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Titel: Expertenkommission Forschung und Innovation – Krawallige Pressemitteilung, realitätsferne Analyse

Datum: 4. März 2014 um 9:04 Uhr
Rubrik: Energiepolitik, Energiewende, Strategien der Meinungsmache
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Eine Meldung der Süddeutschen vom 26. Februar, die sich auf eine Meldung der FAZ vom 25. Februar bezog, schreckte auf. Die Quelle, nämlich die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) des Bundestages weckte Erwartungen und Neugier. Sollte endlich eine fundierte Analyse aus unabhängigen Kreisen etwas zum technischen Fortschritt und zum Technologietransfer bei Erneuerbaren Energien sagen und uns erläutern, inwieweit welche Innovationen zu den teils dramatischen Preissenkungen und wesentliche Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit in der Stromerzeugung geführt und ob, wie und in welchem Umfang das EEG dazu beigetragen hat?

Wer mit dieser Erwartung die Studie liest, wird schwer enttäuscht. Es findet sich darin eine zweiseitige Wiederaufnahme des EEG Themas aus dem Jahresgutachten 2013, die unter Bezugnahme auf zwei neuere Veröffentlichungen die Aussagen des Vorjahres verschärft. Von Ernst E. Neuer.

(In einer ersten Version des Beitrags war die Vermutung einer Manipulation der Aussagen der Kommission bei der Aufbereitung in der Pressemitteilung erhoben worden. Der Autor nimmt diese zurück und bittet um Entschuldigung.)

In dem EFI Jahresgutachten 2013 findet sich zu den Innovationswirkungen des EEG der Absatz:

Das EEG eröffnet durchaus Räume für inkrementelle Innovationen*, da die Anlagenbetreiber Technologien nachfragen, bei denen das Verhältnis zwischen Produktionskosten und Einspeisevergütung pro produzierte Stromeinheit am vorteilhaftesten ist. Die Anreize des EEG für die Entwicklung radikaler Technologie-Innovationen sind jedoch gering, da die durch das EEG zugesicherte Vergütung auf der Basis der Durchschnittskosten der jeweiligen Technologien berechnet wird. Ein potenzieller Innovator verdient an einer (ex-post) kostengünstigen Technologie nicht mehr als an einer schon vorhandenen, risikobehafteten Investitionen in die technologische Neuerungen lohnen sich demnach nicht. (Fußnote verweist auf Peters et.al.) (S. 56)
(* Inkrementelle Innovation = stetige und schrittweise Verbesserung von bestehenden Produkten und Prozessen)

Die Autoren Peters et al. haben hier eine diskussionswürdige Differenzierung zwischen inkrementellen Innovationen, die ja in der Summe sehr groß sein können, und radikalen Innovationen gemacht. Und man hätte jetzt dazu gern mehr und am besten Quantitatives erfahren.

Die EFI Pressemitteilung zum Jahresgutachten 2014 „EFI – Gutachten: EEG fördert weder Klimaschutz noch Innovationen“ [PDF – 24.5 KB] sagt: Das EEG mache den Strom teurer, trage aber weder zu mehr Klimaschutz bei noch habe es zu Innovationen geführt, so das Fazit der Experten in ihrem aktuellen Jahresgutachten.

Offenbar glauben die Experten im Laufe des Jahres Belege gefunden zu haben, und so knüpft der Text des Gutachtens 2014 an den von 2013 direkt an:

Da sich die Vergütung nach den Durchschnittskosten richtet, verdient ein Innovator an einer neuartigen Technologie nicht mehr als an einer schon bestehenden, jedoch ist die Investition in die neuartige Technologie mit mehr Risiko verbunden.

In der Fußnote 130 dazu einschränkend:

Dagegen kann Wettbewerb zwischen Technologieanbieter einen Anreiz zur kostensenkenden Weiterentwicklung bestehender Technologien ausüben. Damit verbundene, inkrementelle Innovationen werden ggfs. nicht vollständig in der Patentstatistik erfasst.

Mit dieser Fußnote entwerten die Autoren selbst den wichtigsten Beleg, den sie anführen, nämlich:

Eine aktuelle Analyse, die speziell die Innovationswirkung der Einspeisevergütungen des EEG von 2000 bis 2009 technologiespezifisch untersucht, findet in keinem Technologiebereich einen positiven Zusammenhang.

