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Titel: Russen-Hass und die Möglichkeit der Aufklärung

Datum: 18. Dezember 2014 um 11:59 Uhr
Rubrik: Anti-Islamismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Strategien der Meinungsmache
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Den Beitrag von Götz Eisenberg „Ausländer-Hass und die Grenzen der Aufklärung“ habe ich mit Interesse gelesen und zum größeren Teil mit Zustimmung. Aber ich denke, der Autor sieht die Möglichkeiten der Aufklärung zu eng und verkennt auch ein bisschen, wie sehr der Ausländerhass erzeugt, produziert, gefördert wird, mit öffentlicher Unterstützung und unter privater und öffentlicher Führung. Darauf hatte ich in meinem Beitrag von gestern schon hingewiesen.

Aber ich greife das gerne am Beispiel des früheren und wiederkehrenden Russen-Hasses noch einmal auf. Albrecht Müller.

Meine Generation wuchs in den fünfziger Jahren in einem Klima des militanten Russen-Hasses auf. Wir wurden in unseren Familien, in der Schule, im Hörfunk und später im Fernsehen darauf getrimmt. Das abgebildete Plakat ist nur eines von vielen Belegen dafür.

Der Russen-Hass war schon von den Nazis gefördert und beflügelt worden. In den fünfziger Jahren bildete er auch die gemeinsame Sauce von Altnazis und Christdemokraten/Christsozialen. Russen-Hass war wie Schutz und Nahrung für das Fortwirken der Nazis in der Nachkriegszeit.

Es gab auch ähnliche wie die von Götz Eisenberg als Belege für den Ausländer-Hass zitierten Sprüche und Formeln: “Geht doch rüber in die Zone“, „Ihr linkes Pack”. Und wie Adenauer „die Soffjets” aussprach, ist ein Musterbeispiel für intonierte Hassvermittlung.

Das war eine Dauerindoktrination und sie war hochwirksam. Die Russen erschienen uns wie Untermenschen. Und ihre Ableger im Westen, die Kommunisten, wurden verfolgt.

Aber einige wie etwa die Gruppe um den früheren Christdemokraten und späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, also z.B. Erhard Eppler, Johannes Rau und Diether Posser, und nicht zu vergessen die Zentrumsfrau Helene Wessels, haben dagegengehalten, auch einige Sozialdemokraten. Aber sie waren alle eine Minderheit und gar nicht mächtig. Die wenigen sozialdemokratischen Lehrer zum Beispiel, die uns in Grundschule und Gymnasium unterrichteten, hatten nichts zu sagen. Den Ton gaben die Altnazis und die Christdemokraten an. So jedenfalls in meiner Heimat, in Baden-Württemberg. Aber bei weitem nicht nur dort. In Hessen mag das ein bisschen anders gewesen sein.

“Wann wäre je ein Wahn einer vernünftigen Argumentation gewichen?”, fragt Götz Eisenberg mit Berufung auf Max Horkheimer. Ich denke schon: In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist das gelungen. Die Russen-Angst und der Russen-Hass sind einer beachtlich hohen Zustimmung zur Zusammenarbeit gewichen. Das ist sogar in den Umfrageergebnissen zum Verhältnis zu Russland heute noch zu spüren. Allerdings ist ganz und gar nicht auszuschließen, dass dieser Hass neu mobilisiert werden kann und auch wird.

Der Schlüssel für den Erfolg in den 1960er- und 1970er-Jahren war eine anderslautende und andersgeartete Indoktrination. Mit Begriffen wie Versöhnen und Entspannung- und Vertragspolitik, mit Gesten wie dem Kniefall Brandts in Warschau oder einer Bootsfahrt mit dem damaligen Generalsekretär der KPdSU Breschnew wurde auch emotional ein Durchbruch zum Abbau des Hasses geschafft. Eine wichtige Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg war allerdings, dass Gruppen aus verschiedenen Ecken unserer Gesellschaft am gleichen Strang zogen – Gewerkschaften und Industrie, Sozialdemokraten, Freidemokraten und Christdemokraten wie von Weizsäcker und später auch Helmut Kohl und ein beachtlich hoher Anteil der Medien.

