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Titel: Young Leaders Akademie – auch ein Teil des reaktionären Netzes

Datum: 24. Juli 2007 um 9:29 Uhr
Rubrik: Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Markt und Staat, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich:

Mich erreichte eine interessante Mail eines aufgeweckten jungen Menschen, der an einem Treffen der genannten Akademie teilnahm. Den doktrinären Charakter dieser Einrichtung kennen sicher viele Schüler/innen und Lehrer/innen nicht. Machen Sie in Ihrem Bekanntenkreis bitte darauf aufmerksam, damit sich die eingeladenen jungen Leute vorbereiten können. Es folgt die Mail an die Redaktion der NachDenkSeiten.

„Mit großem Interesse lese ich gerade ihre Bücher Machtwahn und Reformlüge. Ersteres erinnerte mich auch an meine Teilnahme an der Young Leaders Akademie in Strausberg bei Berlin. Das ist eine fünftägige Akademie, an der etwa 100 ausgewählte, besonders engagierte Schülerinnen und Schüler teilnehmen dürfen (die Communication Consulting Network GmbH, welche die Veranstaltungen organisiert, hat leider keine Homepage.) Wir sollten dort lernen, was wir als “Eliten von Morgen” an ethischer Grundbildung brauchen. Zum Beispiel hörten wir diverse Vorträge zu Bioethik, Menschenwürde oder Verteidigungspolitik. Diese Akademien werden von der Stiftung politische und christliche Jugendbildung e.V. getragen, im Kuratorium sitzen Vertreter großer Unternehmen (z.B. Allianz, FAZ), der Politik und den Kirchen.
Wir nahmen dort auch an einem Jugend Presse Kongress teil, wo wir eine eigene Zeitung und einen Filmbeitrag erstellen sollten. Unter anderem durften wir N.F., eine Diplom-Volkswirtin der Ludwig-Erhard-Stiftung, interviewen, um dann einen Artikel darüber zu schreiben. Im fast 30 minütigen Interview ist meiner Gruppe schnell aufgefallen, dass sich Frau F. nur in vorgefertigten Sprachmustern ausdrückte und kritischen Fragen stets auswich, am Ende dann mit der Antwort “ein Patentrezept gibt es nicht”. Leider habe ich Ihr Buch erst 2 Monate später gelesen.
Ich dachte es wäre für Sie von Interesse, wie unser Zeitungsartikel dann aussah:

Wirtschaftswunder ohne Patentrezept
Wie die soziale Marktwirtschaft Deutschland ein Schnippchen schlägt

„Die beste Lösung für Deutschlands wirtschaftliche Probleme ist die soziale Marktwirtschaft”, meint N.F., Diplom-Volkswirtin der Ludwig-Erhard-Stiftung.
Der Grundgedanke dieses Lösungsansatzes ist Ludwig Erhards Theorie der sozialen Marktwirtschaft. Sie wurzelt in der freien Marktwirtschaft, nach der sich der Staat komplett aus der Wirtschaft heraushält. Die dadurch entstehenden Folgen wie beispielsweise soziale Ungerechtigkeiten versucht der Staat durch die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu vermeiden, die sich in der Freiheit, dem Wettbewerbsprinzip und der Subsidiarität („Hilfe zur Selbsthilfe”) ausdrücken.
Nach Ansicht der Ludwig Erhard Stiftung hat sich die soziale Marktwirtschaft in den Nachkriegsjahren bewährt und gezeigt, dass sie ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem ist. In den Jahren des deutschen Wirtschaftwunders nach 1948 bescherte die richtige Umsetzung des Konzeptes dem deutschen Volk Wohlstand durch stetig steigende Einkommen, Vollbeschäftigung und soziale Sicherheit.
In den folgenden Jahrzehnten nutzte man die erwirtschafteten Gewinne aber immer häufiger, um die sozialen Sicherungssysteme noch weiter auszubauen. Dies widerspricht Erhards Grundsatz der Subsidiarität darin, dass der Staat durch Reformen und Gesetze, beispielsweise der Frührente, immer mehr Einfluss auf das Wirtschaftssystem erlangt. Während diese Maßnahmen in den 60er und 70er Jahren noch finanzierbar waren, erwiesen sie sich schon bald als Klotz am Bein. Schon damals sah Erhard diese problematische Entwicklung voraus.
„Es wurde nicht langfristig genug gedacht, Verschuldungen sind kurzfristiges Denken, da die nachfolgenden Generationen die Schulden tilgen müssen. Heute merken wir die Auswirkungen der großzügigen Investitionen in das Sozialsystem”, erklärt N.F..
Um in den folgenden Jahren wettbewerbsfähig und überhaupt fähig zu bleiben, den Sozialstaat weiter zu tragen, muss Deutschland zu Erhards Grundsätzen zurückkehren, so die Stiftung.
Also darf sich der Staat nicht noch weiter in die Wirtschaft einbringen, sondern sollte sich eher zurückziehen, wie dies schon durch die Hartz-IV-Reform und die Praxisgebühren geschehen ist. Mögliche Lösungsansätze wären: eine Reform der Rentenpolitik zu mehr Eigenvorsorge, Selbstbeteiligung an den Kosten der Sozialversicherung und weitere Kürzung von wohlfahrtsstaatlichen Beiträgen. Dies ist kein Widerspruch zur Idee der sozialen Marktwirtschaft, denn in Erhards Sinne darf der Staat lediglich Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Investitionen in Bildung und Infrastruktur sind dennoch notwendig, da diese den nachfolgenden Generationen zugute kommen und eine sichere Versorgung gewährleisten.
Nur durch eine radikale Änderung der Reformpolitik kann Deutschland sich vor dem vollständigen Ruin retten. Vor allem die Ausgaben, die aus dem Sozialsystem resultieren, tragen maßgeblich zur Neuverschuldungen bei, so F..
Lösungsansätze in Form von alternativen Sozial- bzw. Wirtschaftsystemen, wie z.B. der Sozialismus oder die völlig freie Marktwirtschaft, haben laut der Ludwig-Erhard-Stiftung keine Zukunftschancen und werden sich nicht durchsetzen. „Ein Patentrezept wird es auch in der Zukunft nicht geben.” stellt N.F. jedoch klar.
Neben den logischen und fachlichen Fehlern sieht man auch, wie wir Jugendlichen als “Eliten von Morgen” schon zu Multiplikatoren dieser neoliberalen Ideologie gemacht werden sollen. In einem anderen Vortrag wurde uns unter anderem erklärt, dass wir mit Millionen Indern, die irgendwo in einer Gosse sitzen und mit ihrem Laptop arbeiten, konkurrieren werden, und dass wir lernen müssten, in der U-Bahn zu schlafen und rund um die Uhr zu arbeiten…

Trotzdem fand ich die 5 Tage auf dem Bundeswehrgelände (AiK) sehr interessant und bereichernd, alleine schon weil man Kontakte knüpfen und nette Leute kennen lernen kann. Aber diese Veranstaltungen sind ein weiteres Beispiel für Manipulation und dafür, wie weit die Netzwerke gehen.
Hoffentlich habe ich Sie jetzt nicht gelangweilt.

Mit freundlichen Grüßen“

P.S.: Gelangweilt hat mich dieser Bericht keineswegs. AM


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