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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. Oktober 2021 um 8:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Aufmarsch im Indo-Pazifik – Eindämmungsstrategie gegen China
  2. Ich kann nicht mehr
  3. Die übersehene Welle
  4. Als Top-Rüstungslobbyist – “Direkt am Puls der Politik”
  5. Der Mythos von der Expertise
  6. Kalkulierter Vertrauensbruch
  7. Start-up Gorillas entlässt streikende Fahrradkuriere
  8. Die “Geopolitik des Stroms”
  9. Steigende Gaspreise: Warum nicht mal wieder der Russe schuld ist
  10. Umstrittener Springer-Artikel erhält Journalistenpreis
  11. Steckt die CIA hinter den durchgesickerten “Pandora Papers”?
  12. EU kürzt Liste der Steueroasen…
  13. US-amerikanische und britische Überwachungsflugzeuge umkreisen Kaliningrad
  14. Evergrande: (Eigene Übersetzung) Könnte es das Ende für den am höchsten verschuldeten Immobilienentwickler der Welt sein, wenn eine Rechnung über 37 Milliarden US-Dollar fällig wird?
  15. Myanmars Junta ist bei der juristischen Verfolgung von Daw Aung San Suu Kyi noch rücksichtsloser als ihre Vorgänger
  16. Die Taliban haben ein fatales Geldflussproblem
  17. Sinnlosen Afghanistan-Krieg sorgfältig und seriös aufarbeiten
  18. Die “Titanic”-Analogie, die Sie noch nicht gehört haben: Passive Akzeptanz des Verleugnens
  19. Brandts politische Perspektive jenseits der Nationalstaaten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Aufmarsch im Indo-Pazifik – Eindämmungsstrategie gegen China
    Die Fregatte »Bayern« nahm Anfang August von Wilhelmshaven aus Kurs Richtung Indo-Pazifik. Während das Kriegsschiff in See stach, operieren maritime Streitkräfte anderer westlicher Mächte bereits im militärpolitischen Hochspannungszentrum des Südchinesischen Meeres und im Pazifik. Zwar verzichtet Deutschland auf die direkte Teilnahme an Manövern oder Durchfahrten durch von China beanspruchte Gebiete, doch die Fahrt der grössten deutschen maritimen Gewichtsklasse nach Fernost ist eine Provokation an China, eine Beistandsbekundung für Verbündete in der Region und eine Solidaritätsadresse an die USA.
    Das Verteidigungsministerium verhehlt die machtpolitische Komponente der Kanonenboot-Tour erst gar nicht. »Unsere regelbasierte Ordnung (2) wird auch zu Wasser verteidigt – und die deutsche Marine steht im Dienst des Friedens, der Freiheit und des Rechts«, schwadronierte Oberbefehlshaberin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Nachdem die Verteidigung der Sicherheit Deutschlands am Hindukusch desaströs gescheitert ist, wird sie nun im Südchinesischen Meer fortgesetzt. Der indopazifische Ozean sei »die strategisch wichtigste Region der Erde«, dort müsse Chinas Machtstreben eingedämmt werden. »Im Indopazifik entscheidet sich die Ausgestaltung der internationalen Ordnung der Zukunft. Wir wollen diese mitgestalten und Verantwortung übernehmen für den Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung«, sprang Heiko Maas (SPD) seiner Kabinettskollegin auf der Internetseite des AA bei.
    (…) Mit großem Pathos reklamiert der »Westen« für sich das Recht, für die »Freiheit« der Schifffahrtsrouten zu garantieren. Seit längerem ist die mächtige Pazifik-Flotte der USA dort im Einsatz und liefert sich Revierkämpfe mit der chinesischen Marine. Britische, französische und niederländische Kriegsschiffe verstärken die militärische Präsenz in diesem Seegebiet. Doch warum sollte die Freiheit der Schifffahrt durch China bedroht sein? Als mächtige Handelsnation ist sie an offenen Seewegen interessiert. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Im Konfliktfall können die westlichen Streitkräfte Chinas überlebenswichtige Handelsrouten blockieren. China stuft deshalb das US-amerikanische Konzept des »Freien und Offenen Indo-Pazifik« als aggressiven Versuch der Einkreisung ein…
    Statt dem mit deeskalierenden Maßnahmen entgegenzuwirken, haben sich sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Union dazu entschieden – ungeachtet vorhandener Interessensunterschiede –, in den Auseinandersetzungen im Indo-Pazifik der USA militärisch zur Seite zu stehen…
    (…) Die Mission der Bundeswehr-Fregatte »Bayern« endet im Februar 2022 – dann wird eine neue Bundesregierung im Amt sein und ein neu gewählter Bundestag über militärische Auslandseinsätze zu entscheiden haben. Hoffentlich klüger, als es in der Vergangenheit der Fall war.
    Quelle: Sozialismus aktuell

    dazu: China geht »zu weit«
    Seit Tagen sendet Peking Kampfflugzeuge in Taiwans Luftraum. Die Regierung des Inselstaats spricht von »grauer Kriegsführung«. Peking hingegen nennt die Aktionen »notwendige Gegenmaßnahmen« – und warnt die USA. (…)
    Auch das Weiße Haus hat scharfe Kritik geäußert. Die »provokanten militärischen Aktivitäten« seien »destabilisierend, riskieren Fehlkalkulationen und untergraben Frieden und Stabilität in der Region«, sagte Sprecherin Jen Psaki in Washington. Die USA würden Taiwan weiterhin unterstützen, ausreichende Fähigkeiten zur Selbstverteidigung aufrechtzuerhalten. Psaki beschrieb die Verpflichtung der USA gegenüber Taiwan als »felsenfest«. (…)
    Peking bezeichnet die Flüge als Warnung an Taiwan und die USA. Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte, die USA sollten aufhören, die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan zu unterstützen. Die US-Regierung liefere Waffen an Taiwan, verstärke die offiziellen Beziehungen zu Taipeh und schicke Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße. Diese »provokativen Schritte« würden Frieden und Stabilität untergraben. Peking habe »notwendige Gegenmaßnahmen« ergriffen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Marco Wenzel: Dass die USA eine ganze Kriegsflotte in die Region geschickt hat und amerikanische Kriegsschiffe, elftausend Kilometer von seiner Westküste entfernt, in der Straße von Taiwan kreuzen, ist scheinbar nicht der Rede wert. Dass die USA erst vor drei Wochen ein neues militärischen Bündnis (AUKUS) gegen China aus der Taufe gehoben haben, geschenkt. Dass Frankreich Militärbasen in der Region unterhält und mit einer ganzen Kriegsflotte im Indopazifik kreuzt, ebenfalls nicht der Rede wert. Dass die Bundesmarine mit einer Fregatte demnächst im südchinesischen Meer kreuzt dient natürlich nur der Aufrechterhaltung der Freiheit der Schifffahrt. Dass die USA ihre Beziehungen zu Taiwan zurzeit gerade verstärken und Rüstungsgüter, darunter Flugabwehrwaffen dorthin liefern, damit die separatistische nationalistische Regierung von Taiwan unterstützten und die Stimmung in der Region damit weiter anheizen, ebenfalls geschenkt. Aber wehe, wenn die Volksarmee dann nervös wird und ebenfalls verstärkt Präsenz vor ihrer Haustür zeigt. Wenn dann noch chinesische Militärflugzeuge entlang der taiwanesischen Küste fliegen, dann ist der Teufel los. Wo bleibt übrigens der Artikel des Spiegel über die USA-amerikanischen Militärflugzeuge über Kaliningrad (siehe Hinweis „US-amerikanische und britische Überwachungsflugzeuge umkreisen Kaliningrad“)?

    dazu auch: Dazu: China fordert von USA Stopp der Unterstützung der separatistischen Kräfte für eine „Unabhängigkeit Taiwans“
    Die USA sollen aufhören, die separatistischen Kräfte für eine „Unabhängigkeit Taiwans“ zu unterstützen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um Frieden und Stabilität in der Taiwan-Straße zu erhalten. Dies sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, am Montag zu einer Erklärung des Sprechers des US-Außenministeriums, Ned Price.
    Hua sagte, Taiwan sei Chinas Taiwan und die Vereinigten Staaten sollten keine unverantwortlichen Bemerkungen machen. Die diesbezüglichen Äußerungen der USA verletzten ernsthaft das Ein-China-Prinzip und die Bestimmungen der drei gemeinsamen Kommuniqués zwischen China und den USA und sendeten äußerst falsche und unverantwortliche Signale.
    Quelle: CRI online

    Hinweis: Im Laufe des Tages erscheint ein eigener Beitrag zum Thema „Quad und AUKUS“ auf den NachDenkSeiten.

