dabei aber die Frage umschifft, ob nach dieser Logik die syrische Armee Israel auch beschießen darf, denn von dort werden regelmäßig Militärschläge auf Syrien vollzogen, erklärte das russische Außenministerium, dass die zunehmenden Spannungen durch die Vertreibung arabischer Bewohner aus ihrem angestammten Wohnort – dem Gebiet Sheikh Jarrah –, durch die Förderung von Plänen zum Bau von 540 Häusern in der Siedlung Har Choma und durch die Tötung von zwei Palästinensern an einem Kontrollpunkt in der Nähe der Stadt Jenin angeheizt worden sind. Welcher Sichtweise würden Sie eher zustimmen?
      Moshe Zuckermann: Der russischen Sichtweise. Dabei muss man aber noch eines mitbedenken. Die Gewalteskalation war nicht das Resultat ideologischer Scheinpostulate wie des Rechts auf Selbstverteidigung. Sie war Ergebnis einer wohlorchestrierten Provokationskette vonseiten der Israelis: Polizei am Tempelberg, Absperrung der Zugänge nach Jerusalem für Araber, Sheikh Jarrah und einiges mehr. Die Hamas sollte reagieren, damit es zwangsläufig zur Gewalteskalation kommt.
      Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der wegen seines Prozesses (wegen Korruptionsvorwürfen, d. A.) und der Unfähigkeit, eine Koalition zu bilden, in Bedrängnis geraten ist, hat diese Eskalation im Eigeninteresse gebraucht – und hat auch sein Ziel erreicht: Das gegnerische Lager ist in Auflösung begriffen.
      Es könnte zu einem fünften Wahlgang kommen, diesmal mit Direktwahl des Premiers, die Netanjahu gewinnen dürfte. Dass auch die Hamas die Gewalteskalation bedient, weil sie sich gegenüber der PLO zu profilieren trachtet, ändert daran nichts.
      (…) Die Ursachen für die aktuelle Gewaltspirale zwischen der Hamas und Israel liegen auch in den Ereignissen der letzten Wochen begründet. In Ost-Jerusalem hatten die Spannungen Mitte April zugenommen. Am 7. Mai kam es zu Zusammenstößen zwischen der israelischen Grenzpolizei und Palästinensern in der Nähe des Tempelbergs. Inwieweit ist der seit Jahren voranschreitende Rechtsruck der israelischen Gesellschaft mitverantwortlich für das aktuelle Blutvergießen?
      Moshe Zuckermann: Das ist eine fast rhetorische Frage. Der Rechtsruck ist zweifelsohne für die aktuelle Lage verantwortlich. Man muss allerdings verstehen, dass dieser Rechtsruck kein Nebenaspekt ist: Etwa 80 Prozent des israelischen Parlaments ist als rechts bzw. rechtsradikal einzustufen.
      Politiker wie Avigdor Lieberman, Naftali Bennett oder Gideon Saar sind ideologisch noch radikaler rechts als Netanjahu eingestellt. Obwohl sie sich im Anti-Netanjahu-Lager zusammengefunden haben, das gerade allerdings wieder in Auflösung begriffen ist, stehen sie ideologisch ganz fraglos an der Seite Netanjahus bzw. der Rechten, ja radikalen Rechten Israels.
      (…) In Deutschland wird dieser Tage viel über Antisemitismus berichtet, vor allem mit Blick auf propalästinensische Demonstrationen. Sie selbst, als israelischer Staatsbürger und Jude, wurden schon in Deutschland von Deutschen des Antisemitismus beschuldigt. Werden die Begriffe “Juden”, “Zionismus”, “Israel” und “Antisemitismus” in der deutschen Öffentlichkeit verwechselt oder gar falsch verwendet?
      Moshe Zuckermann: Ja, der Meinung bin ich und habe dies auch schon oft genug theoretisch wie empirisch in Deutschland dargelegt. Allerdings vergeblich, wie es scheint, und wie sich angesichts der gegenwärtigen Krise wieder herausstellt. Es muss ein für alle Mal verstanden werden: Judentum, Zionismus und Israel sind drei verschiedene Kategorien und entsprechend auch Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik.
