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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 31. März 2023 um 16:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Genfer Nationalrätin, Historikerin und Arbeiterkind: Stéfanie Prezioso über den Faschismus in Italien und die neue PD-Chefin Elly Schlein: «Hoffnung für die frustrierte Jugend Italiens»
  2. Mit Investitionsverboten gegen China
  3. Zu den Hintergründen der saudisch-iranischen Annäherung: Kooperation und Entwicklung
  4. Libyen – neues Schlachtfeld im Nato-Russland-Krieg
  5. Neue, unrealistische Klimaziele
  6. Schlampige Planung und vergessene Kosten: Deutschland ertrinkt bald in Flüssiggas – und das wird sündhaft teuer
  7. Wert und Geld
  8. Zeichen stehen auf Streik: Auch im Handel in Deutschland beginnen die Tarifrunden. Spürbare Lohnsteigerungen gefordert.
  9. Katharina, Sachbearbeiterin im Jobcenter: „Ich habe Kolleg*innen, die parallel zu ihrer Arbeit selbst noch Bürgergeld beantragen müssen“
  10. Altersvorsorge: Sorge um finanzielle Absicherung im Alter wächst laut Umfrage
  11. “Wer mehr als Geld bietet, findet auch Fachkräfte”
  12. Ulrike Guérot und Oskar Lafontaine: das unwahrscheinliche Gespann
  13. Medialer Angriff auf Vandana Shiva
  14. Zu guter Letzt: Oh Scheiße, Bernd! Der Spiegel hat eine investigative Exklusiv-Story über russische Cyberkrieger!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Genfer Nationalrätin, Historikerin und Arbeiterkind: Stéfanie Prezioso über den Faschismus in Italien und die neue PD-Chefin Elly Schlein: «Hoffnung für die frustrierte Jugend Italiens»
    Die neue Vorsitzende von Italiens Demokratischer Partei, Elly Schlein, will der neofaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni die Stirn bieten. Work hat mit der linken Genfer Nationalrätin und Faschismusforscherin Stéfanie Prezioso über das ungleiche Kräftemessen gesprochen. […]
    Inzwischen kennt man Sie als international anerkannte Historikerin des italienischen Faschismus. Im vergangenen Oktober hat Italien die Neofaschistin Giorgia Meloni zur Regierungschefin gewählt. Waren Sie überrascht, dass Ihr Thema plötzlich so brennend aktuell war?
    Nein, wie hätte mich das überraschen können? Meloni ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung, einer Kontinuität. Die Bürgerlichen haben das Regime Mussolinis schon lange banalisiert und beschönigt. In den 1980er Jahren machten sie Stimmung gegen links mit dem Slogan, weit schlimmer als der Faschismus sei der Antifaschismus. Silvio Berlusconi liess sich mit Mussolini vergleichen, 1995 baute er eine Koalition mit den Postfaschisten, und schon 2001 machte er den bekennenden Mussolini-Verehrer Gianfranco Fini zum stellvertretenden Regierungschef. Meloni stellt sich gerne als neue Antisystem-Politikerin dar, doch in Wahrheit war sie vor 15 Jahren unter Berlusconi Jugendministerin. Auch andere politische Kräfte sind Teil dieser Kontinuität. Die Lega von Matteo Salvini trennen nur Nuancen von Melonis Fratelli d’Italia, und sogar die Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos flirtet regelmässig mit rechtsextremen Themen, etwa der «Überfremdung». Wie der Historiker Emilio Gentile notierte: «In Italien ist der Faschismus nie verschwunden.»
    Und doch sind Sie gegenüber Begriffen wie Neofaschismus oder Postfaschismus eher skeptisch?
    Stimmt. Fraglos ist Meloni die direkte Erbin des italienischen Faschismus. Sie ist fremdenfeindlich mit klar rassistischen Zügen. Sie verachtet die Demokratie und neigt einem autoritären Regime zu. Ihre Politik ist nationalistisch und brutal patriarchalisch strukturiert. Sie ist eine militante Christin, antisozial, antigewerkschaftlich, antiökologisch. Doch frage ich mich, ob historische Etiketten wie Post- oder Neofaschismus nützlich sind, um das Phänomen der stark gewachsenen extremen Rechten in seiner ganzen aktuellen Dimension wirklich zu verstehen und zu bekämpfen.
    Meloni zeigt sich bisher eher gemässigt.
