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Titel: Nachtrag zum Beitrag über „Hart aber fair“

Datum: 12. September 2008 um 17:05 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich:

Der Beitrag von gestern hat ein großes Echo ausgelöst. Da in den uns erreichenden Mails eine große Zahl von neuen Informationen stecken, erlauben wir uns die Wiedergabe einiger der Mails. Auch beim WDR gingen eine große Zahl von Kommentaren ein. Diese waren erstaunlich kritisch, was ein hoffnungsvolles Zeichen ist. Hier der Link zum Gästebuch von Hart aber fair.
Die Mails an uns enthalten Informationen und Kommentare zum Beispiel zur Produktionsgesellschaft von Hart aber fair, zum so genannten Faktencheck, zur vergleichbaren Entwicklung auch anderer Medien, zum zitierten Vergleich mit den DDR-Medien, Zustimmung zur und auch eine Kritik an der kritischen Rolle der Nachdenkseiten. Albrecht Müller.

Weiterführende Stimmen zum Beitrag vom 11.9.:

  1. Liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
    zu Ihrem heutigen Beitrag in den Nachdenkseiten von mir folgende Anmerkungen:

    1. Frank Plasberg ist einer der Mitproduzenten der “Hart-aber-fair”-Sendungen. Die Süddeutsche Zeitung hat im vergangenen Jahr über die Hintergründe und Kosten der Produktionen berichtet.

      Plasberg hat die Fa. “Ansager und Schnipselmann” zusammen mit seinem Freund Jürgen Schulte gegründet.

    2. Zum Merkel-Studium in Moskau gibt es auf der Website von Gerd Langguth eine Rezension seiner Merkel-Biografie, die in der WamS veröffentlicht wurde.

      Sie haben recht, die Zielsetzung der Sendung vom 10.9. war offensichtlich nicht, die Probleme der SPD nach dem “Putsch von oben” aufzuzeigen, sondern Oskar Lafontaine zu brandmarken. Wie weit es mit unserer “unabhängigen” Presse inzwischen gekommen ist, zeigen die Absprachen zwischen “Stichwortgeber” Jürgs und dem Moderator. Offensichtlich haben viele Zuschauer aber gemerkt, was sich da abspielt; die Einträge im “Hart-aber-fair”-Gästebuch sprechen Bände.

      Viele Grüße aus Köln
      D.D.

  2. Guten Tag,
    Sie haben zu recht geschrieben, dass “Hart aber Fair” eine Propagandasendung mit angeschlossenem Fernsehsender ist und auch noch mit öffentlichen Gebühren bezahlt wird. Das ist aber nichts Neues. Die INSM war schon öfter mal am Werk und hat z.B. beim ZDF Spielfilmdokumentationen mitfinanziert, um ihre Ideologie zur besten Sendezeit zu verbreiten.

    Zu der letzten Sendung ist noch folgendes zu bemerken: Stichwortgeber zum Demagogievorwurf war Schäuble. Es hat mit Bestimmtheit Vorabsprachen gegeben.

    Einen guten Tag wünscht
    R. Z.

  3. Zu Ihrer naheliegenden Interpretation von Plasbergs ARD-Aktivitäten finden sich weitere, leicht überprüfbare Indizien:

    Demoskopisch “im Auftrag von Hart aber Fair” ermittelt, ABER NICHT ERWÄHNT wurde: 55 (54) Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die Agenda-2010 KEINEN wesentlichen Einfluss auf den “Abbau der Arbeitslosigkeit” (“den Wirtschaftsaufschwung”) hatte – NUR 34 (35) Prozent waren gegenteiliger Ansicht.
    Quelle: Tagesschau

    Jörg Schönenborns realitätsminimierende Spin-Bemühungen waren der Plasberg-Truppe, welche ja nun als “Auftraggeber” genannter Umfrage die vollständigen Ergebnisse kennen sollte, nachweislich KEINE kritische Nachfrage wert – nickte der Moderator doch bereitwillig die putzige Interpretation ab, die Mehrheit der Bundesbürger stehe der Agenda-2010 “irgendwie” (warum auch immer?) positiv gegenüber, weshalb die genannte Agenda nun endlich von der ganzen SPD akzeptiert werden müsse.

    Freundliche Grüsse
    U. Z.