      Das zeigt sich schon daran, dass nicht alle Juden Zionisten, nicht alle Zionisten Israelis und nicht alle Israelis Juden sind. Es ist klar, warum diese Kategorien in Deutschland allzu häufig gleichgesetzt werden. Das bedient deutsche Befindlichkeiten und Bedürfnisse der Schuldabtragung. Aber nicht nur ist diese Gleichsetzung an sich falsch, sondern sie bedient objektiv auch die Interessen der israelischen Propaganda.
      Quelle: Telepolis
  3. Syrien und Russland haben den Krieg gewonnen, aber Amerika legitimiert die fortgesetzte Plünderung
    (…) Der irische Friedensaktivist Dr. Declan Hayes erklärt, was bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Syrien in diesem Monat auf dem Spiel steht. Er sagt voraus, dass der amtierende Präsident Bashar al-Assad die Wiederwahl gewinnen wird, weil er eine starke Unterstützung in der Bevölkerung hat, weil das syrische Volk diesen Widerstand als den besten Weg ansieht, den von den Amerikanern geführten verdeckten NATO-Krieg gegen sein Land abzuwehren. Der verdeckte Krieg für einen Regimewechsel wurde auf dem Schlachtfeld von der Syrischen Arabischen Armee und ihren Verbündeten, vor allem Russland, gewonnen. In weiten Teilen Syriens herrscht Frieden. Allerdings, wie Hayes erklärt, verstärken die Vereinigten Staaten von Amerika und die ausländischen Feinde Syriens die wirtschaftliche Kriegsführung durch Sanktionen und die Plünderung von Ressourcen. Das Ziel ist es, “Syrien aus dem Gleichgewicht zu bringen”. Die feindliche westliche Agenda gegenüber Syrien passt in ein größeres geopolitisches Bild der USA und ihrer Verbündeten, die versuchen, den Iran, Russland und China zu destabilisieren…
    Frage: Westliche Regierungen und Medien verunglimpfen die Wahlen in Syrien als nicht “frei und fair”. Wie sehen die syrischen Bürger die Wahlen in ihrem Land?
    Declan Hayes: Weil westliche Regierungen und Medien die Angewohnheit haben, Wahlen, mit denen sie nicht einverstanden sind, zu verunglimpfen, sei es in Russland, Venezuela, Bolivien, Iran, Gaza, Libanon oder Syrien, haben sie in solchen Angelegenheiten keine Glaubwürdigkeit. Und die Menschen in Syrien sind sich der westlichen Heuchelei sehr wohl bewusst.
    Frage: Präsident Assad scheint einen starken Rückhalt in der Bevölkerung zu haben. Ist diese Unterstützung darauf zurückzuführen, dass das syrische Volk ihn als mutigen und prinzipientreuen Führer während der letzten 10 Jahre des Krieges betrachtet?
    …Obwohl die Syrer durch die kriminellen Sanktionen der NATO und den ungerechten Krieg, den die NATO weiterhin gegen sie führt, unsagbar gelitten haben, haben sie keine andere Wahl, als ihren Präsidenten und ihre Armee zu unterstützen, bis sie ihre Freiheit von der NATO und ihren Satelliten wiedererlangen.
    Die von der NATO favorisierten Kandidaten sind, wie sie es im Irak waren und wie sie es in Bolivien und Venezuela sind, bestenfalls Marionetten und Scharlatane, schlimmstenfalls gefährliche Kriegsverbrecher.
    Frage: Wie schlecht sind die sozioökonomischen Bedingungen in Syrien? Es gibt besorgniserregende Berichte über Engpässe bei Lebensmitteln, Treibstoff und elektrischem Strom.
    Declan Hayes: Die Lage ist katastrophal…
    Frage: Wie sehen die Syrer die Rolle Russlands und seine militärische Intervention zur Unterstützung des syrischen Staates?
    Declan Hayes: Alle Syrer wissen, dass Russland Syrien davor bewahrt hat, das gleiche amerikanische Schicksal wie Libyen und Irak zu erleiden…
    Frage: Es gibt glaubwürdige Berichte über US-Militärs, die LKW-Konvois mit gestohlenem Öl und Weizen aus dem östlichen Teil Syriens, den die Amerikaner besetzen, in den Irak fahren. Was ist der Zweck dieser Schmuggelware? Sieht das syrische Volk darin einen dreisten imperialistischen Diebstahl?