    Logisch, schliesslich muss sie an die vielen ­Milliarden Euro kommen, welche die EU Italien versprochen hat. Hier liegt ein entscheidender Punkt. Melonis Wirtschaftspolitik ist neoliberal. Sie hat nichts gegen Privatisierungen und EU-Sparbefehle. Ihr ultrarechtes Programm geht mit den Interessen des Kapitals zusammen. Ein autoritärer Neoliberalismus gefällt den Aktionärinnen und Aktionären. Umso leichter fällt es ihr, die Respektable zu spielen. Aber damit täuscht sie niemanden wirklich.
    Quelle: work
  2. Mit Investitionsverboten gegen China
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt auf Beschränkungen bei Investitionen europäischer Unternehmen in China. Können bisher nur Übernahmen deutscher bzw. EU-Firmen durch chinesische Investoren behördlich überprüft und, sofern gewünscht, verboten werden, so soll es in Zukunft möglich sein, Investitionen auch deutscher Konzerne in der Volksrepublik per Amtsentscheid zu untersagen. Damit sollen Know-how zurückgehalten und Chinas Aufstieg gebremst werden. Deutsche Unternehmen protestieren energisch dagegen. Schon die Einschränkungen für chinesische Übernahmen in der EU haben die Geschäftsbeziehungen zur Volksrepublik klar geschädigt; 2022 wurden in Deutschland nur noch 26 Übernahmen (Transaktionswert: 290 Millionen US-Dollar) von Firmen aus China getätigt, 242 hingegen von Firmen aus den USA. Von den neuen Kontrollen betroffen wären unter anderem Forschungsabteilungen, die deutsche Konzerne in China ansiedeln, um den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren. Massiver Druck, die Kontrollen einzuführen, kommt aus den USA, deren Einfluss auf Berlin und Brüssel im vergangenen Jahr erheblich gewachsen ist.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: EU zeigt Beijing kalte Schulter
    Wirtschaftsbeziehungen mit China infrage gestellt. Zwölf-Punkte-Papier zur Ukraine abgelehnt.
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wirft China vor, eine »alternative Vorstellung der Weltordnung« zu vertreten, und kündigt eine Neuausrichtung der EU-Politik gegenüber der Volksrepublik an. Insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen der EU zu China müssten neu justiert werden, erklärte von der Leyen am Donnerstag in einer Grundsatzrede in Brüssel. So sollten künftig nicht bloß chinesische Investitionen in der EU, sondern auch Investitionen von Firmen aus EU-Staaten in China genehmigungspflichtig sein und verboten werden können. Die Kommissionspräsidentin deutete darüber hinaus an, das Investitionsabkommen, das Brüssel und Beijing Ende 2020 fertiggestellt hatten, das aber nie ratifiziert wurde, werde womöglich endgültig ad acta gelegt.
    Quelle: junge Welt

  3. Zu den Hintergründen der saudisch-iranischen Annäherung: Kooperation und Entwicklung
    Das Bild vom 11. März wirkt eher bescheiden: Der ehemalige chinesische Außenminister Wang Yi steht zwischen Admiral Ali Schamchani, dem Sekretär des iranischen Nationalen Sicherheitsrats, und Staatsminister Musaed bin Mohammad Al-Aiban, Saudi-Arabiens Nationalem Sicherheitsberater. Letztere reichen sich die Hand. Ein Ereignis, das Potenzial hat, eine Wende in den internationalen Beziehungen einzuleiten. (…)
    Sollte es tatsächlich gelingen, den langjährigen Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien dauerhaft beizulegen und sollten die beiden Staaten zu einer – wobei Querschüsse und Rückschläge immer möglich sind – sozusagen pragmatischen Form der Kooperation finden, so wäre perspektivisch eine Zusammenarbeit der wichtigen Erdöl produzierenden Staaten – Russland, Brasilien, China, Iran, Saudi-Arabien, Venezuela, Mexiko und Algerien – in einer vom Westen unabhängigen und massiv erweiterten BRICS-Plus-Kooperation denkbar. BRICS Plus würde so seine Anziehungskraft auch auf andere Staaten des Globalen Südens massiv erhöhen. Diese dann um einen bedeutenden „OPEC-Flügel“ erweiterte BRICS-Plus-Organisation würde auch jene kritische Masse generieren, welche die Schaffung einer Alternative zum Dollar ermöglichen würde – kein Wunder, dass in Washington alle Alarmsirenen heulen.
