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Titel: Auszug aus „Machtwahn“ Seite 281 ff zu den Gründen der Privatisierung und zum „Handel mit Vermögenswerten statt Wertschöpfung“

Datum: 24. Juli 2006 um 11:20 Uhr
Rubrik: Lobbyismus und politische Korruption, Privatisierung, Veröffentlichungen der Herausgeber
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Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen ist eine der lukrativsten Möglichkeiten, schnell viel Geld zu verdienen. Deshalb ist der Druck auf die Gemeinden, die Städte und Kreise besonders groß. Die Kommunen, wie auch Bund und Länder, sind empfänglich für solche Aktionen, weil sie scheinbar die öffentlichen Haushalte entlasten und dabei helfen, Schulden abzubauen oder sie zumindest nicht zu erhöhen. (Zu den dabei gemachten Denkfehlern siehe S. 115 ff.) Verdient wird schon an der Transaktion, und verdienen werden in der Regel die neuen Eigentümer. Meist sind die Verträge zur Privatisierung oder Teilprivatisierung öffentlicher Einrichtungen nicht öffentlich, und die sogenannten Transaktionskosten werden schon gar nicht offengelegt. Wenn sie von den übernehmenden Unternehmen bezahlt werden, hat die Öffentlichkeit kaum Einblick.

Man ist in den meisten Fällen auf Schätzungen angewiesen. Das ist eigentlich ein öffentliches Ärgernis: Im Fall der beabsichtigten Privatisierung der Braunschweiger Stadtentwässerung werden Transaktionskosten von 3,4 Millionen Euro genannt. Im Fall der Teilprivatisierung der Berliner Wasserversorgung schätzt ein damit befasster Beobachter die Transaktionskosten auf 40 bis 50 Millionen Euro. Selbst wenn es nur die Hälfte wäre, ist das ein sehr hoher Betrag alleine für den Vorgang der Umwandlung. Damit ist noch nichts getan. Diese Beträge gehen für Unternehmensberatungen, für Rechtsberatung durch Anwaltskanzleien, für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Versicherungen, Immobilienberater, PR-Firmen und für die Vermittlung drauf.

Die Verträge sind in vielen Fällen so gestaltet, dass die neuen privaten Besitzer eine Renditegarantie erhalten und oft auch an der Finanzierung verdienen; die Leidtragenden sind die Gebührenzahler. Die Wasserverbraucher in Berlin mussten schon kräftige Preiserhöhungen hinnehmen.

Handel mit Vermögenswerten statt Wertschöpfung

Unsere Spitzeneliten in der Wirtschaft konzentrieren seit einiger Zeit ihre Kraft nicht auf Wertschöpfung, sondern auf den Handel mit Vermögenswerten. Denn dort wird am meisten verdient. Dort hat zum Beispiel auch die Deutsche Bank ihre größten Gewinne im Jahr 2005 gemacht: im Handelsgeschäft und bei den Provisionen.

Deshalb gilt: Man kann die politische Willensbildung und die daraus folgenden Entscheidungen in vielen Fällen nur begreifen, wenn man untersucht, ob dahinter Interessen an großen Vermögensdispositionen und -gewinnen stecken. Denn die wirklich großen Gewinne werden beim Kauf, beim Besitz und Verkauf von Vermögenswerten erzielt.

Typische Beispiele:

  • Ein Investor kauft die Aktienpakete, zum Beispiel der MTU, der Autoteile-Kette ATU, der Familie Grohe etc., und verscherbelt diese weiter.
  • Unternehmen werden aufgeteilt, umgegründet, mit anderen fusioniert. Ein Opfer eines solchen Vorgangs war die frühere Hoechst AG.
  • Investoren kaufen Stadtwerke, Wasserwerke, Autobahnen etc., machen Gewinne dank Absicherung durch die Steuerzahler und verkaufen Teile (möglicherweise) gewinnbringend weiter.
  • Die westdeutschen Banken kaufen die ostdeutschen Banken weit unter dem realen Preis und gewinnen dank günstiger Absicherung durch den Staat und durch Ausbeutung der erworbenen Forderungen Hunderte von Millionen (siehe S. 81 ff.). Unternehmen werden an die Börse gebracht.

In allen diesen und vielen verwandten Fällen werden die großen Gewinne erleichtert und manchmal auch erst möglich durch ­politische Entscheidungen. So zum Beispiel durch

  • die Befreiung der Gewinne bei Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen seit 1.1.2002 und
  • die Beibehaltung dieses Privilegs auch nach dem Koalitionsvertrag der großen Koalition (obwohl die CDU im Entwurf ­ihres Regierungsprogramms noch die Abschaffung der Steuerbefreiung avisiert hatte – da ist wohl jemand dazwischengegrätscht),
  • das Verscherbeln der ostdeutschen Banken an die westdeutschen Institute,
  • die neuen Regeln für ÖPP/PPP (Privat-Public Partnership) und damit ihre Erleichterung,
  • alle Maßnahmen, die die Privatvorsorge fördern und das Vertrauen in die gesetzliche Rente weiter der Erosion preisgeben, konkret: durch Nullrunden bei den Renten und die Drohung mit dem sogenannten Nachholfaktor, wonach die Renten noch stärker von der Einkommensentwicklung abgekoppelt werden sollen.