    Declan Hayes: Das ist, wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump in Bezug auf das syrische Öl offen zugegeben hat, nicht nur ein dreister imperialistischer krimineller Diebstahl, sondern eine Fortsetzung dessen, wie die Türkei alle syrischen Ländereien geplündert hat, die ihre terroristischen Stellvertreter kontrollierten…
    Quelle: Antikrieg

    dazu: 88 mit gestohlenem Öl und Weizen beladene LKW der US-Besatzungsmacht verlassen Syrien in Richtung Irak
    Die US-Besatzungstruppen haben weiterhin den syrischen Reichtum und die landwirtschaftlichen Ernten aus den Ländereien gestohlen, die sie in der syrischen Region al-Jazeera besetzt halten, als jetzt ein Konvoi der mit Öl und gestohlenem Getreide beladenen Fahrzeuge der Besatzung das Gebiet von Hasaka in Richtung Norden verließ Irak und zwar über den illegalen Grenzübergang al-Walid illegitime.
    Lokale Quellen in al-Yarubiya teilten SANA mit, dass ein Konvoi von 45 Fahrzeugen, darunter überdachte Lastwagen und Öltanker sowie eine Reihe von Kühltankwagen und Tanklastwagen mit Allradfahrzeugen, am Montagmorgen die syrischen Gebiete in Richtung Irak.
    In der Zwischenzeit erwähnten Quellen aus dem Dorf al-Swaidiyeh, dass 43 andere Lastwagen, die nachts mit Weizen aus Tal Alou-Silos beladen worden waren, den illegitimen Grenzübergang von al-Walid in Richtung der irakischen Gebiete passierten.
    Am 25. April hatte ein Konvoi von 35 US – Besatzung Lastwagen beladen mit gestohlenem Getreide das Gebiet von Hasaka über den illegitimen Grenzübergang al-Walid in Richtung Nordirak verlassen
    Quelle: Linke Zeitung

    dazu passend: Neue Machtansprüche
    Von Karin Leukefeld
    USA wollen aus Mittlerem Osten abziehen und sich auf Pazifikregion konzentrieren. Interessen sollen vorher gesichert werden
    Die Vereinigten Staaten wollen aus dem Mittleren Osten abziehen. Schwerpunkt des globalen Macht- und Kontrollanspruchs der »Weltmacht Nummer 1« soll künftig die Pazifikregion sein, wo die USA sich China entgegenstellen und Russland einkreisen wollen. Die einst blühende Region des »Fruchtbaren Halbmonds« bleibt verwüstet, zerstört und verarmt zurück. Die Neuordnung des durch Krisen und Kriege seit 100 Jahren destabilisierten Mittleren Ostens gestaltet sich chaotisch.
    Um die Kontrolle der geostrategisch wichtigen Region nicht aus der Hand zu geben, sollen die regionalen und europäischen Partner der USA Polizei- und Armeeaufgaben übernehmen…
    Der Prozess der Neuordnung der Region birgt Überraschungen. Unklar ist, ob die von den USA forcierte »Normalisierung« der Beziehungen zwischen Israel und einer Handvoll arabischer Staaten Bestand haben wird. Aktiver arbeiten arabische Länder daran, die schwierige Beziehung mit Syrien in Ordnung zu bringen…
    (…) Die arabischen Golfstaaten wählten – wie die Türkei und Israel, wie Europa und die USA – Gruppen der syrischen Opposition, die sie unterstützten. Je erfolgreicher diese militärisch waren, desto mehr Geld und Waffen und logistische Unterstützung gab es. Der ehemalige Außenminister und Ministerpräsident Katars Scheich Dschabir Al Thani sprach offen darüber in einem Interview, das er 2017 dem katarischen Fernsehen gab.
    Das Ziel wurde nicht erreicht, die Allianz gegen Syrien zerstritt sich und zerfiel. Der Iran, inzwischen nicht mehr nur Verbündeter Syriens, sondern auch Russlands, weitete dagegen seinen Einfluss aus, suchte aber gleichzeitig immer das Gespräch mit Saudi-Arabien…
    Biden-Regierung will zu dem von den USA unter Präsident Donald Trump im Mai 2018 aufgekündigten Atomabkommen JCPOA zurückkehren. Das und eine iranisch-saudische Annäherung könnte Ruhe in die Region des Mittleren Ostens bringen. Die USA könnten dann ihre militärische Präsenz weiter nach Osten in die Pazifikregion verlagern.
