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Titel: Staatsquote sinkt wie noch nie. Und das BMF will noch weiter senken.

Datum: 14. Juni 2007 um 13:34 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Markt und Staat, Privatisierung
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Die Staatsquote ging von 49,3% im Spitzenjahr 1996 auf 45,6% in 2006 zurück. In der Eurozone haben nur noch Irland, Spanien und Luxemburg niedrigere Quoten. Das geht aus einer Vorlage für Bundesfinanzminister Steinbrück hervor, über die die Süddeutsche Zeitung am 13.6. berichtete: ”Weniger Staat!” wird wahr. Wirtschaftsliberale Forderungen werden damit weitgehend eingelöst. Und Steinbrücks Beamte – und wohl auch der Minister selbst – halten eine weitere Senkung der Staatstätigkeit und der Staatsquote für unabdingbar. – Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass unsere Eliten in entscheidenden Funktionen ideologisch bestimmt sind und keine nüchterne, optimierende Abwägung vornehmen. Albrecht Müller.

Manche Produktions- und Dienstleistungen sind gut beim Staat, andere gut bei privaten Unternehmen aufgehoben. Wer meint, die Einbahnstraße Privatisierung sei der richtige Weg, erliegt einem, durchaus gängigen, Denkfehler. In meinem Buch „Die Reformlüge. 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren“ findet sich als Denkfehler 36 eine Analyse des Klischees „Der Staat ist zu fett geworden.“ Sie finden diesen Text auch in den NachDenkSeiten.

Im NachDenkSeiten-Beitrag zum FAZ Artikel von Kurt Beck vom 11.6. wiesen wir daraufhin, dass der SPD-Vorsitzende mit Steinbrück einen ausgewiesenen Wirtschaftsliberalen zu seinem Vize machen will und dass diese Absicht so gar nicht zu seiner Distanzierung vom Neoliberalismus passt. Die von der Süddeutschen Zeitung berichtete Haltung des BMF zur Entstaatlichung ist eine weitere Bestätigung dieser Bemerkung.

Im übrigen hat sogar der „Spiegel“ von dieser Woche darüber berichtet, dass in anderen Kreisen durchaus gesehen wird, dass es bei der Entscheidung, ob eine Sache/Dienstleistung öffentlich oder privat hergestellt wird, um eine Optimierungsfrage geht. Der Spiegel leitet seinen Bericht „Kommunen. Profis an der Spitze“ auf Seite 48 bis 50 mit folgenden Sätzen ein:

Jahrelang galt die Privatisierung städtischer Aufgaben als Rezept zur Sanierung öffentlicher Haushalte. Viele Bürgermeister steuern jetzt um: Neue kommunale Firmen kümmern sich oft besser und billiger um Energie oder Müllabfuhr.

Die gleiche Erfahrung haben auch schon Bund und Länder gemacht. Denken wir an die Bundesdruckerei oder an private Universitäten, die reihenweise gescheitert sind. Offensichtlich sind jedoch die Verantwortlichen auf der Bundesebene erfahrungsresistent. Ideologie und Denkfehler haben Vorfahrt.


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