  2. Ich kann nicht mehr
    In einem offenen Brief äußert sich ein ARD-Mitarbeiter kritisch zu anderthalb Jahren Corona-Berichterstattung: Ole Skambraks arbeitet seit 12 Jahren als redaktioneller Mitarbeiter und Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
    Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert. In den Statuten und Medienstaatsverträgen sind Dinge wie „Ausgewogenheit“, „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ und „Diversität“ in der Berichterstattung verankert. Praktiziert wird das genaue Gegenteil. Einen wahrhaftigen Diskurs und Austausch, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, gibt es nicht.
    Ich war von Anfang an der Ansicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk genau diesen Raum füllen sollte: den Dialog fördern zwischen Maßnahmenbefürwortern und Kritikerinnen, zwischen Menschen, die Angst haben vor dem Virus, und Menschen, die Angst haben ihre Grundrechte zu verlieren, zwischen Impfbefürworterinnen und Impfskeptikern. Doch seit anderthalb Jahren hat sich der Diskussionsraum erheblich verengt.
    Wissenschaftlerinnen und Experten, die in der Zeit vor Corona respektiert und angesehen waren, denen Raum im öffentlichen Diskurs gegeben wurde, sind plötzlich Spinner, Aluhutträger oder Covidioten…
    Lähmender Konsens
    Anstelle eines offenen Meinungsaustausches wurde ein „wissenschaftlicher Konsens“ proklamiert, den es zu verteidigen gilt. Wer diesen anzweifelt und eine multidimensionale Perspektive auf die Pandemie einfordert, erntet Empörung und Häme.
    Dieses Muster funktioniert auch innerhalb der Redaktionen…
    Das Ergebnis von anderthalb Jahren Corona ist eine Spaltung der Gesellschaft, die ihresgleichen sucht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat daran großen Anteil. Seiner Verantwortung, Brücken zwischen den Lagern zu bauen und Austausch zu fördern, kommt er immer seltener nach…
    (…) Es ist etwas schiefgelaufen
    Lange Zeit konnte ich mit Stolz und Freude sagen, dass ich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeite. Viele herausragende Recherchen, Formate und Inhalte kommen von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio. Die Qualitätsstandards sind extrem hoch und tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten auch unter erhöhtem Kostendruck und Sparvorgaben hervorragende Arbeit. Doch bei Corona ist etwas schiefgelaufen. Plötzlich nehme ich einen Tunnelblick und Scheuklappen wahr und einen vermeintlichen Konsens, der nicht mehr hinterfragt wird…
    Quelle: Ole Skambraks auf Multipolar
  3. Die übersehene Welle
    Schaut man noch tiefer in die Zahlen, stellt man darüber hinaus Erstaunliches (und Besorgniserregendes fest). Selbst mit doppelter Impfung sind über 60-Jährige statistisch gesehen deutlich weniger gut vor Krankenhausaufenthalten geschützt als umgeimpfte 0- bis 14-Jährige. Konkret: Für die Kalenderwochen 35 bis 38 verzeichnete das RKI bislang 4.034 Krankenhauseinweisungen von Menschen ab 60. Den Anteil der Patienten mit Impfdurchbrüchen gab das Institut für denselben Zeitraum mit 34,3 Prozent an, was etwa 1383 Fällen entspricht. Etwa 20,2 Millionen über 60-Jährige sind geimpft, womit sich eine Hospitalisierungsrate von 68,5 pro einer Million geimpfte Senioren ergibt.
    Zum Vergleich die gut elf Millionen 0- bis 14-Jährigen, die zum ganz überwiegenden Teil noch nicht doppelt geimpft sind: 531 registrierte Krankenhauseinweisungen in den Kalenderwochen 35 bis 38 entsprechen einer Hospitalisierungsrate von 48,3 auf eine Million Kinder.
    Das bedeutet nicht, dass die Impfungen bei den Senioren schlecht wirken, im Gegenteil: Die ungeimpften über 60-Jährigen kamen auf schon jetzt unglaublich hohe 690 Hospitalisierungen pro einer Million Einwohner.
    Doch ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Vergangenes Jahr setzte die Herbst-Welle erst Mitte Oktober so richtig ein. Es spricht einiges dafür, dass es dieses Jahr ähnlich kommt. Wenn es dann nicht gelingt, die Inzidenz unter den Senioren niedrig zu halten, wonach es derzeit nicht aussieht, drohen erneut sehr viele schwere Verläufe in dieser Altersgruppe. Was nun wirklich nicht überraschend käme, sondern sich seit vielen Wochen abzeichnete.
    Trotzdem haben große Teile von Politik und Medien sich auf die Debatte über die angeblich innerhalb weniger Monate drohende vollständige Durchseuchung ungeimpfter Kinder und Jugendlicher konzentriert – und währenddessen den Älteren ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt. Hierzu habe ich bereits vor einigen Wochen geschrieben.
    Zweitens: Wenn ungeimpfte Kinder und Jugendliche nicht häufiger schwer erkranken als geimpfte Senioren und offenbar auch Long Covid vergleichsweise seltener bei jungen Menschen auftritt, dann ist vollkommen unverständlich, warum sie nicht Geimpften gleichgestellt werden.
    Quelle: Jan-Martin Wiarda
  4. Als Top-Rüstungslobbyist – “Direkt am Puls der Politik”
    Jüngste abgeordnetenwatch.de-Recherchen haben aufgedeckt: Die bisher im Bundestag vertretene CDU-Verteidigungsexpertin Gisela Manderla hat in ihrem engsten politischen Umfeld die Ehefrau eines hochrangigen Rüstungslobbyisten beschäftigt.
    Als wissenschaftliche Mitarbeiterin war die Frau in Manderlas Bundestagsbüro über ein Jahr lang ausgerechnet für den Verteidigungsausschuss zuständig.
    Wie wir herausfanden, arbeitet der Ehemann als Top-Lobbyist in der Rüstungssparte des Flugzeugbauers Airbus – Eigenwerbung seiner Lobbyabteilung: “Direkt am Puls der Politik”. Zu den Großkunden des Unternehmens gehört unter anderem auch die Bundeswehr.
    Eine Anfrage zu der pikanten Personalie in ihrem Bundestagsbüro beantwortete die CDU-Verteidigungsexpertin Manderla nicht persönlich. Stattdessen beauftragte sie die bekannte Anwaltskanzlei Höcker aus Köln. Aus dem Anwaltsschreiben zitieren dürfen wir nicht.
    Auch außerhalb des Bundestages engagierte Manderla sich im Rüstungsbereich. So ist sie etwa Vize-Präsidentin des Lobbyvereins Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT), in dem sich Politik, Rüstungsindustrie und Streitkräfte organisiert haben. Der Verein, dessen Gremien auch der Airbus-Lobbyist als Vorstandsmitglied angehört, veranstaltet parlamentarische Abende und führt nach eigenen Angaben wissenschaftliche Mitarbeiter:innen von Bundestagsabgeordneten mit “Experten” zusammen…
    Quelle: abgeordnetenwatch
  5. Der Mythos von der Expertise
    Christian Lindner könnte Finanzminister werden. Aber warum nur? Dass der FDP-Chef als wirtschaftskompetent gilt, ist eine große Täuschung
    Noch ist nicht klar, welche Parteien die nächste Bundesregierung stellen, geschweige denn, wer welches Ministerium herausverhandeln wird. Zwei Dinge allerdings sind wahrscheinlich: dass die FDP an die Macht zurückkehren wird. Und dass ihr Chef, Christian Lindner, es auf das Amt des Bundesfinanzministers abgesehen hat.
    Bemerkenswert ist, dass Lindner – genau wie der CDU-Politiker Friedrich Merz – als „Finanzexperte“ gilt. Beide erwecken bei vielen den Eindruck, sie seien „kompetent“ und wirtschaftspolitische Ämter bei ihnen in guten Händen. Wir können jetzt schon geradeheraus sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Die Frage ist eher: Mit welcher Begründung erfolgt die Zuschreibung von Finanzexpertise?
    (…) Anscheinend gilt in Deutschland als in Dingen der Wirtschaft kompetent, wer eine möglichst ausgeprägte Nähe zu ebendieser hat. Denn wer sollte sich hier besser auskennen als jemand, der schon mal „in der freien Wirtschaft“ tätig war? Merz, der vier Jahre als Lobbyist und Aufsichtsrat für den Vermögensverwalter Blackrock tätig war, profitiert von dieser Annahme wie kein Zweiter. Dabei war es wohl weniger Merz’ Expertise als seine Verbindungen in die Politik, die ihm den Job verschafften. Christian Lindner kann man als Erfahrungswert zugute rechnen, dass er wenigstens mal ein Start-up in den Sand gesetzt hat.
    (…) Mit Blick auf die kommenden Herausforderungen ist es fatal, Politikern wie Merz und Lindner wirtschaftspolitische Expertise anzudichten und ihre Ausführungen unwidersprochen im Raum stehen zu lassen. Um sie zu entlarven, benötigt es allerdings wirtschaftspolitischen Sachverstand aufseiten progressiver Akteure. Ohne diesen geht es nicht.
    Quelle: der Freitag
  6. Kalkulierter Vertrauensbruch
    (…) Dass die FDP gern Jamaika wolle und deshalb danach fragt, wie ernst es die Union mit diesem Bündnis meine und dass man dafür auch die Grünen bräuchte, die man deshalb „rüberziehen“ müsse, ist ja nun wirklich keine Verletzung der Vertraulichkeit. Es ist die Übersetzung der albernen Klippen-Rhetorik vom Vortag. Das Ganze lenkt auch ein wenig davon ab, dass die Vorbehalte der FDP insbesondere einer Ampelkoalition gelten. Die Liberalen wollen eindeutig nicht mit der SPD zusammengehen, weil die Differenzen erkennbar unüberbrückbar sind. Die neoliberalen Vorstellungen von Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik sind überhaupt nicht kompatibel mit den Ankündigungen der SPD. Wenn die Liberalen ihr Programm ernst nehmen, brauchen sie eigentlich gar nicht mit SPD und Grünen zu verhandeln.
    Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt für die Grünen, die zur Union hinüber gezogen werden sollen. Nähmen sie ihr Programm ernst, schließt das ein Bündnis mit Schwarzen und Gelben aus. Es kann aber durchaus sein, dass der Widerstand, die eigenen Überzeugungen in die Tonne zu treten, bei den Grünen, die seit 2005 auf eine Regierungsbeteiligung warten, etwas geringer ausgeprägt ist, als bei der FDP. Sie müssten ja vielleicht auch gar nicht so sehr verzichten, wenn Union und FDP große Zugeständnisse beim Klimathema machten. Der klimagerechte Wohlstand als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft, diese hohle Phrase der Grünen lässt sich ja leicht mit Leben füllen. Die Österreicher machen es gerade vor. Die Unternehmen mit Milliarden an Steuergeschenken beglücken, ein paar Euro Umweltbonus für die Bevölkerung sowie eine Anhebung der Klimaabgabe. Fertig ist der schwarz-grüne Kompromiss.
    Der Eiertanz um vertrauliche Gespräche, über die mit reichlich Bildersprache kommuniziert wird, ist peinlich…
    Der populäre Aufbruch fürs Klima kann wie oben beschrieben, mit einer geschickten PR-Strategie verbunden werden. Die Grünen dürfen sich zu Beginn profilieren, während die Union eine erfolgreiche Umsetzung später für sich reklamiert. Da hat man von Merkel gelernt. Die Medien sind an Bord, das zeigt das übergroße Interesse am Schicksal Armin Laschets. Dessen Bemühungen werden zu einem großen Kampf ums politische Überleben stilisiert. Schafft er es oder wird er doch noch geopfert und wenn ja, wer kommt dann. Der Rest, Inhalte zum Beispiel, sind egal. Am Ende werden es wieder konstruktive Gespräche mit ein paar Klippen gewesen sein.
    Quelle: TauBlog