    Quelle: Klaus Wagener in unsere zeit
  4. Libyen – neues Schlachtfeld im Nato-Russland-Krieg
    Der Westen bemüht sich, die Kampfzone gegen Russland und China auszuweiten. Das wirtschaftlich und politisch am Boden liegende und von zwei Regierungen gespaltene Libyen bietet sich dafür an.
    Auch diesmal werden wie in der Ukraine keine UNO-Soldaten in den Kampf geschickt, sondern es sollen Libyer für die „gute Sache“ des Westens sterben. Die libysche Frontlinie könnte dabei entlang der Nord-Süd-Achse Libyens, von Sirte bis Ghat, verlaufen.
    Die Hinweise auf eine bevorstehende militärische Auseinandersetzung verdichten sich. So fand ein Treffen zwischen dem ‚Premierminister‘ der Tripolis-‚Regierung‘, Abdulhamid Dabaiba und dem vom Parlament eingesetzten und bisher mit Dabaiba rivalisierenden ‚Premierminister‘ Fathi Baschagha statt. In Tripolis kamen diese Tage die höchsten Militärkommandanten der östlichen Militärs (Libysche Nationalarmee/LNA) und der westlichen Militärs zusammen. Man will sich in der kommenden Woche in Bengasi noch einmal treffen, um einen Zusammenschluss zu erreichen. Auf einen Fingerzeig der USA wurden urplötzlich alle Feindseligkeiten zwischen der LNA und der islamischen Bewegung vom Tisch gewischt, wobei die LNA noch 2019 mit einem Marsch auf Tripolis ebendiese Streitkräfte der Moslembruderschaft militärisch aufs Äußerste bekämpfte. Wie Fotos bezeugen, umarmten sich die bisherigen Feinde plötzlich auf das Herzlichste.
    Quelle: Gela-News
  5. Neue, unrealistische Klimaziele
    Wer bietet mehr? Kurz nach der Abschaffung des Verbrennungs-Motors hat die EU auch noch die Ziele für erneuerbare Energien hochgeschraubt. Selbst Deutschland ist meilenweit von den neuen Vorgaben entfernt.
    Die Einigung erfolgte im so genannten Trilog – in einer Nacht- und Nebelsitzung hinter verschlossenen Türen. Demnach müssen bis 2030 mindestens 42,5 Prozent der in der EU verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft kommen.
    Als freiwilliges Ziel wird sogar angestrebt, 45 Prozent zu erreichen. Bisher lag das Ziel für erneuerbare Energien bis 2030 nur bei 32 Prozent. Nach Angaben des Umweltbundesamtes lag der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland im vergangenen Jahr bei 20,4 Prozent.
    Allein in Deutschland fehlt also noch mehr als die Hälfte des Wegs. In den meisten EU-Ländern sieht es kaum besser aus. Vor diesem Hintergrund erscheinen die neuen Klimaziele als reichlich unrealistisch. Sinn machen sie nur, wenn man auch aufzeigt, wie sie erreicht werden!
    Quelle: Lost in Europe
  6. Schlampige Planung und vergessene Kosten: Deutschland ertrinkt bald in Flüssiggas – und das wird sündhaft teuer
    Als die Krise auf den Gasmärkten groß war und kein russisches Erdgas mehr ankam, schwenkte Deutschland um und setzt seither auf Flüssiggas. Doch jetzt zeichnet sich ab: Deutschland baut eine überdimensionierte Flüssiggas-Infrastruktur auf. Und das wird sündhaftteuer für uns alle.
    Vor einem Jahr hat die Welt so ausgesehen: Gas wurde stündlich teurer, die Lieferungen aus Russland täglich weniger und Minister wie Robert Habeck begaben sich auf Reisen, um neue Lieferanten ausfindig zu machen. Statt durch Pipelines aus Russland sollte der Rohstoff in flüssigem Zustand als LNG (Liquefied Natural Gas) per Schiff aus dem Westen oder Mittleren Osten kommen. Die deutschen Einkäufer waren erfolgreich, was nicht verwunderte: Schließlich hatte Deutschland den Produzenten und Händlern seine tiefen Taschen gezeigt, und da ließ sich mancher nicht lange bitten.
