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Titel: Anmerkung zur FTD-Studie „Alle Bürger werden bei Abgaben entlastet“. Richtig ist: Es wird weiter umverteilt und zwar von unten nach oben.

Datum: 28. Oktober 2006 um 10:51 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Sozialstaat, Strategien der Meinungsmache
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In den Hinweisen vom 27.10.06 berichteten wir über eine Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts (FiFo) der Kölner Universität für die Financial Times Deutschland. Darin wird errechnet, dass die höheren Beiträge für Renten- und Krankenversicherung durch die geplante Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags mehr als ausgeglichen werden. Dem widerspricht einer unserer Leser mit guten Argumenten.

Die Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts Köln und der sich darauf beziehende FTD-Artikel sind gute Beispiele, wie interessensorientierte Wirtschaftsforschung und „Wirtschafts“-Presse Fakten verdrehen und die Wirklichkeit verfälschen.

Schon die Überschrift “Alle Bürger werden bei Abgaben entlastet” ist schlicht falsch. Von den 82 Millionen Einwohnern und etwa 39 Millionen Erwerbstätigen Deutschlands zahlen – hoch geschätzt – 26 Millionen Erwerbstätige Beiträge in die gesetzliche Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung.
Wenn es durch die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags unter dem Strich zu einer Entlastung käme, dann wären auch nur diese 26 Millionen davon begünstigt, wenn es denn überhaupt zuträfe, dass die Arbeitslosenbeiträge stärker sinken würden als Krankenkassen- und Rentenbeiträge steigen.
Alleine die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner aber sind ausschließlich von höheren Krankenkassenbeiträgen und Zuzahlungen betroffen, denn sie zahlen höhere Abgaben, weil sie von der Senkung der Arbeitslosenbeiträge nicht profitieren.

Dass das von der FTD beauftragte Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Kölner Universität die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung nicht in die Berechnung einbezogen hat, wird zwar im Schlusssatz des Artikels erwähnt, gerade dass diese Erhöhung aber nicht berücksichtig wird, ist methodisch fragwürdig.
Denn ein Teil der Mehrwertsteuererhöhung (ca. ein Prozentpunkt) in Höhe von sechs Milliarden Euro wird zur Senkung des Arbeitslosenbeitrags um einen Prozentpunkt für die Arbeitgeberseite aufgewandt. Ein weiterer Prozentpunkt (der Anteil, der auf die Arbeitnehmer entfällt) wird aus „Überschüssen“ der Bundesanstalt für Arbeit aufgebracht. Diese „Überschüsse“ wiederum sind jedoch vor allem durch Kürzungen der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld und durch massive Einschnitten bei arbeitsmarktpolitischen Wiedereingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur entstanden.
Wenn man also die Entlastung auf der Arbeitnehmerseite bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen genauer unter die Lupe nimmt, kommt man zu dem Schluss, dass hier “innerhalb der Klasse” umverteilt wird. Die Arbeitnehmer zahlen ein Prozent weniger Beiträge um den Preis, dass die Leistungen „ihrer“ Arbeitslosenversicherung verschlechtert werden.

Und die sechs Milliarden Euro Entlastung für die Arbeitgeberseite aus der Mehrwertsteuererhöhung bezahlen wiederum alle Verbraucherinnen und Verbraucher, also insbesondere Menschen, die den allergrößten Teil ihres verfügbaren Einkommens „verkonsumieren“, nämlich vor allem Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose, Schüler und Studenten.
Die Überschrift “Alle Bürger werden bei Abgaben entlastet” ist somit eine glatte Irreführung.

Bei einer realistischen Analyse der sozial- und steuerpolitischen Maßnahmen hätte es heißen müssen:

Es wird weiter umverteilt – und zwar von unten nach oben.


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