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Titel: Wieder eine Woche voller Absonderlichkeiten.

Datum: 5. März 2007 um 11:17 Uhr
Rubrik: Klimawandel, Privatisierung, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Auch die letzte Woche war voll von Ungereimtheiten und merkwürdigen Äußerungen unserer führenden Personen in Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft. Ich notiere, was mich gewundert hat. Der Text betrifft den Klimawandel, die Krise beim Airbus-Konzern, die Krise bei der Deutschen Telekom, die ökonomische Lage und den weiteren Niedergang der Löhne. Im folgenden

  1. Ist Klimawandel etwas neues?

    In der ausgebrochenen Debatte musste man den Eindruck gewinnen, dass die führenden Politiker und Medienleute gerade eben erst entdeckt haben, dass es so etwas wie ein Problem mit dem Klima gibt. Irgendwie muss unsere gesamte Führungscrew die letzten 20 bis 30 Jahre verschlafen haben.
    Jetzt plötzlich geben sie sich problembewusst, zum Teil albern, zum Teil radikal. Urlaub nur noch in Deutschland. Die CSU will konventionelle Autos verbieten – aber erst später.

    Umweltsünder sollen bald an den Pranger:
    Verkehrsminister Tiefensee plant einem Zeitungsbericht zufolge eine Ökoplakette für Autos, damit Verbraucher auf Anhieb den Energieverbrauch erkennen können.
    Quelle: SpiegelOnline.

    Mit dem hyperaktiven Einsatz machen eine Reihe der Akteure vergessen, dass sie bisher viele der möglichen Maßnahmen bekämpft haben: die Ökosteuer und das Tempolimit zum Beispiel. Ich erinnere mich noch gut an die vermutlich abgestimmte Kampagne von Union und ADAC gegen Tempolimit zu Beginn der Achtzigerjahre. „Freie Fahrt für freie Bürger“ hieß damals die gängige Parole. Und die Regierung Kohl hat dann mit dem Regierungsbeginn 1982 ziemlich aufgeräumt mit dem ökologischen „Quatsch“.
    Keine Regierung hat bisher einen ernsthaften Versuch unternommen, das Kerosin zu besteuern, wie das mit dem Kraftstoff für Straßenfahrzeuge geschieht. Nichts, das war total tabu. Und ist es wohl auch weiterhin. Daran sollte Bundesminister Tiefensee mal denken. Das wäre erfolgreicher als seine Ökoplakette.

  2. Die Krise bei Airbus.

    Da soll Personal abgebaut werden und einzelne Werke sollen verkauft werden. Auch diese Krise fiel für die deutsche Öffentlichkeit quasi aus dem Himmel.
    Es gab und gibt eine Debatte um die Verantwortung des Managements für die Misere. In der Tat muss man sich fragen, ob die richtigen Leute an der Spitze sind. Alleine die Verzögerungen beim super großen Airbus A 380 haben doch etwas mit Management-fehlern zu tun. Selbst als Unbeteiligter, jedenfalls als Steuerzahler, fragt man, ob die Leute an der Spitze von Airbus gut genug sind. Ich bin sehr skeptisch geworden, als ich ein Interview des obersten Chefs des Unternehmens Louis Gallois in der Süddeutschen Zeitung gelesen habe. Wörtlich: „Wir tun, was wir tun wegen der Schwäche des Dollar, nicht wegen irgendwelcher Fehler. Wenn der Dollar um 0,10 € sinkt, verlieren wir eine Milliarde Euro beim Nettogewinn.“

    Wenn dieser Mann nicht vorhergesehen hat, dass der Dollar um 0,10 € und um vieles mehr sinken kann, und dass dies höchstwahrscheinlich auch weiter gilt, weil die USA jährlich ein hohes dreistelliges Milliarden-Defizit bei der Leistungsbilanz „erwirtschaften“, dann ist er völlig fehl am Platz. Wenn nämlich die Gläubiger der USA, meist in Asien, den Glauben an den Dollar verlieren, dann wird er im Wert um das mehrfache sinken. Dieses Risiko muss der Chef von Airbus doch sehen.

    Ansonsten fällt auch bei dieser Krise auf, dass im wesentlichen die Arbeitnehmer die Betroffenen sein werden.

    Eine ehrliche Analyse würde auch einbeziehen müssen, dass die ständige Subvention des Flugzeugbaus angesichts der Klimaänderung auf Dauer schon ziemlich absurd ist. Siehe oben.

    Dieses Thema will ich nicht abschließen, ohne auf einen wirklich bemerkenswerten Kommentar des Wirtschaftsredakteurs der Süddeutschen Zeitung Ulrich Schäfer hinzuweisen. Er führte die Probleme im Flugzeugbau unter anderem darauf zurück, dass nicht berücksichtigt werde, dass auch der Flugzeugbau dem Schweinezyklus unterliegt. Das ist bei nur zwei maßgeblichen Produzenten auf der Welt nahezu absurd, jedenfalls komisch. Die Fehldispositionen und Fehleinschätzungen gründen vermutlich viel mehr auf der lange Zeit euphorischen und unkritischen Berichterstattung zum Flugzeugbau im allgemeinen und zu den Verkäufen von Airbus im besonderen.