Die betreffende Fußnote 129 lautet dann kryptisch:

Eine steigende Nachfrage gemessen am gesamten Stromverbrauch sowie steigende Verbraucherpreise für Strom führen zu einem sehr viel deutlicheren Anstieg der Patentanmeldungen. Vgl. Böhringer et al. (2013)

Zitiert ist hier eine noch unveröffentlichte Untersuchung, an der zwei der Kommissionsexperten direkt beteiligt sind, in englischer Sprache und dankenswerterweise öffentlich zugänglich.

Die Leser mögen verzeihen, wenn es jetzt etwas speziell wird, aber es ist aufschlussreich: Die Autoren haben hauptsächlich die Einspeisetarife für die einzelnen Technologiegruppen (Photovoltaik, Wind, Biomasse, Geothermie, und Wasserkraft) als zu messende Einflussfaktoren und die jeweiligen Patentanmeldungen in Beziehung gesetzt. Schaut man sich einmal die Eingabedaten der Einspeisetarife an, gewinnt man den Eindruck, dass hier gar nichts Brauchbares herauskommen kann. Wenn man sich vor Augen führt, wie diese durchschnittlichen Einspeisetarife als Durchschnittswerte für neue und ältere und unterschiedliche Anlagen mit verschiedenen Preisen zustande kommen und, dass sie aufgrund einer Verschiebung in den Anteilen der Anlagetypen auch steigen können, obwohl das ganze Gefüge der Tarife nach unten angepasst wird, fragt man sich, was diese Zeitreihen mit den Zeitreihen der Patentanmeldungen für die jeweiligen Technologien zu tun haben sollen. Wenn sich daraus erwartungsgemäß kein positiver Zusammenhang ergibt, ist das methodisch Ökonometrie, aber es fehlt die Logik in der These, die zu prüfen war.

Dann kommt Beleg Nr. 2:

Eine empirische Untersuchung für den Zeitraum 1990 bis 2005 kann eine Innovationswirkung von Stromeinspeisevergütungen für erneuerbare Energien in Deutschland lediglich für Windenergie feststellen.

Schaut man auch hier die in der Fußnote 128 zitierte Untersuchung von Wangler an, so findet man nach der Kurzdarstellung, dass dieses Zitat auch lauten könnte, dass die Innovationswirkung besonders bei Windenergie festzustellen war.

Vor diesen beiden wird noch eine ganze Gruppe von Studien als Beleg zitiert:

Empirische Studien, welche auf dieser Basis die Innovationswirkung einer Absatzförderung von erneuerbaren Energien in Deutschland bewerten, zeichnen kein positives Bild.

Wenn man die dazugehörige Fußnote 127 liest, verstärkt sich der Eindruck, dass die Autoren selbst den Beleg nicht für so eindeutig halten, weil die Referenzen offenbar doch einen positiven Zusammenhang sehen:

International vergleichende ökonometrische Studien finden für die vergangenen 30 Jahre teilweise einen positiven Zusammenhang zwischen Innovationsaktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien und nachfrageseitigen staatlichen Eingriffen. Einzelne Studien für Windkraft oder Photovoltaik stellen zudem eine positive Wirkung auf die nationale Innovationstätigkeit durch nachfrageseitige Fördermaßnahmen im Ausland fest. Gemein ist diesen Studien allerdings, dass jeweils aggregierte Effekte über mehrere Länder hinweg betrachtet werden bzw. die Beobachtungszeiträume weit vor der Einführung des EEG im Jahr 2000 beginnen. Zudem werden in der Regel nachfrageseitige Politikinstrumente nicht differenziert, insbesondere werden feste Einspeisevergütungen nicht gesondert betrachtet. Vgl. Johnstone et al. (2010), Peters et al. (2012), Walz et al. (2011), Dechezleprêtre und Glachant (2013) sowie Hoppmann et al. (2013).