  4. Das ist eine Email an Hart aber Fair:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    wenn Sie die Aussage Oskar Lafontaines zum Niedriglohnsektor korrigieren wollen, scheint mir die Expertenwahl mit zwei Politologen nicht gerade optimal. Ein Arbeitsmarktexperte hätte auf die neueste Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation hingewiesen. In dieser Untersuchung ist der Niedriglohnanteil innerhalb eines Jahrzehnts in Deutschland um gut 43% angestiegen und liegt 2006 bei gut 22%, also knapp hinter den USA. Bei diesen rasanten Anstieg dürfte heute die USA erreicht oder sogar übertroffen worden sein [PDF – 124 KB]

    Ärgerlich war auch die in Ihrem Faktencheck nicht hinterfragte Behauptung vom Erfolg der Agenda 2010. Zumindest sollten Sie zur Kenntnis nehmen, daß diese Behauptung strittig ist. Das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) schrieb 30% des Aufschwungs der Agenda zu. (Studie auf Bestellung der Initiative Neue Soziale
    Marktwirtschaft), während, sozusagen in der Gegenposition, das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) die Agenda für kontraproduktiv hielt. Die Bundesbank schrieb im Herbst letzten Jahres: “Trotz der Stärkung der angebotsseitigen Wachstumskräfte ist die dynamische Aufwärtsbewegung, die die deutsche Volkswirtschaft derzeit prägt, hauptsächlich zyklischer Natur.” Der Chefökonom der Financial Times Deutschland, Thomas Fricke: “Nach nüchternen Rechnungen hat die Agenda 2010 das strukturell angelegte Wirtschaftswachstum im unteren Zehntelprozentbereich gestärkt – immerhin, aber eben auch nicht mehr”. Eine der letzten Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts weist darauf hin, daß die Zunahme an Beschäftigung im Zeitraum 1997 bis 2007 durch eine Zunahme von prekären Arbeitsplätzen erkauft worden ist
    Quelle: destatis

    Phantasielos, wahrlich nicht neu, war der Versuch, Oskar Lafontaine wieder einmal mit dem Demagogievorwurf zu konfrontieren. “Hart aber fair” sozusagen im Trend des Linkspartei- Bashings? Thema der Sendung ?

    Mit freundlichen Besserungswünschen
    O. P.

  5. Auch das ist eine Mail an „Hart aber Fair“:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    auf Ihrer Internetseite werfen Sie Oskar Lafontaine vor, bezüglich der Größe des Niedriglohnsektors in Deutschland zumindest übertrieben zu haben. Beide Belege dafür enthalten jedoch Einschränkungen; am deutlichsten jener des OECD-Experten, der von Vollzeitbeschäftigten spricht. Hubert Kleinert sagt hingegen, die Behauptung stimme “so” nicht. Wie denn dann?

    Da allerdings Oskar Lafontaine meiner Erinnerung nach diese Einschränkungen nicht gemacht hat, wäre es zumindest fair, wenn Sie darauf hinweisen würden, dass die Größe des Niedriglohnsektors (und damit die Beurteilung der Äußerung L’s) eine Definitionsfrage ist. Noch besser – und fair – wäre es jedoch, wenn Sie überprüfen würden, ob die Aussage Lafontaines bezogen auf alle Beschäftigten zutreffend ist. Schließlich dürften Geringverdiener unter Teilzeitbeschäftigten einen größeren Anteil ausmachen, da Teilzeitbeschäftigte häufig in Branchen zu finden sind, die besonders niedrige Löhne zahlen, z.B. der Gastronomie.

    Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    R.

  6. Eine Kritik an uns:

    Hallo,
    ich lese ihre Seite gerne u. werde dadurch tatsächlich zum nachdenken angeregt. Aber in letzter Zeit nimmt es überhand, dass sie bei jeder Meinung, die nicht der ihren entspricht von Propaganda, Gleichschaltung, gefälschten Umfragen usw. sprechen. Ist jeder, der nicht genau ihrer Meinung ist von der bösen Industrie gekauft? Alle anderen Journalisten machen nur Propaganda?

    Weil nicht alle der Meinung sind, dass die SPD sich unverzüglich der Linken anschließen muss (meiner Meinung wäre das NICHT gut für die SPD und ich bin nicht gekauft oder gehirngewaschen), heißt das noch lange nicht, dass wir hier DDR-Verhältnisse oder gar Verhältnisse wie im Dritten Reich haben. Ich würde mich freuen, wenn sie auch mal über sich nachdenken, u. vielleicht auch mal ihre Positionen in Frage stellen.
    Mit freundlichen Grüßen
    C. K.

  7. Lieber Herr Müller,
    Sie haben sich ja als Masochist geoutet, sprich: als Konsument sogenannter politischer Talkshows. Hier ein Hinweis auf eine solche Sendung.