    Anmerkung: siehe dazu auch von Albrecht Müller: Wohin läuft der Hase bei den Koalitionsverhandlungen? Wahrscheinlich nach Jamaika.

  7. Start-up Gorillas entlässt streikende Fahrradkuriere
    Der umstrittene Express-Lieferdienst reagiert auf die Streiks in seinen Filialen – mit Härte. Das Unternehmen kündigt allen Beschäftigten, die sich an Arbeitsniederlegungen beteiligt haben.
    Am Freitag hatten Fahrradkuriere des Berliner Start-ups gestreikt und den Betrieb in mehreren Lagerhäusern zum Erliegen gebracht. Die Arbeitsniederlegungen sind nicht von einer anerkannten Gewerkschaft organisiert, gelten daher als “wilde Streiks”.
    Die Geschäftsführung hat sich nun offenbar dazu entschlossen, hart durchzugreifen. Dem Tagesspiegel liegt ein Kündigungsschreiben vor. Dort heißt es: “aus wichtigem Grund” werde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.
    Ein Sprecher des Unternehmens teilte am Dienstagabend mit: “Solche unangekündigten und nicht gewerkschaftlich getragenen Streiks sind rechtlich unzulässig. Nach intensiver Abwägung sehen wir uns gezwungen, diesen rechtlichen Rahmen nun durchzusetzen. Das bedeutet, dass wir das Arbeitsverhältnis mit denjenigen MitarbeiterInnen beenden, die sich aktiv an den nicht genehmigten Streiks und Blockaden beteiligt, den Betrieb durch ihr Verhalten behindert und ihre KollegInnen damit gefährdet haben.”
    Das Beschäftigtenkollektiv “Gorillas Workers Collective” (GWC) hat die Streiks organisiert. Eine Sprecherin sagte dem Tagesspiegel, Beschäftigte der drei an den jüngsten Streiks beteiligten Lagerhäuser hätten am Dienstag Kündigungen erhalten.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung J.K.: Ein wirklich innovatives Start-up!

