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Titel: „Vermutlich steht schon Selenskyjs Fluchthelikopter“ – O-Töne zum Korruptionsskandal in der Ukraine
Datum: 16. Dezember 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Lobbyismus und politische Korruption
Verantwortlich: Redaktion
Letzten Sommer hat Präsident Wolodymyr Selenskyj versucht, die ukrainische Antikorruptionsbehörde NABU per Gesetz unter seine Kontrolle zu stellen. Damit löste er aber eine mächtige Protestwelle in der Bevölkerung aus, auch seine Gönner in Europa legten Selenskyj nahe, er sollte das lieber lassen. Schließlich gab der Präsident sein Vorhaben auf. Im November schlug dann NABU durch und deckte eine gigantische Korruptionsaffäre in den Regierungskreisen auf, wonach zwei Minister ihre Ämter aufgeben mussten. Ende November geriet auch Andrej Jermak, Selenskyjs Stabschef und sein engster Vertrauter, ins Fadenkreuz der Antikorruptionsbehörde. Es kam zu NABU-Durchsuchungen in Jermaks Wohnung und seinem Office. Der Skandal wirft einen rabenschwarzen Schatten auf Selenskyj selbst und gefährdet seine politische Perspektive ganz beträchtlich. Eine neue Folge der O-Töne. Von Valeri Schiller.
Euronews am 24. Juli 2025
„Ursula von der Leyen hat Wolodymyr Selenskyj angerufen, um Erklärungen zu dem neuen Gesetz zu den Antikorruptionsbehörden zu verlangen. Dieses sieht vor, dass die Behörden direkt dem Generalstaatsanwalt unterstellt werden, der vom Präsidenten ernannt wird. Der von Selenskyj im Juni ernannte Generalstaatsanwalt Ruslan Krawtschenko sagte, dass die Ermittler von der Politik unabhängig arbeiten und dass ihm der NABU nicht unterstellt sei. (…)
Es ist das erste Mal seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg, dass die EU-Kommissionspräsidentin so explizit Kritik an der Regierung Selenskyjs übt. Angesichts der anhaltenden Proteste kündigte der Präsident inzwischen an, er werde einen neuen Gesetzesentwurf vorlegen, der die Stärke des ukrainischen Strafverfolgungssystems gewährleisten soll.“
(Quelle: euronews, ab Beginn und ab Minute 0:57)
DIE ZEIT am 31. Juli 2025
„Das ukrainische Parlament hat die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von zwei wichtigen Antikorruptionsbehörden auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten nahmen am Donnerstag mit 331 zu null Stimmen einen Gesetzentwurf an, mit dem die von Präsident Wolodymyr Selenskyj veranlassten Einschränkungen der Behörden wieder rückgängig gemacht werden sollen. Selenskyj hatte mit seinem Vorgehen die schwerste politische Krise in der Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs ausgelöst. Auf Druck von Demonstranten und mehreren europäischen Spitzenpolitikern lenkte er jedoch schließlich ein und legte den Gesetzentwurf zur Korrektur seines Handelns vor.“
(Quelle: DIE ZEIT)
WELT am 13. November 2025
„Der Korruptionsskandal im dortigen [ukrainischen, Anm. d. Red.] Energiesektor weitet sich aus. Nach den Rücktritten des Justizministers und der Energieministerin ist nun auch ein Spitzenbeamter des staatlichen Energiebetreibers freigestellt worden. Während die Behörden zuletzt mehrere Festnahmen meldeten, werden die Rufe nach einem Rücktritt der gesamten Regierung in Kiew lauter. Seit Kriegsbeginn greift Russland ja immer wieder den ukrainischen Energiesektor an. Die Schäden, sie sind immens, und auch deshalb bekommt der Sektor für die dauernde Instandsetzung beträchtliche Unterstützung auch aus Deutschland. Und Außenminister Wadephul bekräftigte nun trotz dieser Korruptionsaffäre, dass es weitere Hilfen geben wird. Der CDU-Politiker betonte jedoch unmissverständlich, dass die Bundesregierung von der Ukraine eine volle und transparente Aufklärung dieses Skandals erwarte.“
