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Titel: Über 40 Prozent des Bundeshaushalts sollen in Aufrüstung „investiert“ werden – Was sagt die SPD-Ministerin für Arbeit und Soziales dazu?
Datum: 25. Mai 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Aufrüstung, Finanzpolitik
Verantwortlich: Florian Warweg
Kanzler Friedrich Merz und sein CDU-Kollege und Außenminister Wadephul sprechen sich dafür aus, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in militärische Aufrüstung zu stecken. Was für unbedarfte Ohren vielleicht erst mal nach gar nicht so viel klingt, ist in Wirklichkeit eine gigantische Summe, die über 40 Prozent (rund 220 Milliarden Euro) des aktuellen Bundeshaushalts entspricht. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die SPD-Ministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas, angesichts der zahlreichen Baustellen bei sozialen Themen in dieser Republik diese Priorisierung des Militärischen zu Lasten sozial- und arbeitspolitischer Maßnahmen so teilt oder eine andere Position einnimmt. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz
Frage Lunday
Meine Frage richtet sich an Herrn Müller. Die Forderung des Außenministers gestern in Bezug auf das Fünf-Prozent-Ziel der Verteidigungsausgaben hat vor allem bei den Regierungsabgeordneten für Aufruhr gesorgt. Wurde Ihr Haus vor der Verkündung gestern über die Aussagen von Herrn Wadephul informiert? Wie bewerten Sie die Signalwirkung einer solchen Aussage, besonders mit Blick auf den NATO-Gipfel und die Forderungen der USA?
Müller (BMVg)
Unser Minister hat sich gestern ausgiebig zur Thematik geäußert. Er hat auch geäußert, was für ihn wichtig ist. Wichtig ist, dass wir die Fähigkeiten schaffen, um die Bündnisverteidigung und dem Auftrag der Bundeswehr gemäß Grundgesetz gerecht zu werden. Er hat auch ganz klar gesagt, dass dazu weitere finanzielle Anstrengungen nötig sein werden. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Prozess, der seit Monaten, wenn nicht seit Jahren läuft. Wir wissen das, und es ist auch kein neuer Weg, denn wir steigern ja nicht nur Ausgaben. Ich will gar nicht über Ausgaben reden. Wir steigern unsere Anstrengungen seit Jahren kontinuierlich, um diesen Weg weiter zu gehen. Wir werden dies in der Zukunft weiter konsequent fortführen. Maßgeblicher Meilenstein werden hier die NATO-Fähigkeitsforderungen sein, die im Juni zum Gipfel bekannt und final abgestimmt sein werden. Davon ausgehend wird dann innerhalb der Regierung festgelegt werden, wie dieser Weg weiter zu gehen ist.
Zusatzfrage Lunday
Es ist ja doch ein Geheimnis, ob das Haus im Vorfeld zu der Verkündung informiert wurde. Wurde das Haus darüber informiert?
Müller (BMVg)
Wir haben eine ganz interne Regierungskommunikation, die die Regierung ganz eng abstimmt. Alles weitere hat der Minister gestern gesagt.
Wagner (AA)
Als NATO-Ressort kann ich zum Verständnis von allem noch einmal einordnen: Das war eine Äußerung, die am Rande des informellen NATO-Außenministertreffens in Antalya gefallen ist. Im Moment wird der NATO-Gipfel im Juni vorbereitet. Da geht es eben um die Frage, wie wir uns für unsere Sicherheit und Verteidigung im Bündnis für die Zukunft aufstellen. Das ist im NATO-Prozess immer aus der Bedrohungslage, aus der Gefährdungslage abgeleitet. Im Moment stellt Russland die große Bedrohung für das Bündnisgebiet dar. Aus dieser Bedrohungslage heraus leitet die NATO dann Fähigkeitsziele ab und unterlegt diese mit einer Zielmarke, die es an Verteidigungsausgaben braucht. In der Hinsicht hat der NATO-Generalsekretär Mark Rutte einen Vorschlag unterbreitet, der 3,5 Prozent für Verteidigungsausgaben plus 1,5 Prozent für weitere sicherheitsrelevante Infrastrukturausgaben für Mobilität, Sicherheit, Resilienz vorsieht. Das ist ein Vorschlag, zu dem sich der Außenminister gestern eingelassen hat. Er hat aber auch betont, dass es dazu jetzt natürlich die Gespräche innerhalb des Bündnisses gibt.