  8. Die “Geopolitik des Stroms”
    Berliner Denkfabrik beschreibt internationale Stromverbünde als “Machtsphären” und dringt auf entschlossene “Strom-Außenpolitik” der EU – auch im Machtkampf gegen Russland und China.
    (…) Die vom Kanzleramt finanzierte Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) plädiert für eine Neuausrichtung der deutschen Geostrategie. Diese soll weitaus enger als bisher mit energiepolitischen Interessen verflochten werden. Insbesondere spricht sich die SWP für eine Erweiterung der deutschen Außenpolitik um eine “Geopolitik des Stroms” aus: Synchrone, mit identischer Netzfrequenz arbeitende Stromnetze wie das europäische Verbundsystem sollen als “Machtsphären in politischen Gemeinschaften” bzw. als “Einflusskanäle” begriffen werden.[1] Laut der SWP stellt insbesondere der europäische Netzverbund eine “Schicksalsgemeinschaft” dar, die aufgrund der in ihr geteilten “Sicherheit und Wohlfahrt” besonders “attraktiv” sei. Die zu Netzverbundsystemen zusammengeschlossenen Stromnetze träfen im “Kontinentalraum Europa-Asien” mittels grenzüberschreitender Übertragungsnetzverbindungen aufeinander und bildeten dadurch auch geostrategisch wirkende “konkurrierende Integrationsvektoren”. Berlin müsse folglich nicht nur danach streben, eine “Strom-Außenpolitik” mit der Zielsetzung zu formulieren, das europäische Stromnetz zu modernisieren und zu erweitern, sondern im Rahmen der EU auch bemüht sein, “Interkonnektivität über das eigene Verbundnetz hinaus mitzugestalten”.
    (…) Die volle Integration der baltischen Staaten in das EU-Netz, die bis spätestens 2025 durch “drei Stromkorridore” mit der Union verbunden werden sollen, finanziert Brüssel mit 1,6 Milliarden Euro. Die SWP spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von “geopolitischen Veränderungen” und einer sich wandelnden Sicherheitslage, die “den Ausschlag dafür gaben, die Länder des Baltikums an das Kontinentalnetz” anzubinden.
    Energiepolitische Expansionsziele
    Als zweites großes “Synchronisierungsprojekt im Osten”, bei dem ebenfalls geostrategische Erwägungen dominieren, sieht die SWP die Anbindung der Ukraine und Moldawiens an…
    Stromnetz, Raum und Macht”
    Für die SWP bildet die Integration peripherer Räume in Stromverbundsysteme der Zentren – als “Zusammenspiel von Stromnetz, Raum und Macht” bezeichnet – einen wichtigen geostrategischen Machthebel. Die Infrastrukturnetze schafften “technopolitische und ökonomische Einflusssphären”, die Macht durch die Grenzen zwischen Staaten und Rechtsräumen “diffundieren” ließen, urteilt die Denkfabrik…
    Quelle: German Foreign Policy
  9. Steigende Gaspreise: Warum nicht mal wieder der Russe schuld ist
    Die EU sollte sich eingestehen: Ohne Russland gibt es vorerst keine Lösung des Energieproblems. Denn die weltweite Nachfrage nach Erdgas steigt
    Die Energiepreise in Europa steigen und für viele Menschen könnte das Heizen im Winter zum teuren Luxus werden. Einige Länder der Europäischen Union haben damit begonnen, die Preise zu deckeln; Deutschland hat angekündigt, die Entwicklung weiterhin zu beobachten….
    Angesichts des Preisanstiegs neigen manche dazu, Russland die Verantwortung zuzuweisen. So hat Polen die EU-Kommission aufgefordert, die mutmaßliche Marktmanipulation durch den russischen Konzern Gazprom genauer unter die Lupe zu nehmen. Außerdem solle die EU ihre Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen anwenden. Geprüft werden solle, ob die Pipeline Nord Stream 2 mit EU-Regeln konform gehe.
    In dieses Horn stießen in Deutschland zuletzt auch die Grünen. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte Annalena Baerbock gesagt, das “putinsche Spiel” sei es, Druck aufzubauen, um auf diesem Wege die Zulassung der Ostsee-Pipeline zu beschleunigen. “Die Leidtragenden sind die Kunden in Deutschland, deren Gaspreise steigen werden oder im Extremfall sogar im Kalten sitzen müssen”, behauptete sie…
    So einfach ist es allerdings nicht: Gazprom hat seine langfristigen Verpflichtungen gegenüber den EU-Ländern erfüllt. Aber dem Konzern wird es auch zum Vorwurf gemacht, den zusätzlichen Bedarf nicht bedient zu haben, obwohl die Preise attraktiv seien.
    Ein anderer Grund liegt im Klimawandel. In Brasilien und in China kam es zu Dürren, wodurch weniger Energie durch die Wasserkraftwerke erzeugt werden konnte. Einspringen mussten dafür Gaskraftwerke, die den Bedarf an verflüssigtem Erdgas (LNG) in die Höhe schnellen ließen. Allein in China stieg dadurch die LNG-Nachfrage laut dem Brokerhaus Alliance Bernstein um 25 Prozent.
    Das Problem in Europa ist ein Stück weit hausgemacht. Die Europäische Union verfolgt das Ziel, LNG trotz umweltschädlicher Fördermethoden wie “Fracking” als Alternative zu russischem Pipeline-Gas zu etablieren. Doch dabei hat die EU offenbar die langfristige Entwicklung des LNG-Marktes nur unzureichend berücksichtigt. Denn vor allem in Asien lassen sich besonders hohe Preise für LNG erzielen, weshalb die Tanker aus Russland, den USA oder Katar auch bevorzugt dahin unterwegs sind…
    Es deutet viel darauf, dass sich die EU-Länder nicht darauf verlassen können, ihren Bedarf an Erdgas über LNG zu decken. Auch wenn es den Grünen und den Falken in Washington nicht gefallen sollte: Die EU ist bei der Energieversorgung auf eine Kooperation mit Russland angewiesen.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Von guten und schlechten Monopolen
    Für neoliberale Grüne wie Claude Turmes gibt es offenbar gute und schlechte Monopole. Gut sind nach dieser Sichtweise die privaten US-amerikanischen Großkonzerne Amazon, Apple, Microsoft, Google und Facebook, die das Internet beherrschen. …
    Ganz anders verhält es sich beim zwar ebenfalls privaten, jedoch vom russischen Staat kontrollierten Erdgasmulti Gazprom, dem der (luxemburgische Anm. M.W.) grüne Energieminister unverhohlen vorwirft, von der derzeitigen »Unsicherheit auf dem Gasmarkt zu profitieren« – so Turmes laut RTL in einem Brief an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, in dem er eine Untersuchung der EU fordert…
    Nein, dem grünen Energieminister geht es bei seinem Russland-Bashing offensichtlich darum, trotz der auch von ihm beklagten »Unsicherheit auf dem Gasmarkt« die Inbetriebnahme der neuen Pipeline durch die Ostsee möglichst lange hinauszuzögern. Schon als Turmes noch EU-Deputierter in Straßburg war, hatte er die damals noch im Bau befindliche Erdgasleitung Nord Stream 2 »die größte Fehlleistung der EU« genannt.
    Doch in Brüssel rennt Turmes mit seinem unermüdlichen Widerstand gegen die von der bald aus dem Amt scheidenden deutschen Regierung unter Angela Merkel gegen Brüssel durchgesetzte Ostseepipeline offene Türen ein. Erst kürzlich hat der EU-Gerichtshof einer Beschwerde der polnischen gegen die deutsche Regierung stattgegeben, nach der Gazprom die an Nord Stream 1 anschließende Pipeline OPAL nicht wie von Berlin gefordert ausnahmsweise in ihrer gesamten Kapazität nutzen kann.
    Eine solche Ausnahmeregelung wäre aber nötig, weil Turmes & Co. in die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene »Richtlinie über den Erdgasbinnenmarkt« allen Ernstes hineingeschrieben haben, daß ein Lieferant eine Gasleitung nur zu maximal 50 Prozent selbst befüllen darf, und die Restkapazität seinen Konkurrenten überlassen muß. Da Gazprom in Rußland aber konkurrenzlos ist, handelt es sich bei der von Turmes mitausgearbeiteten EU-Richtlinie um nichts anderes als eine »Lex Gazprom«, die auch hiesige Haushalte mit höheren Gaspreisen bezahlen müssen.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

