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Titel: Leserbriefe zu „Ein Wirtschaftskrieg ist ein Wirtschaftskrieg – und die Regierung hat ihn vom Zaun gebrochen“

Datum: 23. September 2022 um 12:58 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich:

Tobias Riegel kommentiert hier insbesondere die deutsche Politik zum Krieg in der Ukraine. Westliche Regierungen würden mit einem radikalen Wirtschaftskrieg auf einen „militärischen“ Krieg reagieren. Krieg und Wirtschaftskrieg würden sich nicht ausschließen. Die anti-russischen Sanktionen und ihre Folgen für die eigenen Bürger könnten jedoch nicht mit einem russischen Angriff gerechtfertigt werden. Sie könnten kurzfristig keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf nehmen. Sie würden allerdings wie „ein wirtschafts- und geopolitischer Angriff auf Resteuropa, mehr noch als auf Russland“ erscheinen. Und: Auch die verbreitete Argumentation von der angestrebten Unabhängigkeit von russischer Energie sei „längst zur Farce geworden, weil die neuen Abhängigkeiten nicht nur teurer und klimaschädlicher, sondern auch moralisch fragwürdiger als die von Russland” seien. Abschließend wird festgestellt, dass die „selbstzerstörerische Situation“ schnell durch Verhandlungen mit Russland gelöst werden müsse. Dabei müssten u.a. auch berechtigte russische Sicherheitsbedenken bedacht werden. Danke für die interessanten Zuschriften, in denen auch abweichende Meinungen geäußert werden. Hier nun die Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,

ist es so:

“Westliche Regierungen reagieren momentan (entgegen ihren bisherigen außenpolitischen Praktiken) mit einem radikalen Wirtschaftskrieg auf einen „militärischen“ Krieg.” ?

Nein! Sondern:

Der Wirtschaftschaftskrieg des Westens gegen Russland begann lange vor dem Russischen Einmarsch in die Ukraine.

Über die Hintergründe kann man hier mehr erfahren.

Mit einem Satz: Die Aggression geht eindeutig von den USA aus, wirtschaftlich und militärisch.

Mit freundlichen Grüßen,
Rolf Henze


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,

von einem “Wirtschaftskrieg” gegen Russland darf nicht gesprochen werden, weil Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt? Die von Ihnen zitierten deutschen und EU-Politiker machen mit ihrer martialischen Sprache (z.B. Annalena Baerbock: “Russland ruinieren”) mehr als deutlich dass seitens der NATO sehr wohl ein Wirtschaftskrieg gegen Russland geführt wird.

Unser Medien-Mainstream kritisiert zu Recht, dass die russische Regierung den Ukraine-Krieg nicht “Krieg”, sondern “Militäroperation” nennt. Der Blick in Wikipedia zeigt allerdings, dass diese den Angriffskrieg von Bushs “Koalition der Willigen” gegen den Irak in der Überschrift als “Krieg”, im Text jedoch ebenfalls als “Militäroperation” bezeichnet, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hingegen sowohl in der Überschrift als auch im Text einen “Überfall” nennt. Den gleichen Doppelstandard legen Politiker und Medien hierzulande an, wenn sie den Terminus “Wirtschaftskrieg” gegen Russland für sakrosankt erklären.

Die US-Angriffskriege der vergangenen Jahrzehnte waren unprovoziert, mit Lügen gerechtfertigt und aus eigensüchtigen Motiven betrieben worden. So zum Beispiel Bushs Krieg gegen den Irak (an dem im Übrigen auch die Ukraine beteiligt war), für den auch der damalige Vorsitzende des Auswärtigen Senatsausschusses, Joe Biden sowie dessen außenpolitischer Berater, Antony Blinken, die Werbetrommel gerührt hatten. Gerechtfertigt wurde dieser Angriffskrieg mit angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen und der angeblichen irakischen Mitverantwortung für “9/11”. Die US-Regierung wusste bereits zum Zeitpunkt ihres Irak-Angriffs, dass beides gelogen war. Ziel des Irakkriegs war vielmehr vor allem der US-Zugriff auf die irakischen Öl- und Gasvorkommen sowie die Einrichtung neuer US-Militärstützpunkte.

Die Folge dieses Angriffskriegs: Hunderttausende getöteter irakischer Zivilisten, die Zerstörung großer Teile der irakischen Infrastruktur und das Entstehen des IS. Welche Sanktionen im wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Sektor gab es seinerzeit gegen die USA? Keine einzige!

