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Titel: Anzeigenkampagne der INSM: 2029: „3 Jahre länger leben minus 2 Jahre länger arbeiten = 1 Jahr mehr Rente“

Datum: 21. März 2007 um 17:43 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, INSM, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Rente
Verantwortlich:

Die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanzierte neoliberale Propaganda-Agentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ hat mal wieder eine flächendeckende Anzeigenkampagne zur Rente mit 67 geschaltet. Heute hat auch die FR eine Großanzeige mit der in unserer Überschrift genannten Rechnung abgedruckt. Eine unserer Leserinnen hat uns dazu folgenden Leserbrief geschickt.

Liebe Frankfurter Rundschau,

du bist mir seit langem eine treue Begleiterin. Du lieferst mir Informationen, über das übliche Maß hinaus und komplexer aufbereitet als dem Normalsterblichen oft lieb ist, und oft auch von einer anderen Seite als der Mainstream.
Beeindruckend war beispielsweise während des letzten Golfkriegs deine tägliche Einblendung, dass zur Kriegsberichterstattung eine Zensur stattfindet.

Nun schlage ich die heutige Ausgabe auf – und schon auf Seite 5 werde ich von einer halbseitigen Anzeige der INSM erschüttert – deren Inhalt äußerst primitiv die Erhöhung des Rentenalters propagiert.
Es wird mit einer einfachen Rechnung bewiesen, dass trotz der Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre unsere Rentensituation 2029 besser sein wird als heute.
Bevor ich auf die diversen Kurzschlüsse und Verdummungen dieser Milchmädchenrechnung eingehe:
Wie können Sie in Ihrer Zeitung eine solch ideologisierende Anzeige akzeptieren? Zeigt der neue Haupteigner/ Chefredakteur jetzt sein Gesicht?
Häufen sich diese verdummenden Inhalte noch mehr, muss ich mein Abo leider kündigen.

Zu der These der INSM:
In der Anzeige wird folgende Rechnung aufgestellt: da die Lebenserwartung in den nächsten 20 Jahren um 3 Jahre steigen wird, und wir dann 2 Jahre länger arbeiten müssen, bleibt immer noch 1 Jahr längerer Rentenbezug! Das ist toll! und für die gestiegene Lebenserwartung müssen wir halt länger arbeiten …
In den letzten 100 Jahren ist die Lebenserwartung um 30 Jahre gestiegen. Wie haben wir nur das Unmögliche geschafft, dies trotz kürzerer Lebens- und Wochenarbeitszeit zu finanzieren?
Zurück zur Milchmädchenrechnung: Es werden, wie üblich, wenige -hier: 2 – Parameter isoliert, diese vulgär zueinander in eine einfache Relation gesetzt, um die gewünschte Aussage zu erhalten. Alle anderen Parameter wie Produktivitätsfortschritt, tatsächliche Lebensarbeitszeit, Verteilung der Altersgruppen und deren Aufkommen an Sozialbeiträgen, Arbeitsmarkt und Menge der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, Ansteigen der Bildungszeiten und damit weniger Lebensarbeitsjahre; besonders auch die Betrachtung der Steigerung der Lebenserwartung ab Eintritt ins Rentenalter, die Gründe für die Steigerung, Zuwanderung usw… werden einfach weggelassen.

Einen einfach relativen Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Finanzierung der Renten herzustellen, ist hanebüchen.

Zu fragen wäre auch, warum der Aufwand, das Gesetz ist doch durch. Haben die entsprechenden Lobbys Angst vor dem Volkszorn, wo 80% der Bevölkerung angeblich diese Erhöhung ablehnt? Muss Stimmung schon für die nächste Wahl gemacht werden?

In diesem Sinne, liebe FR, gehe in dich. Wir brauchen dich, aber kritisch und umfassend informierend und nicht mit Ideologie-Schmieden verbandelt.

Deine
G.Sch.


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