Frage Herzog
Herr Meyer, ist das denn nun eine Position der Bundesregierung insgesamt oder bisher nur eine Positionierung des Außenministers?
Vize-Regierungssprecher Meyer
Die Bundesregierung hat gestern in unterschiedlichen Konstellationen dazu kommuniziert und hat sehr klar gemacht, dass die Verteidigungsausgaben steigen werden. Das ist völlig klar, und es ist auch notwendig, wenn man sich anschaut, wie groß die Bedrohungslage für Europa und Deutschland sein wird. Es gab das große Finanzpaket, das durch den Bundestag gegangen ist und das auch eine Grundlage für den Koalitionsvertrag war. Sie wissen, dass eine Säule davon ist, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und insbesondere im Bündnis Aufgaben wahrzunehmen. Zum weiteren Prozess haben die Kollegen gerade alles gesagt. Sie sahen hier gerade einen sehr glücklichen stellvertretenden Regierungssprecher, weil das sehr gut zusammenpasste. Das wird jetzt im weiteren Prozess, auch im NATO-Prozess entschieden. Am Ende wird es eine Entscheidung geben.
Zusatz Herzog
Dass die Verteidigungsausgaben steigen sollen, wissen wir ja eigentlich schon, das wussten wir auch schon vorgestern. Die Frage ist, ob sich die Bundesregierung insgesamt hinter diese Fünf-Prozent-Forderung bzw. die 3,5 Prozent plus 1,5 Prozent stellt oder nicht.
Meyer
Das ist ein Vorschlag, der im Raum steht. Das wurde ja gerade beschrieben. Die Bundesregierung ist sich einig, dass man jetzt sich weiter in diesen Prozess bei der NATO einbringen wird und dann Entscheidungen treffen wird, auch im Rahmen des NATO-Summits, vor allen Dingen abgeleitet von Fähigkeitszielen.
Frage Dr. Rinke
Es gibt ja insofern ein kleines Problem, weil der Haushaltsentwurf vor dem NATO-Gipfel aufgestellt werden muss. Ist von daher diese öffentliche Äußerung von Herrn Wadephul nicht sogar berechtigt? Es muss ja eine Zielorientierung geben, die man vor dem NATO-Gipfel treffen muss, was den Haushalt angeht. Wäre der Bundeskanzler einverstanden, wenn man in diesem Jahr – wie Herr Pistorius das anscheinend möchte – die Verteidigungsausgaben auf mehr als 60 Milliarden Euro im normalen Einzelplan für den Verteidigungshaushalt anhebt?
Meyer
Das Verfahren zum Haushalt und die Gespräche dazu beginnen jetzt sehr zeitnah. Den konkreten Verhandlungen möchte ich aber nicht vorgreifen. Klar ist: Die Verteidigungsausgaben werden steigen, müssen steigen. In Bezug auf die Positionierung zur NATO ist sich die Bundesregierung komplett einig.
Frage Jung
Eine kurze Lernfrage an Frau Wetter. Fünf Prozent des BIP wären 220 Milliarden Euro im Jahr 2025. Da wären wir bei 45 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Ist der Bundesregierung klar, wie groß dieser Anteil ist, was das für ein Wahnsinn ist?
Wetter (BMF)
Ich kann dazu nur auf die Aussagen vom Bundesfinanzminister Klingbeil verweisen, der sich ja gestern im Rahmen der Pressekonferenz zur Steuerschätzung dazu geäußert hat. Wie es gerade schon von meinen Kollegen hier vorgebracht wurde, hat auch er noch einmal darauf verwiesen, dass die Bundesregierung vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen die Grundgesetzänderungen geschaffen hat, dass wir eine Ausnahme für die Verteidigungsausgaben haben und vor allem die Fähigkeitsziele der NATO im Fokus stehen.
Zusatzfrage Jung
Ich hatte jetzt nur gebeten, dass Sie uns bestätigen, wie viel fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind. Herr Wagner: Weiß das der Außenminister? Herr Meyer: Weiß das der Bundeskanzler?