Der momentane russische Krieg gegen die Ukraine ist völkerrechtswidrig. Man darf hierbei allerdings auch nicht außer Acht lassen, dass es in den Monaten und Jahren vor Kriegsausbruch zumindest Anlässe für massive russische Verärgerung gab (bzw. gibt):

  • Wortbrüchige und überflüssige NATO-Osterweiterung,
  • nationalistischer, gewaltsamer, US-gestützter und gegen die ukrainische Verfassung verstoßender Staatsstreich 2014,
  • direkt darauf folgend: Ankündigung einer nationalistischen Politik der Putschregierung gegen die russisch-stämmigen Ukrainer in der Ostukraine und auf der Krim,
  • mit NATO-Duldung: keine Umsetzung Minsk 2-Abkommen durch die ukrainische Regierung,
  • Krieg gegen die Ostukraine ab 2014 (OSZE: 14.000 Tote bis 24.02.2022; dieser Krieg und diese Kriegstoten haben Politik und Medien hierzulande nie interessiert),
  • Dezember 2021: Verweigerung von Sicherheitsgarantien für Russland durch die NATO (diese wurden von der NATO mit unglaublicher Arroganz vom Tisch gewischt),
  • Ankündigung Selenskyjs auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar, die Ukraine atomar bewaffnen zu wollen,
  • massive Ausweitung des Raketenbeschusses der Ostukraine durch die ukrainische Armee ab 16.02.2022 (durch die OSZE dokumentiert).

Wer heute den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine “unprovoziert” nennt, sollte erklären, als was er dann zum Beispiel den US-Angriffskrieg gegen den Irak im Jahre 2003 bezeichnen möchte.

Damit stellt sich zugleich die Frage an jene politischen und medialen Kreise, die heute den Terminus “Wirtschaftskrieg gegen Russland” mit der Begründung verdammen, Russland führe doch einen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Wieso diese inszenierte Empörung und Doppelzüngigkeit, wo es doch gerade diesen Kreisen zum Beispiel bei Bushs Irak-Angriffskrieg nicht einmal im Traum eingefallen wäre, auch nur die kleinste Sanktion (zwecks Wahrung des schönen Scheins) zu fordern? Im Gegenteil: Jeder, der auch nur minimale Sanktionen gefordert hätte, wäre umgehend des “Antiamerikanismus” geziehen worden. Wären auch nur zehn Prozent jener gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen gegen die USA gefordert worden, dann hätten diese polit-medialen Kreise gezetert, einen “Wirtschaftskrieg” gegen die USA würde man ganz entschieden ablehnen. Doppelmoral und Heuchelei liegen nach meiner Einschätzung bei deren heutigem, völlig andersgeartetem Verhalten, offen vor aller Augen.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Kieren


3. Leserbrief

Sehr geschätzter Tobias Riegel,

vielen lieben Dank für diesen wieder einmal wichtigen und deutlichen Artikel (nicht Kommentar) den ich – bis auf eine vermeintlich winzige Kleinigkeit – vollumfänglich befürworte.

Ja, Russland ist militärisch in die Ukraine vorgedrungen! Aber hat Russland damit einen (militärischen) “Krieg” begonnen oder das Völkerrecht verletzt?
Sie schreiben in Ihrem Artikel selbst ” Russland hat einerseits diesen Krieg (nach einer langen Vorgeschichte und zahlreichen ignorierten Roten Linien) begonnen.”.

Wer die “lange Vorgeschichte” mit seinen ca. 14.000 durch das ukrainische Militär getöteten insbesondere russischstämmigen Menschen im sog. “Donbass” und den im Vorfeld unendlich vielen Deeskalations-/Verhandlungsversuchen seitens Russlands (welche von den USA immer zurückgewiesen wurden -warum?) kennt bzw. darüber informiert ist, kann durchaus zu dem Schluss kommen, dass es sich bei dem Vormarsch der russischen Truppen auf ukrainisches Gebiet insbesondere um einen (echten) Akt der humanitären Hilfe sowie um Selbstverteidigung handelt. So ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens (m.E.) auch die Aussage Putins zu verstehen das es sich nicht um einen “Krieg” handelt sondern um eine “Militär- bzw. Spezialoperation”! Aus geopolitischer bzw. geostrategischer Sicht der USA/NATO muss die “lange Vorgeschichte” m.E. auch als bewusste Provokation Russlands gesehen werden!