  10. Umstrittener Springer-Artikel erhält Journalistenpreis
    Prämiert wurde ein Artikel der Welt zu China, gegen den das Landgericht Frankfurt presserechtlich eine einstweilige Verfügung erlassen hat. Das machen Sieger und die Preisrichter aber nirgends transparent.
    Der in der Kategorie IT und Kommunikation mit dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnete Welt-am-Sonntag-Artikel “Chinas heimliche Propagandisten” enthält mehrere umstrittene Aussagen. Das hat Golem.de aus informierten Kreisen erfahren.
    Die Verbreitung dieser Passagen wurde dem Axel-Springer-Verlag vom Landgericht Frankfurt per einstweiliger Verfügung vom 2. August untersagt. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, aber vollstreckbar. Der Axel-Springer-Verlag, zu dem die Welt am Sonntag gehört, hat bereits zuvor außergerichtlich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu einer anderen Passage des Artikels abgegeben…
    Die untersagten Passagen betreffen allesamt die junge Studentin und Social-Media-Influencerin Navina Heyden, der in dem Artikel nachgesagt wird, sie sei Teil einer geheimen Propagandakampagne Chinas. Golem.de sagte sie über ihren Anwalt: “Ich empfinde es als befremdlich, dass ein Artikel, für den eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und der vom Landgericht Frankfurt als rechtswidrig eingestuft wurde, vorbehaltlos einen Preis erhält. Ein Presseartikel, bei dem die Journalisten vorsätzlich presserechtliche Standards verletzen, ist ein Fall für den Presserat und nicht für eine Preisverleihung. Der Deutsche Journalistenpreis sollte sich dazu erklären, inwieweit diese Umstände bei der Preisverleihung berücksichtigt wurden.”
    Der Welt-Artikel thematisiert – überwiegend oberflächlich – eine ganze Reihe von unbeholfenen PR- und Lobbymaßnahmen der herrschenden Klasse in China, um den Ruf des Landes in westlichen Ländern und insbesondere Deutschland zu verbessern…
    Navina Heyden wird zur Last gelegt, sie sei über ihre Social-Media-Kanäle Teil einer “verborgenen Streitmacht im Netz”, des “am besten getarnten Teils von Chinas Medienstrategie in Europa”…
    Quelle: Golem
  11. Steckt die CIA hinter den durchgesickerten “Pandora Papers”?
    Die “Pandora Papers” werden als Enthüllung gefeiert, die Licht auf die Finanzen der Weltelite werfen. Doch sie werfen auch Fragen auf – nicht zuletzt, weil in den Enthüllungen nicht eine Person aus den USA genannt wird. Das könnte ein Hinweis auf den Ursprung der Daten sein.
    Am 3. Oktober kündigte das in Washington ansässige Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) das Durchsickern von fast drei Terabyte belastender Daten über die Nutzung von Offshore-Finanzvehikeln durch Prominente, Betrüger, Drogenhändler, Mitglieder von königlichen Familien und religiöse Führer aus der ganzen Welt an…
    Trotz der umfangreichen Datenausbeute haben viele Kritiker darauf hingewiesen, dass das ICIJ seine Weltkarte, auf der es eingefärbt hat, wo diese “Eliten und Gauner” herkommen und/oder leben, stark in Richtung Russland und Lateinamerika tendiert – zum Beispiel kommt kein einziger der angeblich korrupten Politiker aus den USA…
    (…) Nehmen wir zum Beispiel die Vermögen des eBay-Gründers Pierre Omidyar und des Investors George Soros, die sich Berichten zufolge auf mindestens 11,6 Milliarden bzw. 7,5 Milliarden US-Dollar belaufen. Es mag kein Zufall sein, dass beide Organisationen, das ICIJ und das OCCRP, über deren äußerst umstrittenen “philanthropischen” Organisationen Luminate (Omidyar) und Open Society (Soros) finanziert werden…
    Ein Blick auf weitere Geldgeber des OCCRP bietet weitere Gründe zur Besorgnis. Darunter befinden sich die amerikanische Nationale Stiftung für Demokratie (NED) und die Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID), die beide erklärtermaßen den nationalen Sicherheitsinteressen der USA dienen und seit ihren Gründungstagen in zahlreiche Militär- und Geheimdienstoperationen verwickelt waren, die eine Destabilisierung und den Sturz ausländischer “feindlich gesinnter” Regierungen zum Ziel hatten. Darüber hinaus gibt es jedoch beunruhigende Hinweise darauf, dass das OCCRP von Washington selbst exakt zu diesem Zweck geschaffen wurde…
    Die internationalen Medien berichten ihrerseits lediglich, dass das ICIJ die durchgesickerten Dokumente “beschafft” habe, ohne jedoch deren ursprüngliche Quelle zu benennen. Daher ist es nur vernünftig zu fragen: Steckt womöglich die CIA hinter der Veröffentlichung der Pandora Papers?
    Quelle: RT DE
  12. EU kürzt Liste der Steueroasen…
    Erinnern Sie sich noch an die “LuxLeaks”, die Steuerskandale aus Luxemburg? Als sie 2014 geleakt wurden, versprach die EU sofort, Abhilfe zu schaffen und Steuer-Schlupflöcher zu schließen. Doch passiert ist seitdem wenig, wie die neuen “Pandora Papers” zeigen.
    Wieder stehen EU-Politiker am Pranger – statt J.-C. Juncker (Luxemburg) muß sich diesmal A. Babis (Tschechien) rechtfertigen. Und wieder steht die EU blamiert da.
    Vor allem beim Kampf gegen Steueroasen und Briefkastenfirmen gehe es viel zu schleppend voran, kritisiert der Europaabgeordnete und Finanzexperte Markus Ferber (CSU). Daran trage auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Mitschuld.
    „Die Pandora Papers zeigen, dass die Fortschritte in der internationalen Steuerpolitik nicht ausreichen“, erklärte der grüne Europapolitiker Sven Giegold. Die auch von der EU unterstützte globale Mindeststeuer gelte nur für Großunternehmen, aber nicht für die Briefkastenfirmen von Hochvermögenden. „Wir brauchen volle Transparenz über die wirklichen Eigentümer“, so Giegold.
    Die EU-Kommission reagierte prompt – und versprach, ihren Kampf gegen Steuerhinterziehung zu verschärfen. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni will bis Jahresende einen Gesetzesvorschlag vorlegen.
    Auch die EU-Finanzminister werden aktiv. Bei ihrem Treffen am Dienstag in Luxemburg wollen sie eine neue „schwarze Liste“ der Steueroasen beschließen.
    Im Vorfeld ist allerdings bekannt geworden, dass sie diese Liste kürzen wollen: Anguila, die Seychellen und Dominica sollen gestrichen werden. Auch die Türkei steht plötzlich nicht mehr am Steuer-Pranger.
    Nur noch neun Staaten sollen bleiben
    Wenn es dabei bleibt, würden insgesamt nur noch neun Staaten auf der EU-Liste der Steueroasen auftauchen: Amerikanisch-Samoa, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, U.S. Virgin Islands und Vanuatu.
    Umstrittene EU-Staaten wie Luxemburg oder Malta hingegen tauchen nicht auf – trotz Lux Leaks & Co.
    Das sei „absurd“, ärgert sich Giegold. Die Pandora Papers müssten als „Weckruf“ für die Finanzminister dienen. Stattdessen drohe wieder „schlechtes Stückwerk“, denn wichtige Steueroasen fehlten.
    Auch nach dem dritten großen Leak muß die EU ihre Politik wohl noch einmal nachbessern…
    Quelle: Lost in Europe

    Anmerkung Marco Wenzel: Das nenne ich mal ein nachhaltiges Vorgehen gegen Steueroasen: Man streiche einfach die Hälfte davon von der Liste und schon sind gleich weniger.

  13. US-amerikanische und britische Überwachungsflugzeuge umkreisen Kaliningrad
    Die Zuständigen machen keinen Hehl daraus, dass sie die russische Exklave im Visier haben
    Spionagetätigkeiten sind häufig der Grund für Spannungen zwischen der NATO und Russland. Dies ist derzeit im Baltikum der Fall, wo US-amerikanische und britische Überwachungsflugzeuge in der Nähe der russischen Exklave Kaliningrad deutlich sichtbar aktiv sind.
    Die Überwachung wird von Flugzeugen des Typs RC-135W durchgeführt, die das elektromagnetische Spektrum in diesem Gebiet elektronisch überwachen, um Informationen zu sammeln…
    Während des Kalten Krieges war das Kaliningrader Gebiet durch die baltischen Staaten physisch mit dem Rest der Sowjetunion verbunden, doch da diese nun unabhängig sind und der NATO angehören, ist die Exklave nicht mehr mit Russland verbunden und häufig Ziel von NATO-Übungen.
    Aus strategischer Sicht wird das Kaliningrader Gebiet zur Überwachung von NATO-Operationen genutzt, und Russland droht häufig mit der Stationierung von Waffen, einschließlich Atomwaffen, im Kaliningrader Gebiet, um den US-Einsätzen in Mitteleuropa entgegenzuwirken.
    Sehr aktive Überwachung, wie sie von den USA und Großbritannien durchgeführt wird, wird von Russland wahrscheinlich auch als Provokation empfunden werden, da sie gegen Russland gerichtet ist.
    Die NATO setzt Russland in der Region nahezu durchgehend unter Druck, baut immer mehr Truppen in den baltischen Staaten auf und führt immer mehr Militärübungen durch, die sich auf Einsätze gegen Russland im Allgemeinen und Kaliningrad im Besonderen konzentrieren.
    Quelle: Antikrieg
  14. Evergrande: (Eigene Übersetzung) Könnte es das Ende für den am höchsten verschuldeten Immobilienentwickler der Welt sein, wenn eine Rechnung über 37 Milliarden US-Dollar fällig wird?
    Könnte es das Ende für den am höchsten verschuldeten Immobilienentwickler der Welt sein, wenn eine Rechnung über 37 Milliarden US-Dollar fällig wird?
    Vor dem Hintergrund der gedämpften Immobilienverkäufe und der Bemühungen Pekings, den Immobiliensektor einzudämmen, wächst die Sorge um die Fähigkeit des Bauträgers, die angehäuften Schulden zurückzuzahlen
    Das Unternehmen ist nicht mehr lebensfähig”, sagen die Analysten von TS Lombard
    Die China Evergrande Group, der am höchsten verschuldete Immobilienentwickler der Welt, steht kurz vor der endgültigen Insolvenz, nachdem sie sich jahrelang mit dem Aufbau eines weitläufigen Imperiums beschäftigt hat, das von Themenparks bis hin zu Elektrofahrzeugen alles umfasst.
    Das in Shenzhen ansässige Unternehmen… hat in einem Zeitraum von vier Jahren fast 40-mal die Anleihemärkte angezapft und Hunderte von Milliarden Yuan an Bankkrediten angehäuft, um sein Kerngeschäft mit Wohnimmobilien zu erweitern und den Umfang seiner Geschäftstätigkeit zu diversifizieren – und das, obwohl seine Gesamtverbindlichkeiten 300 Milliarden US-Dollar überschritten.
    Doch die Rechnung für diese Großzügigkeit wird nun fällig, da die Befürchtungen zunehmen, dass das Unternehmen angesichts der gedämpften Immobilienverkäufe auf dem chinesischen Festland und der Bemühungen Pekings, den Immobiliensektor im vergangenen Jahr zu zügeln, nicht in der Lage sein wird, seinen kaskadenartigen Schuldenberg zurückzuzahlen.
    (…) Das 1996 in Guangzhou von Hui Ka-yan gegründete Unternehmen Evergrande ritt auf der Welle des privaten Immobilienbesitzes in China und baute erschwingliche Hochhauswohnungen für den Massenmarkt. Das Unternehmen ging 2009 in Hongkong an die Börse und entwickelte sich zum umsatzstärksten Immobilienentwickler Chinas, der Ende Juni mehr als 163.000 Mitarbeiter beschäftigte.
    Es expandierte in das Lebensmittel- und Getränkegeschäft…
    (…) Das Unternehmen muss bis zum 30. Juni 2022 Kuponzahlungen in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar für seine Offshore-Schulden und weitere 2,9 Milliarden Yuan für seine Onshore-Schulden leisten. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitere 3,5 Mrd. USD an Schulden, die bis April nächsten Jahres fällig werden…
    Quelle: South China Morning Post

