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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Offener Brief: Solidarität mit Sophie von der Tann!
Datum: 5. Dezember 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien
Verantwortlich: Redaktion
Vorbemerkung: Dieser Offene Brief – siehe unten – ist gestern erschienen. Die NachDenkSeiten unterstützen das Anliegen. Wir solidarisieren uns mit Sophie von der Tann. Es folgen der Text des Offenen Briefes und die Namen der Unterzeichner.
Derzeit läuft eine Diffamierungskampagne gegen unsere Kollegin Sophie von der Tann, Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv. Die Anschuldigungen gehen längst über sie als Person hinaus. Auch deshalb stellen wir uns hinter sie.
Wir, das sind Nahostkorrespondenten sowie andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutscher bzw. deutschsprachiger Medien mit Bezug zur Region. Viele von uns berichten seit Langem aus Israel, den Palästinensischen Gebieten und der Region.
Es ist normal, dass wir als Journalisten von allen Seiten mit Kritik an unserer Arbeit konfrontiert werden. Sachlicher Kritik stellen wir uns täglich. Die derzeitigen Angriffe haben jedoch jedes Maß verloren. Sie zielen offenbar darauf ab, das Ansehen unserer Kollegin zu zerstören sowie kritischen Journalismus zu delegitimieren.
Sophie von der Tann wird vorgehalten, sie habe in einem Hintergrundgespräch gesagt, der 7. Oktober 2023 habe „eine Vorgeschichte“. Diesem Satz können wir als langjährige Nahostberichterstatter nur zustimmen. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern reicht viele Jahrzehnte zurück. Diese Vorgeschichte im Blick zu haben, ist mitnichten eine „Relativierung des 7. Oktober“, die unserer Kollegin unterstellt wird. Wir berichten seit mehr als zwei Jahren über das Leid auf beiden Seiten; die Barbarei des Terrorangriffs und die verheerende Kriegsführung in der Folge sind gleichermaßen unsere ständigen Themen.
Versuche, unsere Arbeit zu diskreditieren, gehören leider längst zu unserem Alltag.
Palästinensischen Quellen, beispielsweise zu Opferzahlen, aber auch Videos und Fotos, werden grundsätzlich infrage gestellt. Gleichzeitig blockiert Israel den Zugang für ausländische Journalisten in den Gazastreifen, mittlerweile trotz der seit dem 10. Oktober geltenden Waffenruhe und der Rückkehr aller noch lebenden Geiseln. Das israelische Militär bietet lediglich äußerst seltene streng geführte Pressetouren an, um das eigene Bild zu vermitteln. Wir sind somit auf palästinensische Kolleginnen und Kollegen angewiesen, die unter extrem schwierigen und oft lebensgefährlichen Umständen arbeiten und deren Arbeit grundsätzlich angezweifelt wird. Die israelische Armee hat laut Reporter ohne Grenzen seit Kriegsbeginn 210 Medienschaffende in Gaza getötet, nur in Einzelfällen hat sie im Anschluss mutmaßliche Beweise für die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgelegt.
Internationale Journalistinnen und Journalisten erleben Angriffe besonders in den sozialen Medien. Dort werden Shitstorms inszeniert, die z.T. durch Bots Reichweite bekommen sollen. Große Aufmerksamkeit erregen diese Kampagnen, wenn sie von realen Akteuren getrieben sind, die ihre Legitimität aus öffentlichen Ämtern ziehen.
So hat ein Reserve-Sprecher der israelischen Armee unter anderem den SPIEGEL mit dem antisemitischen NS-Hetzblatt „Der Stürmer“ gleichgesetzt und die ARD als „Sprachrohr der Hamas“ bezeichnet. Sophie von der Tann hat er mehrmals besonders heftig attackiert, vergangene Woche schrieb er auf X, sie sei „das Gesicht von neu-deutschem Juden- und Israelhass“: Ein Vorwurf, der geeignet ist, die Kollegin verächtlich zu machen. Der israelische Botschafter in Deutschland hatte ihr bei X vor Monaten bereits einen Jobwechsel empfohlen und sie als „Aktivistin“ bezeichnet. Äußerungen wie diese werden von Interessenverbänden und bestimmten Medien aufgegriffen, aufgebauscht und verbreitet.
Gegen die Verleihung des renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises an Sophie von der Tann in dieser Woche läuft eine eigens organisierte Kampagne, etwa mit Beiträgen in sozialen Medien sowie der Ankündigung einer Mahnwache.
Solche Angriffe bedrohen den Kern dessen, was Journalismus leisten muss: Dass sich Menschen auf Basis von professionell recherchierten, angemessen kritischen Berichten ihre Meinung bilden können. Das ist auch eine Gefahr für die Demokratie.
Wir rufen dazu auf, die Medienfreiheit zu respektieren und das Ansehen von Kolleginnen und Kollegen nicht durch Diffamierungskampagnen zu beschädigen.
Titelbild: Screenshot ARD
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=143152