Bei detaillierter Betrachtung des Völkerrechts kann man durchaus – wenn nicht sogar zwingend – zu dem Schluss kommen, dass das Vorgehen Russlands völkerrechtskonform ist!

Das Völkerrecht (Quelle “Anti-Spiegel”)

Im Völkerrecht gibt es zwei Bestimmungen, die einander widersprechen. Da ist zum Einen die Unverletzbarkeit der Grenzen von Staaten und zum Anderen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Was also tun, wenn die Bevölkerung in einem Teil eines Staates sich von dem Zentralstaat lossagen möchte und diese beiden Vorschriften einander widersprechen?

Früher war das eine ungeklärte Frage, weil beide Bestimmungen im Völkerrecht gleichberechtigt waren. Das hat der Westen nach der vom Westen unterstützten Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien geändert, indem er sich an den Internationalen Gerichtshof gewandt und um eine Entscheidung zu der Frage gebeten hat. Alle Staaten des Westens haben in ihren Eingaben an den Gerichtshof dafür argumentiert, dass eine Region sich von ihrem Zentralstaat lossagen kann und dass das nicht dem Völkerrecht widerspricht.

Der Gerichtshof ist in seiner Entscheidung dieser Linie gefolgt und hat entschieden, dass es nicht gegen das Völkerrecht verstößt, wenn sich eine Region von ihrem Zentralstaat lossagt, auch wenn das den Gesetzen und der Verfassung des Zentralstaates widerspricht. Damit hat der Westen sich zwar die Aktion mit dem Kosovo im Nachhinein legalisiert, aber er hat auch die Büchse der Pandora geöffnet, denn nun können sich auch andere Volksgruppen und Landesteile in aller Welt, die sich für unabhängig erklärt haben oder das tun möchten, auf den Präzedenzfall Kosovo berufen.

Und genau das ist in der Ukraine passiert. Im Mai 2014 gab es auch im Donbass Referenden, was jedoch im Westen wenigen Menschen bekannt ist. Das Ergebnis war, ähnlich wie auf der Krim, eine überwältigende Zustimmung zu eine Vereinigung mit Russland. Daher haben sich die Donbass-Republiken von der Ukraine unabhängig erklärt, was gemäß Kosovo-Urteil des Internationalen Gerichtshofs vollkommen vom Völkerrecht gedeckt ist.

Russland hat deren Unabhängigkeit im Februar 2022 anerkannt, mit ihnen Beistandsabkommen geschlossen, und Russland ist, als die Ukraine den Beschuss des Donbass Ende Februar verstärkt hat – den Beistandsabkommen entsprechend –, den Donbass-Republiken zu Hilfe gekommen. Nach dem vom Westen selbst geschaffenen Präzedenzfall Kosovo handelt Russland vollkommen im Rahmen des Völkerrechts, von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ kann nicht die Rede sein.

Man kann über die Verhältnismäßigkeit der russischen Maßnahmen diskutieren, dass sie zeitweise so weit vorgerückt war. Allerdings hätte Russland da sehr gute Argumente, denn solange Kiew absichtlich Wohngebiete im Donbass beschießt, hat Russland das Recht, die Kiewer Kräfte zum Schutz der Zivilisten im Donbass weiter zurückzudrängen.

Der Unterschied zwischen Militäroperation und Krieg (Quelle “Anti-Spiegel”)
Krieg seitens Russland wäre eine radikale Veränderung der Lage, denn egal, wie sehr die westlichen Medien davon fabulieren, Russland würde in dem Konflikt hemmungslos und brutal vorgehen, es stimmt einfach nicht, wie insbesondere von unzähligen Menschen im Donbass berichtet und von vielen Quellen bestätigt. Selbst in vollkommen zerstörten Städten wie Mariupol, Wolnowacha oder Severodonezk haben Menschen einhellig berichtet, dass die Zerstörungen von ukrainischem Beschuss herrühren. Die russische Armee geht (bisher) verhältnismäßig zurückhaltend vor – was die “Militäroperation” kennzeichnet.
Russland spricht genau aus dem Grund von einer Militäroperation gegen die ukrainische Nazi-Regierung und nicht von einem Krieg gegen die Ukraine. Aus diesem Grund funktioniert die zivile Infrastruktur in der Ukraine auch noch, denn zumindest die Stromversorgung, die der gegnerischen Armee hilft, wäre – wenn Russland Krieg führen würde – in vielen Teilen der Ukraine ein legitimes militärisches Ziel, aber die russische Armee beschießt sie nicht. Das gilt auch für vieles andere, denn in der Ukraine geht das Leben jenseits der Front weitgehend seinen normalen Gang, es gibt Wasser, Strom, Heizung und so weiter. Würde Russland sich im Krieg mit der Ukraine sehen, würde es all das nicht mehr geben und die russische Armee wäre viel weiter vorgerückt, weil sie weniger Rücksicht genommen und es weniger Widerstand gegeben hätte.

