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Titel: Meinungsmache bestimmt auch Personalentscheidungen

Datum: 11. März 2010 um 16:06 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache
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Zurzeit läuft eine Kampagne zu Gunsten des jetzigen Bundesbankchefs, Professor Axel Weber. Er soll nach den Wünschen der herrschenden Kreise EZB-Präsident werden. Typisch die Bild-Zeitung von heute mit der Schlagzeile: „Axel Weber. Warum dieser Deutsche EZB-Chef werden muss…“. Albrecht Müller

Es ist abzusehen, dass diese Kampagne erfolgreich sein wird. Dazu einige Anmerkungen:

  1. Axel Weber ist verflochten mit der Finanzindustrie und mit ihren emsigen Vertretern in der Bundesregierung. Er war der Lehrer des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen. Dieser hat als Zuarbeiter der Finanzminister Eichel und Steinbrück wesentlich dazu beigetragen, spekulativen Geschäften von Hedgefonds und Private Equity Gruppen in Deutschland die Tür zu öffnen. Angela Merkel hat persönlich dafür gesorgt, dass der Sozialdemokrat und Schüler Webers, Asmussen, auch nach dem Regierungswechsel Staatssekretär im CDU-geführten Bundesfinanzministerium bleibt.
  2. Die Bundesbank unter der Führung von Axel Weber war Teil der Kontrolle der Finanzmärkte. Sie hat den Beginn der Krise ähnlich verschlafen wie die Bafin. Sie haben die Spekulation laufen lassen und gefördert, jedenfalls nicht davor gewarnt.
  3. Weber hat auch nicht davor gewarnt, einen gewaltigen Bankenrettungsschirm von 480 Milliarden aufzuspannen. Im Gegenteil: er ist offensichtlich Teil des Gewerbes um den Soffin, der praktisch geheimen Zahlungen für Banken, die sich bei Spekulationen verrannt haben. Interessant ist, dass er für eine Fortsetzung der Tätigkeit des Rettungfonds eintritt. Siehe dazu den Hinweis Nummer 6 von heute.
  4. Weber vertritt ansonsten, was die Wirkung auf die normale Wirtschaft betrifft, eine restriktive Geldpolitik. Er hat auch nicht verstanden oder will nicht verstehen, dass zum Beispiel die Schwierigkeiten Griechenlands nicht nur aus der Haushaltspolitik Griechenlands folgen, sondern auch aus der mangelhaften Lohnentwicklung Deutschlands. Siehe dazu und zum übernächsten Punkt auch ein neues Interview von Heiner Flassbeck im Focus.
  5. Mit Axel Weber als Präsident der Europäischen Zentralbank wird vermutlich der entscheidende Schritt zu einer europäisch abgestimmten Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nicht gemacht beziehungsweise vereitelt. Er wird die einseitige Niedriglohnentwicklung wie in Deutschland vermutlich stützen, er wird die Fixierung auf das Staatsdefizit als einzigem Kriterium der Abstimmung innerhalb der Eurozone beibehalten; mit ihm werden wir in Europa auch die sich deutlich abzeichnende prozyklische Wirtschaftspolitik fortführen. Lauter schreckliche Fehlentwicklungen.
  6. Axel Weber hat wie Angela Merkel offensichtlich nichts unternommen, um die Finanzmärkte so zu regulieren, dass der Casinobetrieb ausgetrocknet wird.
  7. Auf den Artikel in der Bild-Zeitung weise ich auch deshalb hin, weil er von einem erfahrenen Kampagnenjournalisten geschrieben worden ist. Der Autor Oliver Santen ist den Lesern der NachDenkSeiten und meiner Bücher schon bekannt. Er war früher einmal Pressesprecher bei der Allianz AG und wechselte dann zur Bild-Zeitung. Dort betrieb er fortan die Kampagne zur Privatvorsorge. Siehe zum Beispiel hier und bei vielen anderen Einträgen, die Sie über die erweiterte Suchfunktion bei Google auf den NachDenkSeiten finden.
  8. In einem Beitrag vom 2. Mai 2004 habe ich davon berichtet, wie Axel Weber zum Bundesbankpräsidenten gemacht worden ist. Er war damals schon Liebling der herrschenden Kreise. Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel hat den Willen dieser Kreise vollzogen. Die Geschichte ist ausgesprochen komisch, eigentlich zum Lachen, wenn sie nicht zum Weinen wäre.
  9. Es wird an dieser Geschichte auch sichtbar, dass die Sozialdemokraten noch nie etwas von Personalpolitik verstanden haben beziehungsweise dass sich auf ihrer Seite immer die Interessengebundenen Kräfte durchsetzen, wenn es um wichtige Personalentscheidungen geht. Das gilt hier im Fall Weber wie auch bei der Entscheidung für Mitglieder des Sachverständigenrates, zum Beispiel bei der Entscheidung für Rürup.
  10. Einiges wird an diesem Fall noch einmal überdeutlich:
    • Die Sanktionsmechanismen unserer so genannten Demokratie funktionieren nicht mehr.
    • Wenn sie funktionieren würden, dann müsste Weber auch aus dem Amt des Bundesbankpräsidenten entfernt werden.
    • Die Finanzkrise und Wirtschaftskrise hat keinerlei Konsequenzen für das Standing der neoliberal eingefärbten Ideologie der wirtschafts- und finanzpolitisch dominanten Kräfte. Sie bestimmen, was sachlich und was personell geschieht. Die Hoffnung, dass die Krise diese Kräfte aus dem Amt fegt, war und ist absolut trügerisch.
    • Dass dies nicht funktioniert, hat entscheidend mit der Bedeutung der Meinungsmache im Feld der politischen und personellen Entscheidungen zu tun. Deshalb sind das Buch „Meinungsmache“ wie auch die NachDenkSeiten zentrale Schlüssel zur Analyse der heutigen Situation und zur Therapie. Diese Meinung teilen erfreulicherweise viele unserer Leser mit uns.


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