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Titel: CIA-Insider spricht über das Kriegsende in der Ukraine
Datum: 6. Dezember 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Friedenspolitik
Verantwortlich: Redaktion
Die USA haben unter drei Präsidenten gezeigt, dass sie wegen der Ukraine keinen direkten Krieg mit Russland führen werden. George Beebe, der frühere CIA-Direktor für Russland-Analyse und Autor des Buches „Die Russland-Falle: Wie der Schattenkrieg der USA mit Russland in eine Katastrophe münden könnte“, analysiert im Gespräch mit Fjodor Lukjanow die aktuellen Aussichten für Verhandlungen. Fjodor Lukjanow ist Chefredakteur der einflussreichen russischen Fachzeitschrift Russia in Global Affairs, Leiter des „Rates für Außen- und Verteidigungspolitik“ und Forschungsdirektor des internationalen Diskussionsklubs Waldai. Aus dem Russischen übersetzt von Éva Péli.
Fjodor Lukjanow: Herr Beebe, in den letzten Wochen gab es intensive diplomatische Aktivitäten rund um eine mögliche Ukraine-Einigung. Glauben Sie, dass wir uns einem konkreten Ergebnis nähern?
George Beebe: Ich denke, wir sind einer Einigung tatsächlich ziemlich nahe. Dafür sehe ich zwei entscheidende Anzeichen: Das erste ist der Optimismus von Präsident Trump, der in seinem sozialen Netzwerk verkündete, er glaube an einen baldigen Erfolg. Wir befinden uns zwar in der schwierigsten Endphase der Verhandlungen, in der die kompliziertesten Punkte beigelegt werden müssen. Der Präsident klingt jedoch sehr zuversichtlich, und ich halte diesen Optimismus für begründet. Das andere Anzeichen ist die Härte des Widerstands, den wir gerade beobachten. Alle, die in Europa, der Ukraine oder in den USA keinen Kompromiss wollen, tun ihr Bestes, um das Abkommen zu torpedieren. Das durchgesickerte „Bloomberg“-Gespräch ist ein anschauliches Beispiel dafür. Da dieses Szenario nicht einzigartig ist, deute ich es als Zeichen dafür, dass wir dem Erfolg näher kommen.
Es wird viel über eine angebliche Spaltung im Weißen Haus in der Ukraine-Frage gesprochen. Stimmt das aus Ihrer Sicht?
Ich glaube nicht, dass es im Trump-Team irgendwelche ernsthaften Meinungsverschiedenheiten zu diesem Thema gibt. Alle wollen dasselbe Ziel erreichen, das Präsident Trump gesetzt hat: Einen Weg zu finden, diesen Krieg durch eine friedliche Einigung zu beenden, der Russland und die Ukraine zustimmen müssen. Ich sehe keine Trennlinie unter denen, die Trump umgeben; alle arbeiten darauf hin. Natürlich habe ich Presseberichte über eine angeblich existierende Spaltung des Teams gesehen, aber ich halte dies für einen Teil derselben Bemühungen, den Deal zu verhindern.
Das Thema Sicherheitsgarantien ist eines der schwierigsten. Wie stellen Sie sich diese konkret vor?
Das grundlegende Interesse Russlands besteht darin, sicherzustellen, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt und dass auf ihrem Territorium keine NATO-Truppen oder Infrastruktur stationiert werden. Meiner Meinung nach sind die USA bereit, dem zuzustimmen. Wir haben bereits unter drei verschiedenen Präsidenten praktisch bewiesen, dass wir wegen der Ukraine keinen Krieg mit Russland führen werden. Und warum sollten wir uns plötzlich vertraglich dazu verpflichten? Ich spüre in der Trump-Administration keinerlei Wunsch, westliche Truppen oder NATO-Einrichtungen auf dem Territorium der Ukraine zu stationieren. Wir verstehen, dass dies jede Einigung untergraben würde. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die USA und der Westen der Ukraine Garantien geben können, dass wir sie nicht im Stich lassen, falls Russland den Vertrag bricht und erneut angreift. Das ist es, was der Westen seit Beginn der militärischen Spezialoperation im Jahr 2022 getan hat: Wirtschaftssanktionen, starke militärische und nachrichtendienstliche Hilfe zur Selbstverteidigung. Und in dem öffentlich verbreiteten Dokument gab es den Hinweis, dass in einem solchen Fall alle Garantien, die wir Russland geben, annulliert werden. Das wäre ein wichtiger Anreiz für Russland, die Vereinbarung einzuhalten.
Was die Beschränkungen des militärischen Potenzials der Ukraine betrifft, ist das nicht ein riesiger Stolperstein?
Was die Beschränkungen des militärischen Potenzials betrifft, so hat Russland hier natürlich ein durchaus berechtigtes Interesse, daran besteht kein Zweifel. Ich gehe davon aus, dass dies bis zum letzten Moment Gegenstand von Diskussionen sein wird. Aber ich glaube nicht, dass die Frage der Größe der ukrainischen Armee zwangsläufig zu einem unüberwindbaren Hindernis wird. Im ursprünglichen Dokument war eine Höchstgrenze von 600.000 Mann für die Streitkräfte vorgesehen, dann schlugen die Europäer vor, diese auf 800.000 zu erhöhen. Die Realität ist jedoch, dass die Ukraine unter keinen Umständen in der Lage sein wird, in Friedenszeiten eine stehende Armee von auch nur 600.000 Mann zu unterhalten. Tatsächlich werden die ukrainischen Streitkräfte nicht in der Lage sein, diese Größe zu erreichen. In gewisser Weise streiten wir über Zahlen auf dem Papier, die nichts mit den Fakten vor Ort zu tun haben werden.
Europa teilt die Ziele der Trump-Administration offensichtlich nicht. Hat das Weiße Haus Möglichkeiten, die Europäer zu zwingen, einem gemeinsamen Kurs zu folgen?
Ja, prinzipiell hat die Administration Möglichkeiten, auf Europa einzuwirken. Ob sie diese nutzen wird, werden wir sehen. Mir scheint, dass die Europäer mehr Angst vor einer möglichen Entzweiung haben als vor einer potenziellen russischen Aggression. Und diese Entzweiung hat zwei Dimensionen: Die eine ist die innereuropäische Spaltung. Einige sehen den anhaltenden Krieg ohne diplomatische Lösung als eine Möglichkeit, die Europäische Union zu konsolidieren. Sie sorgen sich, was mit der europäischen Einheit geschieht, wenn die Wahrnehmung der russischen Bedrohung plötzlich weniger ausgeprägt wird. Der zweite Teil ist die Angst vor einer transatlantischen Störung, einem Bruch mit den Vereinigten Staaten. Wenn die USA klar erklären, dass sie diesen Krieg beenden wollen, unabhängig davon, ob die Europäer daran teilnehmen oder nicht, steht Europa vor einer Wahl. Will es deswegen einen echten Konflikt mit Washington, oder muss es sich dem von den Vereinigten Staaten ausgehandelten Konsens beugen? Wenn die USA, Russland und die Ukraine eine Einigung erzielen, glaube ich nicht, dass die Europäer es riskieren werden, sich dem zu widersetzen.
Das Interview ist in der russischen Fachzeitschrift „Russia in Global Affairs“ erschienen. Es wurde für die Sendung „Meschdunarodnoje obosrenije“ (Internationale Rundschau) des Senders Rossija 24 erstellt.
Titelbild: Anelo / Shutterstock
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