Herzliche Grüße
Andreas Rommel


4. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion der NDS, 
 
in vielen Beiträgen und Reden, herausragend die von Sahra Wagenknecht, wird die Abkehr von der zerstörerischen Sanktionspolitik gefordert.

Meine Hypothese:

Ziel der Sanktionspolitik ist ein groß angelegtes Enteignungsprogramm der Bürger und Bürgerinnen zugunsten der Großkonzerne und Superreichen.

Tobias Riegel schreibt an einer Stelle, führt dies aber nicht weiter aus:

” Außerdem können die Sanktionen und ihre Folgen für die eigenen Bürger nicht mit dem russischen Angriff gerechtfertigt werden, weil sie kurzfristig keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf nehmen. Die Sanktionspolitik erscheint darum eher wie ein wirtschafts- und geopolitischer Angriff auf Westeuropa, mehr noch als auf Russland. ”

Wir Bürger waren schon immer die ‘cash cow’, an denen sich eine reiche Elite rücksichtslos bedient hat. Und während wir steuerzahlenden Bürger dem Finanzamt akribisch jede lächerlich kleine Steuererleichterung nachweisen müssen, transferiert eben diese Elite, mit Hilfe von Politikern, spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien oder Vermögensverwaltern wie Blackrock ihr Millionen-Vermögen steuerfrei in Steueroasen.

Da von Finanzexperten der Zusammenbruch des Kapitalismus vorausgesagt wird, will diese Elite durch ein digitales Überwachungssystem wie in China, mithilfe eines Sozialpunktesystems (in einigen europäischen Ländern bereits in der Erprobung), mit fadenscheinigen Begründungen wie Terrorismusabwehr oder Klimaschutz, die Bürger steuern oder besser gesagt maximal ausbeuten. So werden wir wie die sog. Nutztiere in die Produktions-, Impf- und Konsumboxen getrieben und wer nicht mitmacht, wird sanktioniert, z. B. durch Kontosperrungen (siehe in Kanada das Notstandsgesetz gegen Truckerdemonstranten). Mittels Biotechnologie wird dieses totalitäre System den Menschen zu einem steuerbaren, seelenlosen Wesen machen. Nachzulesen z. B. in Texten des Weltwirtschaftsforums:

“Die 4. Industrielle Revolution ist ein vom Weltwirtschaftsforum und dessen Chef, Klaus Schwab, vertretenes Konzept, das das Verschmelzen von Mensch, künstlicher Intelligenz und Technik propagiert.”1

Auf eben diesem Weltwirtschaftsforum hat Olaf Scholz sich im Januar zur sog. Transformation bekannt.

Zwischenschritt auf dem Weg dorthin ist die durch die Coronapolitik eingeleitete Zerstörung des Mittelstandes zugunsten großer Unternehmen, nach dem Plan von Mario Draghi:

‘Draghis (…) Leitfaden zur „Wiederbelebung und Restrukturierung des Unternehmenssektors“ (…). Er läuft darauf hinaus, die Kleinen untergehen zu lassen, Heuschrecken die Mittelständler ausschlachten und die Konzerne den Rest übernehmen zu lassen.’2

Profitiert haben z. B. Amazon und Autokonzerne. 

Da diese Zerstörung offenbar nicht ausreichte, dient die aktuelle Sanktionspolitik mit der Behauptung, dies schade Russland, der weiteren schleichenden Enteignung des Mittelstandes. 

Häufig angewandte politische Strategie ist das Motto: “Du musst täuschen, dann gewinnst du.” 

Während der Mittelstand mit Verzichtspropaganda zugeschüttet wird, profitieren Rüstungsindustrie und Großkonzerne. 