    Um keine Zeit zu vergeuden, überspringen Sie mit schnellem Vorlauf getrost den journalistischen Wadenbeißer Hajo Schumacher, die unerträglich impertinente Brigitte Seebacher und den bedauernswert herumeiernden “solidarischen Linken” Ralf Stegner und konzentrieren sich auf die Sprechblasen des “pragmatischen Seeheimers” Johannes Kahrs und die konkreten Anklagen des “sozialdemokratischen Urgesteins” Rudolf Dressler im Vergleich – und das ganze Elend einer einst so stolzen Partei wird wie im Brennglas offenbar.

    Siehe auch das Interview mit Rudolf Dressler

    Im Rückblick sehr interessant auch das Eingangsstatement von Hans Ulrich Wehler in der Sendung vom 4. September:

    Historiker und SPD-Kenner Hans Ulrich Wehler kritisierte die SPD und ihre derzeitige Spitze heftig. “Die Partei muss so schnell wie möglich Steinmeier zum Kandidaten wählen” so Wehler und fügte hinzu: “Dann muss natürlich Beck von seinem Amt weg.” Nur mit einer Kombination Steinmeier, Steinbrück, Müntefering habe die SPD die Chance bei den nächsten Bundestagswahlen noch einigermaßen honorig abzuschneiden. “Unter Beck wird sie das schmählichste Wahlergebnis seit 1949 einfahren”, war sich Wehler sicher. Beck habe nicht nur handwerkliche Fehler mit Blick auf Andrea Ypsilanti gemacht. Das “Entsetzliche” sei seine Sprachlosigkeit. “Man muss sich diesem Häufchen, dass sich in der Linkspartei sammelt mit scharfen Argumenten begegnen”, sagte der SPD-Kenner. Dies sei mühelos möglich, doch eben nicht für den derzeitigen Parteivorsitzenden. Das Ergebnis sei fatal: Die Erosion der SPD und der Verlust der Bundestagswahl.

    Gruß:GG

  8. Liebe NDS,
    eine Stelle bei dieser Sendung (Hart aber Fair) ist mir sehr aufgefallen. Michael Jürgs redet von links und rechts, modern und alt, und der Politik von Oskar Lafontaine:

    Jürgs: Heute geht’s darum, was ist modern, was ist alt, also othodox oder Traditionalisten oder modern, und das, was Oskar Lafontaine [macht?], das könnte jeder SPD-Mensch unterschreiben, wenn er ihnen erzählt, wie man es finanziert. Den Spass würde ich gern erleben.

    Plasbeck: Wollen Sie das wirklich hören jetzt, Herr Jürgs, das
    Zahlengewitter von Herrn Lafontaine?

    Jürgs: Nein, das war nur rhetorisch, es war nur rhetorisch, um Gottes
    Willen, um Gottes Willen.

    Dass es nicht um Inhalte geht, sondern nur um modern und unmodern, ist schon sehr bezeichnend. Das kennen wir aber schon.

    Ebenfalls nicht neu ist, dass man Lafontaine vorwirft, er könne nicht erklären, wie er seine Ideen finanzieren will.

    Erstaunlich ist aber, dass man so offen erklärt, dass Jürgs Vorwurf nur so dahergesagt wurde, und dass er gar den Gegenbeweis gar nicht wahrnehmen will. Also Demagogie wird zur Selbstverständlichkeit.

    Falls Ihr den Dialog anschauen wollt, auf den ich hier Bezug genommen habe, der liegt bei 36:40 im Zeitablauf der Sendung.

    Dieser Austausch ist schon ein Thema für die NDS, denn es wird wirklich selten so eindeutig gesagt, wie man sich von der Wirklichkeit nicht beeinflussen lassen will (Ich will es wissen, wie er es finanzieren will, aber ich will nicht zuhören, wenn er erklärt, wie er es finanzieren will. Daher sagt er nicht, wie er es finanzieren will, er ist also ein Demagoge).

    Ein Armutszeugnis, aber offenbar in den deutschen Medien selbstverständlich.

    Herzlichen Gruß
    Roger Strassburg (US-Amerikaneer)

  9. Zur Rückerinnerung an die Propaganda in der DDR

    Im Anhang zu o.g. Beitrag zitieren Sie eine Zuschrift, die die heutigen Verhältnisse mit denen in der DDR vergleicht. Ich darf Ihnen sagen: in der DDR war die Propaganda als solche erkennbar , deutlich besser durchschaubar, vordergründig.
    Mit freundlichen Grüßen
    I. K.

  10. Werte Redaktion,

    ich verfolge Ihren Blog seit gewisser Zeit und bin nach der Lektüre immer wieder erfreut, dass es noch Leute gibt, die nicht der allgemeinen multimedialen Fernsteuerung zum Opfer gefallen sind!

