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Titel: Die Reformen greifen: Bis zu 14,5 Prozent weniger Altersruhegeld für Neu-Rentner

Datum: 6. August 2007 um 9:11 Uhr
Rubrik: Demografische Entwicklung, Rente, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
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Die Renten-Reformen haben offenbar zu einer deutlichen Reduzierung der Altersruhegelder geführt. Wie die “Bild”- Zeitung unter Berufung auf Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund berichtet, sind die Bezüge für Versicherte, die im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen sind, im Vergleich zum Jahr 2000 um bis zu 14,5 Prozent gesunken. Danach erhält ein Mann in Westdeutschland heute eine durchschnittliche Netto-Rente von 790 Euro im Monat, im Osten sind es 836 Euro. Frauen bekommen 434 beziehungsweise 660 Euro. Das liegt unter anderem daran, dass Frührentner deutliche Abschläge hinnehmen müssen und dass Senioren mehr in die Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen müssen als früher. Wolfgang Lieb

Der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund, Dirk von der Heide, bestätigte der “Bild”-Zeitung die Entwicklung. Dank der Rentenreformen der letzten Jahren ist die gesetzliche Rente für den sog. Durchschnittsrentner dort angekommen, wo sie hinkommen sollte: an der Armutsgrenze. Das hat man also ganz konkret unter dem Tarnwort vom „Umbau“ des Sozialstaates zu verstehen.

“Die Verringerung der Rentenzahlbeträge bei Neu-Rentnern zeigt, dass die Rentenreformen und Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt wirken”, sagte von der Heide. Die Selbstverwaltung der Rentenversicherung und die Politik könnten auch “ein bisschen stolz” sein. Die Herausforderungen, die sich für die Alterssicherung aus der demografischen Entwicklung ergäben, seien “rechtzeitig” bewältigt worden. Dazu gehöre auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre.

Dass „Politik und die Selbstverwaltung der Rentenversicherung“ über diese drastische Rentenkürzung „ein bisschen stolz“ sein könnten, ist aus dem Munde eines Sprechers der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch blanker Zynismus.

Die gesetzliche Rentenversicherung ist für über 80 Prozent der Rentner die Haupteinkommensquelle. Konnte noch in den siebziger Jahren mit einer Rente von knapp 60 Prozent des Nettoeinkommens gerechnet werden, so ist das Rentenniveau drastisch abgesunken und bewegt sich auf die bisher vorgesehene Untergrenze von 43 Prozent zu. Das Unverantwortliche dabei ist, dass die im vergangenen Jahr in Ruhestand gegangenen Rentner noch nicht einmal die Chance hatten, sich durch eine private Riester-Rente vor der Altersarmut zu retten. Ihre Rentenansprüche wurden in den letzten Jahren ihres Arbeitslebens durch die von Schröder durchgesetzten und von Riester exekutieren Renten-„Reformen“ schlicht teilenteignet.

Nicht nur, dass durch die „Reformen“ das Vertrauen in die gesetzliche Rente zerstört wurde, um den Durchbruch zu einer privaten Altersvorsorge zu schaffen, nein, jetzt wird dieser Mammut-Deal zugunsten der Versicherungswirtschaft auch noch auf den Knochen derjenigen ausgetragen, die von diesem Geschäft zwischen Politik und Versicherungswirtschaft noch gar nichts ahnen konnten.

Zynisch ist gleichermaßen die Bemerkung des Sprechers der Deutschen Rentenversicherung, die Herausforderungen, die sich aus der demografischen Entwicklung ergäben, seien „rechtzeitig“ bewältigt worden.
Wir haben derzeit alles andere als ein demografisches Problem, wir haben die Babyboomer der sechziger Jahre im Erwerbsfähigenalter. Die aktuellen Kürzungen haben mit der Demografie rein gar nichts zu tun. Wir haben im Gegenteil über 200.000 Jugendliche, die keinen Ausbildungsblatz finden, wir haben inklusive der Arbeitnehmer, die in Warteschleifen sind oder die so wenig verdienen, dass sie Alg-II-Aufstocker sind, etwa 7 Millionen Menschen, die ohne Arbeit sind oder nur geringfügige Arbeit haben. Wir haben bei weit über der Hälfte der Arbeitnehmer einen erzwungenen und mit Rentenabschlägen sanktionierten Vorruhestand. Diese Herausforderungen des Arbeitsmarkts und damit gleichzeitig auch für die gesetzliche Rente wurden von „der Politik“ nicht „bewältigt“; gerade diese gravierenden Probleme hätten aber „rechtzeitig“ bewältigt werden müssen. Und für diese Fehlleistung der Politik dürfen nun die Neu-Rentner „bluten“.

Wir haben über den Irrweg der Renten-„Reformen“ und ihre politischen Hintergründe in zahllosen Beiträgen berichtet, dazu brauchen Sie nur einmal den Begriff Rente in unsere Suchfunktion eingeben. Deshalb ersparen wir uns an dieser Stelle die Wiederholung unserer Kritik.

Schlimm ist es, wenn jetzt dieses Versagen und die Tatsache, dass diese „Reformen“ auf dem Rücken der Neu-Rentner ausgetragen werden, als Erfolg verkauft wird.

P.S.:
Unter Umgehung der Trennung von Berichterstattung und Werbung bringt es Focus Online einmal mehr auf den Punkt, worum es bei der Rentenreform letztlich ging: Die gesetzliche Rente auf eine minimale Grundsicherung einzuschrumpfen, um den privaten Versicherern ein Milliarden-Geschäftsfeld zu eröffnen – und das mit staatlichen Subventionen. Am Schluss des Beitrags über die Rentenkürzungen heißt es dort bezeichnender Weise:

Mehr Geld im Alter
Jetzt 50% Zulagen vom Staat
Mit einer Riester-Rente sichern Sie sich zusätzliches Geld für Ihre Altersvorsorge. Niemand sollte sich diese Chance entgehen lassen.“
Quelle: Focus

Sehen sie dazu auch Klaus Brandner, den sozialpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der ZDF-Nachrichtensendung „heute“:

Wir wissen, dass das Rentenniveau sinkt. Wir haben aber Vorsorge getroffen, indem private und betriebliche Altersvorsorge durch staatliche Förderung, das ausgleichen sollen, was die gesetzliche Rente alleine nicht mehr leisten kann.

Wenn man diesen „Reformer“-Neusprech übersetzt, müsste das Zitat so lauten:

Wir wollten, dass das Rentenniveau sinkt, damit (nicht wir sondern) die Menschen sich zusätzlich ohne paritätische Finanzierung privat versichern und wir (die Steuerzahler) subventionieren dafür noch die Versicherungswirtschaft und die Arbeitgeberseite, damit die Arbeitnehmer für die private und betriebliche Altersvorsorge mehr bezahlen müssen, als sie für eine auskömmliche gesetzliche Rente je hätten leisten müssen.

So redet das ehemalige Mitglied im „Beirat für Zukunftsfragen der Altersversorgung“ des Allianz-Versicherungskonzerns.

Auf die Frage, was die Neu-Rentner von dieser „Vorsorge“ haben, geht er gar nicht erst ein.


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