D.h. Corona-Politik und Sanktionspolitik sind Täuschungsmanöver, um die Ersparnisse des Mittelstandes zu den reichen Eliten zu transferieren. Gleichzeitig wurden Grundrechte eingeschränkt (defakto außer Kraft gesetzt) und Meinungs-und Demonstrationsfreiheit abgeschafft. 

Wenn Politiker ihren Bürgern ständig erzählen, dass sie in einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie leben, stimmt etwas nicht, besonders, wenn sie zu deren Erhalt die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit abschaffen. 

Mit den besten Wünschen 
M. E. 

1 Norbert Häring 12.09.2022
Pro und Contra digitalisierte Gesundheit – Teil 3: Pläne von Gematik und Weltwirtschaftsforum (anstatt eines Resümees)

2 Norbert Häring 28.03.2021
Italien aufgepasst! Ministerpräsident Draghi hat einen Leitfaden verfasst, wie man eine Wirtschaft ausplündert.


5. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,
 
wie wir es drehen und wenden. Der aktuelle Bruch zwischen der EU und Russland hat sich seit Jahren abgezeichnet. Politiker beider Seiten haben recht offen immer wieder betont, dass die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene langfristig unrealistisch erscheint. Die Interessenlage könnte nicht unterschiedlicher sein.
 
Allerdings fehlte bislang beiden Seiten der nötige Vorwand einen Schlussstrich zu ziehen.
Beiden Seiten war klar, dass Opfer gebracht werden müssen. Arbeitsplätze und Wohlstand gehen verloren. Wie will man das der Bevölkerung verkaufen?
 
Jetzt werden mit vorgeschobenen Vorwänden „Fehler“ korrigiert, weil beide Seiten (ja, beide Seiten!) es versäumt haben bereits 2007 an einer gemeinsamen und friedlichen (!) „Exitstrategie“ zu arbeiten. Zu profitabel war offenbar der Handel mit Gas und Öl und zu verlockend der Wunsch nach billiger Energie und Wirtschaftswachstum.
 
Dabei waren die Zeichen so offensichtlich und absolut niemand hatte die Courage zu sagen: „OK. Lassen wir das. In spätestens 10 Jahren gehen wir friedlich getrennte Wege und bauen bis dahin alles zurück, damit alle Beteiligten genug Zeit haben, sich auf die Situation danach einzustellen“. Eine so offensichtliche Chance, die nicht genutzt wurde und dazu führt, dass heute bedauerlicherweise billige fossile Energie im Interesse deutscher Bürger steht.
 
Warum sollte heutzutage überhaupt das Verbrennen von billigem Gas in unserem Interesse sein? Sind wir nicht angehalten nachhaltiger zu Leben? Ja sind wird. Können wir aber nicht, weil die Weichen dazu erst jetzt, wo alles brennt, halbherzig gestellt werden.
 
Nun ist der Schlussstrich gezogen und beide bekommen, was sie sich verdient haben. Russland baut konsequent und kompromisslos seine Sicherheitsarchitektur aus und die EU kann sich nun „endlich“ von russischen Energieträgern emanzipieren und sogar den kulturellen Austausch aussetzen.
 
Und das Beste an dieser Glanzleistung: Die Schuld trägt der jeweils andere. Besser lassen sich Verzicht auf Wohlstand und das Einleiten notwendiger (aber entbehrungsreicher) Transformationsprozesse der eignen Bevölkerung nicht verkaufen.
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende… so oder so ähnlich.
 
An dieser Stelle ist kein Platz für Verhandlungen. So leid es mir tut, aber die Trennung ist mehr als überfällig und die Ukraine nimmt in diesem Rosenkrieg leider die Rolle des Kindes ein, dass von den ehemaligen „Partnern“ zerrissen wird.
 
Aber statt zu jammern und sich als Verteidiger von irgendwelchen Pseudo-Werten aufzuspielen, wären Deutschland und die EU gut beraten, die selbst gesetzten inneren Transformationsziele nicht aus den Augen zu verlieren, damit insbesondere im Energiebereich nicht eine Abhängigkeit die nächste ablöst, denn das steht bestimmt nicht im Interesse deutscher bzw. europäischer Bürger.
 
Was die Russen aus der Situation macht, sollte deren Problem sein.
 
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Baitinger


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