    Quelle: junge Welt

  4. DIE LINKE fordert Deutsch-Russischen Freundschaftsvertrag
    Pressemitteilung von Sevim Dagdelen, 18. Mai 2021
    „DIE LINKE setzt sich mit Nachdruck für einen Deutsch-Russischen Freundschaftsvertrag ein. Die Bundesregierung sollte den 80. Jahrestag des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion zum Anlass nehmen, dazu Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, Versöhnung und Freundschaft zwischen Deutschland und Russland zu erreichen und zu verstetigen“, erklärt Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss, anlässlich der Plenardebatte über den LINKE-Antrag „80 Jahre deutscher Überfall auf die Sowjetunion – Für eine Politik der Entspannung gegenüber Russland und eine neue Ära der Abrüstung“ (BT-Drucksache 19/29437) in dieser Woche. Dagdelen weiter:
    „Angesichts der 27 Millionen Toten infolge des faschistischen Raub- und Vernichtungskrieges in der Sowjetunion müssten gute Beziehungen und Freundschaft mit Russland lange schon Teil der deutschen Staatsräson sein. DIE LINKE setzt sich im Sinne gutnachbarschaftlicher Beziehungen ein für den schrittweisen Abbau der bestehenden Visapflicht mit der Russischen Föderation und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken sowie für die Belebung des Schüler- bzw. Jugendaustausches mit Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken.
    DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, sich im Rahmen von EU und NATO verstärkt für allgemeine und weltweite Abrüstung einzusetzen und entschlossen auf den Abschluss und die Durchsetzung umfassender Abrüstungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen hinzuwirken. Kooperation mit Russland statt Konfrontation muss Handlungsmaxime deutscher Außen- und Sicherheitspolitik werden.“…
    Quelle: Die Linke
  5. Laschet schwört auf die Nato
    Der Unionskandidat bekennt sich zum Verteidigungsbündnis, fordert einen Nationalen Sicherheitsrat und gelobt, die deutschen Militärausgaben zu erhöhen. Er verbindet seine Botschaft mit einem deutlichen Seitenhieb auf seine Rivalen um das Kanzleramt. (…)
    Laschet betonte auch sein Festhalten am Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent der Wirtschaftskraft bis 2024 vorsieht. Auch hier sei ein “klares Bekenntnis zu dieser internationalen Verpflichtung” von jedem zu erwarten, “der sich um höchste Ämter in Deutschland bemüht”. Das sei “an mehrere Parteien gerichtet und nicht nur an eine”. Das Zwei-Prozent-Ziel wird sowohl von den Grünen als auch von der derzeit mitregierenden SPD abgelehnt. Die Bundesregierung habe sich zum Zwei-Prozent-Ziel bekannt, betonte Laschet. “Ich sehe keinen Anlass, davon abzuweichen”, sagte er. Dies gelte, obwohl die Haushaltslage schwierig sein werde. “Die Sicherheit des Landes und die Ausrüstung der Bundeswehr dürfen nicht hintenanstehen”, forderte er.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    dazu: Laschets Welt
    Außen- und sicherheitspolitische Grundsatzrede
    Der als Grundsatzrede angekündigte Auftritt von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung bot wenige Überraschungen. Die Welt stehe vor einem „Epochenwechsel”, u.a. durch den Aufstieg Chinas, das er sowohl als Wettbewerber und Rivale, aber auch als potenziellen Partner charakterisierte. Dieser Aufstieg habe das Zeug, „das internationale Machtgefüge grundsätzlich zu verändern.“ Mit konfrontativen Versuchen, China entgegenzutreten, wie dem Plan, im Sommer eine Fregatte in den Indopazifik zu entsenden, scheint Laschet dabei keine Probleme zu haben, er halte dies für „richtig“, gab er an.