    Die notwendigen Terminals für LNG-Tanker werden seither gebaut, als gäbe es kein Morgen. Das über die Meere ankommende Flüssigerdgas erfordert spezielle Prozesse, um es zu entladen. Und auch die Verflüssigung des Gases, das dafür von etlichen Bestandteilen gereinigt und auf unter minus 160 Grad Celsius heruntergekühlt werden muss, kostet erheblich Energie – man spricht von bis zu einem Viertel des gesamten Energiegehalts des Gases.
    Quelle: Focus Online

    Anmerkung JK: Die US-Energiekonzerne wird es freuen. Über die ökonomischen Kompetenzen des Herrn Habeck muss sowieso nichts mehr gesagt werden. Das sind die Folgen einer rein auf moralischer Hybris und Ideologie basierenden Politik.

    siehe auch: Die Bilanz von Habecks „Gaspolitik“ ist vernichtend und doch wahrscheinlich genau so gewollt
    Quelle: NachDenkSeiten

  7. Wert und Geld
    Verschiedene Autoren auf MAKROSKOP wollen die moderne Geldschöpfung und ihre Bedeutung erklären. Doch dabei gibt es erhebliche Begriffsverwirrungen. Eine Kritik.
    In „Makroskop“ wird das Thema „Geld“ überwiegend unter dem Aspekt behandelt, wie heutzutage Geldschöpfung funktioniert und welche Bedeutung dieser zukommt. In den letzten Beiträgen von Schneider, Wiederhold und Steinhardt kommt dann aber doch explizit die Frage auf, was es denn mit dem Wert auf sich habe, den Geld irgendwie „hat“.
    Dabei kommt dann auch Marx vor, der sich ausgiebig und grundlegend zu diesen Fragen geäußert hat. Die dabei in Makroskop auftretenden Begriffsverwirrungen sind allerdings erheblich, besonders bei Schneider. Ich will im Folgenden versuchen, die Zusammenhänge ausgehend von Marx etwas systematisch darzustellen – so dass es auch ökonomisch Interessierte hoffentlich nachvollziehen können, die mit dieser Theorierichtung nicht so vertraut sind.
    Bei den Ausführungen von Paul Steinhardt zum Thema ist das Grundproblem schon, dass er die Frage vom Geld her angeht. Er zitiert zustimmend Georg-Friedrich Knapp, dass der „‚Wert‘ eines Zahlungsmittels darin besteht, Geldschulden zu begleichen“. Das ist allerdings letztlich tautologisch: dass man mit tausend Euro Schulden in Höhe von tausend Euro begleichen kann, sagt schlichtweg gar nichts darüber, was tausend Euro wert sind. Die Leute brauchen Geld nicht ursprünglich und in erster Linie, um Geldschulden zu bezahlen, sondern um damit Waren zu kaufen, die sie für ihr Leben brauchen.
    Quelle: Ralf Krämer auf Makroskop
  8. Zeichen stehen auf Streik: Auch im Handel in Deutschland beginnen die Tarifrunden. Spürbare Lohnsteigerungen gefordert.
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geht mit der Forderung nach spürbaren Lohnsteigerungen in die Tarifrunden für den Handel. Da die Verhandlungen nach Bundesländern getrennt geführt werden, haben die zuständigen Tarifkommissionen nicht überall die gleichen Ziele beschlossen. Während ver.di etwa in Nordrhein-Westfalen für die Beschäftigten des Einzel- und Versandhandels 2,50 Euro mehr pro Stunde und ein Mindestgehalt von 13,50 Euro in der Stunde verlangt, geht es in Baden-Württemberg um 15 Prozent mehr. Für den Groß- und Außenhandel liegen die Forderungen bei einer Steigerung um 13 Prozent, mindestens aber 400 Euro mehr. Zumindest für die unteren Gehaltsgruppen, in denen die meisten Kolleginnen und Kollegen beschäftigt sind, liegen beide Forderungen nicht weit auseinander. Bislang erhalten die Beschäftigten dort nur wenig mehr als 11 Euro für 60 Minuten Arbeit und damit weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Lediglich durch bestimmte Leistungsprämien kommen sie im Normalfall über die vorgeschriebene Marke von 12 Euro pro Stunde – Mißbrauch wird so Tür und Tor geöffnet. Immer wieder müssen Beschäftigte und Betriebsräte ausstehendes Geld einklagen. ver.di will nun festschreiben, daß schon durch die regulären Tarifgehälter der Mindestlohn zumindest erreicht beziehungsweise überschritten wird. Die Unternehmer haben die Forderungen prompt zurückgewiesen und ihren altbekannten Sermon angestimmt, daß die angestrebten Einkommenssteigerungen »unrealistisch« und »nicht leistbar« seien. In der Gewerkschaft erwartet man deshalb erneut harte Auseinandersetzungen und Streiks. Dabei sind die Bedingungen kompliziert: Der Organisationsgrad ist in den meisten Unternehmen nur gering. Vor allem aber hat die Tarifflucht im Handel dramatische Formen angenommen. Die meisten Unternehmen haben sich längst aus der Tarifbindung verabschiedet, nur noch jede vierte Beschäftigte im Einzelhandel arbeitet unter den Bedingungen eines Tarifvertrages. Im Großhandel ist die Situation mit einer Tarifbindung von 33 Prozent nur wenig besser. ver.di fordert deshalb auch in diesem Jahr, die Abschlüsse für allgemeinverbindlich zu erklären, so daß sie auch für nicht tarifgebundene Firmen gelten.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  9. Katharina, Sachbearbeiterin im Jobcenter: „Ich habe Kolleg*innen, die parallel zu ihrer Arbeit selbst noch Bürgergeld beantragen müssen“
    Katharina ist verbeamtete Sachbearbeiterin im Jobcenter. Klar: Sie darf nicht streiken. Dennoch unterstützt sie die Forderungen in der laufenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst – unter anderem mit diesem Interview. Denn die Arbeitsbedingungen sind hart, Überstunden an der Tagesordnung und manche ihrer Kolleg*innen im öffentlichen Dienst verdienen so wenig, dass sie selbst Bürgergeld beantragen müssen. Kein Wunder, dass der viele nach kurzer Zeit wieder kündigen. Das muss sich ändern, sagt Katharina.
    Quelle: wir-sind-ver.di
  10. Altersvorsorge: Sorge um finanzielle Absicherung im Alter wächst laut Umfrage
    Fast die Hälfte der unter 60-Jährigen fürchtet, im Alter zu wenig Geld zur Verfügung zu haben. Die Erwartungen haben sich laut einer Umfrage deutlich verschlechtert.
    Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland macht sich einer Umfrage zufolge Sorgen um ihre finanzielle Lage im Alter. Wie aus einer Befragung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (infas) im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) hervorgeht, befürchten 45 Prozent der 30- bis 59-Jährigen, dass sie im Ruhestand finanziell schlecht aufgestellt sind. Vor drei Jahren waren es noch 30 Prozent. “Die Erwartungen haben sich in den letzten Jahren sehr deutlich verschlechtert. Dieses Ergebnis unserer Umfrage ist besorgend”, sagte Henriette Peucker, stellvertretende BdB-Hauptgeschäftsführerin.
    Besonders groß ist der Pessimismus bei den 18- bis 29-Jährigen. Hier befürchten inzwischen 49 Prozent, dass es ihnen im Alter finanziell nicht gut gehen wird. 2020 waren es nur 20 Prozent. Bei den über 60-Jährigen machen sich 37 Prozent Sorgen.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Sorgen sind nur zu berechtigt und die Zahlen nachvollziehbar. Da Umfrage und Artikel von der Finanzwirtschaft (BdB) gesponsert werden, darf natürlich der prominente Hinweis auf die Produkte zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge nicht fehlen; und leider kann ich mir gut vorstellen, dass die Hälfte der Befragten mehr staatliche Unterstützung in der privaten Altersvorsorge fordert, so unlogisch und unsinnig das alles daher kommt. (“Der Staat” sind wir alle, und die erforderlichen Steuermittel werden zum allergrößten Teil von den Arbeitnehmern selber aufgebracht, weil über 80% der Steuern auf der Einkommen-, Lohn- und Mehrwertsteuer kommen. Wenn “der Staat” sich solche Hilfen leisten kann, warum dann nicht im Rahmen der gesetzlichen Rente? Was ist eigentlich an einer Altersvorsorge “privat”, die vom Staat gestützt wird? Warum benötigt die “private” Altersvorsorge überhaupt staatliche Unterstützung – sind die Kosten so hoch und die Rendite so schlecht? Usw. etc. pp.) Nur der Elefant im Raum, die eigentliche Ursache für die nicht ausreichende Altersvorsorge, wird (natürlich) nicht benannt: die politische gewollte und durchgesetzte Kürzung des Rentenniveaus. Dass diese Kürzungen nicht “von der Demographie” verursacht werden oder “zwingend notwendig” sind, zeigt das Beispiel Österreich, wo der politische Konsens zu einem vernünftigen Rentenniveau führt.

