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Titel: Heuschrecken und Globalisierung – zum Nichtstun verdammt? Auch Wiedeking (Porsche) sieht das anders.

Datum: 2. Oktober 2006 um 16:45 Uhr
Rubrik: Steuern und Abgaben, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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In der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Debatte unseres Landes wird häufig so getan, als wären unsere Handlungsmöglichkeiten gleich null. Das ist abgrundtief falsch.
Niemand zwingt uns zum Beispiel dazu, die von Schröder und Eichel zum 1.1.2002 eingeführte Steuerbefreiung der Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen nicht wieder zu streichen. Denn sie war von Anfang an nicht nur ungerecht gegenüber allen anderen, die ihre Lohn-Einkommen und Gewinne versteuern müssen. Sie ist auch unsinnig, weil sie den Ausverkauf von intakten Unternehmen an so genannte Investoren massiv gefördert hat.
Niemand zwingt uns auch, nichts dagegen zu unternehmen gegen den unfairen Standortwettbewerb innerhalb Europas.

Zu beiden Themen und den Handlungsmöglichkeiten der deutschen Politik hat sich der Porsche-Chef, Wendelin Wiedeking, in einem bemerkenswerten Spiegel-Interview der ausgehenden Woche zu Wort gemeldet. Lesenswert, auch weil man damit gegenüber anderen in Diskussionen gut bestehen kann. Leider nicht im Netz frei verfügbar, gegen Gebühr bei SpiegelOnline.

Zum Standortwettbewerb fragt der Spiegel: „Aber gibt es eine Alternative zur Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder, in denen die Löhne nur einen Bruchteil so hoch sind wie in Deutschland?

Dazu Wendelin Wiedeking: „Wir haben uns wahrscheinlich zu wenig Gedanken darüber gemacht, was wir tun können, um auch hier wettbewerbsfähig sein zu können. Da wurden beispielsweise Motorenwerke nach Osteuropa verlagert, obwohl die Löhne dabei lediglich 6% der Gesamtkosten ausmachen. Aber der neue Standort lockte mit einem hohen Maß an Steuerfreiheit. Ich erwarte von der Politik, dass sie einen solch unfairen Standortwettbewerb innerhalb Europas unterbindet. Manche Länder können sich niedrige Steuern leisten, weil sie von der EU und damit vom Nettozahler Deutschland Geld überwiesen bekommen. So finanzieren wir den Abbau unserer eigenen Arbeitsplätze mit. Da muss man sich fragen: auf welchem Stern leben wir denn?“

Wiedeking zu den Gewinnen der „Heuschrecken“: „Wir müssen zumindest versuchen, ein Teil des Gewinns abzuschöpfen, der durch solche Geschäfte erzielt wird. Bislang bleibt davon nichts in Deutschland. Der Profit wird in dem Land versteuert, in dem der Fonds sitzt, oft auf den Cayman Islands oder den Bahamas. Außerdem müsste in Deutschland die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen abgeschafft werden. Damit werden alle belohnt die Unternehmen zerschlagen. Als das Gesetz erlassen wurde, habe ich dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder geschrieben, dass dies Unsinn sei.“


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