    dazu: Ever Grande? Warum China die Immobilienblase unter Kontrolle bringt
    So wie die US-Regierung nach “Lehman” hätte handeln können, kann auch die chinesische Regierung den Schaden im eigenen Land begrenzen. Der Unterschied zu 2007 ist, dass die Chinesen es tatsächlich tun.
    Evergrande: immer größer. Das ist die Täuschung hinter einer Blase. Der chinesische Immobilienriese Evergrande hat 305 Milliarden Dollar Schulden und konnte am vergangenen Donnerstag seine Zinsen nicht bezahlen. Evergrande hat 2800 Immobilienprojekte in 310 chinesischen Städten, ist in der Automobil-, Gesundheits- und Fernsehbranche tätig und schafft direkt und indirekt 3,8 Millionen Arbeitsplätze. Er steht nun am Rande des Zusammenbruchs.
    Wird sich in China die Kreditkrise des Westens von 2007 wiederholen? Nein, der Fall von Evergrande ist nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung.
    (…) Evergrande wird untergehen. Blackrock und andere ausländische Investoren werden die größten Verluste erleiden. Die staatliche Hilfe wird dazu verwendet, chinesische Gläubiger zu bezahlen und versprochene Bauprojekte zu vollenden, damit die vielen chinesischen Bürger, die eine Anzahlung geleistet haben, ihr Geld nicht verlieren. Für das chinesische Regime stehen die Bürger vor den Unternehmen.
    In der Zwischenzeit verstricken sich viele westliche Volkswirtschaften immer mehr in ihren Immobilienmärkten. Wenn Sie im Internet nach “Wohnungsmarkt Niederlande” (oder Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder den USA) suchen, werden Sie Berichte über steigende Preise, unerschwinglichen Wohnraum und somit über Wohnungsnot finden.
    Wenn wir Evergrande mit Mitleid betrachten – auch China ist nicht immun gegen Blasen -, verstehen wir nicht, was wir da sehen. Wir sehen eine Regierung, die im Interesse der sozialen Stabilität eine Blase unter Kontrolle bringt. Vielleicht lässt sich hieraus etwas lernen. Bremsen ist schwierig und schmerzhaft, und es entstehen unerwartet spannende Situationen, so wie sie China jetzt erlebt. Aber zumindest haben sie einen Anfang gemacht, die Krise unter Kontrolle zu bringen.
    Quelle: Makroskop

  15. Myanmars Junta ist bei der juristischen Verfolgung von Daw Aung San Suu Kyi noch rücksichtsloser als ihre Vorgänger
    Eigene Übersetzung: Der abgesetzte Präsident Myanmars, U Win Myint, und die Staatsrätin Daw Aung San Suu Kyi sowie der Vorsitzende des Rates von Naypyitaw, Dr. Myo Aung, bekannten sich in dieser Woche nicht schuldig in Bezug auf die Anklage des Militärregimes, das Daw Aung San Suu Kyis Regierung der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) im Februar abgesetzt hatte.
    Das Regime unter der Führung des Putschisten Senior General Min Aung Hlaing hat 11 Anklagen gegen Daw Aung San Suu Kyi und je zwei gegen U Win Myint und Dr. Myo Aung erhoben. Es ist bekannt, dass Daw Aung San Suu Kyi jahrzehntelanger Unterdrückung durch aufeinanderfolgende Militärregime ausgesetzt war. Aber auch für U Win Myint und Dr. Myo Aung ist die rechtliche Verfolgung nicht neu.
    Die Inhaftierung von Daw Aung San Suu Kyi an einem unbekannten Ort und der Versuch, sie aufgrund unbegründeter Anschuldigungen zu inhaftieren, zeigen jedoch, dass Seniorgeneral Min Aung Hlaing noch rücksichtsloser ist als sein Vorgänger, Seniorgeneral Than Shwe.
    Daw Aung San Suu Kyi wurde zwischen 1989 und 2010 vom State Law and Order Restoration Council (SLORC) und dessen Nachfolger, dem State Peace and Development Council (SPDC), dreimal unter Hausarrest gestellt, insgesamt 15 Jahre lang. Der abgesetzte Präsident U Win Myint und Dr. Myo Aung waren ebenfalls politische Gefangene der früheren Regime.
    (…) Bei den Wahlen 2020 erhielt die NLD erneut ein Wahlmandat, um das Land für weitere fünf Jahre zu regieren. Das Militär von Myanmar, das nie die Unterstützung der Öffentlichkeit genossen hat und nie in der Lage war, Daw Aung San Suu Kyi von der politischen Führungsrolle in Myanmar zu entfernen, hat jedoch im Februar dieses Jahres durch einen Putsch die Macht übernommen. Sie wurde im Alter von 76 Jahren zum vierten Mal verhaftet und wird an einem unbekannten Ort in Naypyitaw festgehalten.
    Daw Aung San Suu Kyi sieht sich mit 11 Anklagen konfrontiert – darunter absurde Vorwürfe wie illegaler Besitz von Funkgeräten und Missbrauch von Land für eine nach ihrer verstorbenen Mutter benannte Stiftung – und damit mehr Anklagen, als die früheren Militärdiktatoren Senior-General Saw Maung und Senior-General Than Shwe gegen sie je erhoben hatten.
    Quelle: The Irrawaddy, 30. September 2021

    dazu: Inhaftierte Schauspielerin aus Myanmar gewinnt Spitzenpreis bei deutschem Filmfestival
    Eigene Übersetzung: …Die berühmte Schauspielerin wurde Anfang April wegen regimefeindlicher Aktivitäten verhaftet und verbringt derzeit ihren 164. Tag im Insein-Gefängnis in Yangon, zusammen mit tausenden anderen politischen Gefangenen.
    Sie erhielt den Seymour Cassel Award für die beste Darbietung für das Melodrama What Happened to the Wolf? Der Film handelt von zwei Frauen, die sich in einem Krankenhaus für unheilbar Kranke kennen und lieben lernen. Eaindra Kyaw Zin und die ebenfalls mit dem Myanmar Motion Picture Academy Award ausgezeichnete Paing Phyoe Thu spielen die Frauen…
    Eaindra Kyaw Zin gehört zu den profiliertesten Unterstützern der Bewegung für zivilen Ungehorsam (CDM) in Myanmar. Sie wurde zusammen mit ihrem Ehemann Pyay Ti Oo verhaftet, der ebenfalls ein bekannter Schauspieler ist. Den beiden droht eine dreijährige Haftstrafe wegen Aufwiegelung gegen das Militärregime…
    Regie und Produktion von What happened to the Wolf? stammen von Na Gyi, der den Film bereits vor dem Putsch gedreht hatte. Na Gyi und seine Frau Paing Phyoe Thu sind untergetaucht, nachdem gegen das Paar Haftbefehle wegen Volksverhetzung erlassen wurden, weil sie angeblich ihren Prominentenstatus ausgenutzt haben, um sich gegen den Putsch zu stellen. Ebenfalls untergetaucht sind zwei weitere Schauspieler des Films, Kyaw Htet Aung und Aung Myint Myat…
    Die Junta hat auch die Ausstellung, Ausstrahlung oder Veröffentlichung von Werken von Künstlern verboten, die wegen ihrer Beteiligung an regimefeindlichen Aktivitäten verhaftet oder gesucht werden…
    Quelle: The Irrawaddy

