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Titel: Betrifft: TTIP – Dass Vattenfall Deutschland verklagt, ist unangemessen, meint der Vorsitzende der schwedischen Linken

Datum: 27. November 2014 um 16:48 Uhr
Rubrik: Energiewende, Erosion der Demokratie, Globalisierung
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Das ist bemerkenswert, meinten zwei schwedische Freunde der NachDenkSeiten und übersetzten den Artikel von Jonas Sjöstedt. Er hat sich am 13. November mit einem Artikel in Svenska Dagbladet an herausgehobener Stelle (!, „SvD OPINION / BRÄNNPUNKT“) zu Wort gemeldet. „Es geht dabei um die Forderung nach einer Neuausrichtung des staatseigenen Vattenfall-Unternehmens und um Anmerkungen zu TTIP samt Schadensersatz-Klagen. Diese Themen sind ja auch in Deutschland von brennender Wichtigkeit. Die Ansicht und Argumentation von Jonas Sjöstedt zu diesem Problemkreis sind sicher auch für die NachDenkSeiten interessant“, schreiben L. Sch. und W. K. . Vielen Dank für die Übersetzung. Siehe unten als PDF. Es geht dabei auch um eine Schadensersatzforderung von Vattenfall an Deutschland wegen der Energiewende. Albrecht Müller.

Zur Einführung und zur Information über die Medien- und politische Konstellation in Schweden zitiere ich aus dem Begleitbrief:

„Seit geraumer Zeit sind wir tägliche und dankbare Leser (und Hörer) der NachDenkSeiten. Die gleichförmige Ausrichtung der schwedischen Mainstream-Medien steht der in Deutschland leider nicht nach, und wir möchten Ihren Beitrag zu unserer Information hier wirklich nicht mehr missen. Nach 8 Jahren bürgerlicher Allianz-Herrschaft mit teilweise sehr bedauerlichen Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche der Gesellschaft haben wir jetzt eine Regierungskoalition von Sozialdemokraten und Grünen, die für erforderliche Mehrheiten mit der Linkspartei zusammenarbeitet.“ Deshalb ist die Meinung des Vorsitzenden der schwedischen Linkspartei zu TTIP und speziell zu möglichen Schadensersatzforderungen von Firmen an Staaten nicht ohne Bedeutung.”

Es folgt der Artikel von JONAS SJÖSTEDT

Vorweg noch das schwedische Original [PDF – 233 KB]

Unangemessen, dass Vattenfall Deutschland verklagt

Vattenfall besitzen wir gemeinsam. Es sollte leitendes Energieunternehmen sein bei der Umstellung zu einer ökologisch nachhaltigen Energieversorgung, unabhängig davon, wo das Unternehmen tätig ist – aber dem ist heute nicht so. Es ist unangemessen, dass Vattenfall Deutschland verklagt wegen dessen Beschluss, die Kernkraft abzuwickeln. Die Regierung sollte dieses verhindern und dafuer sorgen, dass die Möglichkeit fuer Unternehmen, Staaten zu verklagen nicht weiter um sich greift, schreibt Jonas Sjöstedt (Linkspartei).

BRENNPUNKT / KLAGEN GEGEN STAATEN

Deutschland hat beschlossen, die Kernkraft abzuwickeln und auf erneuerbare Energien zu setzen. Diese Umstellung ist gerade im Gange. Das Unglueck in Fukushima hat hierbei grosse Bedeutung, es zeigt die enormen Risiken der Kernenergie. Auch die schwedische Regierung hat das Ziel, die Kernkraft als Energiequelle schrittweise abzuwickeln. Dies sind demokratische Beschluesse, die zu fassen die gewählten Volksvertreter in unseren jeweiligen Ländern das Recht haben. Dies ist ein Prinzip, und hier sollte auch derjenige einstimmen können, der in der Sachfrage anderer Ansicht ist.

Aber der deutsche Beschluss zur Kernkraftabwicklung wird angefochten von den Unternehmen, die die Gewinne machen, so auch von Vattenfall, das dem schwedischen Staat gehört. Vattenfall fordert jetzt Schadensersatz von Deutschland in Höhe von ganzen 4,7 Milliarden Euro, entsprechend 43 Milliarden schwedischen Kronen. Das ist eine völlig unangemessene Forderung. Die Linkspartei ist der Ansicht, dass die schwedische Regierung sich dafuer einsetzen soll, dass Vattenfall die Schadensersatzforderung zurueckzieht. Der deutsche Beschluss, die Kernkraft abzuwickeln, muss respektiert werden. Sowohl die deutsche als auch die schwedische Energiepolitik sollen demokratisch bestimmt werden, nicht durch Epressung und Drohung von Unternehmen.