    Mit Blick auf Russland will er zwar – im Gegensatz zu den Grünen – an der umstrittenen Gaspipeline Nordstream 2 festhalten, generelle müsse man dem Land aber auch „die Grenzen aufzeigen.“ An der bisherigen konfrontativen deutschen und europäischen Russlandpolitik will Laschet jedenfalls „nichts ändern“. In den Konflikten mit den erklärten Rivalen China und Russland sieht Laschet vor allem einen Verbündeten: „Europas Platz ist an der Seite der USA.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch “Trumps Forderungen an Nato-Bündnispartner – Muss Deutschland den Rüstungshaushalt auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts erhöhen?“. Daraus zitiert:

    “Politik- und Rechtswissenschaftler sind sich einig, dass die Zwei-Prozent-Zielvorgabe der Nato keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Begründet wird dies vor allem mit der Entwicklungsgeschichte der Nato und mit Aussagen maßgeblicher Politiker. Prozentvorgaben wie in der Abschlusserklärung von Wales seien eine politische Willensbekundung („non-binding requirement“, „gentlemen’s agreement“, „informal benchmark“). Sie enthielten jedoch keine bindende Verpflichtung der Mitgliedstaaten (vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 2 – 3000 – 034/17 vom 21. März 2017).”

  6. Auch der Freihandel hat Grenzen
    Die indische Regierung lässt das WTO-Abkommen zum Freihandel platzen, um weiter staatlich subventionierte Nahrungsmittel an die Armen verteilen zu können. Richtig so.
    Für die Welthandelsorganisation WTO ist es ein schwerer Rückschlag: Indien hat das neue globale Freihandelsabkommen platzen lassen – in letzter Minute. Noch im vergangenen Dezember hatte das Land nach zähen Verhandlungen auf Bali dem Abkommen zugestimmt und sich damit bereit erklärt, die staatlichen Subventionen für Nahrungsmittel einzuschränken. Alleine die Tatsache, dass nach Jahren erfolgloser Verhandlungen überhaupt ein neues WTO-Abkommen zustande kam, wurde damals als Durchbruch gefeiert.
    Jetzt zieht Indien seine Zusage zurück. Die neue Regierung, die mittlerweile im Amt ist, will auf die Subventionen nicht verzichten.
    Sie tut gut daran. Denn das indische System der staatlich geförderten Nahrungsmittelkäufe hilft vor allem den Ärmsten der Armen. Gerade in Krisenzeiten kauft der indische Staat Grundnahrungsmittel auf und verteilt sie an Notleidende. Das Verfahren soll auch helfen, eine staatliche Nahrungsmittelreserve vorzuhalten. Eine solche Reserve empfehlen Vereinte Nationen, G20 und andere internationale Organisationen den Staaten, die Schwierigkeiten haben, den Nahrungsbedarf der eigenen Bevölkerung zu decken. Sie ist eine sinnvolle Sache.
    Quelle: Zeit Online
  7. Gegen die christlichen Werte
    (…) Aufgeschoben ist nicht aufgehoben heißt es gemeinhin. Beim Lieferkettengesetz kann man das nur hoffen. Erst wurde der Gesetzentwurf verzögert, nun, zwei Monate nachdem das Kabinett ihn endlich auf den Weg brachte, passiert das gleiche bei der Verabschiedung durch den Bundestag. Und wieder sind es ausgerechnet die Parteien, die sonntags das „C“ für christlich im Namen führen, aber montags ausgerechnet das Gesetz ausbremsen, das wie kein anderes dieser Koalition für christliche Werte wie die Hilfe für die Ärmsten der Welt steht. Wie das zusammenpassen soll verstehe wer will.
    Wie Ernst nimmt die union das „C“
    Es geht beim Lieferkettengesetz um das Abstellen wirklich übler Dinge wie Kinderarbeit oder die Ausbeutung von Frauen. Doch anstand dieses überfällige Gesetz endlich zu verabschieden, verbeißen sich CDU und CSU in ein Detail bei den Haftungsregeln. Das klingt nach dem berühmten Haar in der Suppe, das jemand noch gefunden hat, um die ganze Suppe zurückgehen lassen zu können. Denn bei der CDU und CSU weiß man manchmal einfach nicht, wie ernst es beiden Parteien mit dem „C“ wirklich ist, wenn es wie beim Lieferkettengesetz mal drauf ankommt.