  11. “Wer mehr als Geld bietet, findet auch Fachkräfte”
    Deutschland bemüht sich händeringend, das Fachkräfteproblem in den Griff zu bekommen – bislang erfolglos. Das schnell wachsende finnische IT-Beratungsunternehmen Solita mit 1600 Beschäftigten in sechs Ländern macht sich um qualifiziertes Personal keine Sorgen. Im vergangenen Jahr wuchs das Personal in Deutschland um 70 Prozent. Skandinavische Länder seien immer schon neue Wege gegangen, “um Arbeit kreativ, nützlich und wirkungsvoll zu machen”, sagt Deutschland-Chef Florian Disson ntv.de.
    Es gibt die These, dass es gar keinen echten Fachkräftemangel gibt, sondern Arbeitgeber einfach zu wenig zahlen oder insgesamt zu wenig zu bieten haben. Wie sehen Sie das?
    Wichtig ist zu begreifen, dass Unternehmen wachsen, wenn die Mitarbeiter wachsen. Wenn wir Menschen Jobs bieten, die zu ihnen passen, und die es ihnen erlauben, sich zu entwickeln, dann kommen sie. Sehen Sie, wir geben auch Menschen eine Chance zu lernen, die noch nicht hundert Prozent IT können, wenn wir wirklich glauben, jemand möchte das lernen. Dafür haben wir ja die Akademien. Das ist ein weiterer Grund, warum wir keinen Fachkräftemangel haben. Wir ziehen uns selbst den Nachwuchs heran.
    Sie sagen also, es gäbe mehr Fachkräfte, wenn Unternehmen sich mehr Mühe geben würden, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch abzuholen?
    Natürlich. Wer mehr als Geld bietet, findet auch Fachkräfte. In Skandinavien kommt der Mensch immer zuerst. Wir machen alle drei Wochen eine Mitarbeiterbefragung. Eine Frage, die wir immer stellen, ist: Wenn du irgendwo für denselben Job mehr Geld bekommen würdest, wie wahrscheinlich ist es, dass du Solita verlassen würdest? Gewöhnlich kommt die Antwort: Jeder hat seinen Preis. Diese Woche hat aber jemand ergänzt: “Dieser Preis ist weit nach oben gegangen. Man müsste mir sehr viel mehr Geld bieten, als ich jetzt habe, um diesen Job zu machen.” Ich finde, das war die beste Antwort, die ich bisher gesehen habe.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung JK: Hier ist eine wesentliche Hürde, dass in der deutschen Unternehmenskultur die Mitarbeiter immer noch zu oft als Befehlsempfänger betrachtet werden, die Strukturen viel zu hierarchisch, die Abläufe viel zu formell sind. Ebenso die Vorstellungen der deutschen Oligarchie, die das Problem lieber über Zuwanderung vermeintlich billiger Fachkräfte lösen möchte. Bei entsprechender Entlohnung und Unternehmenskultur sollte aber die Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeitern kein Problem sein, der „Fachkräftemangel“ ist also primär selbstverschuldet.

  12. Ulrike Guérot und Oskar Lafontaine: das unwahrscheinliche Gespann
    Wer vor fünf Jahren prognostiziert hätte, dass Ulrike Guérot einmal mit Oskar Lafontaine auf einer Bühne sitzen, sich gegenseitig die Bälle zuwerfen und in sehr deutlichen Worten gemeinsam mit ihm über die Medien und die Mächtigen abledern würde, den hätte niemand ernst genommen. Und doch ist es am 27. März in Frankfurt aus Anlass einer gemeinsamen Buchvorstellung passiert. (…)
    Bei einer Talk-Show des Westend-Verlags aus Anlass ihrer beiden erstaunlich ähnlichen Bücher kamen Guérot und Lafontaine zusammen.
    Die Bücher von Guérot „Endspiel Europa“ und von Lafontaine „Ami it’s time to go“ , habe ich bereits besprochen bzw. vorgestellt.
    Hier konnten die beiden, die sich sonst regelmäßig in Fernsehtalkshows einer Phalanx von Kritikern erwehren müssen, die sie mit moralisierenden Vorwürfen überschütten, den Spieß umkehren und gegen den Mainstream austeilen, ihn moralisch verdammen. Sie taten es mit Genuss und Rückenwind. Denn auch der Moderator Markus Karsten, Gründer des Westend-Verlags, war auf ihrer Seite. Und das Publikum klatschte umso mehr, je knackiger die Sprüche wurden. Offenkundig waren viele erleichtert, einmal auf einer Bühne das laut ausgesprochen zu hören, was sie selber dachten oder empfanden.