(Quelle: WELT)
Politikwissenschaftler Niko Lange am 29. November 2025
Moderatorin: „Jetzt muss man an dieser Stelle aber auch sagen, dass es Selenskyj war, der noch vor wenigen Wochen dafür gekämpft hat, dass die Antikorruptionsbehörde im Land, die Befugnisse also eingeschränkt werden. In der Retrospektive betrachtet, bleibt da nicht auch nicht ein gewisser bitterer Nachgeschmack?“
Lange: „Das ist auf jeden Fall so, dass diese Ereignisse, die Gesetzgebung zu verändern, die Unabhängigkeit dieser Behörden einschränken zu wollen – dass es jetzt in einem anderen Licht dasteht. Das hat Präsident Selenskyj auch geschadet. Gleichzeitig wollen die Ukrainer jetzt nicht Chaos auslösen, sie wollen, dass keine Korruption mehr stattfindet. Da haben wir auch, die ja Instrumente haben, wenn wir zum Beispiel der Ukraine Geld geben, Kredite geben, dass wir das mit harten Bedingungen verbinden, dass wir vielleicht auch externe Kontrollen einsetzen.“
(Quelle: ZDF heute, ab Minute 0:40)
ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf am 11. Dezember 2025
„Das ist nicht nur ein Skandal, das geht viel, viel weiter. Das zeigt wirklich, dass die Ukraine noch sehr, sehr stark in allen Bereichen von korrupten Strukturen durchdrungen ist. Und die Tatsache, dass Selenskyj so lange an Jermak festgehalten hat, obwohl die amerikanischen Partner Druck ausgeübt haben, die Europäer haben extrem Druck ausgeübt, immer wieder gesagt: ‚Dieser Mann muss weg, der kann nicht als nichtgewählter Politiker diese Macht haben.‘ Er war der Gatekeeper, an dem keiner vorbeikam, auch wir Journalisten nicht. Und das ist ein Riesenproblem. Also wir haben ihn immer als den Rasputin im Präsidentenpalast bezeichnet, und ich glaube, so kann man ihn auch sehen.“
(Quelle: ZDF Maybrit Illner, ab Minute 43:20)
Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko am 11. Dezember 2025
Moderatorin: „Es gibt einen großen Korruptionsskandal, Herr Klitschko, es gibt Ermittlungen in einem großen Korruptionsskandal. Wie reagieren die Menschen darauf? Wie reagiert die Kiewer Bevölkerung darauf? Wie viel Unterstützung hat Selenskyj noch?
Klitschko: „Es ist ganz schlecht. Ich muss ehrlich sagen, das ist ein Tiefschlag für jeden Ukrainer. Das Wichtigste, was es gibt, überhaupt im Leben, ist das Vertrauen. Vertrauen von unseren internationalen Partnern in die Ukraine, Vertrauen von unserem Volk zur zentralen Regierung. Und solche Skandale zerstören leider das Vertrauen.“
(Quelle: ZDF, ab Minute 41:56)
Chefredakteur Roger Köppel (Die Weltwoche) am 10. Dezember 2025
„Selenskyj, der heldenhafte Vorkämpfer von Demokratie und Rechtsstaat – jetzt versinkt seine Regierung in einem Sumpf von Korruption. Alle engsten Vertrauten sind abgesetzt, diskreditiert, haben fluchtartig das Land verlassen. Ich hab’s in der Schweizer Ausgabe schon gesagt. Vermutlich steht auch Selenskyjs Fluchthelikopter schon, jetzt müssen nur noch die Geldkoffer gepackt werden. Nein, ist doch einfach ein immer trauriges zynisches Schauspiel, und die Medien haben da einmal mehr kolossal versagt.“
(Quelle: weltwoche.ch, ab Minute 11:42)
Titelbild: Screenshots WELT, Euronews, ZDF, Die Weltwoche
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