  16. Die Taliban haben ein fatales Geldflussproblem
    Eigene Übersetzung: Der durch das Einfrieren von US-Vermögenswerten verursachte Liquiditätsmangel erstickt die afghanische Wirtschaft und löst im benachbarten Pakistan eine Finanzpanik aus
    PESHAWAR – Die Finanzen Afghanistans gehen zur Neige, da multilaterale und westliche Geber als Reaktion auf die militärische Machtergreifung der Taliban Gelder zurückhalten.
    Wenn China, Russland oder andere ausländische Geber nicht einspringen, könnten die Taliban schon bald einen völligen finanziellen Zusammenbruch herbeiführen, und das zu einer Zeit, in der viele Gebiete des kriegsgebeutelten Landes auf eine Hungersnot zusteuern.
    Die Geldprobleme der Taliban rühren daher, dass das US-Finanzministerium das Einfrieren von schätzungsweise 9,5 Milliarden US-Dollar an afghanischen Zentralbankreserven bei US-Finanzinstituten, darunter die New Yorker Federal Reserve Bank, angeordnet hat.
    Es ist nicht klar, wann diese Gelder verfügbar sein werden, solange die Taliban auf einer US-Sanktionsliste für Terrorismus stehen. Der im Exil lebende ehemalige Gouverneur der afghanischen Zentralbank, Ajmal Ahmady, hat erklärt, dass das Taliban-Regime derzeit nur Zugang zu 0,1-0,2 % der gesamten internationalen Reserven des Landes hat.
    Gleichzeitig hat der Internationale Währungsfonds (IWF) den Zugang Afghanistans zu Sonderziehungsrechten (SZR) im Wert von 460 Millionen Dollar blockiert. Es ist auch bekannt, dass die afghanische Zentralbank rund 700 Millionen Dollar bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in der Schweiz hält…
    Der Zusammenbruch Afghanistans hat gewisse Ansteckungseffekte im benachbarten Pakistan, wo der Dollarfluss über die Grenze einigen Analysten zufolge beginnt, die pakistanische Währung, die Rupie, unter Druck zu setzen…
    Große afghanische Exporteure und Händler erklärten gegenüber der Asia Times, dass Afghanistan keine Devisen mehr habe und die staatlichen Reserven nicht ausreichten, um Importrechnungen, Verteidigungsausgaben und Verwaltungskosten, einschließlich der Gehälter von Beamten, zu bezahlen.
    Dies wiederum wirkt sich auf die Versorgung mit Medikamenten, Energie und vor allem mit wichtigen Lebensmitteln aus…
    Quelle: Asia Times. 1. Okt.

    dazu: Taliban und Tadschikistan auf Konfrontationskurs
    (…) Im Norden des Landes leben viele Tadschiken, die den Taliban, mehrheitlich Paschtunen, distanziert gegenüberstehen. Während die Taliban offenbar gut mit den Chinesen auskommen, die geopolitisch einen Fuß in das rohstoffreiche Land bekommen, aber auch verhindern wollen, dass islamistische Extremisten aus Afghanistan in die chinesische Uiguren-Region Xinjiang kommen, kocht ein Konflikt mit Tadschikistan hoch. Die beiden Länder sind mit einer 1400 km langen Grenze verbunden. Die Taliban werfen der Regierung in Tadschikistan vor, sich in die internen Angelegenheiten des Landes zu mischen, weil gefordert wird, dass TadschikenTeil der afghanischen Regierung sein sollen.
    Tadschikistan wiederum nimmt Talibangegner bei sich auf, angeblich auch Ahmad Massoud und Ex-Vizepräsident Amrullah Saleh, was die Taliban erzürnt. Präsident Emomali Rahmon, seit 30 Jahren an der Macht, erklärte auf der UN-Generalversammlung, die Machtübernahme der Taliban, die von der UN auf der Terrorliste geführt werden, würde die Stabilität und Sicherheit der Region gefährden. Dass die Taliban keine umfassende Regierung gebildet haben, sei besorgniserregend…
    Das Verteidigungsministerium von Tadschikistan bereitet sich auf eine militärische Auseinandersetzung vor und hat schon Listen von Reservisten vorbereitet, die eingezogen werden können. Überdies wurde mehr Truppen an die Grenze verlegt.
    Die Streitereien zwischen den Taliban und der Regierung Tadschikistans beunruhigen Moskau. Man sei besorgt über Taliban-Truppen, die an die Grenze verlegt werden. Auch Pakistans Präsident Imran Khan, dessen Geheimdienst enge Beziehungen zu den Taliban hat und wahrscheinlich Einfluss auf die Formation der Übergangsregierung hatte, versucht die Spannungen abzubauen…
    Vermutlich ist die scharfe Anti-Taliban-Haltung von Tadschikistan mit Moskau koordiniert. Die russische Regierung hat schnell nach der Machtübernahme Kontakt mit den Taliban aufgenommen, aber gleichzeitig diese auf der Terrorliste gelassen und die Taliban-Übergangsregierung nicht anerkannt. Überdies werden mit Tadschikistan nicht nur Militärübungen abgehalten, sondern auch zusätzlich 20.000 russische Soldaten auf die Stützpunkte im Land verlegt. Russland spielt den Vermittler, aber würde wohl nicht umhinkommen, mit Tadschikistan zu kämpfen, wenn aus Afghanistan Militante ins Land eindringen – trotz der schlechten Erfahrungen der Russen in Afghanistan. Zudem ist Russland an Stabilität oder Berechenbarkeit und einem gemäßigten Islam interessiert, wie er in Tadschikistan von der säkularen Regierung gefördert wird.
    Quelle: Buchkomplizen

  17. Sinnlosen Afghanistan-Krieg sorgfältig und seriös aufarbeiten
    Von Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss.
    Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will an diesem Mittwoch den gescheiterten Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan bilanzieren. Ungeachtet der Kritik aus allen demokratischen Fraktionen des Parlaments hält sie an der Terminsetzung so kurz nach den Bundestagswahlen fest. Dabei sollte nach 20 Jahren Krieg wahrlich die Zeit sein, bis zur Konstituierung des neuen Deutschen Bundestages Ende Oktober zu warten.
    Die Aufarbeitung der NATO-Niederlage sollte sorgfältig, seriös und transparent erfolgen, statt jetzt einfach von einer Ministerin auf Abruf im Schweinsgalopp über die Bühne gepeitscht zu werden. DIE LINKE setzt sich daher für die Einberufung eines öffentlich tagenden Untersuchungsausschusses zur Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg ein…
    Notwendig ist eine Aufarbeitung der jahrelangen Kooperation von Bundeswehr und NATO mit Warlords in Afghanistan sowie das Wiedererstarken der Taliban, die heute nach dem Sieg über die NATO die am besten bewaffnete islamistische Miliz der Welt ist.
    DIE LINKE hat den Afghanistan-Krieg von Anfang an kritisiert und gegen die Beteiligung deutscher Soldaten gestimmt…
    Nach aktuellen Presseberichten hat die Bundesregierung in den vergangenen 20 Jahren für den Afghanistan-Einsatz mehr als 17,3 Milliarden Euro ausgegeben. Es ist bezeichnend, dass für die Kriegführung rund 12,3 Milliarden Euro allein an „einsatzbedingten Zusatzausgaben“ angefallen sind, während für die Entwicklungshilfe rund 2,46 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt wurden. Die Öffentlichkeit hat auch ein Recht darauf zu erfahren, wie viele Gelder der Bundesnachrichtendienst (BND) in den zwei Dekaden in Afghanistan ausgegeben hat. Es ist nicht akzeptabel, dass diese Angaben von der Bundesregierung zur Geheimsache deklariert werden ebenso wie Angaben darüber, welche mit deutschen Steuergeldern aufgebaute Infrastruktur jetzt von den islamistischen Taliban genutzt wird.
    DIE LINKE wird sich an der hastig einberufenen Bilanzveranstaltung des Verteidigungsministeriums nicht beteiligen. Es ist zu begrüßen, dass auch Vertreter von Union, SPD, Grünen und FDP fernbleiben wollen.
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu: Eine furchtbare Bilanz
    Die humanitären Kosten westlicher Interventionen nach »Nine Eleven« – ein Überblick
    (…) Die Anschläge vom 11. September 2001 waren ein lokaler krimineller Akt, der mehr als 3.000 Menschen tötete. Die Folgen der damit gerechtfertigten Interventionen hingegen waren global: Ganze Städte wurden zerstört, Staaten zerschlagen, die Gesellschaften zerrissen und ins Elend gestürzt. Die Zahl der Opfer übersteigt die von New York und Washington tausendfach…
    Ausbreitung der Kriege
    Geht es um die Folgen der Kriege nach den Terroranschlägen von »Nine Eleven«, so wird meist nur an Afghanistan und Irak gedacht. Es müssen hierbei jedoch wesentlich mehr Länder einbezogen werden, auch wenn die Kriege dort nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang zu diesem kata­klystischen Ereignis stehen…
    Quelle: der Freitag