Herr Meyer, wir arbeiten hier nicht zusammen! Ich bitte Sie, diese unglückliche Formulierung nicht mehr zu verwenden.
Wagner (AA)
Herr Jung, natürlich weiß der Außenminister, was für die Sicherheit und Verteidigung Europas und Deutschlands notwendig ist. Es geht hier nicht um eine Fünf-Prozent-Debatte, sondern es gibt einen Vorschlag des NATO-Generalsekretärs für eine etwaige Zielmarke, über die man sich dann beim anstehenden NATO-Gipfel verständigen wird. Mit Bezug auf das, was Herr Rinke vorhin gefragt hat: Es geht nicht darum, es für diesen Haushalt in diesen Größenordnungen geltend zu machen, sondern es geht um NATO-Zielmarken, die eine gewisse zeitliche Streckung haben werden. Das sind auch keine Fantasiezahlen, sondern das sind Zahlen, die in der NATO von einer Bedrohungsanalyse ausgehend abgeleitet werden, und zwar abgeleitet von der Frage: Was müssen wir, um die Abschreckungs- und die Sicherungsfähigkeit der NATO beizubehalten, uns als Bündnis leisten, um unsere Sicherheit zu garantieren? Mark Rutte stellt dort dieses Modell 3,5 Prozent plus 1,5 Prozent in den Raum. Zur historischen Einordnung: Es gab schon Zeiten in diesem Land, zu denen wir Verteidigungsausgaben um die 3,5 Prozent hatten. Das ist noch gar nicht so lange her.
Vorsitzende Buschow
Herr Jung, Ich glaube, das Gegenteil von „nicht zusammenarbeiten“ ist „gegeneinander arbeiten“. Auch wenn man auf zwei verschiedenen Seiten steht, arbeitet man zusammen, denn das Gegenteil verstehe ich nicht. Auf jeden Fall würde ich Sie bitten, Rufe zur Ordnung der Sitzungsleitung zu überlassen.
Zusatzfrage Jung
Hier geht es um das Grundsätzliche. Journalisten arbeiten nicht mit PR-Leuten der Bundesregierung zusammen. Wir haben ein unterschiedliches Rollenverständnis. Darauf hat ja auch die scheidende Regierungssprecherin Hoffmann beim letzten Mal hingewiesen. Ich glaube, Sie waren auch dabei. Es ist essenziell, dass wir das hier trennen und nicht zusammenarbeiten.
Ich hatte gefragt, ob Herrn Merz klar ist, wie viel fünf Prozent eigentlich bedeutet.
Meyer
Mathematisch, meinen Sie?
Zusatz Jung
In der Relation.
Meyer
Ich gehe davon aus, dass ihm das bekannt ist.
Frage Warweg
Herr Stratmann, der Kollege hat es ja schon erwähnt: Fünf Prozent des BIP entspräche über 40 Prozent des aktuellen Bundeshaushalts. Gerade angesichts der vielen Baustellen, die Ihr Ministerium im Bereich Arbeit und Soziales hat: Teilt denn die Ministerin diese aktuelle Prioritätensetzung auf das Militärische, die effektiv zu Lasten der ganzen sozialen Baustellen geht, die wir in dieser Republik haben?
Stratmann (BMAS)
Sie können davon ausgehen, dass regierungsinterne Beratungen stattfinden und da entsprechende Gespräche über einzelne Punkte stattfinden. Insbesondere darüber habe ich mich mit der Ministerin jetzt nicht ausgetauscht.
Zusatz Warweg
Aber meine Frage war ja eher grundsätzlicher Art, nämlich ob sie diese Prioritätenverschiebung hin zu Militärischem – per se eigentlich nicht besonders nachhaltige Investitionen – und merklich zu Lasten auch ihres eigenen Ministeriums, gerade im Bereich Arbeit und Soziales, so teilt oder ob sie da eine andere Position einnimmt.
Stratmann (BMAS)
Sie können davon ausgehen, dass das Ganze regierungsintern beraten und abgestimmt wird und dass ich dem nichts hinzuzufügen habe.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 16. Mai 2025
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