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Titel: Die langfristig angelegte ideologische Vorarbeit der Neoliberalen.

Datum: 30. Mai 2006 um 17:21 Uhr
Rubrik: Neoliberalismus und Monetarismus, Strategien der Meinungsmache
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Es gibt eine Reihe guter Texte zur Entstehung der heute herrschenden Ideologie. Einer unserer Leser, ein offensichtlich junger Zeitgenosse, hat dies ganz gut beschrieben.

Er schreibt:

Bei einer Recherche zu meiner mündlichen Diplomprüfung zur Theorie des Neoliberalismus bin ich auf einen interessanten Text gestoßen. Der Text von Friedrich August von Hayek – wichtigster Vordenker, wenn nicht sogar Erfinder des Neoliberalismus – bestärkt Herrn Müllers These, dass die ideologische Dominanz des Neoliberalismus bewusst und von langer Hand herbeigeführt wurde.

In seinem Text von 1949, “The intellectuals and Socialism” [PDF – 48 KB], analysiert Hayek die Macht der Intellektuellen, die er “Second hand dealers in ideas” nennt. Sind sie einmal von bestimmten Ideen überzeugt – ob richtig oder nicht – so glauben bald alle daran.

Er betrachtet dabei, warum so viele Intellektuelle zu seiner Zeit Sozialisten waren (dazu zählt er auch zahme Sozialdemokraten – aber auch das ist bei Hayek Teufelszeug) und stellt die These auf: Intellektuelle sind nicht besonders intelligent oder begabt. Sie haben nur eine Fähigkeit – sie können sich ausdrücken und werden gehört. Weil sie aber nicht besonders praktisch veranlagt sind (Hayek sagt das genau so!), berauschen sie sich an großen Ideen und Zusammenhängen. Das hat der Sozialismus ihnen geliefert: eine fundierte Theorie und eine Utopie noch dazu.

Hayek folgert daraus: Will man wieder den wahren und schönen Liberalismus des 19. Jahrhunderts herbeiführen, darf man nicht pragmatisch argumentieren, sondern muss eine eigene Utopie erfinden. Das können aber nur die “original thinkers”, zu denen er sich ohne Zweifel zählte. Wenn diese strategisch (z.B. in Think Tanks) ihre Lehre verbreiten und damit auch die Intellektuellen in Medien, Verbänden, Schulen etc. etc. erreichen, werden Politiker und das Volk es auch bald glauben und danach handeln.

Stellt man eine solche Utopie auf, dürfe man sich nicht daran stoßen, dass sie heute nicht als “praktisch, sinnvoll und realistisch” angesehen wird. Viele Jahre intellektueller Arbeit müssten vergehen – Hayek sagt das schon 1949 – bis man die Früchte der Idee pflücken kann.

Heute gilt neoliberale Politik genau als das, nämlich als “praktisch, sinnvoll und realistisch”. Hayek hatte den Vorteil des langen Atems. Zwar blieb er Im Schatten des Keynesianismus bis in die 70er Jahre unbeachtet. Aber er arbeitete weiter, so lange, bis er Margaret Thatcher 1979 zu ihrem Wahlsieg gratulieren konnte. Sie verfasste noch in der Wahlnacht einen Dankesbrief an ihn – denn sie hatte den Tories (damals noch nicht einheitlich neoliberal) im Wahlkampf Hayeks Buch “Der Weg zur Knechtschaft” auf den Tisch gedonnert und dazu ausgerufen: “Das ist unser Programm”.

Ab da nahm alles seinen eigenen Lauf – die Intellektuellen hatten den Neoliberalismus als vermeintlich alternativlos akzeptiert und zu allen Herausforderungen gab und gibt es heute nur noch ein paar Antworten: Mehr Markt, weniger Staat, weniger Soziales. Die genauen Argumente und wie man sie am besten verbreitet, das alles kann man bei Hayek schon in seinen Texten aus den 40er Jahren nachlesen. Hayek hat, wie Keynes, die Macht der Ideen nicht unterschätzt.

F.L.


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