  18. Die “Titanic”-Analogie, die Sie noch nicht gehört haben: Passive Akzeptanz des Verleugnens
    Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, wir reagieren mit passiver Akzeptanz des Verleugnens.
    (…) Am 14. April 1912 schlug der Ozeandampfer Titanic, der wegen seiner wasserdichten Kammern als unsinkbar galt, in dieser mondlosen, seltsam ruhigen Nacht gegen einen gewaltigen Eisberg. In den frühen Morgenstunden des 15. April zerbrach das große Schiff in zwei Hälften und sank, wodurch das Leben der meisten Passagiere und der Besatzung beendet wurde…
    Die Rettungsboote hatten ein maximales Fassungsvermögen von 1.178, so dass etwa 475 Menschen unnötig starben. (Passagiere der Titanic – wikipedia)
    Die anfängliche Selbstgefälligkeit der Passagiere und der Besatzung nach der Kollision ist eine weitere Quelle für Analogien in Bezug auf die nahezu unendliche Fähigkeit der Menschheit zur Verleugnung.
    Die Klassenstruktur dieser Zeit wurde von den Behörden – den Schiffsoffizieren – durchgesetzt. Als die Situation zusehends bedrohlicher wurde, wurden die Passagiere der Ersten Klasse in die verbleibenden Rettungsboote getrieben, während die Passagiere der Zwischendeck- und Dritten Klasse – viele von ihnen Einwanderer – meist unter Deck festgehalten wurden. Die Offiziere wurden angewiesen, diese Klassenhierarchie mit ihren Revolvern durchzusetzen.
    Zwei Drittel aller Passagiere starben, aber die Verluste waren nicht gleichmäßig verteilt: 39% der Passagiere der Ersten Klasse kamen ums Leben, 58% der Passagiere der Zweiten Klasse verloren ihr Leben und 76% der Passagiere der Dritten Klasse überlebten nicht…
    Was wäre gewesen, wenn die Offiziere die Unausweichlichkeit des Untergangs des Schiffes frühzeitig und mutig akzeptiert und einen Plan zur Minimierung der Verluste an Menschenleben ausgearbeitet hätten? …
    Von den 1.030 Personen, die nicht in einem Rettungsboot untergebracht werden konnten, waren 890 Besatzungsmitglieder, darunter etwa 25 Frauen. Die Besatzungsmitglieder befanden sich fast alle in den besten Jahren ihres Lebens. Wenn jemand mehrere Stunden auf einem teilweise notdürftigen Floß hätte überleben können, dann wäre es die Besatzung gewesen. (Das erste Rettungsschiff traf etwa zwei Stunden nach dem Untergang der Titanic ein).
    Hätte dieser eilige Versuch, alle an Bord zu retten, Erfolg gehabt? Er hätte mindestens weitere 475 Seelen durch eine sorgfältige Beladung der Rettungsboote bis zur Kapazität gerettet, und wenn die behelfsmäßigen Flöße eine sinnvolle Rettungsmöglichkeit geboten hätten, wären viel mehr Leben gerettet worden….
    Ich denke, Sie sehen die Analogie zur Gegenwart. Unsere Führung, so wie sie ist, setzt Ressourcen ein, um den absurden Vorwand aufrechtzuerhalten, dass sich alles auf magische Weise auf den Zeitpunkt September 2019 zurückstellen wird, wenn wir nur genug Geld drucken und der finanziellen Aristokratie aus der Klemme helfen.
    Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, wir reagieren darauf mit der passiven Akzeptanz des Verleugnens. Die Wirtschaft und die Sozialordnung waren vor der Pandemie prekär zerbrechlich, und jetzt lösen sich die Schwachstellen auf. Wir müssen anfangen, über Vortäuschung und PR hinaus zu denken.
    Quelle: Antikrieg
  19. Brandts politische Perspektive jenseits der Nationalstaaten
    Vor 75 Jahren akkreditierte sich Willy Brandt im Auftrag der schwedisch-norwegischen Arbeiterpresse Arbeiterbladet als “Kriegskorrespondent” beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Seine Berichte analysieren scharfsinnig und emotional die verhandelten Verbrechen. Und sie erlauben einen Einblick in Brandts Denken, das auch seine Zeit als Politiker prägte.
    (…) Jenseits von Emotionen bietet Brandt seinem Lesepublikum aber auch eine klare völkerrechtliche Analyse der welthistorischen Erstaufführung von Nürnberg. In der Vergangenheit konnten Staatsoberhäupter ihr Handeln immer hinter einem “anonymen Staat” verteidigen und dies sei nach seiner Deutung “ein Vermächtnis aus der Ära des Absolutismus”, erklärt Brandt in der norwegischen Zeitung. Für ihn lautet die zentrale Botschaft von Nürnberg: „Den Politikern darf nicht mehr erlaubt werden, sich hinter der Souveränität des Staates zu verstecken.“ Als Konsequenz für zukünftige Staatslenker sieht Brandt, dass sie sich bewusst sein müssen nach Angriffskriegen, die Schlinge um den eigenen Hals gelegt zu bekommen.
    Heute steht insbesondere der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag in der Tradition von Nürnberg. Er ist eine anerkannte Institution für 123 Staaten. Dass aber Supermächte wie die USA, Russland und China ihn nicht anerkennen, ist zweifellos mehr als bedauerlich…
    Im Fokus vieler Beiträge stand der Gedanke einer „kollektiven Schuld” der Deutschen an den brutalen Dimensionen des Nationalsozialismus. Ebenso wie der amerikanische Chefankläger in Nürnberg Robert H. Jackson widerspricht auch Willy Brandt dieser These. „Nicht alle Deutschen gehörten zu dieser Verbrecherbande. Der Deutsche als solcher ist kein Krimineller”, schreibt er 1946 für seine schwedisch-norwegische Leserschaft.
    Urteil über die Deutschen zwischen “Verantwortung und Schuld”
    Gleichzeitig warnt Brandt aber auch vor einer Lüge, durch die Behauptung, ein Teil der Bevölkerung hätte die Folterknechte der Nazis nicht unterstützt. Der spätere Bundeskanzler beharrt darauf, dass ein Urteil über die Deutschen zwischen “Verantwortung und Schuld” zu unterscheiden habe. Die politische Verantwortung ist ihm zufolge, insbesondere mit Blick auf die schwache demokratische Widerstandskraft der Weimarer Republik, breit gefächert. Von Schuld müsse hingegen immer im Zusammenhang mit den Gräueltaten individueller Täter gesprochen werden. Deutsche waren nach Brandts Interpretation in dieser Zeit sowohl Werkzeuge als auch Opfer. „Wo jeder schuldig ist, ist keiner schuldig”, schrieb später auch Hannah Arendt…
    Zu einer Zeit, als halb Europa nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs noch in Trümmern lag und Millionen von Opfern unter Albträumen litten, öffnete der junge Willy Brandt bereits die Tür zu einer neuen politischen Perspektive jenseits des traditionellen Denkens in Nationalstaaten. “Die Nazis versuchten, Europa zu verdeutschen. Heute geht es darum, Deutschland zu europäisieren”, lautet seine Vision im letzten Kapitel des Buches von 1946. Diesem friedenserhaltenden Leitbild blieb er auch Jahrzehnte später als SPD-Vorsitzender und Bundeskanzler treu.
    Quelle: Gegenblende


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