    Keine überzeugenden Argumente
    Nach dem Verhalten beider Fraktionen in den letzten Monaten wirkt der letzte Versuch, ein Gesetz noch zu Fall bringen, weil einem die ganze Richtung nicht passt. Dabei ist das Gesetz in Teilen schon jetzt so schwammig formuliert, dass man sich fragen muss, wovor deutsche Firmen jetzt noch Angst haben sollen. Aber auch ist kein einziges der gegen das Gesetz vorgebrachten Argumente überzeugend. Die Behauptung etwa, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen müssten neue Belastungen für die Unternehmen tunlichst vermieden werden, überzeugt nicht, weil sich die zusätzlichen Kosten für das Verfolgen sauberer Lieferketten im Promillebereich bewegen. Davon geht kein Unternehmen pleite, das beweisen viele Firmen etwa aus dem Outdoorbereich, die sich jetzt schon vorbildlich verhalten bei der Herstellung ihrer Freizeitkleidung.
    Kinderarbeit und Hungerlöhne
    Und durch anständige Löhne in diesen Ländern, die dann immer noch um ein Vielfaches unter unserem Niveau liegen, werden auch kein Teebeutel, keine Jeans und kein T-Shirt gleich so viel teurer, dass man das hierzulande nicht mehr los würde, weil andere billiger wären. Wer hier von drohenden Nachteilen im Wettbewerb spricht, verdreht einfach die Tatsachen. Derzeit verschaffen sich die Hersteller einen unanständigen Wettbewerbsvorteil, die an Kinderarbeit und Hungerlöhnen nichts auszusetzen haben. Den Wettbewerbsnachteil haben die anständigen Firmen, für die schon jetzt Sozial- und Umweltstandards selbstverständlich sind. Auch hier würde ein Lieferkettengesetz endlich die Verhältnisse so richten wie sie einfach sein müssen. Und wenn die EU noch nachzöge mit einem vergleichbaren Regelwerk, wäre es umso besser.
    Quelle: Deutschlandfunk
  8. Das Milliarden-Versagen
    Weltkonzerne wie Amazon zahlen in Europa kaum Steuern. Brüssel will das ändern. Aber nach Berlin stellt sich auch Paris quer.
    Amazon demonstriert Europas Schwäche ganz cool. Als der amerikanische Techriese kürzlich die Jahresbilanz 2020 seiner Luxemburger Dachgesellschaft für das Europa-Geschäft vorlegte, fand sich dort ein verblüffender Eintrag: Unter „Steuern“ waren Einnahmen gebucht, keine Ausgaben. Zwar trieb die Pandemie die Umsätze des Konzerns in Europa von 31 auf 42 Milliarden Euro hoch. Doch im Rechenwerk für die Steuerbehörde ging das Umsatzplus von 30 Prozent mit einem Verlust von mehr als einer Milliarde Euro einher. Prompt schrieb das Luxemburger Finanzamt dem Unternehmen 56 Millionen Euro an Gewinnsteuern gut, und der Fiskus ging EU-weit leer aus.
    So geht das seit Jahren. Insgesamt sicherte sich die Luxemburger „Amazon EU S.a.r.l“, wo der Konzern die Geschäfte von Italien bis Schweden bündelt, schon mehr als eine Milliarde Euro Steuergutschrift. Bringt also Europa dem weltgrößten Onlinehändler nur Verluste ein? „Natürlich nicht, die Gewinne werden nur anderswohin verschoben, wo weniger oder gar keine Steuern erhoben werden“, sagt Christoph Trautvetter, Finanzexperte beim deutschen Zweig des Tax Justice Network.
    Quelle: taz

    dazu: Mit dieser Methode spart Amazon Steuern
    Der Amazon-Konzern lässt 75 Prozent seiner Geschäfte außerhalb der USA über Tochterunternehmen in Luxemburg laufen. Dort fährt das Unternehmen gezielt Verluste ein, die in Steuerrabatte umgewandelt werden, so eine Studie der University of London. Wie die Amazon-Methode funktioniert – ein Überblick. (…)
    Die Summe aller Steuergutschriften der letzten zehn Jahre liegt dem Gutachten zufolge bei 13,4 Milliarden US-Dollar. Und damit um rund 1,5 Milliarden Dollar über jener Summe, die in der gesamten Amazon-Firmengeschichte an Steuerzahlungen fällig gewesen wäre. Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Unter dem Strich hat Amazon in den USA womöglich noch nie Steuern gezahlt. Dazu kommen außerdem die unversteuerten Gewinne im Umfang von 17,2 Milliarden US-Dollar. (…)
    Martin Schirdewan, Fraktionschef der Linken im Europaparlament, forderte die EU auf, europäische Steueroasen wie Luxemburg trockenzulegen und den Fall Amazon trotz des Urteils des EU-Gerichts noch einmal unter die Lupe nehmen.