Ob man aufgrund dieser Belege zum EEG mit den Experten schließen kann

Es entfaltet gerade in denjenigen erneuerbaren Technologien, in die der Großteil der EEG-Förderung fließt – der Photovoltaik, der Windenergie und der Biomasse (vgl. Tabelle 1) – nach derzeitigem Erkenntnisstand keine messbare Innovationswirkung

bleibt dem Leser überlassen.

Zu dem längeren Gutachten von 2013

Im EFI-Jahresgutachten 2013 findet sich ein 20-Seiten Kapitel “Koordination von Klima-, Energie-und Innovationspolitik“ als eines der Kernthemen. In diesem Kapitel werden jeweils Klimapolitik (im Wesentlichen das Europäische Emissionshandelssystem – ETS), Energiepolitik (im Wesentlichen EEG und ein wenig Energieeffizienz) sowie Innovationspolitik (im Wesentlichen die Energieforschungspolitik) und dann die (mangelhafte) Politikkoordination dargestellt und im Hinblick auf Innovationen beurteilt. Mit fortschreitender Lektüre wächst die Enttäuschung darüber, dass Innovationswirkungen zwar hier und da – unter anderem – angesprochen, aber überhaupt nicht empirisch belegt, geschweige denn quantifiziert werden. Die «Analyse » besteht aus theoretischen Ableitungen denkbarer oder eben mangelnder Effekte mithilfe ökonomischer Konzepte.

Der größte Teil der Ausführungen bezieht sich gar nicht auf die Innovationswirkungen, sondern auf die Diskussion von Marktversagen und auf eventuelle externe Effekte, die jeweils politische Intervention erlauben würden. Es ist gespickt mit Erläuterungen von Fachbegriffen. Es liest sich wie eine Hausarbeit an einem volkswirtschaftlichen neoklassisch orientierten Lehrstuhl, die sicher eine exzellente Note bekommen hätte. Bei einer Hausarbeit ist ja auch keine Zeit, eigenständige empirische Forschung zu treiben.

So werden dann die Mängel des ETS identifiziert, wofür man dann später Empfehlungen geben kann. So wird dann eben das EEG kritisiert, unter anderem auch für die mangelnden Innovationswirkungen, im Wesentlichen belegt durch obiges Zitat.

Wie schon gesagt: Dazu hätte man gern mehr und belegte Ausführungen gelesen. Da hätte dann z.B. auch stehen müssen, dass die Innovationen, die wir in den letzten 20 Jahren in der Wind- und Solarenergie und die irrsinnigen Preissenkungen bei PV Modulen speziell der letzten 5 Jahre erfahren haben, lediglich auf “inkrementelle” Innovationen zurückzuführen waren.

Wenn man sich weiter mit dem Text beschäftigt, schlägt die Enttäuschung in Erstaunen um: Als Alternative zum EEG, d.h. zum Instrument der festen Einspeisetarife, bieten die Innovationsforscher ausgerechnet die Grünstromquoten/Zertifikate an. In den neunziger Jahren mit großer Unterstützung des Großteils der Ökonomen-Zunft erstmals in den Niederlanden und in GB eingeführt, wurden sie entweder gleich wieder abgeschafft (in den NL) oder immer wieder nachgebessert und in eine Hybridform (mit Banding etc. ) überführt, unter anderem aus dem Grund, dass sie überhaupt keine Innovationen mit sich brachten, keine inkrementellen und nicht einmal infinitesimale (kleinste). Weltbank-Experten empfahlen die Quote-Lösung auch in Entwicklungsländern – übrigens mit dem Argument, dass sie mehr Innovations- und Kostensenkungs-Anreize habe. Angesichts der Erfahrungen in NL, GB einerseits und in Deutschland andererseits mussten sie ihre Empfehlung ändern, wie auch die Internationale Energieagentur.

Im Jahresgutachten 2014 machen die EFI-Gutachter den Vorschlag Grünstromquoten/Zertifikate nicht wieder, vielleicht aus Platzmangel oder in der Erkenntnis, dass die Bundesregierung mit dem EEG 2.0 schon so weit vorangeschritten ist, und dieser Vorschlag des RWI (Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung), des Sachverständigenrates sowie der Monopolkommission, den auch die NachDenkSeiten seinerzeit kommentiert haben keine Chance zur Verwirklichung hat.


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