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Titel: Filmlektüre über eine Whistleblowerin weckt Befürchtung: Wird es in der Zukunft schlimme Filme über unser Heute geben?

Datum: 26. September 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Kultur und Kulturpolitik, Militäreinsätze/Kriege
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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seltsam. Einerseits fallen dessen Inhalte durch seinen mainstreamlastigen Tenor und dessen Folgsamkeit im Sinne der Regierenden auf, andererseits stellen die Öffentlich-Rechtlichen auch Inhalte zur Verfügung, die westliche Gesellschaften kritisch beleuchten, die mitunter sogar aufdecken, was die Mächtigen gegen des Volkes Wille treiben. Der britische Film „Official Secrets – Gefährliche Wahrheit“, eine Geschichte über Machtmissbrauch und Kriegstreiberei, steht gerade in der Mediathek von 3sat (bis zum 12. Oktober 2025). Die Zeilen am Schluss wecken den Gedanken, welcher Abspann in fernerer (?) Zukunft über Kriege, die uns vielleicht bevorstehen, vor unseren Augen herunterlaufen könnte. Dieser wäre wohl ein ähnlicher Abspann mit Nennung etlicher Opfer, bei Straflosigkeit der Verursacher und als Beleg der „Hilf- und Machtlosigkeit“ der vielen gegenüber den Mächtigen? Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Gefährliche Wahrheiten können für Enthüllende gefährlich werden

„Official Secrets“ heißt auf Deutsch offizielle Geheimnisse, der britische Filmtitel wurde im Deutschen mit „– Gefährliche Wahrheit“ ergänzt. Wie Wahrheiten doch gefährlich sein können … Der Streifen war beeindruckend, löste bei mir zugleich Ohnmacht aus. Ernüchterung machte sich breit über die Machtverhältnisse unserer Zeit, über diese Wahrheiten, die also gefährlich sein sollen, werden sie öffentlich ausgesprochen. Wichtig aber ist genau das: dass Menschen riskieren, sich für Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen; wichtig, dass sie Risiken eingehen, dass sie sich gegen die Mächtigen einsetzen. Mutig ohnehin. Und doch, es ist zum Verzweifeln, letztlich geschehen weiter und weiter und weiter all diese dreckigen Dinge, die sich einflussreiche, boshafte Akteure ausdenken, um ihre Interessen durchzusetzen, die sie, zynischer geht es nicht, auch noch als in unser aller Interesse verkaufen. So auch die Aktionen vor und während des im Film zur Sprache kommenden Irak-Kriegs.

Im britischen Film „Official Secrets – Gefährliche Wahrheit“ wird die wahre, mutige Geschichte einer englischen Spionagedienst-Mitarbeiterin erzählt, die im Vorfeld des Irak-Kriegs Informationen an die Presse sandte. In der Folge kamen Enthüllungen über amerikanische und britische Kriegspläne ans Licht der Öffentlichkeit – Geheimnisse, die sich als gefährlich wahr erwiesen. Im Begleittext von „Official Secrets“ heißt es:

Katharine Gun ist Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst Government Communications Headquarters (GCHQ). 2003 erhält sie Einsicht in eine E-Mail, in der der US-Geheimdienst NSA die britischen Kollegen auffordert, einige Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats auszuspionieren. Der perfide Plan: belastendes Material zu sammeln, um eine Zustimmung zur UN-Resolution für den Irakkrieg zu erpressen. Katharine gerät in einen moralischen Zwiespalt, entscheidet sich aber, das Dokument an die Öffentlichkeit zu geben. Der britischen Tageszeitung „The Observer“ gelingt ein Coup, als ihr Reporter Martin Bright die brisanten Informationen veröffentlicht, die ihm verdeckt zugespielt werden.

Der Film erzählt verblüffend klar, wie die mutige Übersetzerin Katharine Gun zum Gegner der Regierung wird, wie sie in die Mangel genommen wird, weil sie Wahrheiten über die illegalen und kriminellen Machenschaften an die Presse weiterleitete:

Unmittelbar darauf eröffnet der GCHQ die Suche nach der undichten Stelle in den eigenen Reihen. Als Katharine erlebt, wie immer mehr Kollegen sich Verhören unterziehen müssen, gesteht sie. Sie wird verhaftet und angeklagt, gegen den “Official Secrets Act” verstoßen zu haben. Um den Druck auf sie zu erhöhen, drohen die Behörden ihrem kurdischen Ehemann Yaşar mit Abschiebung. Katharines letzte Hoffnung ist der Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson, mit dessen Hilfe sie ihre Verteidigung vorbereitet. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
(Quelle: 3sat)

Im Verlauf erlebt der Zuschauer das Verschleppen des Verfahrens, die Arbeit des Verteidigers und das „Einknicken“ der britischen Regierung auf dessen Druck und seine Forderung, wichtige Dokumente herauszugeben (was nicht geschieht), worauf die Angeklagte Gun freigesprochen wird. Ich ziehe den Hut, sagte sie danach, sie würde genau wieder so handeln. Man bleibt zurück und fragt sich im Angesicht des Regierungshandelns: Das alles geschieht in einer unserer Wertedemokratien?

