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Titel: Die Zerstörung Gazas – machen Sie sich selbst ein Bild

Datum: 10. Juli 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege
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Nach 21 Monaten israelischer Bombardements, Bodenoffensiven und Besatzung hat der Gazastreifen sein Gesicht verändert. Wo noch 2023 dicht besiedelte Wohngebiete, Sportanlagen, Souks, Schulen und kleinere Gewerbegebiete waren, ist heute eine dystopische Trümmerlandschaft. Wo einst Strand, Freiflächen und kleine Parks waren, stehen heute unzählige Reihen von Zelten und provisorischen Verschlägen, die den Flüchtlingen rudimentären Schutz bieten. Mit Googles Dienst Google Earth können Sie sich dank der Zeitleiste, mit der sie Satellitenbilder unterschiedlicher Jahre für den gewählten Bildausschnitt betrachten können, selbst ein Bild von der Zerstörung machen – eine schreckliche Erfahrung, die einen wütend und hilflos zurücklässt. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im Sommer 2023 war das Sheja’eyya-Viertel in Gaza-Stadt noch ein – für die Verhältnisse in Gaza – intakter Ort. Das legen zumindest die Bilder nahe, die Einheimische auf dem Google-Dienst Google Maps hinterlassen haben. Es gab dort einen belebten Markt, einen kleinen Park, Schulen, Spielplätze, Restaurants und Essensstände, Moscheen und Kirchen, ein Museum und das kleine Subha Harazin Krankenhaus. Selbst wenn man selbst nie in Gaza war, vermitteln die Satellitenbilder des kostenlosen Dienstes Google Earth aus dem August 2023[*] einen Eindruck davon, wie es in diesem Viertel vor Beginn des Krieges aussah. Dieser Dienst ist durchaus interessant. Man kann nahezu stufenlos zoomen und sich die meisten Bildausschnitte in einer so großen Auflösung anschauen, dass man Autos und sogar Menschen erkennen kann. Zu zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen haben Nutzer dort Bilder hinterlegt. Noch mehr Bilder und Informationen findet man auf der ebenfalls von Google betriebenen Plattform Google Maps.

Ein besonderes Feature von Google Earth ist es, dass für die verschiedenen Regionen der Welt zahlreiche Satellitenbilder aus verschiedenen Jahren hinterlegt sind, die man über die Zeitleiste aufrufen kann. So kann man sehen, wie sich ein bestimmter Bildausschnitt im Laufe der Zeit verändert hat. In Gaza Stadt zeigt dieses Feature den ganzen Schrecken des Krieges. Im Juli 2023 sieht die direkte Nachbarschaft des Subha Harazin Krankenhauses noch intakt und lebhaft aus.

Gaza-Stadt, Juli 2023 – © Google

Auf den Bildern vom 19. Oktober 2023 – kurz nach Beginn der israelischen Bombardements – erkannt man bereits die ersten Ruinen und Schutthaufen in der Nachbarschaft.

Gaza-Stadt, 19. Oktober 2023 – © Google

Auf einem Bild vom 4. Juni 2024 ist das Viertel rund um das Krankenhaus kaum noch wiederzuerkennen. Es gleicht einer Trümmerlandschaft, anscheinend haben aber einzelne Häuser dem israelischen Beschuss immer noch getrotzt.

Gaza-Stadt, 4. Juni 2024 – © Google

Im aktuellsten Bild, das Google Earth zur Verfügung stellt, das am 1. Dezember 2024 aufgenommen wurde, sind selbst diese letzten Häuser verschwunden. Man kann kaum glauben, dass es sich hier um den gleichen Bildausschnitt handelt.

Gaza-Stadt, 1. Dezember 2024 – © Google

Was dort passiert ist, kann man sich zumindest rudimentär über eine Internetsuche erschließen. So gab es offenbar im Dezember 2023 (wiederholt) massive Bombardierungen des Viertels. Im Dezember 2024 ist abermals von einem massiven Bombardement auf die Nachbarschaft, bei dem unter anderem eine Schule zerstört wurde, die Flüchtlinge beherbergt hatte, die Rede. Diese zwei Fundstellen sind sicher nur ein kleiner Ausschnitt, der zudem das damit verbundene Leid der Menschen in Gaza nicht einmal im Ansatz erklären kann.

Aber letztlich kann es uns selbst zunächst nur darum gehen, einzelne Ausschnitte zu sammeln, um sich dann selbst ein Bild aus diesen Ausschnitten zu machen. Und das können Sie dank der Bilder von Google Earth sogar selbst.

Gaza-Stadt, Sheja’eyya-Viertel – © Google

Khan Yunes, Innenstadt rund um das ehemalige Stadion – © Google

Khan Yunes, Innenstadt rund um die Große Moschee – © Google

Jabalia – © Google

Jabalia – © Google

Die hier gezeigten Bilder sind keine außergewöhnlichen Einzelfälle, sondern lassen sich so in nahezu allen Gegenden des Gazastreifens finden. Die Zerstörung ist kaum fassbar. Und dort, wo vor zwei Jahren nicht viel stand, das zerstört werden konnte, zeigen sich oft folgende Bilder:

Khan Yunes, nahe der ehemaligen Universität – © Google

Wo im Sommer 2023 noch kleinere Parks und Sportanlagen in der Nachbarschaft des Campus der Al-Aqsa-Universität waren, sind heute unzählige Zelte, in denen Ausgebombte und Vertriebene Unterkunft gefunden haben. Die Universitätsgebäude der Al-Aqsa wurden mehrfach von Israel bombardiert und Zivilisten, die auf dem Campus Schutz gesucht haben, wurden getötet. Mittlerweile hat Israel sämtliche Universitäten in Gaza zerstört. Vor zwei Jahren gab es noch 90.000 Studenten in Gaza. Auch das ist nur ein Ausschnitt des gesamten Bildes.

Ein weiterer schrecklicher Ausschnitt zeigt sich am Strand von Deir al Balah. Wo im Sommer 2023 noch Freiflächen und kleinere Freizeitanlagen, wie eine Bogenschießanlage, waren, zieht sich heute eine endlose Kolonne von Zelten und Verschlägen.

Strand von Deir al Balah – © Google

Auch dieser Ausschnitt zeigt nur einen Teil des gesamten Bildes. Sie können sich die Bilder von den Stränden Gazas selbst auf Google Earth anschauen. Derartige Zeltlager sind heute eher die Regel als die Ausnahme.

Sicher kann man den „kostenlosen“ Diensten der Tech-Giganten kritisch gegenüberstehen. In diesem Fall kann ich unsere Leser aber nur dazu animieren, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Zumindest ich habe durch diese kleine Online-Recherche einen „besseren“ Eindruck über die Zerstörung in Gaza bekommen, als ihn zig Nachrichtenbeiträge oder Artikel vermitteln könnten. Wir sind Zeugen eines Menschheitsverbrechens und können dieses Verbrechen dank moderner Technik selbst und nahezu in Echtzeit verfolgen. Bleibt die Frage offen, ob das ein Segen oder ein Fluch ist.

Titelbild und alle anderen Bilder: © Google Earth


[«*] Selbst die Bilder von Google Earth bieten natürlich nur einen eingeschränkten Einblick, zumal sie je nach Region schon etwas älter sind. So sind die jüngsten Satellitenbilder des Südens des Gazastreifens aus dem Juni 2024, also mehr als ein Jahr alt. Die Bilder aus dem Norden sind aus dem Dezember 2024. Selbst diese erschreckenden Bilder zeigen also die jüngsten Zerstörungen noch nicht.


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