    „Ich finde das unfassbar, tatsächlich, dass es jemandem gelingt, namentlich an dieser Stelle Jeff Bezos, solchen unvorstellbaren Reichtum anzuhäufen, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit. Die gieren nach ökonomischer Macht, die gieren damit aber auch nach politischer Macht, und wir müssen darüber nachdenken, ob Konzerne in dieser Größe gut für die Demokratie, gut für die Entwicklung der Gesellschaft sind.“ (…)
    In einem schriftlichen Statement verweist das Unternehmen darauf, die Steuergesetze und Finanzbuchregeln in allen Ländern einzuhalten. Steuergesetze seien dazu gemacht, um die Art von Amazons Investitionen zu fördern, um die Weltwirtschaft voranzutreiben, sagt Amazon.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu z.B. auch

  9. Die Bundesanstalt für Finanzbetrug
    Der deutschen Banken- und Finanzaufsicht glückt ein kaum für möglich gehaltenes Kunststück. Sie hat noch mehr Skandale zu verantworten als der Verfassungsschutz. Statt kriminelle Machenschaften aufzudecken, steht sie bei Raubzügen Schmiere.
    Beim Geld hört der Spaß auf, da sind sich Obdachlose und Hedgefondsmanager einig. Wer sich aber in die windigen Sphären der Finanzmarktüberwachung vorwagt und dabei die komödiantische Komponente vernachlässigt, führt bald kein glückliches Leben mehr. Vielleicht ist es die dunkle Vorahnung, auf Entsetzliches zu stoßen, die viele Bürgerinnen und Bürger davon abhält, sich mit dem Komplex der organisierten Finanzkriminalität und ihrer Komplizen im Staat auseinanderzusetzen. Zumindest scheint die öffentliche Kritik recht verhalten, obwohl sich selbst bei beiläufiger Betrachtung Zustände offenbaren, wie sie nicht einmal in den verlottertsten Saftläden toleriert würden.
    Eine jener grotesken Pointen, die auf einer wahren Gegebenheit fußt, geht so: Die amtierende Bundeskanzlerin und ein nach Plagiaten in Ungnade gefallener Ex-Verteidigungsminister lobbyieren 2019 im autoritären China für ein DAX-Unternehmen, das dank kometenhafter Aktienkursanstiege lukrative Renditen zu versprechen schien. Neun Monate später muss der Hoffnungsträger Insolvenz anmelden, da 1,9 Milliarden Euro, die in der Bilanz als Guthaben ausgewiesen wurden, “mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht existieren”, wie es in den eigenen Worten der Wirecard heißt. Der Erfolg des Unternehmens entpuppt sich als Luftnummer und blamiert die Kontrollmechanismen der Bundesrepublik bis auf die Knochen.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  10. Von den präviralen Ungleichheiten nach einer kurzen Unterbrechung in eine postvirale Klassengesellschaft? Daten und Spekulationen über Armut und Ungleichheit
    »Wer in Deutschland einmal unter die Armutsgrenze rutscht, bleibt immer öfter länger arm. So beträgt der Anteil dauerhaft von Armut bedrohter Menschen an allen Armen 44 % – und ist damit mehr als doppelt so hoch wie noch 1998. Zudem droht die Corona-Pandemie die finanzielle Situation benachteiligter Gruppen zu verschärfen: Auch wenn höhere Einkommensgruppen im ersten Lockdown häufiger Einkommenseinbußen hatten, kämpften neben Selbstständigen besonders Menschen mit niedrigen Einkommen, Geringqualifizierte und Alleinerziehende mit finanziellen Schwierigkeiten.« Das konnte man einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes entnehmen, die im März 2021 veröffentlicht wurde: Armutsrisiken haben sich in Deutschland verfestigt, so ist die überschrieben. Darin wird über den neuen Datenreport 2021 – Sozialbericht für Deutschland berichtet. Der Datenreport ist ein Sozialbericht, den die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dem Sozio-oekonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sowie 2021 erstmals mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung herausgibt (vgl. dazu auch den Beitrag Eine Verfestigung von Armutsrisiken und mehr: Der Datenreport 2021. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland vom 10. März 2021).