Laufleiste der nackten Zahlen – viele Opfer eines weiteren sinnlosen Krieges

Nach Ende des Films ist noch eine Laufleiste zu sehen. Der Film wurde nach einer wahren Begebenheit gedreht. Der Krieg im Irak, der schließlich trotzdem und/oder gerade wegen der Machtspiele, der entlarvten Lügen, der Geheimnisse geführt wurde, forderte mehr als eine Million tote Iraker, Tausende tote Soldaten und Verletzte auf britischer und US-amerikanischer Seite, ist zu lesen.

Welcher Abspann würde wohl einst bei einem Film über einen Krieg in Europa, in Deutschland herunterlaufen? Trotz dessen, dass viele Menschen sich gegen einen Krieg einsetzten? Ich möchte mir nicht ausmalen, was vielleicht zu lesen wäre: Es kam, wie es kommen musste: Millionen Menschen starben, die Mächtigen einigten sich nach Jahren auf ein Entgegenkommen, auf eine Waffenruhe. Um sich herum Trümmer und Not.

Official Secrets“ wurde auch auf einem wichtigen Filmfestival gezeigt …

Der Film „Official Secrets“ steht trotz allem als wichtiges Beispiel für engagierte Aufklärung, für unabhängiges Kino, fern von Hollywood und Mainstream. Was Wunder, dass der britische Streifen auch beim Sundance Film Festival Utah (USA) lief. Das Festival ist von keinem geringeren Künstler als Robert Redford gegründet worden – genau aus dem Grund der Unterstützung solcher Projekte.

Der große Schauspieler, Regisseur, kritische Weltverbesserer und Aktivist Robert Redford ist gerade im Alter von 89 Jahren verstorben. Über seinen Film „Die drei Tage das Condor“ hatte ich 2023 den NachDenkSeiten-Beitrag „Sommerkino bei 3sat: Die drei Tage des Condor – ein Film, der die Skrupellosigkeit der Mächtigen der USA anklagt“ verfasst. In dem Zwischenruf schrieb ich unter anderem: „‚Der hat ja gar nichts an‘, sagt einzig der kleine Junge im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ beim Anblick des am Volk vorbeistolzierenden, beinah nackten Herrschers. Und ja, die Großen sehen es auch und sagen nichts. In „Die drei Tage des Condor“ sieht das Publikum ebenfalls, dass der im Film gezeigte Missbrauch von Macht durch das Establishment und die Gefolgschaft offensichtlich und doch für die Täter folgenlos ist. Der Film erinnert mich an die Jungenaussage im Märchen. Auf der Hand Liegendes wie das Treiben der Mächtigen bleibt im Öffentlichen verborgen, die Macht behält eine „reine weiße Weste“. Und doch weiß jeder Bescheid, was gespielt wird.“

Vielmal das Kleinste wird größer und größer

Dieser Streifen „Die drei Tage des Condor“ fiel mir nun wieder ein, als ich „Official Secrets“ sah. Beide Filme offenbaren einerseits die sicher nicht nur mir unheimliche Ohnmacht gegenüber der Macht. Sie zeigen mir trotzdem auch und gerade die trotzige Bewusstheit, nicht aufzugeben und gegenzuhalten. Ich dachte an eine Begegnung. Kürzlich kam ich bei einem Kunsttag in der kleinen Stadt Falkenstein im Vogtland mit einer sehr alten Dame ins Gespräch. Sie verriet, dass sie täglich vielfältig Medien durchforste, die Mainstream-Sender eher meide und sehr froh sei, dass es solche Angebote wie die NachDenkSeiten gibt. Sie schrieb mir ins Stammbuch:

Klar, ich könnte sagen, es bringt ja nichts, nicht zur Wahl zu gehen, sich aufzuregen, auf die Straße zu gehen, zu protestieren. Doch was würde das bedeuten? Soll ich Blumenbilder sammeln und Kochrezepte, während die Großkopferten mit uns machen, was sie wollen? Nein, und wenn es das Kleinste ist, was man dagegen tun kann, muss man es tun. Das hilft nämlich, vielmal das Kleinste wird größer und größer.“

Titelbild: ZDF und Nick Wall


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