Autor Götz Eisenberg nennt in seinem Beitrag selbst andere Gründe für die Verankerung und Förderung des Ausländerhasses, als er in seinem Text beschreibt und akzeptiert: Er zitiert Teilnehmer der PEGIDA-Demonstration mit der Quelle Heute-Show, die aus seiner Sicht den “richtigen Wahnsinn in die Mikrofone blubbern”. Ich zitiere:

“Der IS kommt zu uns rüber und schneidet uns die Köpfe ab”.

Wo kommt diese Wahnsinn denn her? Das ist das, was diese Leute täglich von höchster Stelle, von US-amerikanischen Präsidenten und von deutschen politischen Führungsfiguren wie auch medialen Führungsfiguren gesagt und vermittelt bekommen. Dort wird so geblubbert. Fast wörtlich. Das ist antrainierter Hass, jedenfalls täglich neu verstärkter Hass. Und wenn ich über die Möglichkeiten der Aufklärung philosophieren will, dann muss ich das beachten und muss auch die Chancen sehen, die darin lägen, wenn von offizieller Seite begonnen würde, diesen Hass an der Wurzel zu packen. Die Konzentration der Mittel und der Propaganda auf den militärischen Kampf gegen den Terror ist jedenfalls kein ausreichender Ansatz.

P.S.: Zum Ausländerhass in der ehemaligen DDR erreichte uns heute früh noch eine Mail einer Leserin der NachDenkSeiten. Diese Mail wird im Anhang wiedergegeben. Lektüre ist empfehlenswert.

Anhang:
Mail von Martina „Pegida und die Forschung nach Ursachen“ vom 18.12.2014 10:05h

Hallo zusammen,

es ist eine falsche Darstellung, wenn in den Medien (z.B. Presseclub) verbreitet wird, die Menschen der ehemaligen DDR hätten, was Ausländer angeht, unter einer Käseglocke gelebt und sie würden aus diesem Grund heute nicht mit dem Thema Ausländer umgehen können.

Zum Beispiel in Halle, Dresden, Leipzig (allein schon wegen der Messe!), in Guben, in Cottbus, in Schwerin haben damals Ausländer gelebt. Sie kamen verstärkt aus Vietnam, aus Kuba, aus Polen und z.T. aus Griechenland.

Sie lebten dort entweder aufgrund von Ausbildungsprogrammen mit den jeweiligen Ländern oder beantragten ihren ständigen Wohnsitz in der DDR, weil sie Familien gründeten.

Es gab natürlich auch Menschen, die mit den Ausländern „nicht viel anfangen“ konnten oder wollten.

Doch solche wird es immer geben.

ABER: Jede Ausschreitung gegen Ausländer – ob verbal oder tätlich – wurde von unseren Regierenden im Keim erstickt.

Stattdessen wurde Solidarität mit diesen Menschen eingefordert – sie war sozusagen Staatsdoktrin!

Was wir heute erleben, verdanken wir z.B. solchen Leuten wie einem Sarrazin, der mit seinen kruden Thesen ungestraft das Volk aufhetzen durfte und es immer noch tut.

Die Medien – mit der Bild an vorderster Front – haben ihr Übriges dazu getan.

Eine Meinungsfreiheit, die dazu missbraucht wird, um andere Menschen zu erniedrigen und zu ihrer Unterdrückung aufzurufen, hat mit Freiheit nichts mehr zu tun!

Auch das Thema NSU kennen wir zur Genüge und es sind bis heute keine wirklich ernsthaften Konsequenten dazu erfolgt, weil verschwiegen und vertuscht wurde.

„Die ich rief, die Geister, werd` ich nun nicht los.“ Das rief der Zauberlehrling bei Goethe.

Doch sind wir immer noch nur Lehrlinge?

Sollten wir es nach 2 furchtbaren Kriegen nicht endlich besser wissen?

Der Kapitalismus geht für Profit über Leichen – und das im wahrsten Sinne des Wortes!

Divide et impera – das war und ist sein Prinzip.

Viele Grüße
Martina


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