Vattenfall hat grosse Fehlinvestitionen getätigt, nicht nur in Kernkraft, sondern auch in Fossilgas und Kohle. Dies belastet sowohl die Umwelt als auch die schwedischen Steuerzahler, denen das Unternehmen gehört. Vattenfalls Produktion verursacht mehr Treibhausgas-Emissionen als die gesamte schwedische Nation. Dies schädigt schwerwiegend Schwedens Glaubwuerdigkeit in der internationalen Klimaarbeit.

Das Vorgehen des Unternehmens bei der Braunkohleförderung in Deutschland hat bei der örtlichen Bevölkerung starke und berechtigte Proteste ausgelöst. Das Gleiche gilt fuer die Art und Weise, wie Vattenfall die Stromnetze in Städten wie Hamburg und Berlin betrieben hat, wo darueber debattiert wird, ob die Netze wieder in öffentliches Eigentum zurueckgehen sollen.

Es ist klar, dass Vattenfall eine neue Ausrichtung bekommen muss. Keine neuen Investitionen sollen in fossile Energien (Kohlegruben oder Kohlekraftwerke) getätigt werden. Ein verantwortungsbewusster Plan muss erstellt werden fuer die Abwicklung der Fossilkraft. Stattdessen sollen Vattenfalls verfuegbare Mittel fuer die Umstellung auf erneuerbare und nachhaltige Energiesysteme verwendet werden. Damit dies auf glaubwuerdige Weise geschieht, muss Vattenfalls Unternehmensleitung ausgetauscht werden.

Diesmal ist es Vattenfall, das Deutschland verklagt, aber das ist kein Einzelfall. Philip Morris hat Australien verklagt als man dort die Regeln fuer Zigarettenverpackungen änderte. Die Regeländerung erfolgte aus Gruenden der Volksgesundheit, aber sie bedrohte die zukuenftigen Gewinne von Philip Morris. Eine holländische Versicherungsgesellschaft verklagte Slowakien und gewann, als das Land neue Regeln fuer Profite aus Krankenversicherungen einfuehren wollte.

Das nächste Mal können es wir in Schweden sein, die verklagt werden wegen demokratischer Beschluesse, die wir gefasst haben. Gerade jetzt verhandelt die EU ueber zwei Freihandelsabkommen mit Kanada und USA. In diese Abkommen soll fuer Unternehmen das Recht eingehen, Staaten zu verklagen, wenn demokratisch gefasste Beschluesse zukuenftige Unternehmensgewinne schmälern könnten. In den Abkommen wird dies „Investitionsschutz“ genannt, aber es ist ein Untergraben der Demokratie.

Klagemöglichkeit gegen Staaten gibt es bereits bei einem Teil von Freihandelsabkommen, aber die Ausnutzung dieser Möglichkeit hat dramatisch zugenommen. Die Zahl der Fälle, da Unternehmen Staaten verklagen unter Hinweis auf den Investitionsschutz hat sich seit dem Jahrtausendwechsel fast verfuenffacht, laut UN-Organ UNDAC, das die Entwicklung bewacht. Die Abkommen geben Unternehmen die Chance fuer enormen Schadensersatz und werden zu einer Waffe, Staaten zu erpressen, damit sie bestimmte Gesetzgebung vermeiden. Neben diesen Grossunternehmen sind vor allem Anwälte und Juristen die grossen Gewinner bei den resultierenden langen und kostspieligen Prozessen. Verlierer sind die Umwelt, die Volksgesundheit und das Recht der Buerger, selbst demokratisch ueber Recht und Gesetz zu bestimmen.

Vattenfalls Forderung auf Schadensersatz zeigt, wie unangemessen es ist, dass internationale Abkommen Unternehmen das Recht geben, demokratische Beschluesse auszuhebeln. Die Regierung muss Vattenfalls Klage gegen Deutschland Einhalt gebieten und sich einer weiteren Verbreitung der Klagemöglichkeit gegen Staaten wiedersetzen. Die Demokratie muss an erster Stelle stehen.

JONAS SJÖSTEDT

Parteivorsitzender


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