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Titel: Noch einmal zu den Folgen der Steuerbefreiung bei Verkauf von Aktienpaketen und wie es dazukam.

Datum: 4. Februar 2007 um 12:31 Uhr
Rubrik: Drehtür Politik und Wirtschaft, Steuern und Abgaben
Verantwortlich:

In diesem Beitrag geht es um drei zusammenhängende Sachverhalte:

  1. die Ergebnisse der Recherchen unserer Leser zu meiner Anmerkung http://www.nachdenkseiten.de/?p=2055, welche Berater hinter der Steuerbefreiung der so genannten Heuschrecken stecke, liege im Dunkeln. Ihre Recherchen sind sehr hilfreich, siehe unten. Danke schön.
  2. Wozu die mit der Steuerbefreiung beabsichtigte Zerschlagung der Deutschland AG führt, erleben viele deutsche Unternehmen täglich. Sie werden ausgenommen, wie es jetzt wieder bei Cewe Color versucht wird.
  3. In einem der recherchierten Beiträge wird auch der Frage nachgegangen, was denn die Steuerbefreiung an Investitionen gebracht habe.(Siehe dazu unter Zu 1a.)

Albrecht Müller.

Zu 1. Ergebnisse der Recherchen der NachDenkSeiten-Freunde/innen zur Entstehungsgeschichte der Steuerbefreiung für die so genannten Heuschrecken (Ergänzung)

Es gingen eine Reihe von guten Hinweisen ein. Sie werden hier hintereinander gestellt. Dabei übernehmen wir die Texte unsrer Rechercheure in der Regel im Original.

  1. Schon in der ZEIT Nummer 37 vom 8.9.2005 stand ein spannendes Aufklärungs-Stück zum Thema:

    „Das größte Geschenk aller Zeiten
    Die Bundesregierung feierte ihre Unternehmensteuerreform – bis die Konzerne aufhörten, Steuern zu bezahlen
    Von Wilfried Herz“

    Und so beginnt der Artikel:

    „Mitten in der Nacht klingelte das Telefon bei Jörg Asmussen. Der Anrufer aus New York, ein Angestellter der Investmentbank Goldman Sachs, wollte von dem Referenten des deutschen Finanzministers wissen, ob er die Mitteilungen aus Berlin richtig verstanden habe. Ob es stimme, dass deutsche Kapitalgesellschaften künftig keine Steuern mehr auf die Gewinne zahlen müssten, die sie beim Verkauf von Aktienpaketen oder ganzen Tochterunternehmen erzielen. Der Beamte bestätigte die Information.“
    Quelle: ZEIT online: Das größte Geschenk aller Zeiten

    Wilfried Herz weist auch schon auf den Umstand hin, dass diese und die anderen Steuersenkungen im Rahmen der Steuerreform 2000 nicht die erwarteten Investitionen gebracht haben. Wenn man einigermaßen vernünftig denkt, dann weiß man, dass Unternehmen nicht investieren, weil ihnen die Steuern gesenkt werden. Das ist ein Faktor unter vielen. Viel wichtiger sind die Absatzerwartungen zum Beispiel. Siehe dazu auch eine ausführliche Darstellung zur Investitionsfunktion in „Die Reformlüge“.

  2. Wir hatten am 1.2. schon auf die mögliche Rolle des Finanz-Vorstands der Allianz AG hingewiesen. In Ergänzung zu diesem Artikel über Paul Achleitner und dem verlinkten Capital-Artikel ist das folgende vielleicht noch interessant:
    1996 musste Paul Achleitner seine Hochzeit aus beruflichen Gründen verschieben. Seine Frau war ihm nicht böse und sie fühlt sich aufgrund seiner geringen Freizeit nicht vernachlässigt.
    Frau Prof. Dr. Dr. Ann-Cristin Achleitner ist bei der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft tätig. (Quelle: INSM)

    Anmerkung Albrecht Müller: Ich mache mir dabei so meine Gedanken darüber, wie üppig die Mittel für eine Lobbyorganisation wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fließen können, wenn sie aus den steuerfrei gestellten Gewinnen bei Verkäufen von Aktienpaketen stammen. (Die hohen Gewinne der Deutschen Bank wie der Allianz AG haben auch damit zu tun.) Wir Steuerzahler finanzieren so auf ziemlich direkten Wege die Propaganda gegen unsere eigenen Interessen.

  3. Anknüpfend an den Artikel in der Zeit zur Lobby-Arbeit im Vorfeld der “Heuschrecken-Reform” bringt folgender Link evtl. weiteres Licht ins Dunkel: www.cbgnetwork.org – Kein “Gewinn im Sinne des Steuerrechts”

    Der Weg des Lobbyisten Zitzelsberger führte ihn vom Finanzministerium zur Bayer AG und von dort wieder zurück ins Finanzministerium (1999-2002), wo er auch im Sinne seines Ex-Brötchengebers “segensreich” wirkte.

    Ein Blick auf die Struktur des Bayer-Aufsichtsrates ist auch in vielfacher Hinsicht interessant.

    Neben dem guten Dr. Achleitner sind die Herren Ekkehard D. Schulz (der das Thyssen/Krupp-Konglomerat führt, bei dessen Entstehung Achleitner seinem Freund Cromme beratend zur Seite stand), Josef Ackermann, Klaus Kleinfeld, Hans-Olaf Henkel und Manfred Schneider vertreten – ein Fest der “Beeinflusser”!
    Nun wird allmählich klar, in welch giftiger Brühe das Eichelsche Steuergeschenk ausgebrütet wurde…
    Schönes Wochenende trotz allem, Danke

  4. Zum Statement

    Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Berater dafür gesorgt haben, dass die Gewinne der so genannten
    Heuschrecken zum 1.1.2002 von der Steuer freigestellt worden sind.” … Wenn Sie noch mehr wissen oder recherchieren können, dann sollten Sie uns einen Tipp geben. Albrecht Müller.

    fällt mir ein damaliger, Artikel in der Süddeutschen Zeitung ein. Der Urheber dieses finanzwirtschaftlichen Debakels war, so glaube ich mich zu erinnern, ein Ministerialer namens Zitzelsberger. Die Motive lagen im Aufbrechen der sog. “Deutschland AG” …

    Die Aufarbeitung dieses Themas verfolge ich mit Interesse, da in unserem Geschäft (internationaler Großanlagenbau) nach der Technik auch makroökonomische Fragestellungen eine wichtige Rolle spielen, also viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit.

    Schlussbemerkung Albrecht Müller: es könnte sein, dass ich wegen des hohen Anfalls von E-Mails und meiner Abwesenheit einige Ihrer Rechercheergebnisse übersehen habe. Das täte mir leid. Ich bitte um einen Hinweis.

Zu 2: Und wieder wird ein Unternehmen von Hedgefonds in Schwierigkeiten gebracht. Von uns steuerlich gefördert sozusagen. Denn das massenhafte Auftreten dieser so genannten Investoren, die letztlich in vielen Fällen keine Investoren sondern Fledderer sind, hat eindeutig mit der Steuerbefreiung zu tun. Das belegen auch die unter Zu 1 zitierten Beiträge.

Hier der FR-Bericht über ein Ausbeutungsversuch in Oldenburg:

“Erpressung”
Widerstand gegen Hedgefonds
Hedgefonds fordern von Cewe Color eine Sonderausschüttung. Der Fotodienstleister lehnt solche Zahlungen an Aktionäre ab, da sie dem Unternehmen schaden und ihm die Zukunft verbauen würden.
Quelle: FR


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