    Lafontaine etwa gab sich fassungslos ob der vorherrschenden „Mitleidslosigkeit“ den sterbenden Ukrainern und Russen gegenüber. „Ja haben die noch alle Tassen im Schrank? Waffen, Waffen, Waffen!“
    Guérot blieb zurückhaltender, war aber ebenfalls deutlich. Als abschreckendes Beispiel für die von Lafontaine angeprangerte Waffenvernarrtheit und, wie sie sagte, geistige Verwirrung, zitierte sie ein Plakat der evangelischen Kirche: „Waffenlieferungen sind ein Zeichen der christlichen Nächstenliebe.“
    Lafontaine kritisierte die „Geschichtsvergessenheit“, die darin liege, dass Deutschland derart martialisch gegen Russland Partei ergreife, nachdem man im zweiten Weltkrieg Millionen Russen umgebracht habe. Aus gutem Grund käme niemand auf die Idee, sagte er, Waffen an jemand zu liefern, der gegen Israel kämpft.
    Quelle: Norbert Häring
  13. Medialer Angriff auf Vandana Shiva
    ARD-Faktenfinder polemisiert gegen die Aktivistin, weil sie vor den Gefahren von Gentechnik und Agrarkonzernen warnt.
    In einem Beitrag vom 13. Dezember 2022 kritisiert der ARD-Faktenfinder Vandana Shiva und deren Verhältnis zur Gentechnik. Dabei verdreht Autor Pascal Siggelkow die Tatsachen und unterstellt ihr Aussagen, die sie gar nicht gemacht hat. Es handelt sich um einen sonderbaren Faktencheck, weil die «Faktenchecker» keine wörtliche Tatsachen-Darstellungen von Shiva zitieren und dann widerlegen, sondern weil sie ihre Aussagen einfach pauschal in Frage stellen.
    Der Neue-Erde-Verlag, der Bücher der Öko-Aktivistin veröffentlichte, verfasste eine Gegendarstellung. Im Folgenden werden die wichtigsten Argumente diskutiert.
    Quelle: Infosperber
  14. Zu guter Letzt: Oh Scheiße, Bernd! Der Spiegel hat eine investigative Exklusiv-Story über russische Cyberkrieger!
    Ach Scheiße, ist Paywall.
    Oh, die Süddeutsche hat eine investigative Exklusiv-Story über russische Cyberkrieger!
    Oh, ist auch Paywall.
    Geh ich halt zu Le Monde. Die haben auch eine exklusive Investigativ-Story über russische Cyberkrieger! Oh. Auch Paywall.
    Macht nichts. Dieselbe “exklusive” “Investigativ”-Story gibt es auch bei dem ZDF, dem Standard, der Washington Post und dem Guardian.
    Stellt sich raus: Ein “Whistleblower” (bestimmt nicht die Psyop-Abteilung der ukrainischen Streitkräfte!1!!) hat der Süddeutschen vor einem Jahr (nein, wirklich! Seit einem Jahr sitzen die da jetzt drauf!) ein paar Papiere “geleakt”. Alle diese “investigativen” “Exklusiv”-“Berichte” basieren auf denselben Papieren.
    Leute, äh, “exklusiv” und “investigativ” haben eine Bedeutung. Aber nicht die, die ihr zu glauben scheint.
    Exklusiv heißt, dass man das nur bei dir lesen kann.
    Investigativ heißt, dass ihr das selbst rausgefunden habt. Durch, äh, Nachforschungen. Wenn euch ein Whistleblower eine Festplatte in die Hand drückt, ist das nicht investigativ.
    Und inhaltlich? Ich seh da erstmal nur Geraune über angebliche Malware, an denen diese Firma Schuld gewesen sein soll. Quelle: Sagen westliche Geheimdienste und westliche Security-Firmen, die damit in ihrer Werbung Aufmerksamkeit generiert haben.
    Sorry, das ist schon in Friedenszeiten Scheiße. In Kriegszeiten, von einem “anonymen” “Whistleblower” ist das mehr als Scheiße. Da ist das “wir verbreiten Propaganda”.
    Quelle: Fefes Blog


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