    Während sich die einen schon bei der Überschrift der Pressemitteilung zum neuen Sozialbericht bestätigt fühlen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung einer zunehmenden Ungleichheit in unseres Gesellschaft, ließ die Reaktion „der anderen Seite“ nicht lange auf sich warten, also derjenigen, die das alles ganz anders sehen: Zerrbild der Realität, so vorwurfsvoll schon in der Überschrift haben beispielsweise Christoph Schröder und Maximilian Stockhausen vom arbeitgebernahen Institut der der deutschen Wirtschaft (IW) ihre Verarbeitung des neuen Sozialberichts überschrieben.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  11. Zwei Fälle, die nicht nur Europas Doppelmoral verbindet
    Nawalny und Assange sind beide Opfer von politischer Verfolgung und Willkürjustiz, erfahren aber unterschiedliche Solidarität – auch aus Europa. Eine Kolumne. Harald Schumann
    Der eine Gefangene ist Opfer eines Giftanschlags und gesundheitlich schwer angeschlagen. Trotzdem schickte ihn ein Gericht wegen Unterschlagung und Geldwäsche für dreieinhalb Jahren in ein berüchtigtes Straflager. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, das Urteil sei willkürlich und unfair. Der angebliche Straftäter hat sich nämlich lediglich der Aufklärung von Korruption schuldig gemacht, und die Regierung will ihn kaltstellen.
    Die Verurteilung sei „ein herber Schlag gegen verbriefte Freiheitsrechte und Rechtsstaatlichkeit“, empörte sich Deutschlands Außenminister Heiko Maas. Der Mann müsse „unverzüglich freigelassen werden“. Auch sein britischer Kollege Dominic Raab sprach von einem „perversen Urteil“, und Amerikas Außenminister Antony Blinken kündigte an, man werde das Regime zur Verantwortung ziehen. Der Name des Gefangenen lautet Alexej Nawalny, verurteilt in Russland.
    Der andere Gefangene wird seit zwei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in Isolationshaft festgehalten – und das ohne rechtsgültiges Urteil. Er zeigt nach Ansicht eines UN-Experten die typischen Symptome für Opfer von psychischer Folter. Dabei hat er sich im Land seiner Gefangenschaft keinerlei Straftat schuldig gemacht. Eine ausländische Regierung wirft ihm Verschwörung und Spionage vor. Doch tatsächlich hat der angebliche Spion in Zusammenarbeit mit führenden westlichen Medien Geheimdokumente veröffentlicht, die Kriegsverbrechen der Armee dieses Staates enthüllten. Trotzdem wurde er auf unbegrenzte Zeit eingesperrt, bis über eine Auslieferung entschieden ist…
    Diese Doppelmoral ist unerträglich. Ganz gleich, wie man zu den politischen Ansichten und Aktionen des Gründers von Wikileaks steht: Ein Spion im Sinne der Anklage aus den USA, die ihm mit 175 Jahren Haft drohen, ist er ganz sicher nicht. Wer die jahrelange illegale Inhaftierung von Assange rechtfertigt, der erteilt der US-Regierung einen Freibrief, alle Journalisten weltweit mit Verfolgung zu bedrohen, die in den Besitz amerikanischer Geheimdokumente kommen und darüber berichten.
    Käme es tatsächlich zu einer Auslieferung würde das „einen gefährlichen Präzedenzfall für alle Journalisten schaffen, die geheime Informationen von öffentlichem Interesse publizieren“, warnt darum die Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“. Menschenrechte sind unteilbar. Wer diesen Grundsatz nicht eisern verteidigt, der verwirkt alle Glaubwürdigkeit. Das gilt auch für den deutschen Außenminister.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung unserer Leserin A.F.: Einer der letzten verbliebenen wirklichen Journalisten beim Tagesspiegel. Aber auch er darf das westliche Narrativ des edlen Nawalny und des irgendwie zwielichtigen Assange nicht in Frage stellen und muss entsprechende Halbsätze einfügen. Schade bei einem ansonsten guten Artikel.

    Anmerkung Marco Wenzel: Ich würde Nawalny nicht als einen politischen Gefangenen bezeichnen. Er sitzt zurecht im Knast und würde dort auch in jedem anderen Land der Welt sitzen.


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