Gewinner dieser »Asset-Wirtschaft« – des Handels mit Vermögenswerten – ist ein mächtiger Kreis von Finanzunternehmen und reichen privaten Vermögensbesitzern: die Banken und an­dere Akteure des Kapitalmarkts – also Investmentbanker, Broker, Börsen etc. –, die Versicherungsunternehmen sowie, besonders wichtig, Anwaltskanzleien, Beratungsunternehmen, PR- und Werbefirmen. »Auf Investmentbanker regnet es in diesen Wochen Millionen – weil die Geschäfte glänzend liefen«, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 13. Januar 2006 in einem Beitrag über die üppigen Prämien, die nach dem Aktienboom des Jahres 2005, vielen Neuemissionen an den Börsen, einem Karussell von Übernahmen und Kapitalumschichtungen fällig werden. Die Behörden von New York schätzen, dass dort 18 Milliarden Euro an Prämien ausgeschüttet werden. Milliarden, nicht Millionen! In London, so berichtet die Süddeutsche, können vermutlich dreitausend Investmentbanker damit rechnen, dass sie aufgrund der Prämien von ungefähr 1,5 Millionen Euro (wohlgemerkt: pro Person!) für den Rest ihres Lebens ausgesorgt haben.

Beim Verkauf von Vermögenswerten entstehen in der Regel keine Werte. Alle diese Gewinne basieren im Kern nicht auf einer Wertschöpfung durch die Produktion von Waren und Dienst­leistungen, zumindest werden die dahintersteckenden Vorgänge dieser wertschöpfenden Art den kleineren Teil ausmachen. Alles andere sind Ergebnisse von Spekulationen, von einer Neuordnung zu Lasten von Kleinaktionären und Arbeitnehmern und zu Lasten des Fiskus.

Da diese Gewinne eine völlig andere Dimension haben als die Gewinne normaler Wertschöpfung im Produktions- und Dienstleistungsbereich, sind auch die Möglichkeiten, mit finanziellen Zuwendungen und anderen Formen der Unterstützung nützliche politische Entscheidungen zu erreichen, überdimensional groß. Ein paar Millionen für sogenannte Handling Fees sind bei Mil­liardentransaktionen nur noch tausendstel Prozentpunkte. Da kann man ruhig schon mal den wirtschaftspolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen einen Beratervertrag anbieten, der ihre Abgeordneten-Diät um ein Mehrfaches übersteigt. Da kann man ruhig schon mal einen Empfang von Ministerien oder von Fraktionen sponsern, und da kann man auch ruhig mal einige hunderttausend Euro Spenden lockermachen. Das sind Peanuts angesichts der Beträge, um die es da geht. Auch wenn die Betrof­fenen sagen, sie hätten sich von solchen Zuwendungen in ihrer politischen Meinungsbildung nie beeinflussen lassen, muss man nach aller Lebenserfahrung davon ausgehen, dass sie nie etwas gegen die Interessen ihrer Geldgeber unternommen hätten, sondern sie, so gut es geht, unterstützen. Und das vielleicht noch guten Gewissens, weil man ja schon immer dieser Meinung war.

Man darf davon ausgehen, dass die Willensbildung einzelner Parteien auf einschlägigen Feldern weitgehend schon von diesen Vermögens-Gewinn-Interessen geprägt ist. Weite Teile unserer Eliten in den Topetagen sind davon berührt.

Auch andere Folgen dieser besonderen Stärke der Vermögenslobby sind absehbar: Es werden unnötig viele und auch qua­lifizierte Ressourcen auf diesen Bereich konzentriert, es unterbleiben wichtige Rahmensetzungen gegen einen ökonomisch unvernünftigen Ausverkauf. Im Zuge der ständigen Vermögensdispositionen, Umgründungen und Übernahmen kommt es typischerweise auch zu Repressionen gegen die Arbeitnehmerschaft. Die Arbeitnehmer müssen durch Stress und Rationalisierung, durch Einkommensverzicht und Mehrarbeit letztlich die Gewinne bei Vermögenstransfers, und damit auch die Prämien der Investmentbanker, schaffen.

Diese Art von Kapitalmarkt ist wie ein Klotz am Bein unserer Volkswirtschaft. Dort wird zwar – betriebswirtschaftlich gesehen – viel verdient, volkswirtschaftlich betrachtet sind diese ­Geschäfte aber eine Vergeudung von Ressourcen.


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