    Um es kurz zu machen: Ich habe mich 18 Jahre lang in der ehemaligen DDR “aufgehalten”, von Geburt bis zur sogenannten “Wende” . Ich mag es kaum aussprechen, so verwundert mich mein eigener Gedanke selbst manchmal: Langsam aber sicher fühle ich mich -salopp und emotionslos gesagt- wie “zu Hause” in der alten DDR. Die Massen-Medien heute ähneln den der damaligen ideologischen “Gleichschaltung” nur noch in dem Punkt, dass hier und da noch ein paar wenige kritische Gegenstandpunkte (unbestraft) veröffentlicht werden. Das Ziel ist aber prinzipiell propagandatechnich dasselbe geblieben: Installieren einer Ideologie: Gestern der Homo Sovieticus, heute der Homo Oeconomicus. Was auch wunderbar zu funktionieren scheint.

    Tendenziell sehe ich da keinen Unterschied, ob ich nun viele Jahre gesagt bekomme, “…das Kapital ist schuld am Übel und Armut der Menschheit…” oder so wie es heute läuft “Freie (Kapital)-Märkte für freie Bürger”. Ideologie bleibt Ideologie.

    Beim Betrachten der ARD-“Tagesschau” werde ich zudem das Gefühl nicht los, mir will da jemand eine Nase drehen, ganz so wie bei der damaligen “Aktuellen Kamera” des DDR-TVs.

    Dass die DDR-Nachrichten von der überwiegenden Bevölkerung belächelt und der DDR-Kanal sowieso grad nicht eingestellt war, ist für mich immer schon ein positiver Befund für die geistigen Fähigkeiten der meisten Ostdeutschen gewesen. Mann wusste, was da lief und wie es lief. Man wusste, man wird massiv hinters Licht geführt und nahm das eine ganze Zeit lang hin.

    Heute ist es auf den ersten Blick zwar gänzlich anders (von wegen gedanklicher Freiheit), aber auf den zweiten fällt es einen wie Schuppen von den Augen: es gibt da einen feinen Unterschied. Die mündigen Bürger(innen) heutzutage denken: “Ist doch alles OK. Schuld ist nun mal die globalisierte Welt. Wir haben doch eine demokratische Verfassung, jeder hat Recht und auch Pflichten…” usw. in diesem Ton. Wenn jedoch “Nachrichten” von z.B. Steuersenkungen für Unternehmer, hohen Lohnnebenkosten etc. in so vielen Zeitungen und diversen TV-Sendungen einheitlich und quasi gebetsartig abgefeuert werden, bleibt eine kritische Hinterfragung weitestgehend aus. Und das genau nenn` ich professionelle “Verarsche”! Da hatten es die die damaligen Osteuropäer in puncto gedanklicher Arbeit im Vergleich zu heute leichter. ;-)

    Zugegeben dieses Thema lässt sich beliebig weiterführen. Vergleiche zur staatlichen Struktur der DDR sind meiner Ansicht nach mittlerweile legitim, weil ich das dumme Gefühl habe, es könnte in die gleiche Richtung gehen (Auflösungen von staatlichen Strukturen gehen immer mit zunehmenden Repressalien gegen die Staatsbürger einher – siehe z.B. Schäuble & Stasi 2.0 etc. pp). Auch denen sitzt die Angst im Nacken. Und ich könnte sie verstehen: manch einer würde auch so reagieren, wenn er merkt dass er gar nichts mehr zu befehlen hat, sondern ihm wie von “Geisterhand” befohlen wird… Da wurde sich wohlmöglich schon viel von der DDR abgeschaut!

    Aber zum Schluß noch die These, auf die ich eigentlich hinaus wollte:

    Der damalige DDR-Einwohner wußte was “Ideologie” ist und konnte sich darauf auf seine Art einstellen.
    Der heutige Gesamt-BRD-Bürger denkt bei “Ideologie” lächelnd an sein Geschichtsbuch und den armen Ostblock und merkt gar nicht, dass er zur Zeit mit genau dem selben löchrigen Kahn unterwegs ist. Aber dieser Kahn ist heute wenigstens schön bunt überlackiert…

    Schöne Grüße + unbedingt weiter so, Ihr Leser K. S.

    p.s. Es tut einem schon ein bisschen weh, wenn man merkt, das die ganzen antikapitalistischen Losungen in der DDR, die eigentlich nur Hohn und Spott bei der Bevölkerung auslösten und eher zur Belustigung beitrugen, im Grunde genommen der jetzigen Realität entsprechen. Wer hätte das gedacht!


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