  3. Krise bei der Telekom.

    Da fiel mir vor allem ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung auf. Da wurde Telekom, Post und auch noch die Bahn miteinander vermengt und die Krise der heutigen Telekom der alten Behörden-Post/Telekom zugeschrieben. Erweist sich die tausendmal hochgelobte Privatisierung der Telekom und vielleicht auch der Post als fragwürdig, dann sind die ehemaligen staatlichen Unternehmen schuld. Dazu einige subjektive Anmerkungen:

    • Die Unternehmensleitung hat die Flucht der Festnetzkunden einfach verschlafen.
    • Ich habe als Kunde der früheren Fernmelde-Post mehr Gebühren bezahlt, aber ich bin um vieles besser bedient worden. Ich wusste, an welcher Stelle und an wen ich mich in der Region zu halten habe. Wenn ich jetzt anrufe, weil etwas nicht funktioniert, werde ich von einer Stelle zur andern weitergeleitet.
    • Das liegt am wenigsten an den Mitarbeitern/innen. Es liegt eindeutig an der permanenten Umorganisation. Auch jetzt plant man wieder eine Umorganisation. Mit neuen Unternehmensnamen übrigens. Die Festnetzsparte soll T-Home heißen. Das ist weder sexy noch Deutsch. Ich neige überhaupt nicht zum Nationalismus, aber es ist der helle Wahnsinn, wenn ein Teil, immer noch ein großer Teil unseres Volkes, dem die englische Sprache nicht nahe ist, mit solchen Wörtern belästigt wird.
    • Vom Chef der Telekom las ich auch, dass die Telekom nicht darum kämpfen will, den Niedergang bei den Festnetzkunden zu stoppen. Das wurde in den Medien als realistisch gelobt. Dennoch weckt es Verdächte, wenn der gleiche Manager davon redet, dass man sich vor allem in Osteuropa weiter einkaufen wolle.
    • Obermann sprach auch davon, 6% Kapitalrendite sei nicht genug. Da steht er offenbar unter Druck des 4,5%-Eigentümers Blackstone oder vertritt freiwillig Interessen dieses amerikanischen Investors. Blackstone hat schon wesentlich die Berufung von Obermann an die Spitze der Telekom beeinflusst. Vermutlich hat dieser Minderheitsaktionär mit dem Mehrheitseinfluss auch wesentlich die Strategie beeinflusst, vor allem die Entscheidungen zum Personalsparen.
    • Die Krise bei der Telekom erfasst man nicht, wenn man die Bedeutung der Liberalisierung und Deregulierung außer acht lässt. Damit wurde es möglich, dass Konkurrenten der Deutschen Telekom mit Billiglöhnen arbeiten, staatlich subventionierte Manager einsetzen und so die Telekom unter Druck setzen.
  4. Haben wir einen Boom?

    „Umsatzeinbruch im Einzelhandel“ meldet die Frankfurter Rundschau und schreibt weiter: „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat zu dem vom deutschen Einzelhandel befürchteten Umsatzeinbruch geführt. Die Erlöse sanken im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat nominal um 0,5 Prozent und preisbereinigt um 1,4 Prozent.“

    Gleichzeitig konnten Sie in vielen deutschen Blättern und anderen Medien in der vergangenen Woche auch wieder hören und lesen, dass wir einen großen Aufschwung, ja einen Boom, haben. An vielen am Binnenmarkt orientierten Unternehmen geht dieser angebliche Boom vorbei. Der Hinweis auf die Einbrüche beim Umsatz des Einzelhandels belegen dies. Es fehlt an Kaufkraft der ganz normalen Leute. Dazu passt das folgende Thema in der vergangenen Woche.

  5. Wie sollen sich die Löhne weiter entwickeln?

    Alles außer der neoliberalen Ideologie spricht für gute Tarifabschlüsse und damit höhere Löhne.

    Die Gegner dieser auch volkswirtschaftlich notwendigen Lohnentwicklung übersehen beflissen, was das Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche meldete. Hier eine Information mit Link:

    „Niedrigste Tarifstundenlöhne im 2. Halbjahr 2006 bei rund 5 Euro
    Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, lag der Niedrigstlohn für Friseure in Sachsen im zweiten Halbjahr 2006 bei 3,82 Euro. Das Wach- und Kontrollpersonal im Veranstaltungsdienst in Thüringen bekam einen Tarifstundenlohn von 4,38 Euro. In den alten Bundesländern wurden Beschäftigte im nordrhein-westfälischen Hotel- und Gaststättengewerbe mit einem untersten Tarifverdienst von 5,25 Euro am schlechtesten bezahlt. Kaum mehr bekamen Mitarbeiter im Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen mit 5,78 Euro im Nachtdienst.“
    Quelle: destatis.de

    Gegen die Einsicht, dass wir nun endlich steigende Masseneinkommen brauchen, stemmt sich SpiegelOnline mit einem dramatisierenden Stück des ehemaligen Chefredakteurs des ManagerMagazins, Wolfgang Kaden. Und zu dieser schrägen Geschichte ein Kommentar unseres Lesers Harald Siepmann auf seiner Webseite.

    Zur Lohndebatte passt auch noch ganz gut die Meldung, auf die wir am 2. März im kritischen Tagebuch schon hingewiesen haben:
    „Land NRW zahlt an Flick-Erben 70 Millionen Euro Steuern zurück. Eine „steuerbefreiende Selbstanzeige“ des verstorbenen Unternehmers beim Finanzamt ist verjährt.“

    So ist das in der Bundesrepublik Deutschland.


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